Was für ein Film! Und welch unverdient
schlechtes Image ihm doch lange Zeit angelastet musste! Sechs Jahre dauerte es, bis
James Bond nach Lizenz zum Töten wieder den Weg
auf die große Leinwand fand. Hauptdarsteller Timothy Dalton machte
Platz für seinen wesentlich länger diensthabenden 007-Kollegen
Pierce Brosnan. Mit rund 34 Millionen Dollar Einspiel waren die wirtschaftlichen Zahlen in den USA überdeutlich
rückläufig, in Deutschland ist James Bonds Rachefeldzug mit 2,4
Millionen verkauften Tickets bis heute der am wenigsten besuchte Teil
der Reihe. Auch das inflationsbereinigte weltweite Gesamtergebnis von
285 Millionen Dollar wird von jedem einzelnen 007-Film überboten.
Klar, dass da der Eindruck entsteht, EON habe Dalton wegen Lizenz
zum Töten aufgegeben und sich danach zurückgezogen, um
die Ausrichtung des Franchises genau zu überdenken.
Dalton stand allerdings für mindestens
drei Filme unter Vertrag und nach Kinostart nahmen die Schalter und
Walter von EON trotz der enttäuschenden Einnahmen die Vorbereitungen
für Daltons dritte Mission auf. Es waren lizenzrechtliche
Komplikationen, die 007s nächsten Einsatz verzögerten. Trotzdem
rechneten die Produzenten auch in den frühen 90ern fest damit, das
Dalton zurückkehrt – 1994 gab der Mime allerdings
bekannt, nach all dieser Wartezeit nicht mehr zu glauben, in die
Rolle zurückkehren zu können.
Der öffentlichen Wahrnehmung von
Lizenz zum Töten half dies gewiss nicht. Und
selbst wenn nun einige Bond-Fans mittlerweile der Ansicht sind, dass
Daltons zweiter Film seiner Zeit schlichtweg zu weit voraus war, gibt
es mindestens ebenso viele 007-Anhänger, die in die entgegengesetzte
Richtung gehen und befinden, dass dieser Misserfolg sogar sehr
schlecht gealtert ist. Im Popkultur-Wiki TV Tropes wird Lizenz
zum Töten daher sowohl als Produktion eingeordnet, die
rückblickend mehr Wertschätzung erhält, als auch als durch Craigs
Filme endgültig obsolet gemachtes Bond-Experiment. Wer sich
Bond-Rankings angesehener Kritiker durchschaut oder Rankings auf Fanseiten durchliest,
wird auch dort beide dieser Ansichten entdecken.
Immerhin verblasst allmählich der
Irrglaube, EON habe sich für Lizenz zum Töten
geschämt und aufgrund seines mageren Einspiels eine
ungewöhnlich lange Pause eingelegt. Trotzdem hätte Lizenz
zum Töten noch deutlich mehr Anerkennung verdient, denn
John Glens letzte Bond-Regiearbeit baut auf allen Stärken des
direkten Vorgängerfilms auf und geht zugleich weite Wege, um dessen
Schwächen auszubügeln und obendrein eine ganz einzigartige Stimmung
zu kreieren.
Anders als der übliche Standard-Bond spielt Lizenz zum Töten innerhalb weniger Tage, vielleicht gar an nur an einem einzelnen Wochenende, und behandelt von Anfang bis Ende stringent einen einzelnen Fall: James' bester Freund Felix Leiter befindet sich auf dem Weg zu seiner Hochzeit, als einige Kollegen von der DEA den Wagen aufhalten, mit dem sich Leiter in Richtung Key West und den dortigen Hochzeitsfeierlichkeiten befindet. Wie die DEA-Agenten erläutern, befindet sich der berüchtigte mittelamerikanische Drogenboss Franz Sanchez gerade auf US-amerikanischem Boden und könnte endlich geschnappt werden. Kurzerhand schließen sich Leiter und Bond der Aktion an, die von Erfolg gekrönt wird. Gerade noch rechtzeitig kommen 007 und Leiter bei der Hochzeit an, wo sie von ihrem gemeinsamen Freund Sharkey und Leiters Herzensdame Della Churchill voller Verständnis für ihren ungewöhnlichen Auftritt in Empfang genommen werden. Doch während die Hochzeitszeremonie in vollem Gange ist, gelingt es Sanchez, einen Agenten zu schmieren und sich so seine Freiheit zurück zu erkaufen.
