Elsa, die einzige Figur aus Walt Disneys 53. Meisterwerk, die ich mag, lässt sich ihre Oscar-Siege nicht zu Kopf steigen
Vergangene Woche hatte ich Geburtstag, und eigentlich hätte zumindest ein Tagesprogrammpunkt für mich feststehen müssen: Ein Ende November gestarteter Walt-Disney-Animationsfilm läuft aufgrund der massiven Nachfrage weiterhin in einigen deutschen Kinos (teils sogar noch immer in 3D) und kann sich mittlerweile als zweifacher Oscar-Gewinner und Milliarden-Dollar-Kassenschlager bejubeln lassen? Im Normalfall würde ich als großer Disney-Liebhaber dies mit einem Kinobesuch feiern! Bloß handelt es sich bei diesem mit Preisen überhäuften kommerziellen Volltreffer leider nicht um den genialen Ralph reicht's oder um das wundervolle Märchenmusical Rapunzel sondern ausgerechnet um Die Eiskönigin.
Und so sehr die laute Mehrheit die Geschichte eines Tollpatschs, eines sprechenden Schneemanns und eines grobschlächtigen jungen Mannes, die unentwegt einer viel interessanteren Figur das Rampenlicht stehlen, als den besten Disney-Film seit Der König der Löwen feiern mag: Die Eiskönigin bleibt für mich einer der unattraktivsten Einträge in den großen Disney-Trickfilmkanon. Also führte mich mein obligatorischer Geburtstags-Kinobesuch in 300: Rise of an Empire.
Weshalb mich Die Eiskönigin so kalt lässt, habe ich bereits zu erläutern versucht, jedoch fehlte mir bezüglich der Lieder abseits von Let It Go ein treffender Begriff der beschreibt, wieso mich die Gesangseinlagen nicht so mitreißen wie selbst die durchschnittlichste Alan-Menken-Komposition. Dann aber stolperte eine Vorschau auf das Bonusmaterial der Die Eiskönigin-Blu-ray ins Internet, und zwar in Form eines Clips des speziell für die Making-of-Extras verfassten neuen Songs der Liedermacher Kristen Anderson-Lopez & Robert Lopez. Dieser Titel ist zwar eingängig, jedoch auch symptomatisch dafür, was mich an den "richtigen" Eiskönigin-Nummern stört:
Gewiss, vor allem der Refrain mit der mehrstimmig, leicht versetzt und dennoch betörend harmonisch gesungenen Zeile "How Did We Make / How Did We Make / How Did We Make / Frozen?" geht sofort ins Ohr. Und für eine Blu-ray-exklusive Nummer ist dieses fröhliche Lied sehr gut produziert. Aber: Für mich ist dies das musikalische Pendant zu Seifenwasser.
Von der Grundstimmung her besteht eine entfernte Verwandschaft zu typischen Feel-Good-Disneystücken, jedoch fehlen dieser blumigen, harmlosen Nummer charakterliche Ecken und Kanten. Das Lied ist zu sauber, zu freundlich. Ich vermisse die operettenartige Mehrdimensionalität eines Alan Menken und das eloquente Sprachgefühl von Howard Ashman, das etwa das Eröffnungsstück von Die Schöne & das Biest aufwies:
Selbstredend kann ich von der neuen Lopez-Nummer für die Eiskönigin-Blu-ray nicht erwarten, dass sie einen großen Disney-Songklassiker in den Schatten stellt. Aber sie verdeutlicht, was mich an allen Liedern von Kristen Anderson-Lopez & Robert Lopez stört, die das Ehepaar für Disney verfasst hat. Von Let It Go natürlich abgesehen. Schon The Backson Song aus Winnie Puuh etwa war mir zu sanft, zu lieblich, wenn man bedenkt, dass er von einem unbekannten Grauen handelt und eine surreale Filmsequenz begleitet. Und dafür, dass Do You Want to Build a Snowman? ein großes Expositions-Dialoglied ist, bietet es mir außerhalb seiner Eingängigkeit viel zu wenig. Hat Little Town französisches Flair und Schwung, ist Do You Want to Build a Snowman? einfach nur rund und setzt sich rasch im Gehörgangfest. Das tun aber auch viele Kinderlieder. Von Disney erwarte ich mehr.
Was How Did We Make Frozen mir darüber hinaus eröffnete: Let It Go als hervorragende Ausnahme einmal ausgeklammert, so geht der Lopez-Stil in meinen Ohren nur bei Parodien wirklich auf. Als Disney-Lied ist das Making-of-Lied eher durchwachsen, als verspielt-ironische Nummer für Zwischendurch dagegen nett. Doof nur, dass sich die anderen Lopez-Disney-Nummern für mich auch genauso anhören, wenn sie ernst gemeint sind. Kaum hatte ich mir dies dank How Did We Make Frozen vor Augen geführt, fiel bei mir endlich der Groschen: Robert Lopez hat (anders als der über Melodien Geschichten erzählende Alan Menken) seine Wurzeln in der Welt der Musical-Persiflage. Ob Avenue Q oder The Book of Mormon: Wenn hier eine Gesangseinlage so klingt, wie die übertrieben glückselige Raubkopie anderer Stücke, so ist dies Teil des Konzepts und die melodische Zahnlosigkeit lässt sich durch Albernheit der Texte in clevere Bissigkeit umwandeln. Das hat Robert Lopez sogar bereits für den erweiterten Disney-Kosmos vollbracht, und zwar als einer der zahlreichen Komponisten der Scrubs-Musicalfolge:
Ich liebe Scrubs: Mein Musical. Aber bloß weil es dort herrlich ist, wie Welcome to Sacred Heart als weichgespülte Disney-Nummer daherkommt, heißt das nicht, dass ich diesen Stil durchgehend hören möchte.
Hoffentlich werden wir möglichst bald wieder ein neues Alan-Menken-Stück in einem animierten Disneyfilm hören. Ich fände es nämlich zu schade, wenn die Eheleute Lopez den Disney-Hofkomponisten aufgrund des Eiskönigin-Hypes mit ihrem Seifenwasser aus seinem Königreich spülen würden ...
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