2004 nahm sich der französische
Actionfilm Banlieue 13 auf exzentrische,
unterhaltsame Weise dem sozialen Gefälle zwischen dem Pariser
Zentrum und den direkten Vororten an. Der mit rasanten
Parcours-Szenen gespickte, mit Gewalt und dunklem Humor nicht
geizende Streifen erhielt fünf Jahre später eine an den heimischen
Kinokassen noch erfolgreichere Fortsetzung. Beide Teile kamen auch
international bei Genrefans, die den Blick über den
Hollywood-Tellerrand hinaus wagen, sehr gut an. Dem Ko-Autoren und
Produzenten Luc Besson war dies jedoch nicht genug, weshalb er mit
Brick Mansions den Stoff für ein internationales
Massenpublikum neu auflegt. Die Handlung wurde dafür in eine nahe
Zukunftsversion der wirtschaftlich geplagten US-Stadt Detroit
verfrachtet. Mit Fast & Furious-Star Paul
Walker und Rapper RZA angelte sich Besson zudem zwei weltweit
bekannte Aushängeschilder für das Remake, das um einige der rauen
Ecken und Kanten der Originalfilme erleichtert wurde.
Aber der Reihe nach: Die Regierung will
sich nicht länger mit der wachsenden Kriminalitätsrate der
finstersten Ecken Detroits auseinandersetzen und beschließt
kurzerhand, eine gewaltige Mauer rund um die Problemviertel zu
errichten. Die Ein- und Ausreise wird an der Grenze zur „Brick
Mansions“ getauften Ganovenenklave streng kontrolliert. Während
sich die Wirtschaft außerhalb des Armenviertels erholt, nehmen
innerhalb der Mauern Gewalt, Erpressung und Drogenhandel nie geahnte
Ausmaße an. Zu den wenigen Menschen, die noch daran glauben, dass
Brick Mansions nicht völlig verloren ist, zählt der exzellente
Undercover-Cop Damien Collier (Paul Walker), der einen Drogenboss
nach dem anderen stellt. Sein lang ersehntes Ziel ist Tremaine
Alexander (RZA), der ruchlose Machthaber in Brick Mansions. Gegen
diesen führt der Idealist Lino (David Belle) einen erbitterten
Kleinkrieg, weshalb Damiens Vorgesetzte eine Kooperation zwischen dem
Cop und dem sportlichen Kriminellen vorschlagen. Doch so sehr Linos
Feldzug gegen Tremaines Drogenimperium von einem Ordnungsdrang
getrieben sein mag: Einst ermordete Lino einen Polizisten und auch
heute sind seine Methoden fragwürdig. Kann Damien ihm also wirklich
vertrauen?
Brick Mansions ist,
wie in der Presse intensiv besprochen, der letzte Film, den Paul
Walker vor seinem tödlichen Unfall komplett abdrehen konnte.
Aufgrund einiger Mängel, die Inszenierung und Drehbuch des Films
aufweisen, stellt dieses Projekt zwar keinen denkwürdigen Abschied
dar, Walkers Performance aber lässt zumindest für seine Fans keine
Wünsche offen. Er fühlt sich in seiner Rolle als energisch
arbeitender, menschlich zurückhaltender Undercover-Polizist sichtbar
wohl und füllt sie mit sympathischer Bodenständigkeit aus. Walkers
Jedermann bleibt im direkten Vergleich zu seinem Mitstreiter Lino
dennoch relativ profilarm. David Belle, der diese Rolle bereits im
französischen Original spielte, bekommt als flinker, wendiger
Kleinkrimineller mit komplexen Moralvorstellungen schlicht die
interessantere Figur zugeteilt, obendrein ist er Dreh- und Angelpunkt
der visuell aufregendsten Actionmomente des Films. Belle ist
Miterfinder der Sportart Parcours und noch heute einer der Besten
seiner Zunft, was seine erstaunlichen Sprungstunts in Brick
Mansions mehrmals unter Beweis stellen.
