Obwohl Erlöse uns von dem
Bösen bereits in Produktion war, bevor Gore VerbinskisWesternspektakel Lone Ranger in die Kinos kam,
wirkt die Veröffentlichung dieses Horrorthrillers wie ein erst
kürzlich geplantes Statement der Produzentenlegende Jerry
Bruckheimer: In jüngerer Vergangenheit widmete sich der 70-Jährige
vor allem Abenteuerfilmen für ein möglichst breit gefächertes
Publikum. Mit dieser Taktik feierte Bruckheimer einige der größten
Erfolge seiner Karriere (man denke an das Pirates of the
Caribbean-Franchise), gleichwohl schnitten Filme wie
Duell der Magier weit unter den wirtschaftlichen
Erwartungen ab. Nachdem dann obendrein der kostspielige Lone
Ranger in den USA nicht einmal 90 Millionen Dollar einnahm,
beendete der Disney-Konzern von großem Pressegetöse begleitet
seinen langjährigen First-Look-Deal mit dem Vermächtnis
der Tempelritter-Produzenten.
Bruckheimer reagierte, zumindest in
Pressestatements, gelassen auf das unschöne Ende seiner Kooperation
mit Disney. Er habe die Zusammenarbeit sehr genossen, freue sich auf
künftige gemeinsame Projekte wie den fünften Pirates of
the Caribbean-Teil, und wolle diese Zäsur für eine
stilistische Umorientierung nutzen. Kommende Kinoproduktionen
Bruckheimers sollen wieder die Mentalität seiner früheren Filme wie
The Rock, Con Air oder
Beverly Hills Cop versprühen. Nun, etwas mehr als
ein Jahr nach Lone Ranger kommt also Erlöse
uns von dem Bösen daher, so als sei der Film ein
überdeutliches Signal: Der familienunverträgliche Jerry Bruckheimer
ist zurück – und mit ihm auch die Optik eines gestandenen
90er-Jahre-Thrillers für ältere Jugendliche und junge Erwachsene.
Erlöse uns von dem Bösen
trägt jedoch nicht allein den Bruckheimer-Stempel, sondern ist
mindestens ebenso sehr ein Scott-Derrickson-Film. Derrickson machte
sich durch seine Regiearbeiten Der Exorzismus von Emily
Rose und Sinister einen Namen als
Spezialist dafür, archetypische Horroraspekte mit frischen Ansätzen
zu versehen. Vor allem letztgenannter Film kokettierte über weite
Strecken damit, den Stil genretechnischer Durchschnittsware zu
imitieren, nur um dann mit immer ungewöhnlicheren, harscheren
Entwicklungen letztlich doch sein ganz eigenes Ding durchzuziehen.
Erlöse uns von dem Bösen ist in diesem Hinblick
ein indirektes Sinister-Gegenstück: Horrorfans
und Anhänger klassischer Copthriller werden einige Versatzstücke
von Erlöse uns von dem Bösen aus früheren
Filmen wiedererkennen. In dieser Zusammenstellung aber ergeben diese
Elemente einen atmosphärisch dichten Spannungsfilm, der durch seinen
Mix aus Dämonengrusel und Crimespannung ein fesselndes Konzept
kreiert.
Die Grundlage für Bruckheimers Ausflug
ins Horrorgenre (beziehungsweise Derricksons Ausflug in die Welt der
Jerry-Bruckheimer-Ästhetik) ist das in Zusammenarbeit mit Lisa
Collier Cool geschriebene Buch „Beware the Night“ des New Yorker
Polizisten Ralph Sarchie. Sarchie behauptet, im Laufe seiner
Polizeikarriere in Kontakt mit übernatürlichen Phänomenen gekommen
zu sein, woraufhin er sich in die Praktiken des Exorzismus einweihen
ließ. Lose an diesem vermeintlichen Sachbuch entlanghangelnd erzählt
Erlöse uns von dem Bösen die Geschichte von
Sarchies erstem andersweltlichen Fall, wobei Derrickson zu Gunsten
des Thrills nach kurzer Eingewöhnungphase jegliche Ambiguität
fallen lässt. In seinem Film muss die von Eric Bana verkörperte
Leinwandversion Ralph Sarchies schon früh vom unkonventionell
agierenden Priester Mendoza (Édgar Ramírez) erlernen, dass es auf
der Welt zwei Arten des Bösen gibt: Das durch den Menschen ausgeübte
sekundäre Böse und das unbegreifliche primäre Böse.
