Im achten
Kapitel zeichnet Autor James B. Stewart das charakterliche Bild von Eisner
kohärent weiter: Generell erhält man als Leser den Eindruck eines Mannes, der
nun – da er durch den Abgang von Katzenberg und den Tod von Wells sehr viel
Macht auf sich vereint hat – nur ungern wieder Macht abgeben will. Und wenn,
dann nur an jemanden, den Eisner auch zu kontrollieren fähig ist, der ihm
selbst keine Konkurrenz machen kann und der sich ihm bedingungslos unterordnet.
Dass die Suche nach solch geeigneten Nachfolgern für Katzenberg und Wells
schwierig werden würde, ist ohnehin klar. Nebenbei müssen die Neuen ja auch
noch das eigentliche Geschäft perfekt beherrschen, um bei ihrer Arbeit
erfolgreich zu sein.
Das achte
Kapitel beschreibt zu großen Teilen, wie sich die Nachfolgesuche von Eisner
gestaltet. Er selbst sieht sich im Unternehmen Disney mittlerweile als völlig
unverzichtbar an: Nach einer Herzoperation von Eisner stellte sich das Board
zeitweise die Frage, wer Disney übernehmen könnte, würde der er selbst
plötzlich sterben – nach dem Tod von Wells schien dieses Problem nicht mehr
allzu abwegig. Doch Eisner kannte niemanden, der ihn ersetzen konnte, wie er in
einem Brief an das Boardmitglied Ray Watson mitteilte: „Hier ist die traurige
Wahrheit: Ich habe keinen [Nachfolger]. […] Wir haben eine Reihe fantastischer
junger Manager, die Führungs-Erfahrung brauchen … aber im Moment kann ich nicht
wirklich sagen, wer in die ‚Startlöcher‘ passt.“ (S. 295)
Ob Eisner zu
diesem Zeitpunkt die Wahrheit sagte oder nur so tat, um sich selbst für die
kommenden Jahre als alleinigen, unumstrittenen Chef darzustellen, ist an dieser
Stelle nicht ersichtlich. Liest man aber zwischen den Zeilen, passt die
Betonung auf [i]jungen[/i] Fachkräften zu dieser Interpretation: Zwar gibt es
geeignete Kandidaten, aber erst, wenn sie (durch Eisner) jahrelang gefördert
wurden und irgendwann einmal ‚reif‘ sind für seinen Chefsessel. Wolle man
Eisner Narzissmus unterstellen, so fände sich hier ein gutes Argument dafür.
Auch ein paar Seiten später, als Eisner über die Restrukturierung von Disney
redet, dabei auch über die Durchwechslung von Managerposten – denn seiner
Meinung nach könne jeder gute Manager auch jede Position in einem Unternehmen
bekleiden. „Es geht dabei um die Gründung eines neuen Unternehmens nach den
gleichen Prinzipien und der gleichen Unternehmenskultur. […] Auf mir lastet
also ein großer Druck. Ich habe das Gefühl, jetzt würde ohne mich alles
zusammenbrechen.“ (S. 297)
Dennis Hightower |
Nun hat Eisner nicht
unrecht damit, dass sich das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt – 1995 – in einem
Umbruch befand und es jemanden brauchte, der diesen Umbruch sorgfältig
organisierte. Eisners Probleme, geeignete Leute für die vakanten Posten zu
finden, blieben bestehen: Schwierig gestaltete sich vor allem die Position des Chefs
der TV-Sparte, für die Eisner einen auf den ersten Blick völlig ungeeigneten
Kandidaten auswählte, nämlich Dennis Hightower. Dieser hatte Disneys Merchandising-Geschäft
in Europa und Asien erfolgreich gemacht, verstand aber von der Film- und
Fernsehbranche nichts (was Eisner nicht hinderte, da ja seiner Meinung nach
jeder gute Manager alles könne). Bill Mechanic, damals Studiochef der TV-Sparte
des Konkurrenten FOX, konnte eine solche Personalentscheidung kaum fassen: „Nicht
einmal Michael könnte so einen großen Fehler machen.“ (S. 299). Die Causa
Hightower endete übrigens schon nach einem Jahr, sie ist beispielhaft für
andere überraschende Personalentscheidungen zu dieser Zeit.
