Am Donnerstag, dem 8. Mai 2014,
startete in Hamburg die erste The Sound of
Hollywood-Tournee, in deren Rahmen das City of Prague
Philharmonic Orchestra quer durch deutsche Lande tourt und
denkwürdige Musikstücke aus berühmten Filmen zum Besten gibt. Das
Orchester dürfte musikversessenen Filmliebhabern einerseits bekannt
dafür sein, unter anderem die Originalmusik zu Filmen wie
Alexander oder Pans Labyrinth
eingespielt zu haben, und andererseits für seine Sampleralben
ikonischer Filmstücke.
Während filmreihenspezifische
Best-of-Alben wie Music from the Pirates of the
Caribbean Trilogy aufgrund manch unambitionierter
Neuarrangements und einer nicht wirklich satten Tonabmischung eher
dürftige Kritiken ergatterten, sind solche Tributalben wieThe
Music of James Horner und Film Music of Hans
Zimmer, in denen das Orchester einen Querschnitt des
Gesamtwerkes großer Filmkomponisten liefert, mit hörbar mehr Liebe
gemacht. Umso gespannter war ich, als ich dank einer erfolgreichen
Gewinnspielteilnahme den Premierentermin besuchen durfte: Zeigt sich
das City of Prague Philharmonic Orchestra von seiner besten Seite und
nimmt das Publikum mit auf eine beeindruckende Reise durch
faszinierende Klangwelten? Oder wird der ganze Abend wie die leider
sehr rasch runterproduziert wirkenden Pirates of the
Caribbean-Alben aus der Stadt an der Moldau klingen?
Eine erste Antwort auf meine Fragen
erfolgte rasch: Im sehr gut gefüllten Saal 1 des CCH im an diesem
Abend vollkommen verregneten Hamburg wurden die anwesenden
Musikfreunde und Filmliebhaber zu Beginn des Konzerts mit einer
perfekten Darbietung des verspielten Hans-Zimmer-Stücks Up
is Down aus Pirates of the Caribbean – Am Ende
der Welt begrüßt. Unter der Leitung des britischen
Dirigenten Nic Raine verwandelten die Musiker das kurze, dramatische
Passagen sowie romantische Schnörkel in ein kraftvoll-spaßiges
Gesamtstück verpackende Nummer in den idealen Startschuss für einen
Abend voller Abenteuerlust weckender Filmmelodien. Direkt danach
füllte sich die hinter dem Orchester prangende Leinwand mit der
Zeichnung einer Großstadtkulisse, die sich in Bewegtbilder aus dem
Gangsterfilm-Klassiker The Untouchables – Die
Unbestechlichen verwandelte. Mit Flair wurden diese Bilder
vom Hauptthema dieser Brian-de-Palma-Inszenierung untermalt, wobei
die Musiker vor allem den heroischen Unterton von Ennio Morricones
Komposition betonten, und weniger die selbstbewussten Megalomanie des
Stücks.
Daraufhin betrat der Moderator des
Konzerts die Bühne, und zwar niemand geringeres als „unser Mann
für Hollywood“, der Oscar-Reporter und Schlag den
Raab-Präsentator Steven Gätjen. Und schnell wurde
deutlich: Gätjen ist die perfekte Wahl für den Moderatoren-Posten
einer prunkvollen Filmmusik-Tournee. Der Kinofan verfügt über ein
immenses Filmwissen, dass er sehr unterhaltsam von sich geben kann
und somit das informierte und das wissbegierige Publikum ebenso
abzuholen weiß wie den hauptsächlich den Unterhaltungsfaktor eines
solchen Abends erwartenden Zuschauer.
Mühelos und mit ansteckendem
Engagement vermischte Gätjen im Laufe des Abends bei der Einleitung
der kommenden Musikstücke Hintergrundwissen, Analysen und lustige
Anekdoten. Unter anderem wies Gätjen daraufhin, wie die Sanftheit
von Alan Silvestris Forrest Gump-Musik die
Zuschauererwartung betreffs der Titelfigur beeinflusst. Er
analysierte zudem Hans Zimmers komplexe Inception-Komposition
und ging dabei sowohl auf die Einsätze schwerer Bässe als auch auf
die verschiedenen Tempowechsel ein, sowie auf den Kreisschluss, den
der Score im Gesamtfilm absolviert. All dies formulierte Gätjen in
gewählten, gleichwohl leicht verständlichen Worten, so dass der
Hollywood-Experte nie über das Gesamtpublikum hinweg sprach und
dennoch dem Gewicht seiner angeschnittenen Themen gerecht wurde.
