Ja,
ja, ich weiß, welcher Kommentar einigen von euch in den Fingern
juckt. Spart ihn euch: Ich weiß, dass ich mit der Aufzählung meiner
liebsten Filme des vergangenen Kinojahres später dran bin als nahezu
alle anderen Filmblogger dieser Welt. Doch ich möchte das Kinojahr
ein wenig ruhen lassen und zu den Starts aus den späteren Monaten
ein wenig Abstand gewinnen, ehe ich versuche, abzuschätzen, welche
Produktion mir denn wie sehr ans Herz gewachsen ist.
Womit
ich beim nächsten entscheidenden Punkt angelangt wäre. Und ich kann
es wahrlich nicht oft genug wiederholen: Dies sind meine liebsten
Filme 2013. Es sind nicht zwingend die meiner Ansicht nach
wichtigsten Kinostreifen, es sind nicht die, die in der
Filmgeschichte am ehesten einen Ehrenplatz verdient hätten. Es sind
nicht meine Empfehlungen für jedermann oder den großen, geheiligten
Kanon der Filmkunst. Es sind die Filme, an die ich am liebsten
zurückdenke, die Werke, die mich am nachhaltigsten mit ihrem Spaß,
ihrer Spannung oder ihrem Tiefsinn erfreuen. Es sind die Filme, die
mein Herz höher schlagen lassen. Wenn also kein
potentieller Oscar-Gewinner auf dem ersten Platz landet … lebt
damit. ;-)
Eine
Tour de Force von einem Psychodrama: James McAvoy spielt in dieser
Romanadaption einen intriganten, drogensüchtigen, übellaunigen Cop,
der sich zwecks einer Beförderung darin übt, seine Kollegen und
Kolleginnen schlecht aussehen zu lassen. Gleichzeitig nimmt er einen
schwer durchschaubaren Mordfall an, hoffend, so seinem Vorgesetzten
zu beweisen, dass er das beste Pferd im Stall ist. In Wahrheit ist er
aber nur eine unausstehliche Drecksau – oder doch nicht? McAvoy
legt die Hauptfigur in diesem beklemmend inszenierten Psychogramm als
teils mitleiderregenden, teils abscheulichen Verlierer in einem
ständigen Kampf gegen innere Dämonen an. Erdrückende
Musikbegleitung von Clint Mansell (seit Requiem for a
Dream ein Maestro der psychotischen Filmmusik) und
zunehmend albtraumhafte Bilder machen diese bittere Tragikomödie
dann endgültig zu einem soghaften, schwer vergesslichen
Schweinsgalopp durch das schwere Leben eines Soziopathen.
Zwei
befreundete Familien begehen unbedarft ihre jährliche, gemeinsame
Thanksgiving-Feier. Bis plötzlich die beiden jungen Töchter der
liebenden Eltern verschwinden. Einen Verdächtigen will der
aufgebrachte Vater Keller Dover (Hugh Jackman) bereits ausfindig
gemacht haben, aber der nervlich angeschlagen wirkende Polizist Loki
(Jake Gyllenhaal) hegt mächtige Zweifel an Kellers Theorien.
Regisseur Denis Villeneuve streut in seinem bedächtig erzählten,
moralisch ambivalenten Kriminaldrama Indizien für beide Seiten
dieser verzweifelten Suche nach Gerechtigkeit, was es zu einer
intellektuell packenden, berührenden Kinoantwort auf diverse
TV-Krimiserien macht. Jackman und Gyllenhaal sowie Paul Dano als
Hauptverdächtiger liefern intensive, die Dramatik schürende
Performances ab und Kameralegende Roger Deakins taucht das Geschehen
in kühle, schattige Bilder, die zu den besten des Kinojahres zählen.
Eine bewusste Publikumsirreführung weniger hätte es sein dürfen,
sonst aber ein wirklich runder Vertreter eines schnell unterschätzten
Genres.
