Freitag, 29. August 2014

Can a Song Save Your Life?


Once-Regisseur John Carney feiert mit Can a Song Save Your Life? sein Hollywooddebüt und zeigt sich dabei von seiner verträumten Seite: Die musikalische Tragikomödie handelt vom New Yorker Musikproduzenten Dan (Mark Ruffalo), der seit einigen Jahren mit privaten Problemen zu kämpfen hat der zudem in seiner eigenen Firma mehr und mehr an Ansehen verliert. Auf dem völligen emotionalen Tiefpunkt angelangt findet er dank eines Songs der schüchtern-ungeschliffenen Songwriterin Gretta (Keira Knightley) seinen Arbeitseifer wieder. Diese hat aber keine Lust, sich zu einem angepassten Popsternchen verformen zu lassen und lehnt Dans Angebot, eine Platte zu produzieren, zunächst ab. Doch die Britin, die in New York dank ihres Ex-Lovers ebenfalls eine deprimierende Zeit durchgemacht hat, sieht im raubeinigen Dan genügend Ehrlichkeit, um sich ihm sehr wohl anzuvertrauen ...

Der in den USA aufgrund negativer Marketingauswertungen des Arbeitstitels Can a Song Save Your Life? in Begin Again umbenannte New-York-Trip mit einem sympathischen James Corden, einem unerwartet solide aufspielenden Adam Levine, einer kessen Hailee Steinfeld und einer zurückhaltenden Catherine Keener in den Nebenrollen spielt mit märchenhaftem Charme mit den Publikumserwartungen: Zwar tänzelt die Story von Autorenfilmer Carney unentwegt in Sichtweite archetypischer Genreentwicklungen daher, doch selbst wenn sich die üblichen Momente tränenreicher Versöhnungen sowie sich spontan entwickelnder romantischer Zuneigungen mehrmals ankündigen, geht dieser Popmusik-Wohlfühlfilm meistens andere Wege. Diese reißen zwar keine Genregrenzen ein, sind aber in dieser Zusammenstellung unverbraucht, liebenswert und in ihrem Tonfall bezaubern. Bei allem Idealismus dieses Films, der passioniert den Zauber eines guten Musikstücks beschreibt, nimmt Can a Song Save Your Life? seine Figuren dennoch ernst und verrät ihre Probleme niemals. Dan wird durch Grettas unverfälschte Natur nicht zum Musikgeschäft-Revoluzzer und Grettas Herzschmerz wird durch ihre Musik zwar gelindert, nicht aber völlig aus der Welt geschaffen.

Dank wundervoller, eingängiger Songs und der liebenswürdigen Leinwandchemie zwischen den toll aufgelegten Hauptdarstellern Ruffalo & Knightley ist Can a Song Save Your Life? daher eine klare Sehempfehlung für jeden Freund dramatisch-süßer Kinofilme irgendwo zwischen wohltuend familiär und überraschend unverbraucht. Wer Richard Curtis' Romantikkomödien, Keira Knightley, Mark Ruffalo oder John Carneys Once liebt, wird hier gut aufgehoben sein!

Montag, 25. August 2014

Dämliches Titelwabohu

Ich liebe Disney-Animationsfilme. Das ist wohl kaum ein Geheimnis. Aber das mit der Titelgebung hat seit einigen Jahren weder die deutsche Dependance drauf noch der US-Mutterkonzern. Ehe ich mich aber über Tangled, Brave und Frozen lustig mache, möchte ich über die grausigen deutschen (Unter-)Titel herziehen. Wer will seine Sammlung schon mit Neu verföhnt, Völlig unverfroren und Riesiges Robowabohu bestücken? Das passt doch überhaupt nicht zu den großen Disney-Klassikern!

Da kann nur eines Abhilfe schaffen: Sämtliche Disney-Meisterwerke und Pixar-Filme müssen umbenannt werden, um sich an die neuen Standards anzupassen. Hier finden sich daher zunächst meine Titelvorschläge für den Disney-Meisterwerke-Kanon:

  1. Schneewittchen - Zwergenmäßig weggeapfelt
  2. Pinocchio - Hölzern rumgelogen
  3. Der Zauberlehrling - Fantastisch musiziert
  4. Dumbo - Elefantöse Zirkusparade
  5. Bambi - Jägergulasch leichtgemacht
  6. Donald - Ramba Samba!
  7. Donald - Fiesta Mexicana!
  8. Willi - Opernartige Wal-Arien
  9. Der Bohnenrankenriese - Bongoähnlich und mickyhaft 
  10. Donald - Hummeldidummsummsumm
  11. Ichaboad & Taddäus - Kopflos davongaloppiert
  12. Cinderella - Endlich verglast
  13. Alice - Verwunderlich verlaufen
  14. Peter Pan - Naseweis und piratenstark
  15. Susi & Strolch - Hündisch abgenudelt
  16. Aurora - Zugedornt und weggeratzt
  17. Pongo & Perdi - Voll gepunktet
  18. König Artus - Verhext und bezaubert
  19. Balu, der Bär - Swingende Dschungelparty
  20. Thomas O'Malley - Verkatert in Paris
  21. Robin Hood - Absolut ausgefuchst
  22. Winnie Puuh - Honigsüß angetiggert
  23. Bernard & Bianca - Mäuschenmäßig ermittelt
  24. Cap & Capper - Bärenstark angegriffen
  25. Gorgi - Ritterlich reingekesselt
  26. Basil - Ermittelnd mäuschenmäßig
  27. Oliver Twist - Verkatert in New York
  28. Arielle - Meerjungfräulich aufgetaucht
  29. Bernard & Bianca im Känguruland (der Titel würde sich auch heute durchsetzen!)
  30. Belle & Biest - Verflucht verliebt!!
  31. Aladdin - Arabische Freundschaftsdienste
  32. Simba - Königlich rumgelöwt 
  33. Pocahontas - Windig farbverspielt
  34. Quasimodo - Einsam herumgeglöcknert
  35. Hercules - Heldenhaft vergöttert
  36. Mulan - Schande über deine Kuh!
  37. Tarzan - Dreadlocks im Dschungel
  38. Donald und der Zauberlehrling - Musikalisches Millennium
  39. Aladar - Dufter Dinotrubel
  40. Kuzco - Lachhaft lamalässig
  41. Atlantis - Absolut abgesoffen
  42. Schatzinsel - Echt abgespaced!
  43. Lilo & Stitch - Gewaltig rührseliges Hawaii
  44. Kenai & Koda - Bärig verbrüdert
  45. Wilder Westen - Verkuht und zugemuht
  46. Himmel und Huhn (der Titel würde sich auch heute durchsetzen!)
  47. Robinsons - Zukunftshaft durchgeknallt
  48. Bolt - Ein Hund für alle Felle!
  49. Tiana - Froschig geküsst
  50. Rapunzel - Neu verföhnt  (der Titel würde sich auch heute durchsetzen!)
  51. Winnie Puuh - Knuddelig und honigverschmiert
  52. Randale-Ralph - Vollkommen verspielt
  53. Die Eiskönigin - Völlig unverfroren (der Titel würde sich auch heute durchsetzen!)
  54. Baymax - Riesiges Robowabohu  (der Titel ist der Grund für diese Liste!)
Und hier die modernisierten Pixar-Titel:
  1. Woody & Buzz - Spielerisch verfeindet
  2. Flik - Arme Ameisen!
  3. Buzz & Woody - Spielerisch befreundet
  4. Sully, Buu und Mike - Monströs überarbeitet
  5. Nemo - Fisch zu finden!
  6. The Incredibles - Heldenhaft familiär
  7. Cars - Autos wie wir
  8. Ratatouille - Rattig angerichtet
  9. WALL·E - Der Letzte räumt die Erde auf (der Titel würde sich auch heute durchsetzen!)
  10. Oben - Im Fluge verheiratet
  11. Woody & Buzz - Spielerisch abgegeben
  12. Cars 2 - Spione wie wir (zu clever, oder? Habt ihr bessere Ideen?)
  13. Merida - Bärenstark ins Schwarze!
  14. Mike und Sully - Studentisch angeschreckt
Ufff ... Da lernt man die alten Disney-Titel neu wertschätzen, oder?

Samstag, 23. August 2014

James Bond 007 – Goldeneye


GoldenEye ist ein Wendepunkt in der Geschichte der James Bond-Filmreihe. Nicht nur aus dem offensichtlichen Grund, dass es der erste 007-Einsatz mit Pierce Brosnan in der Hauptrolle ist. Es ist auch das erste Mal seit geraumer Zeit, dass mit Martin Campbell jemand die Regiepflichten übernahm, der zuvor komplett außerhalb des James Bond-Franchises stand. Und obendrein beendete GoldenEye eine sechsjährige Dürreperiode ohne Bond-Film, die bis dato längste Wartezeit zwischen zwei Kinoproduktionen über den berühmtesten Geheimagenten der Welt. Vor allem aber beendete GoldenEye den wirtschaftlichen Abwärtstrend der Filmsaga und markierte außerdem ihren Einstand in eine neue Welt ohne Bonds langjährigen Lieblingsgegner – den Ostblock.

Der erste Bond-Film des Neuseeländers Campbell ist aber nicht bloß ein wichtiger Teil der 007-Reihe, sondern auch ein sehr populärer. Auch wenn die zeitgenössische Kritik durchwachsen ausfiel, kommt GoldenEye rückblickend bei den meisten Bond-Retrospektiven sehr gut weg und holt sich meistens einen Platz in den Top Ten aller offiziellen Eon-Produktionen. Ich jedoch würde mich eher dem ursprünglichen Konsens anschließen als der nunmehr vorherrschenden Meinung.