Noch in der Hochzeitsnacht wird Della von Sanchez' Handlangern ermordet, Leiter wiederum wird von ihnen schwer verletzt. Bond, der weiß, wie es sich anfühlt, seine Braut wenige Stunde nach der Eheschließung durch einen kaltblütigen Angriff ans Reich der Toten zu verlieren, wendet sich erst an Leiters Vorgesetzten. Da Sanchez wieder aus dem Zuständigkeitsbereich der Behörde floh, verweigert sie jegliche Mitarbeit, was Bonds Geduldfaden reißen lässt. Er und Sharkey schwören, sich eigenhändig der Sache anzunehmen und folgen der Spur von Sanchez' Drogenimperium, um den Aufenthalt der Täter ausfindig zu machen. MI6 hält jedoch wenig von Bonds Rachefeldzug und will ihn auf einen neuen Fall ansetzen, den der Agent allerdings ablehnt. Die Lage eskaliert und Bond wird aus dem Dienst entlassen, was ihn aber nur weiter erzürnt. Der nach Blutrache dürstende 007 heuert er die ehemalige CIA-Agentin Pam Bouvier an, die ihn dabei unterstützen soll, nach Isthmus City in den Bahamas zu gelangen, wo er Sanchez vermutet. Dort versucht Bond, Sanchez' Drogenring zu unterwandern und daraufhin den Ganoven höchstpersönlich zur Strecke zu bringen …
Lizenz zum Töten ist zugleich intimer und spektakulärer als Der Hauch des Todes: Einerseits setzt Daltons Abschlussfilm den Gedanken seines Vorläufers fort, von der Megalomanie der meisten früheren Bond-Schurken abzukehren. Hier will niemand die Welt zerstören, beherrschen oder erpressen, selbst eine systematische Attacke auf sämtliche westlichen Top-Geheimagenten bleibt aus. Der von Robert Davi mit eiskalter Prägnanz verkörperte Drogenbaron Sanchez führt einfach "nur" einen erfolgreichen Kokainring und vergriff sich bei seinen sadistischen Methoden, dieses Unterweltimperium zu verteidigen, ausgerechnet an den zwei Menschen, die James Bond am Herzen liegen.
Und bringt so den Plot ins Rollen. Nicht nur der Realismus von Sanchez' Verbrechen verleiht Lizenz zum Töten eine Bodenhaftung, wie sie im Bond-Kinokanon seit Im Geheimdienst Ihrer Majestät nicht mehr zu erleben war, sondern auch die überschaubare Bandbreite an Schauplätzen: Globetrotter Bond ermittelt für eine lange Strecke dieses Falls in Key West, und sobald er das paradiesisch aussehende, doch von Korruption zerfressene Florida verlässt, geht es nach Mittelamerika. Und das war es. Keine Reise um die ganze Welt, bei der es einige berühmte Touristenschauplätze zu sehen gibt. Dies lässt Lizenz zum Töten weniger glamourös erscheinen, nimmt etwas von der Reiseromantik des Martinis schlürfenden Weltenbummler-Agenten und erhöht zudem durch das Gefühl, Bond arbeite völlig isoliert, den Dringlichkeitsgrad des Films. All dies, ohne ihn zu düster, zu karg, zu unspektakulär erscheinen zu lassen. Immerhin heiratet Bonds bester Freund auf einem prachtvollen Anwesen in Florida und auch Sanchez' Villa hat genug übertrieben-luxuriöse Architektur zu bieten, um diesen Film als 007-Fall zu markieren und nicht als verfrühten Ableger der Bourne-Reihe, die ja gänzlich auf Momente zu verzichten versucht, in denen durch staunende "Wow!"-Momente dem Zuschauer schwärmerische Weltflucht ermöglicht wird.