Unter
den Weltuntergangskomödien des Filmjahres 2013 ist diese mein
Favorit: Wirkte im direkten Vergleich Edgar Wrights The
World's End auf mich zu verkrampft, zu bemüht, zu hölzern,
so ist das Langfilm-Regiedebüt von Seth Rogen und Evan Goldberg in
meinen Augen ein herrlich losgelöster, wilder Kinospaß. Die
unaufhaltsamen Wortgefechte zwischen Seth Rogen, Jay Baruchel, Danny
McBride, Jonah Hill, James Franco und Craig Robinson sind nicht nur
spitzzüngig, sondern demontieren gleichermaßen
Hollywood-Freundschaftsklischees. Die Darstellertruppe zieht das
Image jedes einzelnen Mitglieds dieser Bande durch den Kakao und
obendrein gibt es zwischen den lauten Lachern auch einige
glaubwürdige Randbemerkungen über die Funktionsweise von
Freundschaftskreisen zu vernehmen. Hinzu kommt eine gute Prise
apokalyptisches Chaos und fertig ist eine der lustigsten
Hollywood-Komödien der vergangenen zehn Jahre.
Eine
Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schö-höön …
Oder? Der Naturforscher und Entdecker Thor Heyerdahl macht es sich im
Jahre 1947 zur Aufgabe, einen uralten Glauben der Geschichtsforschung
zu widerlegen, wonach die ersten Einwohner Polynesiens aus Taiwan
kamen. Befreundete Einwohner dieses sonnigen Paradieses erzählen in
ihren Sagen nämlich von ersten Siedlern, die aus Richtung Südamerika
kamen. Also trommelt der verbissene, wissbegierige Abenteurer eine
eklektische Truppe zusammen, die ihm auf einem nur mit Mitteln aus
der Zeit um 450 gebauten Floß auf eine Expedition begleiten, die
beweisen soll, dass eine Überfahrt auf dieser Strecke tatsächlich
möglich ist. Auf dieser todesmutigen Reise geraten Heyerdahl und
seine Begleiter mehr als einmal in stürmische Auseinandersetzungen,
während denen sich die Frage stellt, ob unverfälschte
Forschungsergebnisse wichtiger sind als ein sich sicher fühlendes
Forscherteam und wo der feste Glaube an wissenschaftliche These zu
einem fanatischen Irrglauben wird – oder vielleicht zu einem
Glauben an das Transzendentale. Sofern diese ganze Expedition nicht
eh einen reinen Egotrip darstellt. Intensive Schauspielleistungen,
poetisch-opulente Bilder und mit wenigen Mitteln erzeugte
Hochspannung machen dieses Seefahrerdrama zu einem wahren Sehgenuss
und wecken zugleich gigantische Hoffnungen auf das nächste
Kinoprojekt des norwegischen Regieduos – eine weitere kleine,
unabhängige Abenteuerproduktion über Seefahrer. Pirates of
the Caribbean – Dead Men Tell No Tales soll sie heißen,
glaub ich ...
Remakes
haben unter vielen Filmliebhabern einen denkbar schlechten Ruf. Dabei
zählen sie einerseits fast schon seit Beginn der Kinogeschichte zum
cineastischen Alltag und andererseits sind einige große Klassiker,
selbst wenn viele es vergessen haben, ihres Zeichens Remakes. Das
atmosphärische Splatterfest Evil Dead wird
wahrscheinlich nicht eines Tages als filmischer Meilenstein gefeiert,
trotzdem zähle ich es stolz zu meinen persönlichen Favoriten 2013.
Völlig humorbefreit, in garstigen, hochauflösenden Bildern und mit
einer Parade an handgemachten Spezialeffekten (in einer Zeit der
computergenerierten Dauereffekte): Evil Dead ist
eine würdige Wiederbelebung von Sam Raimis trashig-kultigem Tanz
der Teufel - und einfach richtig, richtig kurzweilig.
