Saving Mr. Banks, die filmische Nacherzählung der Auseinandersetzung von Mary Poppins-Autorin P. L. Travers und Walt Disney, kommt diesen Herbst pünktlich zur heißen Oscar-Saison in die US-Kinos und zeigt niemanden anderes als Publikumsliebling Tom Hanks in der Rolle des großen Studiobosses.
Daher ist diese Disney-Produktion ein sehr wichtiger Eintrag in die Disney-Filmographie: Es ist eine fiktionalisierte, faktenorientierte Behandlung von Ereignissen aus der Konzerngeschichte (so etwas ist noch nie dagewesen), es ist die erste große Darbietung Walt Disneys durch einen Schauspieler und es ist zudem ein Oscar-Kandidat vom Flagschiffstudio Disney (im Realfilmsektor lange nicht mehr dagewesen).
Doch welches Licht wirft nun der erste Trailer auf das Prestigeprojekt nach einem Skript von Kelly Marcel, dass unter der Regie von John Lee Hancock entstand? Nun, schauen wir doch mal genauer hin:
Etwas besorgniserregend finde ich die generelle Dramaturgie des Trailers. Es könnte natürlich sein, dass der Film entscheidend vom Trailer abweicht und vollkommen anders endet, dennoch suggeriert der Trailer, dass der Film davon berichtet, wie Walt Disney in seinem Zauberland P. L. Travers erfolgreich auf seine Seite zieht. Und selbst wenn Walt Disney die Britin tatsächlich überzeugen konnte, ihm die Filmrechte an Mary Poppins zu verkaufen, so war sie mit dem filmischen Endergebnis dennoch sehr unzufrieden, was in Saving Mr. Banks auch repräsentiert werden sollte.
Insofern ist der Trailer aber auch erleichternd, da er immerhin den Eindruck erweckt, dass P. L. Travers' Bedenken ernstgenommen werden und die gestrenge Autorin guten Grund hat, ihr Buch nicht in die verspielt-kindischen Hände Disneys geben zu wollen. Für eine Disney-Produktion ist das bereits ein fortschrittlicher Gedanke. Generell hat der Trailer einen Tonfall, der erwarten lässt, dass der Film sich ehrfürchtig vor der Traumfabrik unter Walt verneigt - und dann verschmitzt darüber lacht, wie verrückt einige der Disney-Filmschaffenden so waren. Der Supercalifragilistischexpialigetisch-Gag ist da ein hervorragendes Beispiel: Er lebt davon, dass der Song vom Publikum geliebt wird, er zündet jedoch allein wegen der pointiert eingearbeiteten Erinnerung daran, dass er doch ziemlich albern ist. Bleibt zu hoffen, dass John Lee Hancock diesen Tonfall durch den Großteil der Disneyszenen des Films über aufrecht erhalten kann.
Emma Thompson als P. L. Travers gefällt mir wohl auch aufgrund dieser Dualität des Films (die im Trailer durchschimmert) sehr. Sie spielt einerseits die steife, humorarme, würdevolle Autorin und andererseits auch die einzig Vernünftige in einem Haus des kreativen Chaos. Da der Film Travers' tiefe emotionale Bindung zur Mary Poppins-Geschichte erzählt (und darin wohl genügend Kantigkeit beweist, ein PG-13-Rating zu verdienen) erwarte ich einige dramatische Szenen mit der großartigen Schauspielerin.