Mit Pierce Brosnan hat dies wohlgemerkt wenig zu tun. Auch wenn oft verallgemeinert wird, dass Dalton-Freunde Brosnan nicht mögen und umgekehrt, finde ich den Iren in seinem Debüt sehr überzeugend. Der frühere Remington Steele-Hauptdarsteller, der nach Daltons endgültiger Entscheidung im April 1994, nicht zurückkehren zu wollen, nach nicht einmal zwei Monaten als neuer Bond feststand, macht früh im Film seine Interpretation der Rolle klar. Brosnans Bond ist in gewisser Weise die jungenhaftere Antwort auf Moores Bond: Er liebt anzügliche Wortspiele, er genießt sich in seinem Job und er vereint ein Gentleman-Auftreten mit einem altmodischen Chauvinismus, dem man ihm jedoch nur schwer übel nehmen kann. Brosnan ist aber, wenig überraschend, agiler, sportlicher und fescher als Moore, der sich als welterfahrener Brite gibt.

Die Abgrenzung zu Brosnans Vorgänger geht noch weiter: Noch vor der Titelsequenz gibt Brosnan mehr sitzende, spaßige Oneliner ab als Dalton in der gesamten Laufzeit von Lizenz zum Töten. Und mit einer jegliche physikalischen, geographischen und logischen Gesetzen trotzenden Flucht vor einer ganzen sowjetischen Armee wischen Brosnan sowie Campbell auch sämtlichen Geschmack des Realismus hinfort, der von Daltons Ära vielleicht noch übrig blieb. Aber so unsinnig die erste Actionsequenz in GoldenEye ist, genauso viel Spaß macht es, sie zu bestaunen: Campbells Inszenierungsstil ist temporeich, aber stets um Übersichtlichkeit bemüht. Die Sequenz eskaliert durchgehend mit comichafter Plausibilität und endet in einer guten Kombination aus Stunt- und Effektarbeit. All dieses Lob lässt sich, mit variabler Intensität, auch für die nachfolgenden Actionsequenzen wiederholen. Actionhöhepunkt von GoldenEye dürfte eine irrsinnige Panzerverfolgungsjagd sein, während das Finale in meinen Augen nicht so dramatisch ist, wie es gern wäre, aber noch immer unterhält.

Dass ich GoldenEye dennoch eher mäßig finde, liegt an der Story. In klassischer Bond-Manier ist diese nur das Bindeelement, das die Action, Bonds Flirtereien und Sprüche zusammenhält. Aber der Wettkampf zwischen dem MI6 und der russischen Untergrundorganisation Janus um ein Satellitenwaffensystem wird von den Autoren Michael France, Jeffrey Caine und  Bruce Feirstein zumindest meiner Ansicht nach lust- und ziellos runtergeschrieben. Die Einführung der neuen Elemente ist gelungen, anders als Jahre später beim Daniel-Craig-Reboot versacken diese aber ins Nirgendwo. Die neue Miss Moneypenny (Samantha Bond) und auch M (Judi Dench) greifen Bond aufgrund seiner antiquierten Weltsicht an, was eingangs für sehr amüsante Momente in der MI6-Zentrale sorgt. Aber sie zahlen sich nie aus, genauso, wie auch die in den ersten Filmminuten unterschwellig etablierte Thematik "Was ist Bond ohne den Kalten Krieg wert?" einfach vergessen wird. Allein dies ist in meinen Augen sehr enttäuschend, doch ich könnte darüber hinwegsehen, wäre der Alibiplot spannend. Stattdessen sind die storyorientierten Passagen schleppend erzählt. Sean Bean gibt zudem eine seiner lahmeren Performances, während Famke Janssen als Xenia Onatopp versucht, eine 90er-Version von Grace Jones' burschikos-aggressiv-sportlicher May Day abzuliefern, stattdessen aber mit ihrem angestrengten Overacting einfach nur nervt. Bondgirl Izabella Scorupco wiederum hinterlässt keinerlei bleibenden Eindruck.

Des Weiteren hat GoldenEye einen der miesesten Scores in der Bond-Geschichte. Éric Serras Kompositionen sind bisslos, austauschbar und wenn sie mal an Kräftigkeit zulegen, verlieren sie sich in Elektroarrangements, die schon 1995 wie altbackene Rückgriffe auf die frühen 90er gewirkt haben dürften. Dafür ist der von Bono und The Edge geschriebene Titelsong eine wahre Wucht. Tina Turners rauchig-voluminöse Stimme erweckt klassisches Bond-Feeling, verankert das Lied aber mit einer rockigen Beinote in der neuen Blockbusterära. Auch die Vorspannsequenz, gestaltet von Daniel Kleinman, gehört zu meinen Favoriten des Franchises: Die archetypischen Frauensilhouetten demolieren überdimensionale Symbole des Kommunismus und erzählen somit in stark stilisierter Form, was in der Welt der Geheimdienste zwischen Daltons letztem und Brosnans erstem Film geschah.

Hätten wir aber nur GoldenEye, so würde ich mir wünschen, dass die Ladys wieder alles aufbauen. Denn Daltons zwei 007-Streifen liegen in meiner Gunst Meilen über Brosnans Einstand.

Mickyretten leicht gemacht


Die Verkaufszahlen des Micky Maus Magazins kennen seit geraumer Zeit nur noch eine Richtung: Abwärts. Und dies ist leider nicht sonderlich verwunderlich. Wenn selbst zahlreiche erwachsene User des Disney-Comic-Forums seit Jahren alle anderen Disney-Publikationen kaufen, dem Micky Maus Magazin aber aus dem Weg gehen, die letzte Ausgabe des Fanzines Bertel Express die klare Ansage des Herausgebers beinhaltet, sein Abo auslaufen zu lassen und auf das niederländische Donald Duck umsteigen zu wollen und auch ich nur noch sehr sporadisch das Mäuseheft kaufe, dann ist ein klarer Trend zu erkennen ... Der harte Kern bricht weg. Ein Disney-Heft, das viele bekennende Disney-Liebhaber mit Missachtung strafen, obwohl sie sonst oft auch Schrott erwerben (nur weil Disney drauf steht), muss etwas Gravierendes falsch machen.

Und dass die anvisierte Kinder-Zielgruppe dem Ehapa-Wochenheft längst nicht mehr die Bedeutung zukommen lässt wie vor einem Jahrzehnt oder noch früher, sollte angesichts der Quartalszahlen ebenfalls ersichtlich sein. Die Ausrede, dass der Printmarkt generell in Trubel ist, zählt an dieser Stelle übrigens nicht. Das Donald Duck Sonderheft hält sich wacker und die Marke Lustiges Taschenbuch explodiert in jüngster Vergangenheit geradezu: Ehapa startet eine Nebenreihe nach der anderen, was alles andere als ein Indiz für mangelndes Publikumsinteresse ist.

Ein Relaunch muss her. Eine Neupositionierung auf dem Comicmarkt. Eine radikale Veränderung. Der oft geäußerte Wunsch erwachsener Fans, das Micky Maus Magazin einfach nur auf ältere Leser auszurichten, die Extras zu kürzen und somit gewissermaßen eine deutsche Version des vorhin besagten niederländischen Hefts daraus zu machen, sei aber schon im Keim erstickt. Schließlich haben wir schon das Donald Duck Sonderheft, worin würde sich die Fanneupositionierung des Micky Maus Magazin schon von diesem Klassiker unterscheiden?

Nein, das Micky Maus Magazin muss zwar auch für ältere Leser interessanter werden (größere Zielgruppe und mehr Respekt bei Eltern = bessere Verkaufszahlen), hat aber seine Attraktivität für die Kids beizubehalten, um es vom Donald-Heft zu differenzieren. Es gibt viele Möglichkeiten, die scheiternde Kinderzeitschrift zu retten ... Hier sind einige Ansätze:

