Während das Lustige Taschenbuch nicht bloß blüht und gedeiht, sondern zudem eine Ablegerreihe nach der anderen sprießen lässt, kämpft das Micky Maus Magazin seit Jahren mit einer schwindenden Leserschaft. Im Spätsommer/Frühherbst 2012 verließ sich der Ehapa-Verlag im Kampf gegen die sinkenden Verkaufszahlen nicht bloß auf das übliche Plastikspielzeug, das dem Heft als Extra beiliegt, sondern setzte auf Comicinhalte: Eine Deutschland umspannende Schatzsuche ließ die Ducks ihre weiß befederten Schädel zermartern und sollte im Gegenzug erwachsene Leser neugierig machen. Der Plan ging, rein wirtschaftlich und kurzfristig gesehen, auf: Diverse lokale Medien berichteten davon, wenn die watschelnde Familie Station in der Heimat ihrer Kunden machte, und auch das abscheuliche Boulevardblatt BILD verfolgte die gesamte Reise. Obendrein wurde mehrfach davon berichtet, dass am Handlungsort des aktuellen Teils der acht Kapitel umfassenden Reihe das Micky Maus Magazin rasch ausverkauft war, weshalb Ehapa weitere Hefte nachschicken musste, um die Nachfrage zu befriedigen.
So ein Comicevent lässt Ehapa nicht einfach so an sich vorüberziehen, ohne noch mehr Kapital aus der Sache zu schlagen. Und so veröffentlichte der Verlag die Deutschlandodyssee der Ducks einige Monate später als Albennachdruck, der Konsumenten ansprechen soll, die das Event versäumten oder sich zu fein waren, Woche für Woche das Micky Maus Magazin zu kaufen. Bei allem Staub, den Die Ducks in Deutschland also aufwirbelte, ist es umso enttäuschender, dass diese Eventgeschichte einen denkbar miesen Repräsentanten der kultigen Abenteuer von Donald, Dagobert und Tick, Trick & Track darstellt.
Die Grundidee hinter der achtteilige Geschichte ist durchaus ein typisches Beispiel für die Erlebnisse der Ducks: Als sein Rivale Klaas Klever zum "Schatzsucher des Jahres" ernannt werden soll, platzt Dagobert Duck der Kragen. Der darauf folgende, unvermeidliche Tumult im "Club der Milliardäre" kann erst durch den Ehrenpräsident beendet werden, indem dieser den Titel "Schatzsucher des Jahrtausends" ausschreibt. Die Streithammel Klaas Klever und Dagobert müssen, um den Titel zu erhaschen, den als unauffindbar geltenden Schatz der Gräfin Tusnelda von Tarn und Tuxis heben, der irgendwo in Deutschland verborgen sein soll. Der einzige Hinweis ist ein blumiger Reim, der der Sage nach verraten soll, wo sich das wertvolle Gut versteckt. Die Schnitzeljagd beginnt ...
... und ist selbstredend ein ideales Format für eine Sehenswürdigkeiten-Tournee in Comicform. Wie gut dies funktioniert, bewies unter anderem die Europareise in Die Jagd auf Karte Nr. 1 aus der Feder des italienischen Disney-Veteranen Romano Scarpa (nachzulesen in Lustiges Taschenbuch Nr. 177 und Lustiges Taschenbuch Spezial Nr. 50). Von diesem Highlight ist Die Ducks in Deutschland allerdings meilenweit entfernt, inhaltlich wie optisch.
Eine Schatzsucher-Schnitzeljagd benötigt etwa unter anderem reizvolle Rätsel, und auch, wenn von einem neuen Comic aus dem Micky Maus Magazin keine komplexen Rätsel im Stil eines Dan Brown oder der wild mit Fakten und Übertreibungen um sich schmeißende Spaß eines Vermächtnis der Tempelritter zu erwarten stehen, so darf es gern pfiffiger sein als bei diesem Comic. Die von Misa und Jan Gulbransson erdachten Hinweise, die Team Klever und Team Duck quer durch die Bundesrepublik schicken, sind geografisch zu spezifisch, als dass Kinder (oder geografisch unbedarfte Erwachsene) miträtseln könnten, die Lösungen aber sind zu eintönig und flach (es endet immer bei "gehe zu Gebäude X und suche dort weiter"), als dass wirklich Spannung aufkommen könnte. Eine weitere Konsequenz dessen ist, dass die acht besuchten Gegenden (Berlin, Hamburg, das Ruhrgebiet, München, Frankfurt, Köln, Stuttgart, Dresden) bloß Kulissen bleiben und der Handlungsort nur selten einen tiefer gehenden Einfluss auf das zu lösende Rätsel hat. Stattdessen beschränkt sich das Lokalkolorit auf Dialekt-Kauderwelsch und die Schatzsuche behindernden, nicht sonderlich hellen Passanten. Die einzelnen Plots der jeweiligen Kapitel sind bunt zusammengewürfelt (im Ruhrgebiet begegnen die Ducks den aus Barks- & Rosa-Comics sowie den DuckTales bekannten Kullern, in München schneit Gundel Gaukeley vorbei, in Köln mischen die Panzerknacker mit, in Stuttgart kommt es zu einer Zeitreise!) und fügen sich weder zu einem Gesamtbild zusammen, noch scheinen sie zur Stadt passend gewählt.