Auf der anderen Seite fängt John Glen die wenigen Schauplätze von Lizenz zum Töten mit solch einer liebevollen Ehrfurcht vor ihrer Pracht ein und spickt diese Rachegeschichte mit so packenden Actionpassagen, dass sie viel bombastischer wirkt als ihr Vorläufer. Das Finale zählt zu den aufregendsten der gesamten Bond-Geschichte: Gefilmt auf der berüchtigten La Rumorosa Road, auf der sich zahllose Unfälle ereigneten, weshalb sie von den mexikanischen Behörden irgendwann zum Sperrgebiet für den Autoverkehr ernannt wurde, ereignet sich eine rasante, wuchtige Verfolgungsjagd, in der speziell für die Stunts in diesem Film gebaute Laster durch staubige Hügel und Kurven düsen. Noch ohne Computereffekte und allein mittels präzisem Filmschnitt sowie waghalsiger, minutiös geplanter Stunts entbrennt John Glen in seinem finalen Bond-Film ein Feuerwerk leinwandfüllender Action, die nicht nur ihrem Anspruch gerecht wird, furiosen Popcornspaß zu liefern, sondern dank der schieren Masse der Laster und der waghalsig-ruchlosen Aktionen Bonds bei allem Spektakel noch immer tonal dem restlichen Film treu bleibt.
In den USA war Lizenz zum Töten der erste Bond-Film, der ein PG-13-Rating verpasst bekam, doch dies nur um eine Haaresbreite. Als die Produzenten der MPAA den Film vorlegten, urteilte sie, dass er ein R-Rating erhalten sollte, woraufhin einige Sekunden der Schere zum Opfer fielen. Anders als es heutzutage üblich ist, wurde die ungekürzte Fassung international den jeweiligen Behören vorgelegt. In manchen Ländern startete aufgrund anderer Bestimmungen die komplette Schnittversion, im Vereinigten Königreich wurde wiederum für eine Freigabe ab 15 Jahren gekürzt, in Deutschland für eine FSK ab 16 Jahren. Mittlerweile ist aber weltweit die vollständige Fassung auf DVD und Blu-ray erhältlich. Dennoch führt diese Anekdote vor, von welcher Gangart Lizenz zum Töten ist: Es ist der Daltons Ausstrahlung und Stärken in die Karten spielende Bond der Ära Stirb langsam, und dies ist inhaltlich sogar begründet. Dass Daltons Bond, der schon in seiner Premiere kompromisslos durchgriff, bei einem persönlich motivierten Rachefeldzug keine Gefangenen macht, dürfte niemanden schockieren. Die Gewaltspitzen unterstreichen dies und betonen die finstere Gemütslage des aggressiven Agenten, ohne dabei zu selbstgefällig, zu voyeuristisch zu sein, zu sehr auf den Schockeffekt zu setzen. Dafür schneidet John Glen dann doch rasch genug weg und dosiert die brutaleren Tode vorsichtig und über den ganzen Film verteilt. Das perverse und zynische Blutbad, das einige zeitgenössische Kritiker aus ihm machen wollten, ist Lizenz zum Töten nicht. Es ist grimmer Eskapismus, ein determinierter, übel gelaunter Bond-Film. Aber noch immer ein Bond-Film: Per se liebt 007 seinen Job, etwa zu sehen in der Introsequenz, und mit der ausgedehnten Rolle, die Q hier erhält um als alleinige MI6-Unterstützung Bonds zu dienen, rettet sich genügend 007-Alltag in diesen Film, um an Bonds spaßigere Zeiten zu erinnern. Da Desmond Llewelyns Q hier auf schrille Gagdgets und Slapstick verzichtet, sondern eher gegen Bonds Willen als warmherziger Freund auftritt, vermeidet Lizenz zum Töten auch einen zu krassen Tonfallwechsel in Qs Szenen.