  • Erhöhte Sonderpreise sollten wieder die Ausnahme sein und nicht (so wie im ersten Halbjahr 2014) die Regel.
  • Bessere Comics! Wir wissen, dass es Tausende von guten Disney-Comics gibt, also muss sich das MMM ja auch irgendwie füllen lassen ...
  • Verbessert die Redaktionsseiten! Ja, angeblich ergeben die Leserumfragen, dass Kids sie lieben. Aber es bringt nichts, wenn die sinkende Anzahl an Käufern sie mag. Jene, die das Heft nicht (mehr) kaufen, müssen dazu gebracht werden, sie lesen zu wollen. Es gab Zeiten, da waren die Redaktionsseiten des MMM witzig und informativ. Mittlerweile sind sie reinster Schrott. Wir brauchen bessere Witze auf den Witzseiten, interessantere Informationen auf den Infoseiten. Wenn die Ducks in einem Comic in Venedig sind, verfasst eine Doppelseite mit nützlichem und unnützem Wissen über Venedig! Macht einen auf Geo Kids oder eine familienfreundliche Version der Neon. Früher hatte "Schon gewusst ..?" was von der legendären Neon-Rubrik über unnützes Wissen, also würde es heute auch ziehen. Vielleicht kehren einige ältere Kids und Erwachsene wieder zum Heft zurück. Und die Kids, die das Heft eh schon lesen? Nun, die werden wohl kaum durch die Qualität verschreckt, oder?
  • Mehr disneyzentrische Extras. Italien kommt mit Entenhausen-Bausätzen, Disney-Modellautos und ähnlichem an, in Deutschland lässt sich das MMM nicht von den Dutzenden anderer Kiddie-Hefte unterscheiden. Und ja, das ist keine neue Entwicklung, aber die Konkurrenz ist größer als in den 90ern, obwohl der Markt kleiner ist. Überlasst den Plastikschrott Barbie, Phineas & Ferb, SpongeBob Schwammkopf und Co., gebt dem MMM mehr Disney. Man kann ja aus Kostengründen drei Mal Micky-/Donald-/Goofy-Krimskrams nehmen und nur einmal im Monat wirkliche Sammlerstücke. Es wäre schon eine Verbesserung.
  • Weniger grelle Farben auf dem Cover. Man sollte denken: Grell = auffällig = wird gekauft. Das MMM war aber lange Zeit ein Heft, das aus Tradition gekauft wurde. Und keine gedruckte Quengelware. Wenn das Magazin vertrauenserweckender aussieht, kaufen die Eltern es auch verstärkt aus eigenem Antrieb ...
  • Und hier meine vielleicht kontroverse, große Idee. Liebe Redaktion, wenn ihr das MMM nicht als reines Comicheft sehen wollt, sondern als Kindermagazin, dann bitte mit Hand und Fuß: Macht aus dem Micky Maus Magazin ein alles umfassendes Disney-Magazin, lockt so eine breitere Masse an Lesern an und labt euch am Effekt, dass die einzelnen Submarken Werbung für die anderen machen. Vergrößert den Umfang. Packt die sicherlich unvermeidliche Star Wars Rebels-Comicreihe nicht in ein eigenes Heft, sondern ins MMM. Aus Ermangelung an Marvel-Comicrechten im Hause Ehapa müssen Backgroundinfos über Filme, Videospiele und Serien herhalten. Andere Disney-Marken wie Pixar, die Muppets oder Retro-Marken wie die Disney Afternoon-Serien könnten in größeren Abständen ebenfalls repräsentiert werden. Berücksichtigt, was im Disney Channel läuft! Wichtig: Keine schäbigen Promo-Comics und lustlos runtergerotzte Redaktionsseiten! Es müssen gute Beiträge sein. Berichtet nicht eine Woche vor Kinostart über den nächsten Marvel-Film, indem ihr die üblichen Werbeworthülsen wiederholt. Macht einen auf spezialisiertes (kindertauglich formulierendes) Kinomagazin und blickt mit Vorausblick auf alles aus dem Disney-Konzern. Es gibt Castingnews zu PotC 5? Schreibt darüber! Aber: Behaltet den prozentualen Anteil an Entenhausen-Comics mindestens (!) auf dem aktuellen Niveau, um die alten Fans nicht zu vergraulen. Wenn sie mit dem Rest nichts anfangen können, werden sie ihn dann genauso überblättern wie den unnützen Fluff in der aktuellen Version. Aber: Star Wars-Kids werden die neuen Geschichten lesen wollen, also auch das MMM kaufen, um an sie heranzukommen. Und dann, wenn man sie in einem noch vorurteilsfreien Alter abholt, gewiss auch Donald und Co. lieben lernen ...
Schlussendlich ist es aber egal, wie das Micky Maus Magazin gerettet wird. Hauptsache, die Qualität wird erhöht und der stete Abwärtstrend bei den Verkaufszahlen abgewendet. Nicht "entweder oder". BEIDES muss geschehen. 

Donnerstag, 21. August 2014

Jungle Town


Der italienische Disney-Starzeichner Giorgio Cavazzano prägte das Aussehen zahlreicher denkwürdiger Comicfiguren. So formte er das Antlitz des mäßig begabten Detektiven Hubert Bogart oder des Außerirdischen Quacky vom Planeten Ducky, dessen Raumschiff verlorenging und dummerweise zuletzt die Gestalt eines Kreuzers annahm und daher schwer aufzufinden ist. Zudem zeichnete er den bis heute kontrovers diskutierten Mehrteiler Die Drachenritter. Und dann wären da noch zwei der atypischsten Schöpfungen des erweiterten Disney-Comicuniversums: Die Detectives Adam und Rollo.

Noch nie von ihnen gehört? Dies könnte daran liegen, dass sie nicht in Entenhausen zuhause sind. Oder überhaupt im klassischen Disney-Gefilde. Sie leben in der Stadt Jungle Town, die interessierten Lesern einmalig in einer Graphic Novel von Cavazzano und Texter Tito Faraci vorgestellt wurde. Dieses einmalige Comicalbum wurde in Italien vom kaum genutzten Disney-Sublabel Buena Vista Lab
veröffentlicht, in Deutschland brachte die Ehapa Comic Collection die Geschichte auf den Markt. Den Disney-Schriftzug sucht der geneigte Comicfreund im Jungle Town-Band vergeblich, doch im Impressum steht es ganz unauffällig: Copyright Disney Enterprises. Sprechen wir hier von einer Comicgeschichte, die unter dem Disney-Markennamen läuft, damit aber nicht prahlt – ähnlich wie der erste Fluch der Karibik-Film? Oder sprechen wir hier eher von einer Situation, in welcher zwar der Disney-Konzern das Projekt verwirklichte, aber seinen Markennamen am liebsten ganz vertuschen würde – wie bei den Touchstone-Pictures-Filmen?

Die Grenzen sind beim Comic Jungle Town schwammig, ebenso wie die Klassengrenzen in der farbenprächtigen, doch abgründigen Stadt, von der die zwei Disney-Comickünstler in ihm erzählen. Die Metropole wird (wie auch Entenhausen) von anthropomorphen Tieren verschiedenster Arten bewohnt – im Gegensatz zu den Entenhausenern sind sich die Bewohner von Jungle Town ihrer Diversität aber bewusst. Die meisten Einwohner von Jungle Town sind Nachkommen der Hunde, die dieses Gebiet vor vielen Jahrhunderten erstmals besiedelten. Darüber hinaus leben aber auch unterschiedlichste Vögel in der Großstadt, ebenso wie Nashörner, Schweine, Katzen und, und, und … Zwischen Hunden und Katzen kam es vor wenigen Jahrzehnten zu großen Rassenunruhen, die zumindest auf dem großen politischen Parkett überwunden wurden. Hunde und Katzen arbeiten in allen nur denkbaren Berufen, besuchen die gleichen Schulen und artübergreifende Ehen sind zwar selten, aber legal und toleriert. Und dennoch ist der Schmelztiegel Jungle Town kein Paradies, insbesondere nicht für Ratten – nur wenige der Nager haben es bis in die höheren Kreise der Gesellschaft gebracht, die meisten leben noch immer in Armut und werden von den wohlhabendsten Bürgern verachtet.

Als eines Morgens zwei Katzen auf einem noblen Golfplatz die Leiche einer Ratte vorfinden, schickt die Polizei von Jungle Town ihre zwei besten Schnüffler los – Adam und Rollo, die beide hinter diesem Mord eine Provokation wittern und daher recht rüde die Medien abzuschütteln versuchen, die sich auf den Vorfall stürzen. Der Vorgesetzte des Duos ist mit dem Fernsehauftritt seiner Männer ausgesprochen unglücklich und fürchtet, dass sie die Lage nur verschlimmert haben. Schließlich kochen die Differenzen zwischen den Arten unter der Oberfläche seit Jahren weiter hoch – und nun könnte alles explodieren. Zur Strafe nimmt der Polizeichef Adam und Rollo den Fall jedoch nicht weg, sondern verdonnert sie dazu, ihren Job schnell und ohne weiteres Aufsehen zu erregen zu Ende zu bringen.

Das eingespielte Team Cavazzano/Faraci schalten zwischen Adams und Rollos Ermittlungen einen zweiten Handlungsfaden, der dem Leser Adams Familie und somit den Alltag der Bevölkerung Jungle Towns näher bringt. So wird Adams als Friseurin arbeitende Katzen-Frau Marla von ihren Kundinnen voller Neugierde gefragt, wie glücklich eine Mischehe sein kann. Derweil nerven sich Adams und Marlas Kinder gegenseitig: Die jüngere Tochter fliegt auf einen Freund und Bandkollegen ihres Bruders, was das Geschwisterduo zu allerlei Wortgefechten anstiftet.

Analog zu manchen TV-Krimiserien legt Jungle Town seinen Fokus zu gleichen Teilen auf den Kriminalfall und das Privatleben seiner Figuren – diese Graphic Novel möchte kein in bunten, strahlenden Farben kolorierter und in klaren Konturen gezeichneter „Whodunnit“ sein, sondern die Gesellschaftsstudie eines fiktiven Ortes. Dessen soziologische und kulturelle Konstellation ist selbstredend voller Parallelen zur Realität. Bissige Zungen würden Jungle Town womöglich vorwerfen, mit den Beziehungen zwischen den Tierarten eine leicht zu durchschauende Analogie auf Integrationsdebatten zu wählen. Jedoch ist die künstlerische und intellektuelle Leistung dieses Bandes nicht, ein cleveres Rätsel zu entwerfen. Jungle Town will nicht mühevoll entschlüsselt werden, sondern geht den Weg eines guten Fernsehkrimis und nennt die Probleme bei ihrem Namen – niemand muss bei einem gelungenen Tatort (und ja, die gibt es ab und zu!) über die Stigmatisierung von Migranten grübeln, was wohl gemeint sein könnte.