Autorenfilmer
und Musik-Connoisseur Jim Jarmusch entzaubert mit stillem Genuss den
lange Zeit romantisierten, nun der Kommerzgier geopferten
Vampirmythos und schöpft mit Only Lovers Left Alive
eine atmosphärisch dichte, melancholische Erzählung über zwei
ihrer Existenz müde gewordene Unsterbliche, die mit versnobtem Blick
auf die verdummende, sich selbst und ihre Umwelt zerstörende
Menschheit herabblicken. Ein berührend lakonischer Tom Hiddleston
und eine staubtrocken, messerscharf witzige Tilda Swinton sinnieren
in dieser geistreichen, stilvoll kargen Komödie über Literatur,
Musik und die Reinheit der Menschheit, hinzu kommen ein vorübergehend
die Spannungsschraube aufdrehender Auftritt von Mia Wasikowska als
unkultivierte, ungestüme Jungvampirin sowie ein betörend
nachdenklicher Soundtrack: Jarmuschs faszinierend urbane
Vampirerzählung ist ein kleiner Geniestreich des
lethargisch-gewitzten Kinos.
Rau,
unbeschönigt, kühl, aber einfühlsam, frei von
Betroffenheitsvoyeurismus und eindrucksvoll gespielt: Das
französische Drama Der Geschmack von Rost und Knochen
lässt seine Zuschauer an der berührenden, gleichwohl erschreckenden
Leidensgeschichte der Waltrainerin Stéphanie (mitreißend,
vielschichtig und subtil: Marion Cotillard) teilhaben, die einen
grauenvollen Unfall erleidet und sich seitdem allein auf der Welt
fühlt. Ausgerechnet der cholerische, alleinerziehende Hobby-Boxer
Ali (einzigartig, aber einen Hauch zu schroff: Matthias Schoenaerts)
nimmt sich als einziger seiner Zufallsbekannten an, die seinem
mitleidigen Freundschaftsdienst aber kaum etwas abgewinnen kann. Nur
allmählich tauen die beiden Außenseiter auf, was Regisseur Jacques
Audiard in kunstvollen, ruhigen Sequenzen illustriert. Ein Drama, das
unter die Haut geht.
Drei
Kapitel, eine Leidensgeschichte: Der einzige bei den Filmfestspielen
in Cannes 2013 gezeigte deutsche Filmbeitrag Tore tanzt
berichtet sehr frei nach wahren Begebenheiten vom gutgläubigen wie
auch strenggläubigen jungen Erwachsenen Tore (Julius Feldmeier),
dessen Wege sich mit einer sozialschwachen Familie kreuzen. Tore
beschließt, den von Konflikten geplagten Leuten beizustehen, nicht
zuletzt auch aus Zuneigung zur heranreifenden Stieftochter des
grantigen Patriarchen Benno (Sascha Alexander Gersak). Tores nicht im
Geringsten korrumpierbare Seligkeit bringt diesen allerdings
zunehmend aus der Fasson: Aus kumpelhaft gemeinten Hieben werden
beabsichtigte Boxschläge, die Dankbarkeit für Tores unablässige
Hilfsarbeiten macht Raum für kaltschnäuzigen Nachdruck, mit dem vom
„Jesusfreak“ Handwerksdienste verlangt werden. Eine Spirale des
Psychoterrors beginnt, der Tore nicht zu entfliehen gedenkt. Katrin
Gebbe hält dokumentarisch auf Tores zermürbende Lage drauf, nahezu
ohne inszenatorischen Kommentare und befreit von voyeuristischer Gier
nach Leid. Lediglich die Überschriften der drei Akte dieses
abgründigen Dramas und vereinzelte, doppelbödige Musikuntermalungen
liefern Interpretationsansätze – ob die Regisseurin mit ihrem an
frühe Arbeiten Lars von Triers erinnernden Film nun aussagen möchte,
wie erfolgsversprechend das Prinzip der christlichen Nächstenliebe
in unserer heutigen Gesellschaft ist oder ob sie eine emotional
nachhallende Variante des Torture Porn beabsichtigte, ob sie Tore in
rein positivem Licht zeichnet oder nicht … das kann der geneigte
Zuschauer in diesen Momenten selber entscheiden.