Zusätzlich zu
den internen Problemen bemühte sich der Disney-Konzern um die Übernahme eines
Fernseh-Networks, einer Senderkette mit nationalem Primetime- und lokalen
Daytimesendungen. Damals, Mitte der 90er Jahre, war ganz Hollywood im
Fusionsrausch, billige Kredite machten Übernahmen schmackhaft. Disney war quasi
gezwungen, ebenfalls den Kauf eines Networks in Erwägung zu ziehen, auch wenn
einige Führungskräfte dagegen waren. Die Synergien, schon lange übrigens von mittlerweile
abgewanderten Jeffrey Katzenberg angepriesen, waren aber unverkennbar: Mit
eigenen Fernsehsendern könne Disney seine Film- und Fernsehproduktionen über
eigene Vertriebskanäle verwerten, außerdem könnten Produktionssparten
zusammengelegt werden. Interessant in dieser Hinsicht: Das Network ABC, das letztlich
von Disney gekauft wurde, war ursprünglich dritte, eigentlich sogar nur vierte
Wahl bei den ersten Übernahmeplänen.
Michael Eisner
hatte zu dieser Zeit keine Übernahme-Erfahrungen gemacht. Ein größerer Einkauf unter
seiner Führung war bisher lediglich das Filmstudio Miramax gewesen; für diese höchst
erfolgreiche Übernahme aber war fast ausschließlich Jeffrey Katzenberg
verantwortlich. Eisner selbst hatte aber zumindest TV-Erfahrungen durch sein
früheres Amt bei Paramount und glaubte zu erkennen, welches Unternehmen am
besten zu Disney passe. Sein erster Favorit war das Network NBC, das damals in
einer Krise steckte – für Eisner war interessant, es wieder zur Nummer eins zu
machen. Hier lässt sich einmal mehr der ureigene Charakterzug Eisners erkennen,
den Reiz in der Herausforderung zu suchen.
Normalerweise
zieht Eisner seine Ideen auch durch, wenn er sie sich einmal in den Kopf
gesetzt hat – zumindest bisher. Nach den Ereignissen des Jahres 1994 aber
wandelt sich das Handen des impulsiven Dickkopfs: Schnell wird die Übernahme
von NBC als zu teuer abgehandelt, Eisner selbst soll laut „DisneyWar“ dennoch
eine gewisse Enttäuschung über das geplatzte Geschäft empfunden haben. Einen
ähnlich überraschenden Rückzug machte er auch beim Themenpark-Projekt „Disney’s America“, dessen Planungen von Bürgerprotesten begleitet wurden. Nach neuen
Kostentschätzungen und dem finanziellen Fiasko von Disneyland Paris traute sich
Eisner auch hier nichts mehr und stellte das Projekt ein. Vielleicht war Eisner
nach seinem Größenwahn, in Paris seine eigenen architektonischen Träume zu
verwirklichen und kein bisschen zu sparen, auf den Boden der rechnerischen
Tatsachen zurückgeholt worden.