Den Ton des Films fängt darüber hinaus auch der Score wundervoll ein. Komponist Michael Kamen tritt hier mit einer atmosphärischen Klangtapete würdevoll in die Fußstapfen John Barrys. Kamen adaptiert das bekannte Bond-Hauptthema in einer etwas gedämpfteren, suspensevolleren Variation, außerdem würzt der Lethal Weapon-Komponist seinen Score mit einem nicht zu kitschigen Liebesthema und gelegentlichen, prägnant eingesetzten Verwendungen nontraditioneller Instrumente. Zum letzten Mal gibt es in Lizenz zum Töten zudem eine Vorspannsequenz zu sehen, die Maurice Binder entworfen hat. Leider ist diese mit einem ideenlosen, visuellen Fotokamera-Motiv und lieblos durchs Bild schwebenden Frauensilhouetten bestückt und eine der schwächsten Leistungen Binders. Dafür gefällt mir der langsame, stimmungsvolle Titelsong mit seinen Referenzen an Goldfinger (was die Komponisten jedoch in Schwierigkeiten brachte), der lediglich einen kleinen Tick zu lang ist.
Unterm Strich kann ich Regisseur John Glen, der Lizenz zum Töten als seinen besten Bond-Film bezeichnet, nur beipflichten. Auch wenn die Dialoge gerade im Mittelteil etwas hölzerner geraten sind als im ersten und letzten Drittel (was wohl dem Autorenstreik geschuldet ist), überzeugt die Charakterisierung Bonds durchgehend und ist rauer, komplexer als in einem üblichen 007-Film. Dalton spielt energisch und verbissen, die Schurken (darunter ein junger Benicio del Toro) sind denkwürdig, die weiblichen Figuren sind fähig sowie sympathisch und die Action fesselt von Anfang bis Ende.
Noch in der Hochzeitsnacht wird Della von Sanchez' Handlangern ermordet, Leiter wiederum wird von ihnen schwer verletzt. Bond, der weiß, wie es sich anfühlt, seine Braut wenige Stunde nach der Eheschließung durch einen kaltblütigen Angriff ans Reich der Toten zu verlieren, wendet sich erst an Leiters Vorgesetzten. Da Sanchez wieder aus dem Zuständigkeitsbereich der Behörde floh, verweigert sie jegliche Mitarbeit, was Bonds Geduldfaden reißen lässt. Er und Sharkey schwören, sich eigenhändig der Sache anzunehmen und folgen der Spur von Sanchez' Drogenimperium, um den Aufenthalt der Täter ausfindig zu machen. MI6 hält jedoch wenig von Bonds Rachefeldzug und will ihn auf einen neuen Fall ansetzen, den der Agent allerdings ablehnt. Die Lage eskaliert und Bond wird aus dem Dienst entlassen, was ihn aber nur weiter erzürnt. Der nach Blutrache dürstende 007 heuert er die ehemalige CIA-Agentin Pam Bouvier an, die ihn dabei unterstützen soll, nach Isthmus City in den Bahamas zu gelangen, wo er Sanchez vermutet. Dort versucht Bond, Sanchez' Drogenring zu unterwandern und daraufhin den Ganoven höchstpersönlich zur Strecke zu bringen …
Lizenz zum Töten ist zugleich intimer und spektakulärer als Der Hauch des Todes: Einerseits setzt Daltons Abschlussfilm den Gedanken seines Vorläufers fort, von der Megalomanie der meisten früheren Bond-Schurken abzukehren. Hier will niemand die Welt zerstören, beherrschen oder erpressen, selbst eine systematische Attacke auf sämtliche westlichen Top-Geheimagenten bleibt aus. Der von Robert Davi mit eiskalter Prägnanz verkörperte Drogenbaron Sanchez führt einfach "nur" einen erfolgreichen Kokainring und vergriff sich bei seinen sadistischen Methoden, dieses Unterweltimperium zu verteidigen, ausgerechnet an den zwei Menschen, die James Bond am Herzen liegen.