Darüber hinaus plauderte Gätjen aus dem Nähkästchen und verriet,
wie voreingenommen er zu seinem ersten Interviewtermin mit Tom Hanks
reiste, nur um dort von einer Seele von einem Menschen begrüßt zu
werden oder wie schwer Hans Zimmer zu verstehen ist, wann immer er
sich dran zu gewöhnen versucht, mal wieder Deutsch zu reden:„Das
klingt dann so: 'Well hällo Stivn, ai laik wrtzenuetzuwoooiuu' Und
ich sag dann immer nur: 'Ja, ja, Hans, ist schon gut. Trink erst
einmal 'nen Tee!“
Gätjen musste zudem im Laufe des
Abends wieder einmal beweisen, dass er nicht zuletzt dank der
XL-Liveshow Schlag den Raab pannenerprobt ist. Da
der Projektor zwischenzeitlich ausfiel, ging der Wahlhamburger
liebenswürdig darauf ein, wie schwierig so ein Tourauftakt doch sein
kann. Und machte dabei selber einen sehr charismatischen Fehler: „Sie
kennen das sicher alle, das mit der lieben Technik. Etwa, wenn die
Kaffeemaschine immer dann Kaffee macht, wenn Sie eigentlich gar
keinen wollen …“ Meine Begleitung und ich sind seit diesem Abend
fest davon überzeugt, dass Steven Gätjens Küche regelmäßig in
einer Flut frisch gebrühten Kaffees untergeht. Armer Stevie …
Von diesem sympathischen Wortverdreher
abgesehen zeigte sich Gätjen aber stets ebenso kompetent wie
menschlich, ließ blicken, wenn er die Produktion, aus der eines der
während des Konzerts aufgeführten Stücke stammt, weniger mochte
oder wann er der Ansicht wahr, dass manche Filme vom Saalpublikum
nicht genügend Ehrenapplaus bekamen. So empfahl er den Zuschauern
Michael Manns Insider (den Gätjen in der
Gladiator-Ankündigung erwähnte), während er
sich offen als Pearl Harbor-Gegner zu erkennen
gab, bevor das City of Prague Philharmonic Orchestra die dem Film
überlegene Musik spielte. Doch egal, ob Gätjen einen Film mochte
oder nicht: Stets zeigte den präsentierten Musikstücken gegenüber
größten Respekt. Ebenso zollte er den nicht unerheblichen, aber
gern übersehenen filmhistorischen Leistungen des Dirigenten Nic
Raine Tribut.
Raine arrangierte zum Beispiel die
Musik zum letzten Roger-Moore- und zum ersten Timothy-Dalton-Bondfilm
und orchestrierte den von Vangelis komponierten
Alexander-Score. Raine ließ es sich auch nicht
nehmen, mit britisch-trockenem Witz auf Gätjens Anmoderationen
einzugehen, womit er fast zu einer Art Sidekick für Gätjens
Präsentatorenrolle wurde – etwa, wenn er Gätjens Aussprache von
Daniel Craigs Nachnamen kritisierte oder Hans Zimmers Überpräsenz
in der zweiten Hälfte des Konzerts kommentierte.
