Die Madagascar-Trilogie
gehört zu den ganz großen Rennern in der Welt des Animationsfilms.
Weltweit spülte das Franchise aus dem Hause DreamWorks Animation
über 1,88 Milliarden Dollar in die Kinokassen und allein in
Deutschland verkaufte das tierische Quartett Marty, Alex, Melman und
Gloria mehr als 16,75 Millionen Eintrittskarten. Mit ihrem immensen
Publikumserfolg geben die launischen Zootiere so manchem
Trickfilmliebhaber jedoch auch Rätsel auf. So auch mir. Denn die
chaotischen Komödien rund um die aus dem New Yorker Zoo ausgebüxten
Cartoonhelden haben weder die Spitzfindigkeit der ersten
Shrek-Teile, noch haben die Hauptfiguren solch
eine gewinnende Persönlichkeit wie die zentralen Helden in
Drachenzähmen leicht gemacht.
Dass die Madagascar-Streifen
dennoch zu überragenden Selbstläufern wurden, ist wohl zu nicht
unerheblichem Teil vier schwarz-weißen Nebenfiguren zu verdanken:
Den unberechenbaren, leicht durchgeknallten Pinguinen. Schon in Teil
eins wurden sie zu wahren Publikumslieblingen, in Part zwei
überflügelte ihr spritziger Subplot mühelos die eigentliche Story
und auch in Teil drei sorgten sie für herzliche Lacher. Kein Wunder,
dass das eingespielte Team bestehend aus Skipper, Rico, Kowalski und
Private bereits seit 2008 in seiner eigenen Fernsehserie zu sehen
ist. Da das quirlige, mit ungeheuerlich hohem Tempo vorgehende Format
Die Pinguine aus Madagascar bewies, dass die
watschelnden Vögel auf eigenen Füßen stehen können, fiel 2011 der
Startschuss für die Produktion eines Pinguin-Kinofilms. Dieser
orientiert sich trotz mancher Anspielungen auf die
Madagascar-Filme näher am Tonfall der
Nickelodeon-Fernsehserie, was einige Pluspunkte mit sich bringt –
aber auch den einen oder anderen Wermutstropfen.
Bevor die eigentliche, während
Madagascar 3: Flucht durch Europa spielende,
Handlung einsetzt, blicken die Regisseure Simon J. Smith (Bee
Movie) und Eric Darnell (Madagascar 1 – 3)
einige Jahre zurück und erzählen vom ersten Abenteuer der Seevögel:
Die drei Pinguin-Kinder Rico, Skipper und Kowalski hinterfragen als
einzige in ihrem Umfeld das eintönige Dasein, das ihre Artgenossen
in der Antarktis führen. Als ein Ei dem nahezu sicheren Verderben
entgegen kullert, bricht das starrköpfige Trio aus der Monotonie aus
und setzt alles dran, dieses Ei zu retten. Nach allerlei turbulentem
Slapstick und bissigen Begegnungen mit einem sensationsgierigem
Dokumentarfilm-Team ist es in Sicherheit: Rico schlüpft und
komplettiert als süßer Knirps das dem Kinogänger bereits bestens
bekannte Pinguin-Team.
Zehn Jahre später machen Truppenführer
Skipper (Stimme: Tom McGrath/Michi Beck), das vermeintliche Genie
Kowalski (Chris Miller/Thomas D) und der wortkarge, verfressene Rico
(Conrad Vernon/And.Ypsilon) ihrem Freund Private (Stimme: Christopher
Knights/Smudo) ein ungewöhnliches Geburtstagsgeschenk: Einen (mit
perfekt sitzenden Filmreferenzen gespickten) Einbruch in das
US-Goldlager Fort Knox. Währenddessen kommt es jedoch zu
Komplikationen, die Private wiederum vor Augen führen, dass er von
seinen Weggefährten nicht als gleichwertiges, unverzichtbares
Mitglied dieser Teilzeit-Geheimagenteneinheit betrachtet wird.
Eine Gelegenheit, seine Sorgen
anzusprechen, hat Private nicht, denn in Fort Knox gerät das
Quartett in die Fänge des manischen Oktopus Dave (John
Malkovich/Ilja Richter). Dieser hat über Jahre hinweg einen Hass auf
Pinguine entwickelt, weil diese mit ihrem knuffigen Auftreten weniger
süßen Tieren jegliche Aufmerksamkeit stehlen. Nun aber hat er eine
Geheimwaffe entwickelt, die es ihm ermöglicht, liebliche Tierchen in
abscheuliche Kreaturen zu verwandeln. Aufgrund dieser Erfindung ist
der Geheimdienst Nordwind hinter dem wahnsinnigen Schurken her. Und
so kommt es zwischen den Pinguinen und Nordwind zum stetigen Zank um
die Zuständigkeit in diesem Fall …
Der Die Pinguine aus
Madagascar-Kinofilm hat paradoxerweise sowohl sehr viel
Plot als auch sehr wenig Handlung: Zwar werden sehr viele Geschichten
angeschnitten, die allesamt Auslöser für ihre ganz eigenen Gags
sind, doch keiner dieser Plots wird sonderlich tief ausgelotet. Am
ehesten schröpfen die Autoren John Aboud, Michael Colton und Brandon
Sawyer Privates Wunsch nach Anerkennung, aber selbst dieser
Handlungsfaden wird durch bewusst dick aufgetragene Zeilen von ihnen
gelegentlich auf den Arm genommen.