Und bringt so den Plot ins Rollen. Nicht nur der Realismus von Sanchez' Verbrechen verleiht Lizenz zum Töten eine Bodenhaftung, wie sie im Bond-Kinokanon seit Im Geheimdienst Ihrer Majestät nicht mehr zu erleben war, sondern auch die überschaubare Bandbreite an Schauplätzen: Globetrotter Bond ermittelt für eine lange Strecke dieses Falls in Key West, und sobald er das paradiesisch aussehende, doch von Korruption zerfressene Florida verlässt, geht es nach Mittelamerika. Und das war es. Keine Reise um die ganze Welt, bei der es einige berühmte Touristenschauplätze zu sehen gibt. Dies lässt Lizenz zum Töten weniger glamourös erscheinen, nimmt etwas von der Reiseromantik des Martinis schlürfenden Weltenbummler-Agenten und erhöht zudem durch das Gefühl, Bond arbeite völlig isoliert, den Dringlichkeitsgrad des Films. All dies, ohne ihn zu düster, zu karg, zu unspektakulär erscheinen zu lassen. Immerhin heiratet Bonds bester Freund auf einem prachtvollen Anwesen in Florida und auch Sanchez' Villa hat genug übertrieben-luxuriöse Architektur zu bieten, um diesen Film als 007-Fall zu markieren und nicht als verfrühten Ableger der Bourne-Reihe, die ja gänzlich auf Momente zu verzichten versucht, in denen durch staunende "Wow!"-Momente dem Zuschauer schwärmerische Weltflucht ermöglicht wird.
Auf der anderen Seite fängt John Glen die wenigen Schauplätze von Lizenz zum Töten mit solch einer liebevollen Ehrfurcht vor ihrer Pracht ein und spickt diese Rachegeschichte mit so packenden Actionpassagen, dass sie viel bombastischer wirkt als ihr Vorläufer. Das Finale zählt zu den aufregendsten der gesamten Bond-Geschichte: Gefilmt auf der berüchtigten La Rumorosa Road, auf der sich zahllose Unfälle ereigneten, weshalb sie von den mexikanischen Behörden irgendwann zum Sperrgebiet für den Autoverkehr ernannt wurde, ereignet sich eine rasante, wuchtige Verfolgungsjagd, in der speziell für die Stunts in diesem Film gebaute Laster durch staubige Hügel und Kurven düsen. Noch ohne Computereffekte und allein mittels präzisem Filmschnitt sowie waghalsiger, minutiös geplanter Stunts entbrennt John Glen in seinem finalen Bond-Film ein Feuerwerk leinwandfüllender Action, die nicht nur ihrem Anspruch gerecht wird, furiosen Popcornspaß zu liefern, sondern dank der schieren Masse der Laster und der waghalsig-ruchlosen Aktionen Bonds bei allem Spektakel noch immer tonal dem restlichen Film treu bleibt.