Die Intention von Jungle Town ist es, für jeden halbwegs aufgeweckten Comicleser auf einem etwas farbenfroheren, verspielten Wege exakt das zu leisten, was eine im Kriminalgenre verortete Reflexion über Standesgrenzen, Vorurteile und Migration beabsichtigt: Diese Mixtur aus Spannungsstück und Gesellschaftsdrama stellt Fragen darüber, wie weit wir als Gesellschaft in Toleranzdiskursen gekommen sind. Und diesbezüglich ist Jungle Town deutlich cleverer als es auf dem ersten Blick scheint. Die Dialoge sind mit flotter Feder geschrieben und leicht verdaulich, hallen allerdings lange nach, da sie genau den richtigen Nerv treffen. Und auch wenn nur Adam und seine Familie charakterlich genauer ins Auge genommen werden, gelingt es Cavazzano und Faraci innerhalb weniger Seiten, eine denkwürdige Fabelwelt zu erschaffen – es ist echt bedauerlich, dass es nur diese eine Jungle Town-Story gibt.

Visuell ähnelt der Band durchaus Paperinik New Adventures, als dass er eine ungewöhnliche, aber intuitive Ehe aus dem graphischen, schmucken Look moderner, italienischer Disney-Comics und der Dynamik großer US-Superheldencomics eingeht. Dass die Sprache des Comics zuweilen etwas aggressiv verdeutlicht, dass wir uns hier nicht in Entenhausen befinden, aber noch immer in einer Welt, die sich nicht alle Vulgaritäten erlauben will, ist zwar etwas irritierend – dafür sind die Gewaltspitzen und Andeutungen von Sexualität gekonnt eingearbeitet und verkommen nie zum Selbstzweck. Die Auflösung des Mordfalls wiederum geschieht zwar so rasch, dass es bei aller Simplizität dennoch verwirrend gerät, dafür macht das unforcierte, brillante Schlusspanel einiges wieder wett.


Jedem Fan italienischer Comickünstler generell und Cavazzano/Faraci im Speziellen sei Jungle Town nur ans Herz gelegt. Ebenso wie jedem Disney-Comicliebhaber, der sich nach unkonventionellem Material sehnt, das aber dennoch einen leichten, angenehmen Disney-Beigeschmack hat.

Mittwoch, 20. August 2014

Planes 2: Immer im Einsatz


Das Fließbandprodukt Planes war noch nicht einmal angelaufen, da kündigten die DisneyToon Studios bereits zwei Fortsetzungen an. Die erste spurtete sogar mit beachtlichem Tempo in die Lichtspielhäuser und hob in den USA nicht einmal ein Jahr nach der Premiere des ersten Flugzeugfilms ab. Höhenflüge waren für den 84-minütigen Computeranimationsfilm allerdings nicht drin: Anders als der Erstling hat Planes 2: Immer im Einsatz Probleme damit, weltweit auch nur auf mehr als 100 Millionen Dollar einzuspielen. Mit seinen miesen Kritiken und eher dürftiger Zuschauerrezeption war Planes auch wahrlich kein guter Anfang für ein neues Franchise. Anders aber als bei TinkerBell, wo der erste Film klar der stärkste der Reihe war, findet Planes in seiner Fortsetzung zu neuen Höhen.

Seine Identität als primär an das kindliche Publikum gerichtetes Produkt kann Roberts Gannaways Regiearbeit zwar nicht abschütteln, allerdings nehmen Gannaways Inszenierung und Jeffrey M. Howards Drehbuch die Zuschauer bedeutsam ernster als noch der seichte, uninspirierte Vorgänger. Dies liegt unter anderem daran, dass ungleich fester an der Spannungsschraube gedreht wird: Direkt im Prolog zerreißt es ein wichtiges Getriebeteil, weshalb der erfolgreiche Rennflieger Dusty nicht länger seinen Traum leben kann. Da Dusty dies nicht wahrhaben will, geht er bei einem nächtlichen Testflug weit über seine Grenzen hinaus und verursacht dabei einen Unfall, in dessen Folge den Behörden auffällt, wie unfähig der örtliche Feuerschutz ist. Um seinem alternden Freund von der Feuerwehr die Blamage der Zwangsrente zu ersparen, willigt Dusty ein, sich zum Feuerwehrflieger ausbilden zu lassen. Dazu geht er in einem nah gelegenen Nationalpark in die Lehre und macht dabei nicht nur mit illustren Feuerbekämpfern Bekanntschaft, sondern auch mit dem gestrengen Ausbilder Blade Ranger.

Diese geradlinige Story erfindet das Rad zwar ebenso wenig neu wie die Handlung von Planes, wird aber mit viel mehr Esprit erzählt und fußt stärker als das lustlose "Malen nach Zahlen"-Skript des Rennsportfilms auf den Handlungen des Daueroptimisten Dusty. Dessen Entscheidungen haben in Planes 2: Immer im Einsatz auch stets Konsequenzen, was für eine kindgerechte Dramatik sorgt: Erst muss Dusty, der sich erfolgreich in einer eigentlich eh nie für ihn gedachten Welt austobte, eine Pause vom ihn auslaugenden Rennsport nehmen. Dann verursacht er beim Versuch, sich bezüglich seiner körperlichen Leistungsfähigkeit selbst zu betrügen, einen Unfall, der nicht nur seine Lage in Mitleidenschaft zieht, sondern auch die Unbeteiligter. Und erst einmal im Nationalpark angekommen ist es seine gefährliche Mixtur aus steter Selbstüberschätzung und einem auf Unerfahrenheit treffenden Helferdrang, die Dusty und seine Mitstreiter im Kampf gegen Waldbrände in brisante Situationen manövriert.

Robert Gannaway schreckt in den dynamischen Actionsequenzen nie davor zurück, die Gefährlichkeit eines Waldbrandes für Natur und ... äh ... Vehikelbevölkerung aufzuzeigen. Die Leinwand wird mehrmals von bedrohlichen Rauchschwaden und höllisch roten Flammen dominiert, so dass die Figuren von der Naturgewalt förmlich verschluckt werden. Im Gegensatz zum letztjährigen Planes-Film, der nach einer DVD-Produktion aussah, befindet sich dieses Sequel hinsichtlich der Animation auf gehobenem Kinoniveau. Zwar sind die Charaktere weiterhin weniger vital als ihre Cars-Pendants, doch insbesondere die Rauch- und Feuerpartikel, das Hitze anzeigende Flackern der Luft und die weitläufige, bildhübsche Aussicht des Nationalparks machen Planes 2: Immer im Einsatz zu einer visuellen Wucht, die sich locker mit jüngeren Produktionen aus den Häusern Illumination Entertainment oder Blue Sky Studios messen lassen kann. Der cartoonige Einfallsreichtum der DreamWorks-Filme Die Croods oder Die Abenteuer von Mr. Peabody & Sherman wird auf optischer Ebene wohlgemerkt nicht erreicht, der Detailreichtum dieser Produktionen wird dagegen vielleicht sogar überboten. Planes 2: Immer im Einsatz ist also tatsächlich wie fürs Kino gemacht, was sich auch im imposanten 3D widerspiegelt, das gerade die Actioneinlagen noch aufregender macht. Kleine Zuschauer dürften von ihnen wie gefesselt sein, das ältere Publikum dagegen kann sich zwar stets den Ausgang der Szenen denken, dank der schwungvollen Inszenierung ist Planes 2: Immer im Einsatz trotzdem durchwegs unterhaltsam.

Gleichwohl erkennt Robert Gannaway die lächerliche Natur dieser Filmreihe und nutzt dies zu seinem Vorteil: Wo Planes noch beim Versuch, seine fiktive Welt durch dramatische Enthüllungen zu vergrößern, eine Bruchlandung hinlegte, scheint Planes 2: Immer im Einsatz den Irrsinn des Cars-/Planes-Universums zu akzeptieren und setzt abseits des zentralen Plots auf ansteckende Heiterkeit. Auch Planes 2: Immer im Einsatz beinhaltet eine Enthüllung, was Dustys neuer Mentor in seiner Vergangenheit trieb, statt einer abgeschmackten und die Logik des Films in Frage stellenden Weltkriegsreferenz gibt es hier aber urkomische Anspielungen auf die Popkultur der 70er und 80er zu sehen. Generell gehen die Dialoge leichtfüßiger und spaßiger mit dem gebotenen Material um und sind vermehrt an einfallsreichen, selbstironischen oder einfach nur verspielt-albernen Wortwitzen interessiert, statt daran, die Planes-Welt als schlüssiges Filmuniversum darzustellen, was eh brutal zum Scheitern verurteilt ist.

Ebenso sind die Nebenfiguren zwar weiterhin flach und einseitig, aber immerhin wirkt es so, als wüssten die Filmemacher das, so dass sie das Figurenensemble wenigstens auf den Unterhaltungsfaktor hinbürsten. Von einer frivol-gruseligen Stalkerin über einen keinerlei Gefahrensituation erkennenden, schleimigen Lodgebesitzer (in der deutschen Fassung saukomisch: Axel Malzacher) sind die meisten Charaktere allein darauf aus, für Kurzweil zu sorgen. Misslungen ist allein ein veralteter Ureinwohner-Stereotyp (der mit einer makaberen Lagerfeuergeschichte allerdings einen unerwartet guten Lacher auf seiner Seite hat), außerdem nerven die gelegentlichen Pupswitze, die sich einfach nicht in die Stimmung dieses von Mark Mancina musikalisch treibend untermalten Films fügen wollen. Mit dem verbissenen Blade Ranger (effektiv: Henning Baum) und einem älteren Autoehepaar, das einen durch seine sympathische Ausstrahlung im Finale durchaus mitfiebern lässt, gibt es daneben aber noch immer ein paar Figuren, die keine reine Lachnummern sind.

