Mittwoch, 14. Mai 2014

The Sound of Hollywood: Worlds of Adventure


Am Donnerstag, dem 8. Mai 2014, startete in Hamburg die erste The Sound of Hollywood-Tournee, in deren Rahmen das City of Prague Philharmonic Orchestra quer durch deutsche Lande tourt und denkwürdige Musikstücke aus berühmten Filmen zum Besten gibt. Das Orchester dürfte musikversessenen Filmliebhabern einerseits bekannt dafür sein, unter anderem die Originalmusik zu Filmen wie Alexander oder Pans Labyrinth eingespielt zu haben, und andererseits für seine Sampleralben ikonischer Filmstücke.

Während filmreihenspezifische Best-of-Alben wie Music from the Pirates of the Caribbean Trilogy aufgrund manch unambitionierter Neuarrangements und einer nicht wirklich satten Tonabmischung eher dürftige Kritiken ergatterten, sind solche Tributalben wieThe Music of James Horner und Film Music of Hans Zimmer, in denen das Orchester einen Querschnitt des Gesamtwerkes großer Filmkomponisten liefert, mit hörbar mehr Liebe gemacht. Umso gespannter war ich, als ich dank einer erfolgreichen Gewinnspielteilnahme den Premierentermin besuchen durfte: Zeigt sich das City of Prague Philharmonic Orchestra von seiner besten Seite und nimmt das Publikum mit auf eine beeindruckende Reise durch faszinierende Klangwelten? Oder wird der ganze Abend wie die leider sehr rasch runterproduziert wirkenden Pirates of the Caribbean-Alben aus der Stadt an der Moldau klingen?

Eine erste Antwort auf meine Fragen erfolgte rasch: Im sehr gut gefüllten Saal 1 des CCH im an diesem Abend vollkommen verregneten Hamburg wurden die anwesenden Musikfreunde und Filmliebhaber zu Beginn des Konzerts mit einer perfekten Darbietung des verspielten Hans-Zimmer-Stücks Up is Down aus Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt begrüßt. Unter der Leitung des britischen Dirigenten Nic Raine verwandelten die Musiker das kurze, dramatische Passagen sowie romantische Schnörkel in ein kraftvoll-spaßiges Gesamtstück verpackende Nummer in den idealen Startschuss für einen Abend voller Abenteuerlust weckender Filmmelodien. Direkt danach füllte sich die hinter dem Orchester prangende Leinwand mit der Zeichnung einer Großstadtkulisse, die sich in Bewegtbilder aus dem Gangsterfilm-Klassiker The Untouchables – Die Unbestechlichen verwandelte. Mit Flair wurden diese Bilder vom Hauptthema dieser Brian-de-Palma-Inszenierung untermalt, wobei die Musiker vor allem den heroischen Unterton von Ennio Morricones Komposition betonten, und weniger die selbstbewussten Megalomanie des Stücks.

Daraufhin betrat der Moderator des Konzerts die Bühne, und zwar niemand geringeres als „unser Mann für Hollywood“, der Oscar-Reporter und Schlag den Raab-Präsentator Steven Gätjen. Und schnell wurde deutlich: Gätjen ist die perfekte Wahl für den Moderatoren-Posten einer prunkvollen Filmmusik-Tournee. Der Kinofan verfügt über ein immenses Filmwissen, dass er sehr unterhaltsam von sich geben kann und somit das informierte und das wissbegierige Publikum ebenso abzuholen weiß wie den hauptsächlich den Unterhaltungsfaktor eines solchen Abends erwartenden Zuschauer.