In den USA war Lizenz zum Töten der erste Bond-Film, der ein PG-13-Rating verpasst bekam, doch dies nur um eine Haaresbreite. Als die Produzenten der MPAA den Film vorlegten, urteilte sie, dass er ein R-Rating erhalten sollte, woraufhin einige Sekunden der Schere zum Opfer fielen. Anders als es heutzutage üblich ist, wurde die ungekürzte Fassung international den jeweiligen Behören vorgelegt. In manchen Ländern startete aufgrund anderer Bestimmungen die komplette Schnittversion, im Vereinigten Königreich wurde wiederum für eine Freigabe ab 15 Jahren gekürzt, in Deutschland für eine FSK ab 16 Jahren. Mittlerweile ist aber weltweit die vollständige Fassung auf DVD und Blu-ray erhältlich. Dennoch führt diese Anekdote vor, von welcher Gangart Lizenz zum Töten ist: Es ist der Daltons Ausstrahlung und Stärken in die Karten spielende Bond der Ära Stirb langsam, und dies ist inhaltlich sogar begründet. Dass Daltons Bond, der schon in seiner Premiere kompromisslos durchgriff, bei einem persönlich motivierten Rachefeldzug keine Gefangenen macht, dürfte niemanden schockieren. Die Gewaltspitzen unterstreichen dies und betonen die finstere Gemütslage des aggressiven Agenten, ohne dabei zu selbstgefällig, zu voyeuristisch zu sein, zu sehr auf den Schockeffekt zu setzen. Dafür schneidet John Glen dann doch rasch genug weg und dosiert die brutaleren Tode vorsichtig und über den ganzen Film verteilt. Das perverse und zynische Blutbad, das einige zeitgenössische Kritiker aus ihm machen wollten, ist Lizenz zum Töten nicht. Es ist grimmer Eskapismus, ein determinierter, übel gelaunter Bond-Film. Aber noch immer ein Bond-Film: Per se liebt 007 seinen Job, etwa zu sehen in der Introsequenz, und mit der ausgedehnten Rolle, die Q hier erhält um als alleinige MI6-Unterstützung Bonds zu dienen, rettet sich genügend 007-Alltag in diesen Film, um an Bonds spaßigere Zeiten zu erinnern. Da Desmond Llewelyns Q hier auf schrille Gagdgets und Slapstick verzichtet, sondern eher gegen Bonds Willen als warmherziger Freund auftritt, vermeidet Lizenz zum Töten auch einen zu krassen Tonfallwechsel in Qs Szenen.
Den Ton des Films fängt darüber hinaus auch der Score wundervoll ein. Komponist Michael Kamen tritt hier mit einer atmosphärischen Klangtapete würdevoll in die Fußstapfen John Barrys. Kamen adaptiert das bekannte Bond-Hauptthema in einer etwas gedämpfteren, suspensevolleren Variation, außerdem würzt der Lethal Weapon-Komponist seinen Score mit einem nicht zu kitschigen Liebesthema und gelegentlichen, prägnant eingesetzten Verwendungen nontraditioneller Instrumente. Zum letzten Mal gibt es in Lizenz zum Töten zudem eine Vorspannsequenz zu sehen, die Maurice Binder entworfen hat. Leider ist diese mit einem ideenlosen, visuellen Fotokamera-Motiv und lieblos durchs Bild schwebenden Frauensilhouetten bestückt und eine der schwächsten Leistungen Binders. Dafür gefällt mir der langsame, stimmungsvolle Titelsong mit seinen Referenzen an Goldfinger (was die Komponisten jedoch in Schwierigkeiten brachte), der lediglich einen kleinen Tick zu lang ist.
Unterm Strich kann ich Regisseur John Glen, der Lizenz zum Töten als seinen besten Bond-Film bezeichnet, nur beipflichten. Auch wenn die Dialoge gerade im Mittelteil etwas hölzerner geraten sind als im ersten und letzten Drittel (was wohl dem Autorenstreik geschuldet ist), überzeugt die Charakterisierung Bonds durchgehend und ist rauer, komplexer als in einem üblichen 007-Film. Dalton spielt energisch und verbissen, die Schurken (darunter ein junger Benicio del Toro) sind denkwürdig, die weiblichen Figuren sind fähig sowie sympathisch und die Action fesselt von Anfang bis Ende.
Im Sommer 1989 wurde Lizenz zum Töten von Batman, Indiana Jones und der letzte Kreuzzug und Lethal Weapon 2 vollkommen überwalzt, aber im Bond-Pantheon gebührt ihm ein Ehrenplatz. Sein Ruf bei der breiten Masse mag weiterhin angeknackst sein, doch Freunde des kernig-coolen Eskapismus bekommen mit Daltons Abschiedsfilm ein kleines Juwel spendiert, das einzigartig unter den Bond-Filmen ist.