Tom Hanks wiederum hat mich im Trailer nicht völlig überzeugt. Er sieht Walt Disney nur mit viel Gutwill ähnlich und er spricht kaum wie der Disney, den man aus Interviews und Fernsehauftritten kennt. Jedoch strahlt der die Wärme, Herzlichkeit und innere Jugend des öffentlichen Walts aus und ist daher schon eine treffende Besetzung. Ich finde auch, dass man Hanks' Performance anmerkt, dass er Walt Disney so spielt, dass er seine betonte Fröhlichkeit und Einfachheit nur als selbstauferlegtes Image versteht und auch als Masche benutzt. Seine "Ich habe es meinen Töchtern versprochen, dass Mary Poppins über die Leinwände fliegen wird!"-Rede kommt nicht so daher, dass Walt mit Leib und Seele ein Märchenonkel ist (und sonst nichts), sondern er diesen Charakterzug als Teil seiner Persönlichkeit in sich trägt - und ihn mit Nachdruck rauskehrt. Sollte Hanks genügend Gelegenheit haben, zu zeigen, dass Walt wirklich mehr war als nur das, was er und sein Studio gerne aus ihm machen, und die Disney-Studios nicht vor einigen raueren Momenten zurückschrecken ("Damn" zu sagen zählt nicht), so finde ich, dass Hanks in dieser Szene den richtigen Ansatz für eine gute Performance verfolgt.
Generell ist mir der Trailer aber zu sehr Crowdpleaser und zu stark an der "die inspirierende wahre Geschichte"-Marke angelehnt, als dass ich Disneys Oscarhoffnungen für Saving Mr. Banks verstehen würde. Der endgültige FIlm braucht dafür viel mehr als nur die suggerierten dramatischen Momente des Trailers.
5 Kommentare:
Eine off-topic-Frage, die sich wegen der Darstellung von Walt im Trailer vielleicht anbietet:
Stimmt es, dass die Disney-Studios jetzt doch wieder die Zeichentrickabteilung schließen? Trotz John Lasseter?
Wenn ja, wie bewertest Du diese Entscheidung bzw. weißt Du näheres, Sir Donnerbold?
Ich persönlich liebe ja den Film Mary Poppins, er ist irgendwie das was man als ein modernes Märchen voller Kritik an das Bankensystem empfinden könnte.
Der Trailer zu Saving Mr. Banks wirkt auf mich persönlich etwas befremdlich, da Tom Hanks die Rolle von Walt Disney etwas überdreht verkörpert. Walt Disney hat Märchen und Mythen ja immer mit einer gewissen Seriösität ohne erhobenen Zeigefinger präsentiert. Emma Thompanson nehme ich so ich die Rolle von der taffen P. L. Travers sofort ab. Die Autorin selbst war eine taffe und selbstbewußte Frau.
@ Stefan: Afaik wurden "nur" sehr viele Zeichner (aber auch einige CGI-Künstler) entlassen. Da Disney erst kürzlich einen neuen gezeichneten Micky-Kinokurzfilm produzierte, sind die Meldungen einer kompletten Schließung meines Wissens nach übertriebem.
@Sir Donnerbold: Danke (wie immer) für die Antwort. Deuten die Entlassungen also darauf hin, dass es wohl noch einige Zeit bis zum nächsten handgezeichneten Zeichentrickfilm dauern wird? Andererseits hat Disney erst vor kurzem "Paperman" veröffentlicht - vielleicht geht der nächste "handgezeichnete" Film genau in diese Richtung mit einer Mischung aus Computer- und 2D-Animation.
Dann noch ein Wort zum Trailer: Ich kann Deine Reaktionen anhand Deiner Beschreibungen gut nachvollziehen. Persönlich finde ich den Trailer gar nicht schlecht, aber ich bin auch kein Disney-Experte wie Du, sodass ich ihn als normaler Zuschauer wohl anders sehe als Du. Deine Vorstellungen würde ich aber auch gerne im fertigen Film sehen.
Ach ja, auf TheDisneyBlog.com wünscht sich ein Kommentator ein Film zu Disney Goodwill-Tour in den 1940ern - das wäre für Dich natürlich auch ein interessantes Projekt, oder?
Ich habe mit Brian Sibley und Jeffrey C. Sherman über den Film geschrieben - nein, er entspricht nicht den Tatsachen. Aber es ist sehr gut inszeniert und gespielt, denke ich. Liebe Grüße!
- "Mortimer"
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