Mühelos und mit ansteckendem Engagement vermischte Gätjen im Laufe des Abends bei der Einleitung der kommenden Musikstücke Hintergrundwissen, Analysen und lustige Anekdoten. Unter anderem wies Gätjen daraufhin, wie die Sanftheit von Alan Silvestris Forrest Gump-Musik die Zuschauererwartung betreffs der Titelfigur beeinflusst. Er analysierte zudem Hans Zimmers komplexe Inception-Komposition und ging dabei sowohl auf die Einsätze schwerer Bässe als auch auf die verschiedenen Tempowechsel ein, sowie auf den Kreisschluss, den der Score im Gesamtfilm absolviert. All dies formulierte Gätjen in gewählten, gleichwohl leicht verständlichen Worten, so dass der Hollywood-Experte nie über das Gesamtpublikum hinweg sprach und dennoch dem Gewicht seiner angeschnittenen Themen gerecht wurde. Darüber hinaus plauderte Gätjen aus dem Nähkästchen und verriet, wie voreingenommen er zu seinem ersten Interviewtermin mit Tom Hanks reiste, nur um dort von einer Seele von einem Menschen begrüßt zu werden oder wie schwer Hans Zimmer zu verstehen ist, wann immer er sich dran zu gewöhnen versucht, mal wieder Deutsch zu reden:„Das klingt dann so: 'Well hällo Stivn, ai laik wrtzenuetzuwoooiuu' Und ich sag dann immer nur: 'Ja, ja, Hans, ist schon gut. Trink erst einmal 'nen Tee!“

Gätjen musste zudem im Laufe des Abends wieder einmal beweisen, dass er nicht zuletzt dank der XL-Liveshow Schlag den Raab pannenerprobt ist. Da der Projektor zwischenzeitlich ausfiel, ging der Wahlhamburger liebenswürdig darauf ein, wie schwierig so ein Tourauftakt doch sein kann. Und machte dabei selber einen sehr charismatischen Fehler: „Sie kennen das sicher alle, das mit der lieben Technik. Etwa, wenn die Kaffeemaschine immer dann Kaffee macht, wenn Sie eigentlich gar keinen wollen …“ Meine Begleitung und ich sind seit diesem Abend fest davon überzeugt, dass Steven Gätjens Küche regelmäßig in einer Flut frisch gebrühten Kaffees untergeht. Armer Stevie …

Von diesem sympathischen Wortverdreher abgesehen zeigte sich Gätjen aber stets ebenso kompetent wie menschlich, ließ blicken, wenn er die Produktion, aus der eines der während des Konzerts aufgeführten Stücke stammt, weniger mochte oder wann er der Ansicht wahr, dass manche Filme vom Saalpublikum nicht genügend Ehrenapplaus bekamen. So empfahl er den Zuschauern Michael Manns Insider (den Gätjen in der Gladiator-Ankündigung erwähnte), während er sich offen als Pearl Harbor-Gegner zu erkennen gab, bevor das City of Prague Philharmonic Orchestra die dem Film überlegene Musik spielte. Doch egal, ob Gätjen einen Film mochte oder nicht: Stets zeigte den präsentierten Musikstücken gegenüber größten Respekt. Ebenso zollte er den nicht unerheblichen, aber gern übersehenen filmhistorischen Leistungen des Dirigenten Nic Raine Tribut.

Raine arrangierte zum Beispiel die Musik zum letzten Roger-Moore- und zum ersten Timothy-Dalton-Bondfilm und orchestrierte den von Vangelis komponierten Alexander-Score. Raine ließ es sich auch nicht nehmen, mit britisch-trockenem Witz auf Gätjens Anmoderationen einzugehen, womit er fast zu einer Art Sidekick für Gätjens Präsentatorenrolle wurde – etwa, wenn er Gätjens Aussprache von Daniel Craigs Nachnamen kritisierte oder Hans Zimmers Überpräsenz in der zweiten Hälfte des Konzerts kommentierte.