Ärgster Kritikpunkt ist lediglich der Schluss, der die lobenswerte Aussage von Planes 2: Immer im Einsatz mit Blick auf weitere Fortsetzungen etwas untergräbt. Diese DisneyToon-Studios-Produktion strotzt vor Respekt für Brandbekämpfer und unterrichtet sein junges Publikum ganz mühelos nicht nur darin, dass nicht allein Sportler Idole sein können, sondern auch darin, dass es manchmal einen alternativen Karrierepfad einzuschlagen gilt. Letzteres wird aber, um dem viel durchmachenden Dusty einen sprichwörtlichen Knochen (Kolben?) hinzuwerfen, korrumpiert, obwohl die positive Laune des Films auch ohne dieses Eingeständnis beibehalten werden könnte. Das ist zwar bedauerlich, da Planes 2: Immer im Einsatz aber für die Art Film, die er sein will, sonst geradezu beispielhaft gelungen ist, lässt sich dies verschmerzen.

Montag, 18. August 2014

Planes


Seit der von John Lasseter mitinszenierte Animationsstreifen Cars 2 in die Kinos düste, haben zahllose Pixar-Fans (und einige, die es einst waren) ein filmisches Lieblingsopfer. Die Agenten-Actionkomödie war visuell zwar ein Prachtwerk mit Hintergründen, die eine feine Balance zwischen Realismus und Imagination hielten, inhaltlich erstickt das wilde Treiben des Abschleppwagens Hook dagegen in Kritikpunkten. Anstrengende Gags, eine dümmliche Figurenzeichnung und die wohl giftigste Moral, die je vom Walt-Disney-Pictures-Markenlogo begleitet in die Lichtspielhäuser kam, machen Cars 2 zur Antithese solcher Meisterwerke wie Toy Story 3.

Als würde Pixar nicht schon im Alleingang eifrig an seinem Thron in der Welt der Computertrickfilme sägen, erhielt die Produktionsschmiede aus Emeryville bald darauf tatkräftige Unterstützung von den DisneyToon Studios. Mit Planes startete das Produktionshaus, das auch die TinkerBell-Filme verantwortet, sein eigenes, kleines Franchise im Cars-Look. Nicht nur, dass die sprechenden Flugzeuge aus Planes ein ähnliches Charakterdesign aufweisen wie die Pixar-Karren: Eine Einblendung im Film sowie ein penetrant im Marketing verwendeter Claim besagen, dass Planes in, Verzeihung, ÜBER der Welt von Cars spielt. Das Problem daran? Gelegenheitszuschauer können selbst nach jahrelangen Versuchen der Marvel Studios, sich als eigenständige Marke zu etablieren, nicht den Unterschied zwischen einer Marvel-Eigenproduktion wie Iron Man 3 und einem Marvel-Lizenzfilm wie X-Men – Zukunft ist Vergangenheit erklären. Wenn also zwei inhaltlich strikt voneinander getrennte Filmuniversen in den Augen vieler Kinogänger verschmelzen, wie soll ein unbescholtenes Publikum auseinanderhalten können, wo in, über und unter der Welt von Cars die Pixar-Künstler mitmischten und was von Disneys Merchandisingmaschinerie angeleiert wurde?

Es wäre kein so drastisches Problem, hätte Planes den Anspruch, der alten Disney-Maxime gerecht zu werden, gute, herzliche Geschichten für ein generationenübergreifendes Publikum zu erzählen. Aber schon die Erfahrung lehrte, dass die DisneyToon Studios nur selten nach diesen Sternen greifen. Da aber mit dem ersten TinkerBell-Film bereits ein anderer Startschuss für eine lang angelegte Reihe zu diesen Ausnahmen zählt, ist es niemandem zu verübeln, wenn er allen Warnungen zum Trotz mit einem Funken der Hoffnung an Planes herantritt.

Ob Planes eine optimistische Sichtweise verdient hat, hängt von der Erwartungshaltung ab. Wer befürchtet, dass die ursprünglich als DVD-Premiere geplante Produktion schlimmer ist als Cars 2, wird die austauschbaren Seichtheit von Klay Halls Regiearbeit wohlig in Empfang nehmen. Wer selbst von den DisneyToon Studios einen kleinen Funken der Disneymagie einfordert, könnte mit Planes so seine Probleme haben.

Die Geschichte eines Niemands, der für seinen großen Traum kämpft und ihn sich schlussendlich erfüllt, ist eine der großen Standarderzählungen des Familienfilms, und selbst wenn diese Narrative kaum noch für Überraschungen gut ist, kann sie noch immer unterhalten. Zuletzt machte etwa Turbo aus dem Hause DreamWorks Animation so mancher Mängel zum Trotz Spaß. Und gerade mit Blick auf die Kernzielgruppe, die längst nicht so viele Filme kennt und die sich daher an ausgelutschten Storylines längst nicht so sehr stört wie erwachsene Fans, sei hier dem Kernplot von Planes kein Haar gekrümmt. Dusty Crophoppers Wunsch, von der Landwirtschaft in den Rennsport zu wechseln, ist nachvollziehbar und unschuldig genug, um der Figur ein Minimum an Sympathie zukommen zu lassen.

Die Mängel von Planes liegen woanders. So begnügten sich die Autoren nicht damit, aus dem Protagonisten ein Sprühflugzeug zu machen, das sich zu höherem berufen fühlt. Der orange bemalte Flieger muss auch noch Höhenangst haben. Und das macht aus dem knuffigen Träumer Dusty eine kleine Lachnummer. Ein schnelles Flugzeug, das im Laufe seines Abenteuers Ängste überwinden muss? Fein. Ein langsames Flugzeug, das über seine Grenzen hinausgeht? Gut. Aber beides auf einmal? Das ist für diesen seichten, kantenlosen Film zu viel, da es je nach Betrachtungsart Dustys gigantische Probleme zu simpel darstellt oder aber Dusty wie einen absolut verblendeten Naivling zeichnet.

Ist dies noch zu verzeihen, machen die Nebenfiguren Planes durchaus schwerer verdaulich. Abgesehen von Jedermann Dusty sind sämtliche Teilnehmer am weltumspannenden Flugwettbewerb übertriebene Karikaturen ihrer Nationen: Der prahlerische mexikanische Wrestler, die philosophisch-geistliche Inderin, der versnobte Brite … Über ihre stereotype Oberfläche reichen diese Randcharacktere nie hinaus, während Dusty Freunde aus seiner Heimat über eine burschikose Mechanikerin hin zu einem Furzwitze machenden, dümmlichen Hook-Abklatsch reichen. Die Krönung des Ganzen ist aber Dustys Mentor Skipper Riley, ein knallharter Kriegsveteran mit dunklem Geheimnis. Da Skipper nicht nur eine raue Schale hat, sondern auch einen verlogenen Kern, wäre diese Figur eine willkommene Abwechslung von den restlichen, einschläfernd flachen Figuren in dieser Geschichte. Doch dann kommt die große Enthüllung, dass die Figur eine reale Schlacht im Zweiten Weltkrieg geschlagen und seine Division an Soldaten ins Verderben manövriert hat. Und an dieser Stelle hört der Spaß auf.

Elemente der Düsternis gehören zu Disney wie gute Musik. Aber während Meisterwerke wie Schneewittchen und die sieben Zwerge mit einem schaurigen Wald, Pinocchio mit einer erschreckenden Transformation oder Aladdin mit einem riesig-schlangenhaften Schurken eigene Schauermomente erschaffen, bedient sich Planes bequem an einer wahren, dunklen Stunde der Menschheitsgeschichte. Da der Zweite Weltkrieg sonst nichts mit den Themen des Films zu tun hat, ist dies nicht nur unangebracht und aus erzählerischer Sicht faul, es wirft auch massenhaft Fragen über die fiktive Welt von Planes und Cars aus. Gab es also ein Hitler-Vehikel, das jüdische Fahrzeuge vergasen ließ? Japanische Flugzeuge, die einen amerikanischen Flugzeugträger bombardierten? Ein Auto des Typs Ente namens Donald, das in einem Film gegen die Naziautos wetterte?!

Nicht nur das Drehbuch schludert dann und wann, auch visuell ist Planes nicht ganz ausgegoren. Teilweise sind die Hintergründe fast auf Cars-Niveau: Voller Details, die teils fantasievoll sind, teils für einen erhöhten Realismus sorgen. Andere Schauplätze sind allerdings auffallend-weitläufig leer, wieder andere sehen zwar gut aus, sind aber inkonsequent gestaltet: Sind in Cars 2 alle Gebäude so geformt, dass Autos und Flugzeuge in ihnen Leben können, sind in Planes manche Bauten in Menschenproportionen gehalten. Ist dies ein Makel für das geübte Auge, sorgt die Inszenierung einiger Dialogszenen bei Animationskennern wie auch beim Durchschnittszuschauer für einen Mangel an Engagement: Oft stehen die Figuren in einer Halbtotalen regungslos nebeneinander, wenn sich allein ihre Münder und Augen bewegen. Das ist visuell nicht sonderlich aufregend und macht bemerkbar, für welchen Markt und welches Budget der Film verwirklicht wurde.


