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Dienstag, 20. Mai 2014

James Bond 007 – Im Angesicht des Todes


Zum zweiten Mal findet eine ausgedehnte Bond-Ära ihr Ende. Und erneut nimmt ein langjähriger Darsteller des wohl berühmtesten Geheimagenten der Welt mit einem äußerst überdrehten, humorigen Film seinen Hut. Doch während Sean Connerys endgültiger Abschied von der offiziellen EON-Reihe, Diamantenfieber, rückblickend von vielen immerhin als solider oder leicht unterdurchschnittlicher Teil des Franchises angesehen wird (Platz 12 von 21 im großen Entertainment-Weekly-Countdown 2006, 18 von 24 beim Rolling Stone Magazine, 3 von 5 Punkte in der Bond-Retrospektive des Stern-Magazins im Jahre 2012, 65 Prozent bei Rottentomatoes), fällt Moores letzter 007-Auftritt in der Kritik weitestgehend durch.

Ich habe ja hie und da meine ganz eigene Bond-Sichtweise. So auch bei diesen zwei Filmen. Ich kann mich der annehmbaren Kritik von Diamantenfieber nicht anschließen, sondern finde ihn erschreckend dröge. Dafür kann ich die schlechte Rezeption von Im Angesicht des Todes nicht so recht verstehen. Denn diese pompöse Agenten-Actionkomödie lässt mich jedes Mal, wenn ich sie sehe, vor Vergnügen bis über beide Ohren grinsen. Und im Gegensatz zu Connerys ersten EON-Abschiedsfilm Man lebt nur zweimal glaube ich sogar, dass hier die Komik nicht unfreiwillig ist.

Gewiss, Im Angesicht des Todes ist eine Produktion der Widersprüche. So zielt John Glens Regiearbeit mit einigen Elementen klar auf ein jugendliches Publikum, um eine neue Generation von Bond-Fans heranzuzüchten. Dies beginnt bereits bei der packend inszenierten Prologsequenz in Sibirien, die wieder einmal einer aufregenden Stuntchoreographie von Willy Bogner folgt. Die Ski-Legende arbeitete eine ausführliche Snowboardingpassage in den Prolog ein, womit erstmals ein breites Publikum mit diesem Sport konfrontiert wurde und was Moores Bond in seinem sportlichen Können nah an den Puls der Zeit rücken ließ. Im Anschluss an diesen Prolog, der mit einem augenzwinkernd-übertriebenen Techtelmechtel zwischen Bond und einer albern-freizügig gekleideten Kollegin endet, folgt zudem endlich wieder ein guter, flotter Bond-Titelsong. Dargeboten von Duran Duran und vom Pop-Duo in Zusammenarbeit mit dem wiederkehrenden Bond-Komponisten John Barry geschrieben, eroberte die Nummer die US-Chartspitze und wurde somit seinerzeit der erfolgreichste Titelsong der 007-Reihe. Begleitet wird das Stück von einer peppigen Titelsequenz, die die typischen Frauensilhouetten durch Damen ersetzt, die ganz zeitgemäß mit Leuchtfarbe bemalt wurden, was dank mancher Schnitt- und Kameratricks zu einigen netten Effekten führt.

Und dann wäre da die Wahl der zentralen weiblichen Rolle: Die rechte Hand des Schurken wird von der burschikosen Discoqueen Grace Jones verkörpert, die eine äußerst einschüchternde Leinwandpräsenz hat und körperlich die fähigste Person im ganzen Film ist. Was im Bond-Universum mit seinem eingefahrenen Rollenbild ein willkommener frischer Wind ist, zumal auf irgendwelche Küchenpsychologie verzichtet wird und Jones ihre taffe Rolle authentischer, unprätentiöser meistert als so manch anderes hart austeilendes Bondgirl. Der große Schurkenkomplott riecht ebenfalls nach den 80ern: Fiesling Zorin entwickelte neue, bessere Computerchips und will die Gesamtheit von Silicon Valley dem Erdboden gleich machen, um sich so seiner Konkurrenz zu entledigen.