Was der storytechnisch keine
Überraschungen wagenden 132-Millionen-Dollar-Produktion an
emotionaler Tiefe mangelt, macht sie durch ihr rasantes, an
klassische Looney Tunes-Verrücktheiten
erinnerndes Gagfeuerwerk wett. Ob origineller Wortwitz, denkwürdig
alberne Dialoge (etwa die wiederholten Diskussionen der Pinguine über
die Aussprache oder Bedeutung diverser Begriffe), gekonnte
Popkulturreferenzen oder herrlicher Cartoon-Slapstick: In den rund 90
Filmminuten bleibt kaum ein Auge trocken, da nahezu jede Humorfarbe
bedient wird.
Durch die zahlreichen, nicht sonderlich
ausgeloteten Handlungsfäden will zwar nur selten echtes Kinofeeling
aufkommen, wenn das von den Pinguinen ausgelöste Chaos aber
leinwandfüllende Ausmaße annimmt, dann so richtig. Ob eine
halsbrecherische, urkomische Verfolgungsjagd durch Venedig, der
bereits in Teilen im Trailer gezeigte Sprung der Pinguine aus einem
Flugzeug oder das ungezügelte Finale: Die Pinguine aus
Madagascar will gar nicht erst am technischen Kräftemessen
zwischen Disney/Pixar und DreamWorks Animation teilhaben, sondern mit
seiner Farbenfreudigkeit, Energie und Lockerheit bestechen. Was nicht
heißen soll, dass die Animation in dieser Produktion völlig
ambitionslos ist: Der glitschige, wendige und andauernd theatralische
Posen einnehmende Superschurke Dave sollte für jeden
Animationsliebhaber eine wahre Freude sein. Dass er obendrein dank
einer fantastischen Sprechperformance (egal ob im Original durch
einen amüsierten John Malkovich oder im Deutschen durch den
begnadeten Synchronsprecher Ilja Richter) die wohl lustigste Figur im
Film ist, ist bei der vitalen Animation fast schon zweitrangig.
Die Geheimorganisation Nordwind derweil
bleibt fast durchgehend blass: Der Eisbär Corporal (Peter
Stormare/Dennis Schmidt-Foß) und die Robbe Kurze Lunte (Ken
Jeong/Michael Pan) sind eher Ballast für das zügig-tumultatige
Abenteuer, auch Schneeeule Eva (Anna Mahendru/Conchita Wurst) bleibt
kaum in Erinnerung. Allein der Nordwind anführende Wolf (Benedict
Cumberbatch/Heino Ferch) verleiht dem Film mit seiner
Selbstverliebtheit und Technikbesessenheit zusätzlichen Witz und
eine gewisse Würze. Somit gilt bei Die Pinguine aus
Madagascar dennoch das Gegenteil zu dem, was bei der
Madagascar-Trilogie festzuhalten war: Hier sorgt
der Großteil der Figuren ununterbrochen für Lacher, während nur
einzelne Randcharaktere den Spaß ausbremsen.
Bleibt die Frage, weshalb diese
Trickkomödie im Kino weit unter den Erwartungen abschnitt: In den
USA wurden rund 50 Millionen Dollar weniger eingespielt als die
vorsichtigsten professionellen Prognosen besagten, auch im Rest der
Welt erhofften sich viele Branchenbeobachter mehr. Vielleicht haben
einige ältere Kinogänger ihn aufgrund der Konnotation mit der
Nickelodeon-Familienserie unfairerweise als 'Kinderkram' abgetan?
Oder lag es daran, dass doch mehr Filmfreunde die
Madagascar-Hauptfiguren vermisst haben, als es
Leute wie gedacht hätten? Für mich steh jedoch fest: Verdient ist
dieser Misserfolg nicht!
Fazit: Mit seiner
Unverblümtheit und hohen Gagfrequenz hat es Die Pinguine
aus Madagascar ganz versiert auf die Lachmuskeln seiner
Zuschauer abgesehen. Alles andere, etwa Plot, Logik und
Charakterentwicklung, ist nur Geheimsache, äh, Nebensache.
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