Immerhin ist Planes aber kurz und auch relativ schnörkellos erzählt, so dass die Längen ausbleiben, die den ursprünglichen Cars-Teil plagten. Und da auch die gewaltigen moralischen Fehltritte von Cars 2 ausbleiben, ebenso wie solch nervenden komödiantischen Einlagen wie die vom rostigen Abschlepper Hook, ist Planes immerhin harmlose Unterhaltung für die ganz kleinen. Und große Animationsfans werden in den seltensten Fällen in Planes eine gute Investition sehen – aber wenigstens schmerzt diese Produktion nicht.

Dienstag, 12. August 2014

"Big Hero 6" hat einen neuen deutschen Titel

Was bisher geschah: Disney Deutschland gab über die deutsche Webseite des kommenden Animationsfilms Big Hero 6 bekannt, dass Disneys Marvel-Adaption hierzulande auf den Titel Big Six – Riesiges Robowabohu tragen wird. Ich und zahlreiche Disney-Fans wussten nicht, ob sie lachen oder revoltieren sollten ...

Und nun, die große Wende: Offenbar ist man in München nicht tabu und blind, sondern bekam mit, dass der Titel ziemlich bescheuert ist. Also zog man einen neuen Titel aus dem Hut, der nun sogar ein offizielles Logo spendiert bekam:

Also, wenn ihr mich fragt, ist das schonmal eine klare Verbesserung. Wenn man aus irgendeinem Grund Big Hero 6 nicht übernehmen will, dann lieber im klassischen Disneystil den Film nach einer Figur benennen. In diesem Fall: Nach dem süßen, weißen Ballonroboter Baymax. Selbst wenn die Story angeblich ein Ensemblestück wird.

Jetzt müssen wir Disney lediglich diese dummen Untertitel austreiben ... 

O Captain! My Captain!


Als ich in der Nacht vom Montag, dem 11. August 2014, auf den heutigen Dienstag die Eilmeldung las, Robin Williams sei gestorben, habe ich diese Worte erst gar nicht fassen können. Ein Teil meines Gehirns redete mir erfolgreich ein, dass diese Aneinanderreihung von Buchstaben keinen Sinn ergebe. Als ich dann aber den ersten Nachruf las und eben jene Worte direkt unter einem Bild des von mir seit Kindheitstagen geliebten Schauspielers sah, brach die Illusion zusammen, das alles sei einfach nicht wahr.

Dass ich auch Stunden später immer und immer wieder an ihn und sein Werk denken muss, ist ein Testament seines ungeheuerlichen Talents. Auch wenn er vier reguläre Golden Globes sowie einen Ehren-Globe für sein Lebenswerk erhielt und obendrein bei seiner vierten Academy-Award-Nominierung endlich seinen lang verdienten Oscar gewann, so sehe ich in ihm noch immer einen unterschätzten Mimen. Mit seiner Beteiligung wurden Filme zwar aggressiv beworben, zum Teil sogar gegen seinen Willen, trotzdem wehte beim Klang seines Namens nie die ehrfürchtige Aura eines begnadeten Meister seines Fachs mit. Oder das glänzende Appeal eines laut umjubelten Superstars.

Vielleicht liegt es daran, dass Robin Williams dank vieler seiner Rollen eine familiäre Ausstrahlung hatte. Als lebensfroher, schlagfertiger Dschinni im Disney-Zeichentrickklassiker Aladdin wurde zum unvergleichlichen Weggefährten, für den selbst die größten magischen Tricks nur einen kleinen Freundschaftsdienst darstellen. Dank Der Club der toten Dichter wird er für immer als der frei denkende, einfühlsame Lehrer in Erinnerung bleiben, den sich jeder von uns wünscht. In Good Will Hunting zeigte er sich als der verletzliche Mentor, der die Stärken seines Schützlings herauszukitzeln weiß. Und dank Komödien wie Jumanji, Mrs. Doubtfire oder Flubber sorgte er für Lacher, die im Kindesalter ebenso zünden wie im Erwachsenenalter.

Doch Williams war mehr als nur der liebenswerte Komiker. Er war auch ein echter Wirbelwind, wie seine Liveauftritte zeigten. Oder leider auch seine Drogeneskapaden. Lange Zeit war Williams ein regelrechtes Partytier, das mit John Belushi um die Häuser zog oder mit einigen Cast- und Crewmitgliedern am Set des Disney-Musicals Popeye nach eigenen Aussagen "bis zum Gehtnichtmehr gekokst" hat. 1986 schwor Williams den Drogen ab und war 20 Jahre lang clean, 2006 kam es zu einem kurzen Rückfall. Im Juli dieses Jahres wollte er einem weiteren Rücksturz vorbeugen und ließ sich prophylaktisch in eine Therapieklinik einweisen.

Dies sind aber nicht die Dinge, die mit ihm für ewig in Verbindung stehen sollten. Oder werden. Denn noch stärker als Williams überdrehte Seite hallt seine tragikomische Ader nach. Ob in Good Morning, Vietnam, König der Fischer, Hinter dem Horizont, Der 200 Jahre Mann oder zahlreichen anderen Filmen: Williams war scheinbar mühelos dazu fähig, nach alter Showmanship-Regel für jeden Lacher auch eine Träne hervorzurufen. Selbst in turbulenten Familienkomödien wie Flubber war er dazu imstande, neben all dem Slapstick auch herzliche Momente in sein Schauspiel einzuarbeiten.

Williams' finsterste Seite kam dagegen leider nur selten auf dem Zelluloid zur Geltung, obwohl er in entsprechenden Rollen so begnadet war. In den Thrillern Insomnia und One Hour Photo war er erschreckend beklemmend und in der Mediensatire Tötet Smoochy betonte er ebenso wie in The World's Greatest Dad die rabenschwarzen Aspekte seines Humors. Eines war aber nahezu allen seiner Darbietungen gemein: Egal wie gut oder schwach ein Film insgesamt war, in beinahe jedem Fall machte Williams ihn besser, drückte ihm seinen Stempel auf und stellte sich trotzdem zugleich voll und ganz in die Dienste des Gesamtwerks.

Oftmals zeigten seine Figuren zudem die Einsamkeit hinter einer fröhlichen Maske. Auf der Leinwand ging es für Williams' Schöpfungen zum Glück zumeist gut aus. Im wahren Leben dagegen gewann leider die Finsternis im Inneren der Frohnatur. Der 63-Jährige verlor den Kampf gegen seine Depressionen und nahm sich laut Polizeibericht sein Leben.

Es ist ein bitteres, tragisches Ende für das Leben eines Mannes, der Millionen von Menschen frohe Stunden bereitete und der auch nach seinem Ableben dank seiner unsterblichen Figuren noch unzählige Menschen unterhalten wird. Aber es bringt nichts, nur an seinen frühen Tod zu denken. Was bleibt, ist Williams' Schaffen. Und dafür: Danke, Sean. Danke, Adrian. Und vor allem: Danke, Dschinni. Und natürlich: Danke, oh Captain, mein Captain!

Donnerstag, 7. August 2014

15 für den Oscar 2015: Die Vorauswahl für den deutschen Academy-Award-Beitrag


Es ist Jahr für Jahr der Anstoß für viele deutsche Filmliebhaber, die Augen zu rollen: Die Vorauswahl für den deutschen Oscar-Beitrag in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" steht fest. Doch dieses Jahr ereilt uns ein ungewohntes Bild. Insgesamt 15 Filme muss dieses Jahr eine unabhängige Jury begutachten, um zu entscheiden, welche deutsche Kinoproduktion es verdient hätte, für eine Oscar-Nominierung vorgeschlagen zu werden. Und unter diesen 15 Filmen lassen sich ungewohnt wenige Dramen finden, die sich allein mit der Geschichtsbewältigung befassen:
  • "Die andere Heimat - Chronik einer Sehnsucht" von Edgar Reitz
  • "Die geliebten Schwestern" von Dominik Graf
  • "Finsterworld" von Frauke Finsterwalder
  • "Hannas Reise" von Julia von Heinz
  • "Im weißen Rössl - Wehe du singst" von Christian Theede
  • "Kreuzweg" von Dietrich Brüggemann
  • "Lauf Junge Lauf" von Pepe Danquart
  • "Der letzte Mentsch" von Pierre-Henri Salfati
  • "Stereo" von Maximilian Erlenwein
  • "Westen" von Christian Schwochow
  • "Wir sind die Neuen" von Ralf Westhoff
  • "Who Am I" von Baran Bo Odar
  • "Wolfskinder" von Rick Ostermann
  • "Zeit der Kannibalen" von Johannes Naber
  • "Zwischen Welten" von Feo Aladag
In das Klischeebild des deutschen Holocaustdramas passen allein Lauf Junge Lauf und Wolfskinder, während Der letzte Mentsch zwar ebenfalls den Holocaust anschneidet, aber in der Gegenwart spielt und von einem jüdischen Holocaustüberlebenden handelt, der sich eine neue Identität aufbaute. Nun, an seinem Lebensabend, will er aber sehr wohl seine Herkunft bekennen, hat aber nicht mehr die dazu nötigen Papiere. Westen wiederum fällt genau in das zweitgrößte Klischeebild über deutsche Oscar-Beiträge und thematisiert die deutsch-deutsche Trennung.