Weitere
Übernahmekandidaten im TV-Bereich waren nun noch CBS und ABC, zeitweise plante
man sogar den Kauf des damaligen Entertainment-Riesen TimeWarner. Eisner wollte
dieses Risiko allerdings nicht eingehen, plädierte zunächst für eine Übernahme
eines einzelnen Networks: „Ich bin immer noch für CBS“, sagte er Mitte 1995 zu
seinen Finanzmanagern. Im Laufe der nächsten Wochen klopfte er die Chancen
sowohl bei CBS als auch bei ABC ab, letzteres Network erschien generell günstig
und beinhaltete noch ESPN, einen aufstrebenden Sportsender, der immer bessere
Zahlen vorweisen konnte. Eisners Vertrauter Sid Bass riet ihm letztlich zum
Kauf von ABC; die Übernahme wurde im August 1995 besiegelt. Öffentlich hatte
Eisner einen großen Sieg errungen, viele betrachteten den Deal als äußerst
sinnvoll. Im New Yorker überschrieb Ken Auletta seinen Übernahmebericht mit der
Schlagzeile „Awesome“ und schrieb: „Eisners Triumph verwandelt ihn erneut; aus
dem Frosch wird wieder ein Prinz.“
Ungeklärt war
zu diesem Zeitpunkt noch immer die Besetzung des Präsidentenpostens. Als
natürlicher Nachfolger von Frank Wells kam dabei Robert ‚Bob‘ Iger ins Spiel,
der damals Präsident von ABC war, das Disney ja nun übernommen hatte. In der Branche
ist es nicht unüblich, dass der Chef bei einer Fusion dann einen noch höheren
Posten bekleidet, in diesem Fall jenen des Disney-Präsidentenpostens. Eisner
aber reagierte ambivalent auf den neuen Mann Iger: „DisneyWar“ beschreibt, dass
Eisner von ihm zwar in gewisser Weise beeindruckt sei, dass er ihn allerdings
intern auch schlecht gemacht habe. Für den Präsidentenposten sei Iger zu weich
und zu gut aussehend, zu wenig kreativ (S. 319), letztlich noch nicht reif für
diese Position. Eisner soll sogar mit dem Gedanken gespielt haben, Iger bei ABC
zu feuern und durch den bereits bekannten Dennis Hightower zu ersetzen –
unvorstellbar, wenn man in Gedanken ruft, wie erfolgreich Iger seit Jahren an
der Spitze von Disney und als Eisners Nachfolger mittlerweile ist.
Vielleicht,
dies geht aber aus „DisneyWar“ nicht hervor, hat Eisner in Iger damals bereits
einen Konkurrenten gesehen, der ihm gefährlich werden könnte (eine nicht
unbegründete Prognose). Anders ist kaum zu erklären, dass er Iger selbst in
seinem alten Job bei ABC feuern wollte, wo dieser dort nachweislich gute Arbeit
geleistet hatte und durch seine Erfahrung die Integration von ABC bei Disney
vorantreiben konnte. Michael Ovitz, Eisners Vertrauter, riet ihm daher auch von
einem solchen Schritt ab: Es wäre ein Desaster, Iger so früh zu ersetzen, er
habe eine Chance verdient. Letztlich wurde Ovitz selbst umworben, neuer
Präsident bei Disney zu werden – Eisner sah in ihm einen fähigen Mann, den er
offenbar kontrollieren konnte (beide kannten sich bereits 30 Jahre) und der ihm
kaum in Konkurrenz treten könnte. Das Board war von der Personalie kaum
überzeugt, doch Eisner kontrollierte es damals quasi und bewegte die Mitglieder
letztlich zu einer Entscheidung pro Ovitz. Dieser war von der neuen
Partnerschaft auch nicht wirklich überzeugt, fürchtete um die private
Freundschaft mit Eisner, sollte die Geschäftsbeziehung nicht klappen. Als
Hollywood-Agent war Ovitz in der Branche ein berüchtigter Mann, von Zeitungen
sogar als der „mächtigste Mann Hollywoods“ beschrieben – Erfahrungen im Geschäft
eines Entertainment-Imperiums hatte er bisher trotzdem keine.
Michael Ovitz |
Für Eisner war
diese „private“ Lösung wahrscheinlich die einfachste, weil am einfachsten zu
händelnde und für ihn offensichtlich die risikoloseste – auch in Bezug auf
seinen eigenen CEO-Posten, der durch Michael Ovitz kaum gefährdet schien. Ob
diese Lösung aber auch für das Unternehmen das Beste war, schien – wie so oft
bei Eisners Entscheidungen – nur zweitrangig, wie sich später auch
herausstellen sollte. Nachdem Ovitz den Job bei Disney angenommen hatte, rief
er einen Vertrauten an und sagte: „Ich glaube, ich habe den größten Fehler in
meiner gesamten Laufbahn begangen.“ (S. 323)
Über die Krise,
die mit Michael Ovitz zu Disney kam, und über schwindende Unterstützung zu
Michael Eisner berichtet der nächste Teil des Lesetagebuchs.
Bei Recherchen zu diesem Artikel bin ich auf ein sehr interessantes Videodokument gestoßen, das zwar nicht zum Inhalt passt, ich euch aber nicht vorenthalten will: eine Diskussion zwischen Bob Iger und Jeffrey Katzenberg über Entwicklungen im TV
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