Das alles ließe sich auf die leichte Schulter nehmen, säße der Humor dieser Deutschlandreise. Doch die haltlos chaotischen, episodenhaften und viel zu viel auf Zufälle bauenden Plots der acht Kapitel strapazieren schnell die Geduld. Besonders lästig ist, dass die Figuren sich nie wie sich selbst anfühlen, sondern eher wie Abziehbilder ihrer selbst handeln. Nebenplots wie Donalds Jagd nach Snacks in Berlin & Hamburg oder Dagoberts unerklärlicher Verlust seines Gold-Geruchssinns wirken wie verzweifelte Versuche, die dröge Spurensuche zu beleben, sind in Wahrheit aber nur witzlos. Größtes Problem der Odyssee ist aber, dass die Schatzsucher einfach überall übertriebene Unordnung hinterlassen, was angesichts der unkonventionellen Panelanordnung alsbald ermüdend wird.
Womit wir bei der grafischen Umsetzung angelangt wären. Der deutsche Duck-Künstler Gulbransson gestand kurz vor der Erstveröffentlichung, dass die Zeichnungen unter enormen Zeitdruck entstanden, und dies spürt man dem Comic Panel um Panel an. Die Figuren sind grobschlächtig mit schwacher Feder gezeichnet, mit stets schwankenden Proportionen und gerne auch mit schielenden Augen. Die "Gastauftritte" von disneyfizierten deutschen Prominenten sind selten zu identifizieren (von Dortmunds bärtigem Grinse-Trainer Jürgen Klopp und Angela "Dreiecksgeste" Merkel mal abgesehen) und Klaas Klever weicht deutlich von seinem gewohnten Look ab. Die Farbgestaltung ist trist, während die Hintergründe seelenlos und voller perspektivischer Fehler sind. Vereinzelte Sehenswürdigkeiten, gerne die, die im ersten Panel einer Geschichte zu sehen sind, traf Gulbransson perfekt, viele sind dafür schwer wieder zu erkennen, wie etwa das CentrO in Oberhausen, der Hamburger Hauptbahnhof oder die Dresdner Frauenkirche.
Vorm desaströsen Fazit sei dennoch ein kleiner Kapitelüberblick gestattet, mit den Höhe- und Tiefpunkten jeder einzelnen Station ...
- Berlin Pro: Nettes Rätsel zu Beginn. Contra: Menschenleere Plätze, lieblos skizzierte Grünflächen, dummer Subplot mit Donald
- Hamburg Pro: Großartiger Seitenhieb auf die Leistungen der Deutschen Bahn, halbwegs schlüssige Darstellung des Lokalkolorits Contra: Erneut eine dämliche Darstellung Donalds, Kernfigur der Beatles-Parodie sieht aus wie dahergelaufener Punker, mieser Schlussgag
- Ruhrgebiet Pro: Donald verabscheut Mäuse, was ein hübscher Randgag ist Contra: Besonders chaotisches Design, forcierter Gastauftritt der Kuller, absurdes Finale ohne Sinn und Verstand, extrem lieblose Farbgestaltung
- München Pro: Starkes Eröffnungspanel, nette Randgags darüber, welch Touristenhochburg München ist, treffende Parodie des Lokalpatriotismus Contra: Wirres Hin und Her auf dem Oktoberfest, witzloser Einsatz von Gundel Gaukeley, Handlung plätschert daher
- Frankfurt Pro: Treffende Pointen über die Wirtschaftslage Contra: Grauenvolles Nebenfiguren-Design, extrem lächerliche Story
- Köln Pro: Relativ viele gelungene visuelle Gags, solider Dialogwitz Contra: Panzerknacker sind Off-Model
- Stuttgart Pro: Nichts Contra: Alles
- Dresden Pro: Amüsanter Abstecher in die Oper Contra: Stadt wird einfach so abgehakt und somit stiefmütterlich behandelt, hanebüchener Schlusstwist
Fazit: Die Grundidee mag attraktiv sein, die Umsetzung ist dagegen abschreckend. Dümmlich erzählt und ohne Charme gezeichnet ist Die Ducks in Deutschland ein als Prestigeprojekt beworbener Schandfleck in der Duck-Historie.