Ich hätte nie erwartet, in diesem Blog tatsächlich einmal etwas über den zum internationalen Bestseller mutierten Erotik-Liebesroman 50 Shades of Grey oder seine anstehende Verfilmung zu schreiben, aber nun hat sich das Regiekarussell in eine Richtung gedreht, die meine Aufmerksamkeit verdient hat: Ausgerechnet Joe Wright, der Regisseur hinter den anspruchsvollen Literaturverfilmungen Abbitte, Stolz und Vorurteil und Anna Karenina, soll der Favorit der Produzenten Michael De Luca & Dana Brunetti sein. Und somit hat mir nicht nur erstmals eine Meldung zur Adaption des unerklärlichen Phänomens eine Regung entlockt, sondern mich gleich in einen inneren Gewissenskonflikt gestürzt.
Mein erster Gedanke war ein schockierter Aufschrei. Man kann doch nicht solch ein inszenatorisches Talent wie Joe Wright, jemanden, der einige der wertvollsten Einträge in den literarischen Kanon auf Leinwand bannte, nun an solch einen Schrott verschwenden. Wright darf seinen Namen nicht durch so etwas schmälern, besonders nicht, da er derzeit auch mit einer Verfilmung von Neil Gaimans The Ocean at the End of the Lane liebäugelt, was nicht nur der inhaltlich reichhaltigere Stoff ist, sondern auch eher nach jemanden wie Wright schreit. Es ist eine übernatürliche Geschichte über die dunklen Seiten einer jeden Person und über unweltliche Wesen sowie eine Familie, die behauptet, einen Ententümpel von den Ausmaßen eines Ozeans sein Eigen zu nennen und einen Augenzeugen des Urknalls unter sich zu haben. Ein weiteres Projekt in Wrights Pipeline ist ein biographisches Drama über Houdini. Nicht ganz so spannend wie die Gaiman-Adaption, jedoch ungleich interessanter als 50 Shades of Grey. Wobei sich der Houdini-Film und 50 Shades immerhin das Thema des Fesseltricks teilen ...
Nach meinem Ablehnungsgedanken hatte ich jedoch noch einen zweiten Impuls. Dass Wright vielleicht doch keine so dämliche Wahl wäre. Denn man muss es sich mal so durch den Kopf gehen lassen: Joe Wright nimmt sich einer berühmten Romanvorlage an, in der eine Frauenrolle vorkommt, über die sich Gelehrte und Gelegenheitsleser den Kopf einschlagen könnten? Damit hat sich doch auch die Suche nach der Hauptdarstellerin erledigt, nicht wahr ..?
Lack und Leder stehen schon bereit
Und plötzlich klingt Joe Wright's 50 Shades of Grey gar nicht mehr so schrecklich, oder? Keira Knightley ist zweifelsohne viel talentierter als die meisten verzweifelten Newcomerinnen ohne Schamgefühl, die man sonst in einem 50 Shades-Film erwarten dürfte. Und anders als auch viele ihrer erfahrenen Kolleginnen in der Altersspanne der 50 Shades-Hauptrolle ist sie fähig, oben ohne weiterhin eine Figur zum Leben zu erwecken, statt in den "Ich bin jung, sehe gut aus und bin nackt, ihr dürft mich angaffen"-Modus zu schalten. Was für diese Geschichte nicht von Nachteil wäre. Gut, bahnbrechende schauspielerische Leistungen kann man bei der Vorlage nicht erwarten, doch wenn ein Körnchen Figurenzeichnung sich hinein verirrt, dann wird wohl niemand klagen.
Außerdem: Wenn wir jetzt schon über Keira Knightley, Sexszenen und Joe Wright nachdenken ... Was wäre, wenn Wright 50 Shades of Grey ähnlich wie Anna Karenina verfilmen und durch das Produktionsdesign und eine elaborierte Kamera- und Schnittechnik die Künstlichkeit der Handlung offenlegen würde? Anders gesagt: Sollte jemand fähig sein, 50 Shades of Grey für mich reizvoll zu gestalten, dann ist es Wright.
Trotzdem. Es wären Perlen vor die Säue. Können wir uns nicht einigen, und geben Rupert Sanders mit seiner Hauptdarstellerin Kristen Stewart 50 Shades of Grey, während Wright und Knightley Pirates of the Caribbean 5 erhalten?
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