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Donnerstag, 21. Februar 2013
Oscars 2013: Stoffe, aus denen Träume sind
Mein persönlicher Favorit in der Oscar-Kategorie "Beste Kostüme" ist dieses Jahr zweifelsohne Anna Karenina. Jacqueline Durran schuf für Joe Wrights ideenreiche Adaption von Tolstois megalomanisches Liebesdrama fantastische, aufwändige Kostüme, die eine natürlich wirkende Kreuzung aus russisch-adligem Prunk des 19. Jahrhunderts und galanter 50er-Jahre-Abendmode darstellen. Die Kostüme sprechen Bände für ihre Figuren, oder im Falle der Titelrolle für ihr punktuelles Befinden, und unterstreichen Joe Wrights inszenatorische Vision, eine sich ihrer Künstlichkeit bewusste, dennoch nicht distanzierende Romanverfilmung auf die Beine zu stellen.
Hinsichtlich des Kostüm-Oscars stellt sich für mich diese Saison deswegen bloß eine einzige Frage: Hat mein Favorit ernsthafte Chancen auf den begehrten Goldjungen?
Optimistisch stimmt mich zunächst, dass Anna Karenina zu den drei filmischen Gewinnern der diesjährigen Costume Designer Guild Awards zählt. Während sich das Romantikdrama in der Sparte für Historienfilme durchsetzte, erhielt Skyfall (in der Kostüm-Kategorie nicht Oscar-nominiert) den Preis für kontemporäre Kostüme. Spieglein Spieglein wiederum gewann den Gewerkschaftspreis für Fantasy-Werke und ist der wohl ärgste Oscar-Konkurrent von Anna Karenina. Die Kostüme von Eiko Ishioka sind äußerst fantasievoll und teils überaus verrückt und schrill, was in dieser Oscar-Sparte allerdings wahrlich keinen Nachteil darstellt. Die kunterbunte Märchenwelt ist die letzte Arbeit der 2012 verstorbenen Kostümschneiderin, die posthum bei ihrer zweiten Nominierung ihren ersten Oscar erhalten könnte. Jedoch sind aufsehenerregende Kostüme wie die Tierkleider auf dem zentralen Ball im Film auch polarisierend und somit keine garantierten Stimmfänger.
Paco Delgados Beitrag zu Les Misérables ist vornehmlich historisch akkurat und lebt, für die genauer hinblickenden Zuschauer, von dezent gewählten, aus dem generellen braungrauen Einheitsbrei herausstechende Farbtupfer wie Russell Crowes gedeckte Uniform oder das zart-unschuldige Rosa des Kleides von Fantine. Gegen die Macht von Anna Karenina werden diese Kostüme, so glaube ich, aber nicht ankommen können, genauso wenig die ebenfalls nur subtile Eigenheiten erlaubenden Stoffe in Lincoln, in die Joanna Johnston das Ensemble hüllte.
Die für mich unverständlichste Kostüm-Nominierung des Jahres ist die für Snow White and the Huntsman. Nicht, dass die Gewandung der Helden und ihrer Gefährten beliebig ist, aber es ist offensichtlich, dass allein Charlize Therons Garderobe diese Nominierung verursachte. Und selbst die Kleider dieser garstigen Bösen Königin sind längst nicht so wild, wie man es von der dreifachen Oscar-Preisträgerin Colleen Atwood erwarten würde. Da Atwood aber eh nur gewinnt, wenn ihre Kollegin Sandy Powell ebenfalls nominiert ist (und umgekehrt!), mach ich mir keine Sorgen, dass Pseudokriegerin-Schneewittchen der adligen Russin gefährlich wird.
Der "posthume Ehrung einer Kostümschneiderinnen-Legende"-Faktor erscheint mir etwas gefährlich, aber ich sehe die modischeren Anna Karenina-Kleider dennoch vorne. Hoffentlich liege ich richtig!
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