Viele
Episodenfilme sind ziemlich deutlich einem Genre zuzuordnen:
Tatsächlich … Liebe etwa ist wenig überraschend
ein Liebesfilm, Movie 43 eine grauenhafte Komödie
und V/H/S ein Horrorstreifen. Und es liegt nahe,
die unabhängig produzierte, wild zusammengewürfelte
Episodenzusammenstellung The ABCs of Death
ebenfalls ins Horrorfach zu stecken. Immerhin handeln die 26
Kurzfilme davon, auf welche Arten und Weisen der Tod einen Menschen
heimsuchen kann und mit Filmemachern wie Ti West, Marcel Sarmiento
oder Jake West waren einige Veteranen der schaurigen Erzählkunst an
diesem Projekt beteiligt. Jedoch ist der Aufhänger „26 Wege, die
in den Tod führen“ nichts weiteres als genau das: Eine lose
Themenvorgabe für die 26 Regisseure dieses Episodenfilms, die
naheliegend interpretiert werden und in eine kurze
Schreckensgeschichte münden kann oder auch eine tonal völlig andere
Auslegung erhalten darf. Und so umfasst diese außergewöhnliche
Zusammenstellung an Kurzfilmen morbiden und albernen Humor,
kunstvolle handwerkliche Übungen, psychisches Grauen, Splatter und
Groteskes. Mehr als alle Mainstream-Episodenfilme ist The
ABCs of Death ein kleines Happening der Filmkunst und
weniger ein kohärenter Genrevertreter mit einer Vielzahl an
Plotlines. Nicht jede Episode trifft ins Schwarze, aber dies ist
unterm Stich leicht zu verzeihen. Hoffentlich bleiben sich die
Produzenten treu und erschaffen mit The ABCs of Death 2
eine weitere Wundertüte an Episoden unterschiedlicher Ausrichtungen
– und nicht etwa plötzlich einen reinen Horror-Episodenfilm.
Pixar
befand sich für einige Jahre auf einem absoluten Durchmarsch.
Ratatouille, WALL●E
und Toy Story 3 zählen für mich zu den besten
Filmen aller Zeiten und sind mir unfassbar eng ans Herz gewachsen,
Oben, Die Unglaublichen,
Findet Nemo finde ich ungeheuerlich stark und
Die Monster AG sowie selbst der
Original-Cars-Film gefallen mir sehr. Aber keine
Glückssträhne hält ewig. Cars 2 zählt mit
seinem tönenden Humor, seinen flachen Charakterisierungen und einer
extrem fehlgeleiteten Moral für mich zum schlechtesten, was unterm
Disney-Label je ins Kino entlassen wurde, 2012 folgte mit dem
Schottenmärchen Merida – Legende der Highlands
eine fehlgeleitete, frustrierende Produktion, die mich allmählich
heftig an Pixar zweifeln ließ. 2013 fand Pixar aber zum Glück ein
Stück weit zu seiner früheren Größe zurück: Dieses Prequel ist
visuell in seinem Einfallsreichtum überaus beeindruckend und der
Score von Randy Newman macht mit seiner spielerischen Adaption
klischeehafter Collegefilm-Musik viel Spaß. Das Duo Mike Glotzkowski
& James P. Sullivan ist viel zu sympathisch, als dass dieser
Streifen enttäuschen könnte und die Monsterwelt, die Pixar hier
ausbaut, ist erstaunlich fantasiereich. Hinzu kommt, dass Die
Monster Uni für mich klar ein Film ist, der ab dem zweiten
Mal Anschauen mehr Spaß macht als beim ersten Mal – denn die bei
der Erstsichtung stets den Sehspaß bremsende Befürchtung, dies sein
schlichtweg einfach irgendeine Uni-Komödie, verfliegt dank des
Vorwissens, wie Pixar die Brücke zur Ausgangslage
von Die Monster AG schlägt. Wieso es trotzdem
nicht für meine Top 20 genügte? Der tonale Richtungswechsel kommt
mir einfach etwas zu spät und so ist dies für mich lange „nur“
eine spaßige Komödie und erst gen Schluss ein wirklich, wirklich
denkwürdiger Animationsfilm.
Fortsetzung folgt ...
Fortsetzung folgt ...
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