Die Musikauswahl geriet, trotz einer Konzentration auf einige, wenige, dafür umso einflussreichere Komponisten, sehr abwechslungsreich, ohne dabei an Harmonie einzubüßen. Nach Gätjens ersten Auftritt spielte das Prager Symphonieorchester zunächst ein fideles Medley aus den wichtigsten Indiana Jones-Motiven, im Anschluss brachte eine dezent umarrangierte Version der Jurassic Park-Abspannsuite den Saal zum Schwelgen – schließlich liegt der Fokus dieser Komposition auf dem idealistischen Entdeckergedanken hinter dem Dinopark. Erst gegen Schluss des Jurassic Park-Parts wurde es mit einer prägnanten Wiedergabe der Begleitmusik zu den T-Rex-Auftritten etwas wilder und düsterer. Umso optimistischer erklang danach ein E.T.-Medley, das dann Platz für Alan Silvestris Zurück in die Zukunft-Musik machte. Gespielt wurde eine Zusammenstellung der energetischsten Passagen, um Marty McFlys jugendlichen Abenteuerdrang und auch Leichtsinn zu betonen. Ein gelungener Rausschmiss in die kurze Pause, die die ungleich langen Hälften des Abends trennte. Dank filmischer Seitenhiebe auf die Elbphilharmonie zählte der Begleitfilm zu dieser Performance auch zu den besseren, die es zu sehen gab. Einige Filme bekamen neben gut gewählter Szenenausschnitten nämlich zusätzlich recht beliebige Symbolbilder spendiert.

Der längere Part des Konzerts begann mit einer musikalischen Reise quer durch die Welt von Star Trek. Das Titelthema der Originalserie und Voyager, des ersten Films, Teil vier und sechs sowie Passagen aus Star Trek Into Darkness wurden zu einer kurzweiligen Tour de Force gewoben, die den Retro-Elementen des Franchises ebenso wie den dramatischen, actionreichen und futuristisch-aufgeschlossenen Aspekten gerecht wurde. Highlight des Abends war aber der darauf folgende Querschnitt durch den Inception-Score. Schon die Ankündigung wurde von freudigem Applaus begrüßt, nach der Performance brach der Saal in frenetischen Beifall aus. Und dies vollkommen zurecht. Die sonst zurückhaltende Lichtgestaltung der Bühne wurde während der Inception-Darbietung zu beeindruckend-dramatischem Effekt eingesetzt und das Medley fügte die wichtigsten Melodien der Hans-Zimmer-Komposition großartig zu einer Einheit zusammen. Los ging es mit langsamen, elektrisierenden Bässen, ehe die Streicher immer schneidendere, härtere Töne von sich gaben und die Dramatik anstieg, ehe die melancholischeren Stücke des Films folgten. Das Finale ging dann in die Vollen und weckte bildhafte Erinnerungen an die pompöse Action des Nolan-Thrillers. In diesem Fall war auch die Auswahl an symbolhaftem Filmmaterial kongenial.

Danach kam es zum Tiefpunkt der Vorstellung: Broadway-Sängerin Lana Gordon versuchte sich an Adeles Skyfall, ging die hohen Töne aber viel zu aggressiv heran, weshalb James Horners Avatar-Suite mit ihren romantisch-exotischen Klänge im Anschluss wie Balsam anmutete. Es wurde danach noch romantischer, und zwar mit Hans Zimmers Eröffnungsstück von Michael Bays Pearl Harbor, einer sehr sanften Nummer voller Sehnsucht und nostalgischer Leichtigkeit. Auch Diane Warrens Ballade There You'll Be erklang in wohligen Tönen und schien Gordon besser zu liegen. Eine umfassende Gladiator-Suite brachte dann den offiziellen Teil des Konzerts zu einem pompösen Abschluss, als Zugabe folgte jedoch ein Fluch der Karibik-Best-of. Dessen Übergänge waren zwar gewöhnungsbedürftig, dank der tollen Melodien und der liebevollen Umsetzung der Hauptthemen erarbeitete sich das Orchester dennoch verdiente Standing Ovations.


Ich habe mich in den rund drei Stunden bestens unterhalten gefühlt und würde mich sehr über eine zweite Tournee freuen. Thematisch sind in Sachen Filmmusik praktisch keine Grenzen gesetzt und nach Worlds of Adventure bin ich mir sicher, dass den Verantwortlichen erneut eine erstaunliche Zusammenstellung gelingen wird.

Mehr zur Konzertreihe erfahrt ihr hier.

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