So sehr diese Aspekte für einen modernen Bond-Film sprechen und ihn jünger, frischer erscheinen lassen, berücksichtigt er gleichwohl mehr denn je das Alter des Hauptdarstellers Roger Moore (damals 57): Im Mittelpart dreht sich alles um Betrügereien beim Pferderennen, wo Bond einen auf informierten, gesitteten und gealterten Experten machen kann. Der obligatorische Flirt mit Miss Moneypenny ist zurückhaltend, ruhig und erfolgt mit dem freundschaftlichen Charisma eines welterfahrenen Gentlemans. Und ebenso entwickelt er zu seiner wichtigsten Informantin, der Geologin Stacey Sutton, fast schon ein väterliches Verhältnis. Er kocht für sie, bewacht sie während sie schläft (ohne sich zu ihr zu betten) und er bemüht sich sogar, während des Kampfes gegen mehrere Einbrecher, bloß nicht ihre Einrichtung zu zerdeppern. Zugegeben: Gegen Ende des Films taut diese respektvolle Distanz auf, aber die Inszenierung und die Kommentare des dies beobachtenden Q verpassen dieser Entwicklung eine ironische Dimension, als wollten Glen und die Autoren Michael G. Wilson & Richard Maibaum sagen: "Hey, das muss bei Bond halt sein, oder?" All dies führt dazu, dass Im Angesicht des Todes, zumindest in meinen Augen, erfolgreicher auf Bonds fortgeschrittenes Alter eingeht, als das EON-Konkurrenzprodukt Sag niemals nie.

Kurioserweise ergeben die beiden Herzen dieses EON-Films ein unterhaltsames Gesamtpaket: Die jungen, hippen Elemente (die besser gealtert sind als alle Modernisierungsversuche in Sag niemals nie oder Moonraker) wiegen jene Aspekte auf, die sich mit Moores Alter beschäftigen, und verhindern so, dass sich Im Angesicht des Todes wie "James Bond, Opa Edition" anfühlt. Gleichzeitig erdet die Darstellung Bonds als erfahrenen Gentleman-Agenten den Aktualisierungsgedanken, weshalb dieser Film längst nicht so verschroben und untypisch daherkommt wie der (dennoch coole) Leben und sterben lassen.

Schwächen hat Moores letzte 007-Vorstellung dennoch. Da wäre die Hintergrundgeschichte des von Christopher Walken mit eisern-hämischer Miene verkörperten Bösewichts Zorin. Dieser Pferdesportbetrüger / Technologiemagnat / angehende Massenmörder ist nämlich, wie Bond im Laufe des Films erfährt, das Produkt eines medizinischen Experiments, das der Nazi-Wissenschaftler Dr. Carl Mortner (Willoughby Gray) an Embryonen durchführte. Die Erklärung, dass die in Folge dieser Experimente geborenen Kinder zu schizoiden Psychopathen heranwuchsen, hätte es wahrlich nicht gebraucht. Und auch wenn ich es verschmerzen kann, dass Moore für einen Großteil der Actionszenen aussetzte, so könnte der Übergang zum Stuntdouble besser kaschiert werden. Schnitt und Kameraeinstellung wechseln zuweilen zu offensichtlich, insbesondere bei der Verfolgungsjagd am Eiffelturm, bei dem 007 erstmals Bekanntschaft mit Grace Jones' Rolle May Day macht.