Ansonsten gibt es in dieser Liste einige ungewöhnliche, erfreuliche Nennungen. Besonders freue ich mich für den verstörenden Episodenfilm Finsterworld und den Hackerthriller Who Am I, den ich zwar noch nicht gesehen habe, auf dessen Kinostart ich mich aber schon aufgrund seiner Andersartigkeit freue. Und auch wenn ich Im weißen Rössl - Wehe du singst keine Oscarchancen einräume, so fand ich dieses selbstironische Musical sehr erfrischend und gönne ihm seine Gratispublicity, die es nun durch die Nennung in dieser Auswahl erhalten hat. Müsste ich tippen, welcher dieser Filme bei der Academy eingereicht wird, so tippe ich auf das Epos Die andere Heimat - Chronik einer Sehnsucht und alternativ auf den geistreich-sensiblen Kreuzweg.

Dienstag, 5. August 2014

Beim vierten Mal tut es nicht mehr weh


Ich kann schon lange nicht mehr einschätzen, wie oft ich meine Antipathie gegenüber Michael Bays Transformers-Trilogie kundgetan habe. Die menschlichen Figuren sind durch die Bank weg unsympathisch oder sogar extrem nervig. Die titelgebenden Alienroboter dagegen sind weitestgehend austauschbar. Und die Action mag zwar laut und explosiv sein, jedoch dank rasend schneller Schnitte und viel zu nah am Geschehen klebender Kameraeinstellungen völlig unübersichtlich und somit nicht spannend. Ganz zu schweigen davon, dass ich die Erzählweise der hauchdünnen Pseudostory in allen drei Filmen ermüdend finde. Kurzum: Wären nicht die Linkin-Park-Abspannsongs, würde ich gar nichts an den ersten drei Transformers-Teilen mögen. Doch auch mit Linkin Park kann ich ihnen so wenig abgewinnen, dass ich mich noch immer nicht aufraffen konnte, freiwillig Kritiken über die Sequels zu verfassen.

Entsprechend desinteressiert war ich an Transformers – Ära des Untergangs. Denn selbst nach Michael Bays Bekundungen, einen tonalen und stilistischen Reboot zu vollführen, ohne mit der Kontinuität seiner Trilogie zu brechen, strahlten sämtliche Trailer aus, dass Teil vier einfach nur noch mehr vom gewohnten Krachbummtohuwabohu mit charakterlosen CG-Effekten bietet. Als aber meine werte Kollegin Antje Wessels Bays jüngste Materialschlacht mit einer positiven Kritik ehrte, obschon sie die restliche Transformers-Reihe genauso sehr verachtete wie ich, wurde ich hellhörig. Ein von mir investigativ eingeleitetes, kritisch nachhakendes Gespräch später, in dem ich weitere Argumente für ihr Urteil einforderte und auch erhielt, wurde ich dann tatsächlich wankelmütig. Und so kam es zum für mich zuvor Undenkbaren: Ich löste in einem meiner Stammkinos ein Ticket für eine 3D-Vorführung von Transformers – Ära des Untergangs. Am Abend. Am Kinotag. Für eine nahezu ausverkaufte Vorstellung.

Also passiert es: Die Studiologos werden abgespult, ich schüttle im Unglauben über meine Abendplanung den Kopf. Ich sitze hier tatsächlich im Kino, haue einen zweistelligen Eintrittspreis zum Fenster raus und opfere fast drei Stunden meiner raren Freizeit, um einen Film zu sehen, dessen Vorgänger bereits überdeutliche Indizien lieferten, dass ich nun keinen Spaß haben werde! Dann aber bleibt der übliche, mir fremde Vokabeln gegen den Kopf knallende, selbstgefällig-bedeutungsschwangere Monolog von Optimus Prime aus. An seiner Stelle tritt ein viel effizienterer Prolog. Erneut zeigt Michael Bay die Erde, wie sie vor zirka 65 Millionen Jahren aussah, schon wieder lässt er einen Himmelskörper auf den Planeten stürzen und die Dinosaurier auslöschen. Anders als in Armageddon folgt er dem abstürzenden Geschoss auf die Erdoberfläche und zeigt einen putzigen Dinosaurier, der mit seinen knuffigen Augen bereits nach drei Sekunden auf der Leinwand mehr Charisma und Authentizität ausstrahlt, als sämtliche Charaktere der ursprünglichen Transformers-Trilogie. Dann verwandelt ein unförmiges Raumschiff die Oberfläche in kalte, leblose Materie. Schnitt. In der Gegenwart entdecken Naturforscher ein metallisches Dinosaurierskelett. Ich merke, wie mich Bay mit dieser wortkargen, bildgewaltigen Einleitung neugierig macht.

Bald darauf verliere ich mich in den sonnendurchfluteten Bildern, mit denen Michael Bay auf der großen Leinwand Texas wie das Kleinstadtparadies auf Erden aussehen lässt. Jede Einstellung sieht aus wie für eine Postkarte entworfen. Es folgt: Eine Kinoruine, die Bände zu erzählen hätte. Ein Surfer-Dude (T. J. Miller) aus Kalifornien, der sich wohl irgendwie in diesen Winkel der USA verirrt haben muss und Mark Wahlbergs Figur Cade Yeager nach ihren romantischsten Kinoerinnerungen fragt. Yeager stellt sich nach und nach als Erfinder-Dad heraus, wie er aus einer Disney-Realfilmkomödie entflohen sein könnte, mit exzentrischen Tüfteleien, die alle nur so halb funktionieren, großem Herz und einer Tochter, die genauso wenig ohne ihn kann, wie er nicht ohne sie könnte. Diese ist aber, wir sind hier ja bei Bay und nicht bei Disney, stets in lachhaft kurzen Jeanshosen gekleidet und lässt ihr Haar immer so im Winde wehen, als posiere sie für einen Werbespot. Keine Ahnung, wofür dieser Werbespot ist, vielleicht für American Toast, Immobilien in Texas oder für ein FHM-Abo, doch auf jeden Fall verehren Bay und die von Amir Mokri (Coyote Ugly) geführte Kamera die Darstellerin Nicola Peltz. Ja, sie verehren sie auf oberflächlicher Ebene, dennoch sind sie stets daran interessiert, sie gut aussehen zu lassen. Und nicht daran, ihren Körper mit der Kameralinse abzutasten (wie es Rosie Huntington-Whitley in Transformers 3 ergangen ist). Und schon gar nicht wird Peltz in Szene gesetzt, als sei sie so eben vom Set eines Pornos gewandert und auf dem Weg zum Transformers-Dreh in einen Bottich Babyöl gefallen (Megan Fox, Transformers 1 & 2, genug gesagt).

Wahlberg lässt seinen gutherzigen, schusseligen Erfinder erklären, wieso er seine Tochter zu kurz an der Leine hält, und ich kann seine dünne Motivation dank der großäugigen Performance des Pain & Gain-Darstellers nachvollziehen. Gleichzeitig tut mir Wahlbergs Leinwandspross namens Tessa leid, weil ich durch die Diskrepanz zwischen ihrem unschuldigen Spiel und ihrer offenherzigen Bekleidung den Eindruck gewinne, dass ich es mit einer Figur zu tun habe, die mehr als nur ein Blickfänger ist. Sie ist viel lieber und harmloser, als sie in ihren Auseinandersetzungen mit Cade durchscheinen lässt, die Arme! Und T. J. Miller stolpert als Sidekick Lucas Flannery nicht alle fünfzehn Sekunden über seine eigenen Schnürsenkel und spricht über Haschkekse, schlaffe Pimmel und pralle Titten, sondern macht treffende, witzige Seitenhiebe auf die Rückständigkeit von Texas, die unangebrachte Attraktivität Tessas sowie Cades manisches Verhalten. Ja, es ist alles noch meilenweit entfernt, Oscar-tauglich zu sein, aber es ist mit breiten Pinselstrichen geschaffener, komfortabler Spaß.

Ich wehre mich allerdings. Wenn grimmig dreinblickende CIA-Agenten sagen, dass die Transformers die Erde verlassen sollen und längst den Tod verdient haben, weil sie ihren Krieg auf der Erde austragen, feuere ich sie heimlich an. Dann aber gerät Optimus Prime in eine Zwickmühle. Dieser in den ersten drei Filmen so sterbenslangweilige, pathetische Truck, dessen einziger Charakterzug war, dass alle anderen Figuren dauernd von seiner Großartigkeit schwärmten, hat die Schnauze voll von den Menschen. Aber er muss sich bei Cade Yeager verstecken, während dieser vom CIA verhört wird. Und auch wenn mir klar ist, dass die Drohungen des kernigen Agenten James Savoy (Losts Man in Black Titus Welliver), Tessa zu erschießen, ins Leere laufen werden, ist mir tatsächlich unklar, ob Optimus seine Deckung aufgeben und seinen inneren Helden wiederentdecken wird oder ob jemand anderes Michael Bays neustes Lustsobjekt aus seiner misslichen Lage rettet. Verflucht noch eins, ich fiebere tatsächlich mit! Was zum Teufel ist nur los?!

Und dann wird es mir mit einem Schlag klar. Eine Verfolgungsjagd quer über Stock und Stein (und durch verlassene, staubige Gebäude) unterstreicht ganz peppig, was los ist. Transformers – Ära des Untergangs wirkt so, als sei wenige Tage vor Drehstart ein schwer von Bay enttäuschter Jerry Bruckheimer vorbeigekommen, der den Regisseur in die Mangel nahm und ihm mit ermunterndem Blick, aber in bestimmten Tonfall eine Standpauke gab: "Was soll dieses ganze Chaos, das du neuerdings anstellst? Bist du völlig bescheuert geworden, so macht das keinen Spaß mehr! Und wieso zielst du mit deinem Humor nur noch auf die Pipi-Kacke-Altersgruppe! Mach endlich wieder Actionfilme wie damals, als du noch für mich gearbeitet hast!" Bruckheimer sprach, Bay führte aus ...