Wenn Belle nicht gerade über Dächer,
durch Fenster hindurch oder an Wänden entlang springt oder er und
Walker wild zankend eine chaotische Autoverfolgungsjagd bestreiten,
verliert dieser Streifen allerdings rasch an Reiz. Regisseur Camille
Delamarre (Cutter von Transporter 3) spult ein
Gros der Actionszenen zu schnell herunter, setzt zu oft die Schere an
und lässt die Kamera zu sehr wackeln, weshalb nicht einmal jede der
Parcours-Einlagen richtig sitzen will. Was nutzen handgemachte
Stunts, wenn man ihre Gefährlichkeit nur erahnen kann? Einige
Actionmomente sind daher weitestgehend spannungsarm und ohne Biss.
Ähnlich stark runter gebrochen wirkt
die Erzählweise: Nach einem packenden Intro verliert Brick
Mansions für eine längere Strecke an Stimmung und Rasanz,
nur um dafür gegen Ende mit eiligen Entwicklungen und plötzlichen
Twists zum Finale zu hechten. Der zynische Realitätssubtext macht
immer wieder Platz für klischeehafte, dick aufgetragene
Figurenzeichnungen, die sich mit dem urban-realistischen Look des
Schauplatzes beißen. Mit einem Minimum an pointierten Wortgefechten
und sonstigen Schnörkeln verspricht dieses Remake, ein geradliniger
Actionstreifen zu werden – dann jedoch tauchen Figuren wie die von
Ayisha Issa verkörperte SM-Kampflesbe Rayzah auf, die viel mehr in
ein überdreht-augenzwinkerndes Genrekonzentrat wie Crank 2:
High Voltage gehören als in die sonst so stringente
Produktion Brick Mansions.
Solch unpassender Farbkleckse zum Trotz
ist Camille Delamarres Actionstück austauschbarer geraten als die
Ghettogangz-Originale, die mit kompromissloseren
Gewaltspitzen, einem höheren Maß an furios choreographierten
Parcours-Sequenzen und rauerem Humor aus der Masse herausstechen. Was
Brick Mansions dafür sehr wohl mit dem ersten
Ghettogangz gemein hat: Die finale
Storyentwicklung rund um eine zu entschärfende Bombe im Armenviertel
– und diese erscheint in beiden Filmen tonal unpassend. Während
das französische Original diesen Twist jedoch dank seines
satirischen, auf die Banlieuekämpfe reagierenden Humors als
Persiflage auf radikale politische Ideen abtun kann, geht dem Remake
diese Ausrede abhanden. Dass Brick Mansions
daraufhin sogar vielen seiner Figuren frei nach dem Motto „Nun, da
ich weiß, dass es größere Übel als dich gibt, habe ich dich
plötzlich lieb“ ein Gute-Laune-Ende beschert, lässt den Schluss
gar ins Lächerliche abdriften.
In Nordamerika nahm die
französisch-kanadische Gemeinschaftsproduktion trotz einer sehr
hohen Kopienzahl von mehr als 2.600 Kinos zum Start nur maue 9,5
Millionen Dollar ein, insgesamt standen enttäuschende 20 Millionen
Dollar zu Buche. Und dies trotz des vermeintlichen Neugierde-Bonus,
wie sich Paul Walker in seiner letzten, komplett gefilmten Rolle
schlägt. Auch in Deutschland wurde der Streifen nicht gerade zum
Kassenerfolg, was angesichts der gebotenen Qualität auch keinen
Beinbruch darstellt. Mit Fast & Furious 7
werden Walker-Fans kommendes Jahr einen wesentlich spektakuläreren
Abschied vom zu früh verstorbenen Darsteller nehmen können als nun
mit Brick Mansions. Und Actionfreunde, die das
Konzept dieser 28-Millionen-Dollar-Produktion interessant finden,
können das feschere, kurzweilige Original Ghettogangz
mittlerweile zum halben Preis einer Brick Mansions-
DVD auf Blu-ray erstehen. Und zwar im Doppelpack mit dem Sequel!
Dieser Artikel basiert auf meiner Filmkritik, die ich bei Quotenmeter zum Kinostart veröffentlicht habe.
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