Und mit genau dieser Form der puren
Boshaftigkeit bekommt es Sarchie erstmals tun, als er eines Nachts in
einen Zoo gerufen wird, um herauszufinden, wieso eine
heruntergekommene Frau urplötzlich ihr Kleinkind in ein Löwengehege
geworfen hat. Während seiner Ermittlungen wird er von einem dürren,
finster aussehenden Mann angegriffen, der spurlos in den Schatten
verschwinden und offenbar Löwen Befehle erteilen kann. Dieser
rätselhafte Mann namens Santino (Sean Harris) gibt Sarchie auch in
den darauffolgenden Tagen Rätsel auf und mit jedem Auftauchen
Santinos muss der ungläubige Sarchie mehr und mehr einsehen, dass er
ohne den geistlichen Beistand Mendozas aufgeschmissen ist …
Die größte Stärke dieser
Genremischung ist die schneidige Optik, die gekonnt die übliche
Horrorfilmdüsternis mit der Videoclip-Dynamik eines
jugendorientierten 90er-Thrillers vereint. Wer sich gelegentlich
dabei erwischt, den Look größerer Actionthriller besagter Dekade zu
vermissen, wird das matte Schwarz und die dunkel glänzenden
Großstadtlichter in Erlöse uns von dem Bösen
gewiss genießen. Kameramann Scott Kevan (Underworld:
Awakening) und Regisseur Derrickson geben ihrem Film mit
dieser Ästhetik durchgehend ein zwar aufpoliertes Äußeres, achten
gleichwohl aber darauf, die Atmosphäre von Beginn an sehr beklemmend
zu halten. Die dunkle Farbpalette, die bedrohlich fallenden Schatten
und der elektronische Akzente setzende Score von Christopher Young
(Drag Me to Hell) geben selten Gelegenheit zum
Aufatmen – und da die audiovisuelle Komponente von Erlöse
uns von dem Bösen eben nicht genretypisch dreckig
daherkommt, erscheinen auch die üblichen Aufschreckmomente nur in
wenigen Fällen klischeehaft.
In der ersten Filmhälfte macht sich
Derrickson einen Spaß daraus, an der Spannungsschraube zu drehen und
letztlich doch nur Figuren durchs Bild stolpern, Katzen aufschreien
oder Stofftiere umfallen zu lassen. Je mehr Glauben der von Eric Bana
verbissen gespielte Grobmotoriker Sarchie dem Übernatürlichen
schenkt, desto öfter mischt sich jedoch echter Grusel zwischen die
falschen Fährten, so dass sich die Spannung des Films
zwischenzeitlich daraus generiert, dass man sich als Zuschauer fragt:
Legt mich der Streifen nur wieder rein oder passiert gleich
tatsächlich etwas Übles?
Obwohl Banas Rolle einen an
Genrestandards gemessen plausibel voranschreitenden Glaubenswandel
durchmacht und die stückchenweise erfolgenden Enthüllungen über
seine inneren (sprichwörtlichen!) Dämonen überzeugend gespielt
sind, ist der wahre Frontmann des Films Édgar Ramírez. Als
irdisch-sündigen Genüssen nicht abgeneigter Priester mit
Rockstaraura verleiht er Erlöse uns von dem Bösen
ein Alleinstellungsmerkmal und den Charaktermomenten einen gewissen
Pepp. Das Zusammenspiel zwischen Bana und Ramírez tröstet, auch
dank einiger thematisch durchdachter Dialogpassagen, obendrein über
die schalen Szenen hinweg, die sich um Banas über kurz oder lang in
Gefahr geratene Vorzeigefamilie (Olivia Munn und Olivia Horton als
Gattin und Tochter) drehen.
Während gerade im ersten Drittel die
Versuche, das Dämonische mit dem Irdischen zu verbinden, oftmals
flach fallen (so wird der Band 'The Doors' ein fragwürdiger Tribut
gezollt), legt Derricksons Regiearbeit exponentiell an
Treffsicherheit zu. Die Figuren gewinnen an Kontur, die Dramaturgie
wird straffer und sobald Sarchie seinen ersten Exorzismus erlebt, ist
Gänsehaut pur garantiert. Die in ausgedehnter Länge gezeigte
Teufelsbekämpfung ist für sich betrachtet die wohl beste
Dämonenaustreibung seit Der Exorzist. Nach diesem
klang- und effektgewaltigen Höhepunkt spurtet Erlöse uns
von dem Bösen dann auch rasch zur Ziellinie, so dass die
Erinnerungen an die Stärken des Films möglichst präsent bleiben.
Es lohnt sich also, nach den vielen ins Leere führenden
Schockmomenten zu Beginn nicht den Glauben an Derricksons
inszenatorisches Können zu verlieren.
[b]Fazit:[/b] Regisseur Scott
Derrickson verzockt sich bei seinen Rückgriffen auf Genreklischees
zwar anfangs ein bisschen, doch mit voranschreitender Laufzeit wird
Erlöse uns von dem Bösen dank des zentralen Duos und der launigen Vereinigung von Crime- und Horroreementen immer stärker. Schlussendlich ist der Film genau das, was
erwartet werden darf, wenn Jerry Bruckheimer mal einen Horrorfilm
produziert: Dunkle Edeloptik, rasches Erzähltempo und ein
bombastisches Finale.