Die Musikauswahl geriet, trotz einer
Konzentration auf einige, wenige, dafür umso einflussreichere
Komponisten, sehr abwechslungsreich, ohne dabei an Harmonie
einzubüßen. Nach Gätjens ersten Auftritt spielte das Prager
Symphonieorchester zunächst ein fideles Medley aus den wichtigsten
Indiana Jones-Motiven, im Anschluss brachte eine
dezent umarrangierte Version der Jurassic
Park-Abspannsuite den Saal zum Schwelgen – schließlich
liegt der Fokus dieser Komposition auf dem idealistischen
Entdeckergedanken hinter dem Dinopark. Erst gegen Schluss des
Jurassic Park-Parts wurde es mit einer prägnanten
Wiedergabe der Begleitmusik zu den T-Rex-Auftritten etwas wilder und
düsterer. Umso optimistischer erklang danach ein E.T.-Medley,
das dann Platz für Alan Silvestris Zurück in die
Zukunft-Musik machte. Gespielt wurde eine Zusammenstellung
der energetischsten Passagen, um Marty McFlys jugendlichen
Abenteuerdrang und auch Leichtsinn zu betonen. Ein gelungener
Rausschmiss in die kurze Pause, die die ungleich langen Hälften des
Abends trennte. Dank filmischer Seitenhiebe auf die Elbphilharmonie zählte der Begleitfilm zu dieser Performance auch zu den besseren, die es zu sehen gab. Einige Filme bekamen neben gut gewählter Szenenausschnitten nämlich zusätzlich recht beliebige Symbolbilder spendiert.
Der längere Part des Konzerts begann mit einer musikalischen Reise quer durch die Welt von Star Trek. Das Titelthema der Originalserie und Voyager, des ersten Films, Teil vier und sechs sowie Passagen aus Star Trek Into Darkness wurden zu einer kurzweiligen Tour de Force gewoben, die den Retro-Elementen des Franchises ebenso wie den dramatischen, actionreichen und futuristisch-aufgeschlossenen Aspekten gerecht wurde. Highlight des Abends war aber der darauf folgende Querschnitt durch den Inception-Score. Schon die Ankündigung wurde von freudigem Applaus begrüßt, nach der Performance brach der Saal in frenetischen Beifall aus. Und dies vollkommen zurecht. Die sonst zurückhaltende Lichtgestaltung der Bühne wurde während der Inception-Darbietung zu beeindruckend-dramatischem Effekt eingesetzt und das Medley fügte die wichtigsten Melodien der Hans-Zimmer-Komposition großartig zu einer Einheit zusammen. Los ging es mit langsamen, elektrisierenden Bässen, ehe die Streicher immer schneidendere, härtere Töne von sich gaben und die Dramatik anstieg, ehe die melancholischeren Stücke des Films folgten. Das Finale ging dann in die Vollen und weckte bildhafte Erinnerungen an die pompöse Action des Nolan-Thrillers. In diesem Fall war auch die Auswahl an symbolhaftem Filmmaterial kongenial.
Danach kam es zum Tiefpunkt der
Vorstellung: Broadway-Sängerin Lana Gordon versuchte sich an Adeles
Skyfall, ging die hohen Töne aber viel zu
aggressiv heran, weshalb James Horners Avatar-Suite
mit ihren romantisch-exotischen Klänge im Anschluss wie Balsam
anmutete. Es wurde danach noch romantischer, und zwar mit Hans
Zimmers Eröffnungsstück von Michael Bays Pearl Harbor,
einer sehr sanften Nummer voller Sehnsucht und nostalgischer
Leichtigkeit. Auch Diane Warrens Ballade There You'll Be
erklang in wohligen Tönen und schien Gordon besser zu liegen. Eine
umfassende Gladiator-Suite brachte dann den
offiziellen Teil des Konzerts zu einem pompösen Abschluss, als
Zugabe folgte jedoch ein Fluch der Karibik-Best-of.
Dessen Übergänge waren zwar gewöhnungsbedürftig, dank der tollen
Melodien und der liebevollen Umsetzung der Hauptthemen erarbeitete
sich das Orchester dennoch verdiente Standing Ovations.
Ich habe mich in den rund drei Stunden
bestens unterhalten gefühlt und würde mich sehr über eine zweite
Tournee freuen. Thematisch sind in Sachen Filmmusik praktisch keine
Grenzen gesetzt und nach Worlds of Adventure bin
ich mir sicher, dass den Verantwortlichen erneut eine erstaunliche
Zusammenstellung gelingen wird.
Mehr zur Konzertreihe erfahrt ihr hier.
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