Transformers – Ära des Untergangs versprüht nicht das Flair der ersten drei Transformers-Filme. Dieser 210-Millionen-Dollar-Klopper spielt noch immer im Universum dieser Streifen und wirft daher all jene Logikfragen auf, die seit jeher mit dem (Realfilm-)Transformers-Franchise verbunden sind. Aber vor allem fühlt er sich wie die Bay/Bruckheimer-Kollaborationen an, die mir solch großen Sehspaß bereiten. Bad Boys, The Rock, Armageddon und natürlich Bad Boys II (über Pearl Harbor urteilen wir besser ein anderes Mal). Die Figuren sind keine Geschmack und Verstand beleidigenden Stereotypen, sondern auf das Nötigste reduzierte Archetypen. Die Charakterzeichnung ist dünn, aber widerstandsfähig genug, um den Plot ins Laufen zu kriegen. Und kaum etwas ist bei Regiearbeiten des Überlänge liebenden Michael Bay wichtiger, als eine Story, die den Eindruck erweckt, sich stets vorwärts zu bewegen. Wenn Action, Exposition und Humor nicht auf der Stelle treten und ich die Figuren mag (ganz gleich wie rudimentär sie skizziert sind), dann ist Bays Krawallstil schon Mal keine Tortur mehr. Und wenn aus dem "Guck mal, wie detailreich die Computereffekte sind!"-Inszenierungsstil der Transformers-Trilogie endlich wieder der "Wow, sind das nicht beeindruckende Szenarien in denen viel passiert?!"-Look besagter Bruckheimer-Produktionen wird, hey, dann bin ich nicht nur gewillt, der Action zu folgen. Ich bin dann sogar auch dazu imstande, der Action zu folgen!

Während ich so über die turbulente Auto-Verfolgungsjagd staune, in der ein halsbrecherischer Stunt auf den nächsten folgt und ein angebrachtes Maß an Geplänkel zwischen den Figuren nochmal klar macht, dass nicht der Thrill, sondern der Entertainment-Faktor die Hauptrolle spielt, wundere ich mich aber. Bin ich einfach nur froh, in brillantem, gestochen scharfen 3D eine Szene zu sehen, die auch aus The Rock stammen könnte und übersehe daher gravierende Mängel? Oder ist der vierte Transformers-Film wirklich überzeugendes Popcorn-Kino?

Tja. Natürlich offenbaren sich mir einige Mängel, die Bays aufwändiger Hasbro-Werbespot auch im restlichen Verlauf seiner 165 Minuten Spielminuten nicht abschütteln kann. Prägten frühere Regiearbeiten des Hitzkopfs mit ihrem Score eine ganze Generation von Actionfilmen (Stücke aus The Rock und Armageddon sind weiterhin wichtige Vertreter ihrer musikalischen Gattung), rennt Transformers – Ära des Untergangs dem Trend hinterher. Munter stiehlt Steve Jablonsky bei Tron: Legacy, Gravity, Inception sowie Man of Steel und reiht seine Kopien bombastischer, elektrisierender Stücke, die in ihren jeweiligen Filmen von Bedeutung waren, ohne erkennbaren Sinn aneinander. Gut geklaut soll ja besser sein als schlecht erfunden, Jablonsky spult hier die Hintergrundmusik aber lustlos ab und sucht nicht einmal nach denkwürdigen Gelegenheiten, den Score mit der visuellen Kraft des Actioners abzustimmen.

Und selbst mit einem funktionierenden Plotmotor sowie mir zusagenden Popcornkino-Protagonisten fühlt sich Michael Bays vierte Roboterschlacht kühl und mechanisch an. Einzelne selbstironische Spitzen reichen nicht, um die fidele Selbsterkenntnis eines Armageddon zu rekreieren und der wohlig eingesetzte Pathos dieses Weltuntergangsfilms wird von mir ebenfalls vermisst. Denn wo auch immer Armageddon gigantische emotionale Statements machte und somit eine (wenig ernstzunehmende, aber sympathische) Seele bewies, ist Transformers – Ära des Untergangs allein um seinen Look besorgt. Daher ist Bays elfte Regiearbeit eine reine Materialschlacht. Eine, die zwar weiß, welche Emotionen ein normaler Popcornfilm mit welchen Storypunkten verbinden würde, und daher die üblichen visuellen Kniffe imitiert, dabei aber so weit ausholend gestikuliert und dermaßen groß herumklotzt, dass die Geste extrem deutlich erkennbar ist. Ihre intendierte Bedeutung geht aber verschollen.

Aber all dies ist dank der Stringenz, mit der Bay hier voranschreitet, und bei dieser ausgefeilten Effekttechnik und mit diesen kurzweiligen Figuren sowie bei der stets in Bewegung bleibenden Pseudostory verzeihlich. Nicht ohne Grund hat Transformers – Ära des Untergangs eine Vielzahl an Schurken: Je mehr Figuren etwas machen, desto mehr tut sich in diesem Film. Das ist kein feingeistiges Erzählen. Aber hier ist es ... leider geil!

Ich bin gefesselt davon, zwar stets zu wissen, was nicht passiert, nie aber zu wissen, wohin der Plot als nächstes galoppiert. Klar, ich weiß dank der goldenen Regeln für Blockbuster, die sich am kleinsten gemeinsamen Nenner orientieren, welche Figuren überleben werden und welche innerhalb der mehr als 160 Minuten über die Klinge springen. Doch ich habe keine Ahnung, was nach der Flucht von der Farm der Familie Yeager sein wird. Ich kann nicht erahnen, wieso der Auftragskiller-Transformer Lockdown mit einem erbitterten Kelsey Grammer zusammenarbeitet. Und ich bin überrascht von Stanley Tuccis Rolle eines despotischen Steve-Jobs-Doppelgängers. Ich bin nicht nur überrascht, sondern auch erfreut. Denn anders als sämtliche Schauspielgrößen, die sich in den ersten drei Transformers-Streifen unter ihrer Würde verkauften, nimmt Tucci das Material und hat monströsen Spaß damit. Wie schon in Die Tribute von Panem mimt Tucci hier ein abscheuliches Ekel, sorgt zugleich aber auch für Lachmuskelkrämpfe und strahlt noch immer einen sonderbaren Charme aus. Immer wieder denke ich nach triumphalen Kämpfen "Oh, das war sicher das Finale", aber dann nimmt Transformers – Ära des Untergangs wieder einmal eine Wende und findet einen Grund, weiter zu machen. Doch es ermüdet mich nicht. Es fasziniert, da die neuen Ideen Spaß machen. Und dann diese Action ...

Mit Fortschreiten des Films lullt mich Bay immer effektiver ein. Mehr denn je geht mit diesem Spektakel Bays lang gehegter Traum auf. In einem außerordentlich lesenswerten GQ-Artikel über Michael Bay erklärt einer seiner langjährigen Weggefährten, dass West Side Story zu den Lieblingsfilmen des Regisseurs zählt und er davon fasziniert ist, wie sehr sich Musicals von der Realität entfernen, um ihre Story durch Abstraktion, Farben, Klänge und Bewegungen zu erzählen. Transformers – Ära des Untergangs ist wahrlich kein bloßer Actionfilm mehr, diese Produktion ist das, was der Hitzkopf seit Beginn seiner Karriere erschaffen will: Ein Verwüstungsmusical. Wahrhaftig kein intelligentes, jedoch ein meisterhaft choreographiertes mit traumhafter Farbästhetik. Rauschartig reiht es einen Tanz aus Explosionen, krachendem Metall und schwitzenden Menschen an den nächsten und so, wie bei Disneytrickfilmen besonders dramatische Momente immer im Regen stattfinden oder vor tiefrot glühendem Hintergrund, geht im Bay-Universum die Sonne stets unter, sobald eine Figur etwas bedeutungsschwangeres sagt oder tut. Das ist ebenso unsinnig wie ansehnlich. In einem Film, in dem ein Spitzenagent und ein Tüftler von Dach zu Dach springen, um ihre Differenzen diesbezüglich auszutragen, ob Alienroboter ein Fluch oder ein Segen sind, da ist so eine dick aufgetragene Ästhetik durchaus angebracht. Zumindest, wenn sie mit dieser erschreckend kunstvollen Konsequenz erschaffen wird. Eine Romanze mit einer einzelnen, verloren wirkenden Musicaleinlage ist vielleicht absonderlich, doch wenn die Liebesgeschichte von Anfang bis Ende aus stilistischen Gründen die Realität ignoriert, dann stellt sich nur noch die Frage: Gefällt dieser Bilderreigen?

Und ja: Bays Zerstörungsfetisch kommt in Transformers – Ära des Untergangs einer aggressiven, passionierten, sinnlichen, logistisch komplexen Tanzperformance gleich. Nach vier Versuchen steppt diese Filmreihe endlich im richtigen Takt, schwingt ihr Bein unter Berücksichtigung der Regeln eines ebenso ungewöhnlich wie respektablen Tanzstils. Michael Bay: Mach dies bitte nicht kaputt. Überreiche einem anderen Regisseur die Transformers-Schlüssel und schwing dich wieder ans Steuer eines Vehikels, bei dem du obendrein deine Gewaltneigungen ausleben kannst. Bring uns Bad Boys III!