Dafür sind die Actionsequenzen in diesem Film sehr abwechslungsreich: Die Paris-Sequenz etwa entwickelt sich zu einer herrlich komischen Autoverfolgungsjagd, bei der aber allein die gezeigten Unfälle für Humor sorgen und nicht etwa eine überdeutlich nach Ein toller Käfer schmeckende Inszenierung. Handgemenge sind dagegen rau und schnell, das große Finale wiederum eine bunte, die Zutaten wohl abwiegende Mischung aus übertriebener Megalomanie und praktischen Elementen. So überwältigend und real das Höhlenset ist, welches nach und nach zerlegt wird und in dem Zorin kaltblütig seine Handlanger erschießt, so cartoonig-spaßig ist die anschließende Zeppelin-Action. Auf dem Papier klingt diese Mischung bescheuert, doch Regisseur John Glen gelingen die Übergänge vom einen zum anderen Tonfall unerwartet flüssig und mit viel Spielfreude. Dies gilt etwa auch für eine haarsträubende Verfolgungsjagd zu Pferd im ersten Part des Films, bei dem Zorins Männer mit albernen Kniffen versuchen, Bond zu Fall zu bringen. In vielen anderen Bond-Filmen wäre diese Sequenz ein Tiefpunkt, doch in diesem Teil der Reihe gilt: Alles geht, nichts muss. Zu vergnügt ist die Regieführung, zu temporeich die Umsetzung der einzelnen Passagen.

Zwangsweise muss sich solch ein Gemisch wie Im Angesicht des Todes im Vergleich zu stringenteren Bond-Werken etwas hohl anfühlen. Dies ist halt nicht der Bond im Hitchcock-Stil, der melancholisch-romantische Bond oder der Blaxploitation-Bond. Dies ist ein Gemischtwarenladen-Bond. Wenngleich ein süffisanter, der zumindest aufgrund dessen, wie ein Kapitel zum nächsten führt, nicht einen chaotisch-ideenlosen Eindruck erweckt. Viel mehr kommt das Feeling auf, das etwa bei manchen Carl-Barks-Abenteuercomics oder gewissen Simpsons-Folgen entsteht, bei denen die Story im ersten Drittel augenscheinlich nichts mit dem Abschluss gemein hat: Es ist ein extrem unterhaltsamer, flüssiger Eskapismus-Ritt. Dafür sorgt auch Moore, der viel kohärenter agiert als im direkten Vorgängerfilm und wieder den nett-gewieften Edelmannagenten raushängen lässt. Auch Running Gags wie Bonds selbstbewusst-faule Wahl seiner Tarnnamen tragen dazu bei, dass Im Angesicht des Todes ein großes Popcorn-Vergnügen wird, das sich seiner Identität bewusst ist, ohne zu aggressiv die selbstparodistische Schiene zu fahren.

Für einen ernstzunehmenden Bond-Film sind die vergnügt-augenzwinkernden Momente zweifelsfrei zu großzügig gesät und für eine markante Tonlage sind die einzelnen Zutaten dieser Rezeptur viel zu bunt gemischt. Und ja, durch die offensichtlichen Stuntdoubles geht viel Suspense verloren. Aber die Stuntchoreographien sind rasant, die Gags sitzen, Moore dreht seinen Charme wieder auf und es ist einfach zu beeindruckend, was in dieser Produktion alles tolldreist aneinandergereiht wird.

Für mich endet Moores Bond-Ära also so, wie es sein sollte: Mit einem extrem gut gelaunten, temporeichen Stil-Mix, der einfach alles enthält, was zu Bond passt. Ein ungewöhnlicher, aber verdienter Abschied für den stilistisch bislang wankelmütigsten Bond-Darsteller. Länger hätte Moores Engagement in dieser Rolle aber wahrlich nicht sein dürfen. Was er selbst erkannte: Als ihm bewusst wurde, dass ihn die Mutter seines Bondgirls Tanya Roberts alterstechnisch unterbietet, gab er seine filmische Lizenz zum Töten auf. Nicht, dass sich die Produzenten beklagt hätten: Trotz zufriedenstellender Einnahmen zählte Im Angesicht des Todes zu den wirtschaftlich schwächeren Teilen der 007-Reihe, womit sich ein Neuanfang anbot. Dieser fiel aber bekanntlich deutlich kürzer aus als EONs Liebelei mit Roger Moore …

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