Sonntag, 3. Februar 2013
James Bond 007 – Liebesgrüße aus Moskau
Da James Bond – 007 jagt Dr. No das Zigfache seines Budgets einnahm, war die von den Produzenten erhoffte Fortsetzung eine rasch beschlossene Sache. Auch, welchen Roman man als Vorlage verwenden sollte, war schnell klar: Wenn John F. Kennedy, US-Präsident und seiner Zeit wohl beliebtester Politiker der westlichen Hemisphere, From Russia With Love als sein liebstes Bond-Buch und einen seiner zehn liebsten Schmöker überhaupt bezeichnet, dann gibt es einfach keine andere Wahl.
Liebesgrüße aus Moskau gilt unter vielen Filmhistorikern, Bond-Fans und -Machern als der beste oder zumindest einer der besten Teile der langlebigen Filmreihe. Die Produzenten scherzten öffentlich: "Wann immer wir einen neuen Bond planen, nehmen wir uns einen neuen Liebesgrüße aus Moskau vor, schlussendlich wird es jedoch nur ein neuer Feuerball"
Der große Reiz an Liebesgrüße aus Moskau, insbesondere wenn man ihn mit anderen Bonds vergleicht, ist, dass er Dr. No konsequent weiterentwickelt und somit einen Film ergibt, der sich stimmig in das Gesamtbild des Doppelnullagenten einfügt – gleichwohl ist er sehr eigenständig, denn weil die großen Maximen der Reihe noch nicht festgelegt wurden, kann er sich primär auf seine Agentengeschichte konzentrieren. Bonds zweiter Leinwandeinsatz ist inhaltlich weitestgehend bodenständiger, plausibler als sein Vorgänger, jedoch auch aufwändiger und zügelloser in seiner frühzeitigen Popcornkino-Bespaßung. Für Bond-Fans ist er somit ein "ungewöhnlicher, prototypischer" Vertreter ihrer geliebten Kinoreihe, für Gelegenheitsgucker ist er ein guter Blockbuster-Cousin der seichteren Hitchock-Suspense. Verfolgungen, doppelte Identitäten, MacGuffins, nur halt oberflächlicher und lauter. Doch nicht in dem intensiven Hirnausmodus vieler zeitgenössischer Actioner.
Der zweite Bond-Film etabliert eines der ikonischen Elemente des Franchises, welches heutzutage auch abseits von Bond längst alltäglich geworden ist: Das Cold Open, eine Szene vor dem Vorspann, die einen vagen Vorgeschmack der zu erwartenden Stimmung oder Handlung gibt. Liebesgrüße aus Moskau versucht hier noch, das Publikum in die Irre zu führen und mit einem absonderlichen Twist zu erstaunen. Das klappt rückblickend nicht mehr, oder auch bei neuen Bond-Filmen, aber für damals war es eine spannende Idee. Nicht ganz so gut gealtert ist meiner Meinung nach auch der Vorspann. Das Konzept, eine wegen des intensiven Schattenwurfs gesichtslose Bauchtänzerin in Nahaufnahmen zu zeigen, der die bunten Credits auf den Körper projiziert werden, ist einprägsam, aber die Abstimmung der Bewegungen, der Musik und Einblendungen ist etwas unbeholfen, zudem passt der Vorspann kaum zum nachfolgenden Film.
Die Verbrecherorganisation S.P.E.C.T.R.E. (beziehungsweise Phantom, geht man nach der deutschen Synchro) will zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Ihr Leiter Blofeld plant, den Kalten Krieg zu seinem Vorteil auszunutzen und Ost und West gegeneinander auszuspielen. Bei dieser Gelegenheit will er auch Blutrache für sein bestes Mitglied Dr. No üben. Zu diesem Zweck legt S.P.E.C.T.R.E. dem MI-6 eine offensichtliche Falle, indem er die Möglichkeit, an eine russische Dechiffriermaschine zu gelangen, legt. Aller Erfahrung nach müssten die Briten ihren besten Mann, also James Bond, für diese zwielichtige Mission verpflichten. Der Doppelnullagent sagt zu und trifft sich in Istanbul mit der (von S.P.E.C.T.R.E. engagierten) schönen Dechiffrier-Spezialistin Tatiana Romanova. Diese gibt vor, sich in Bond verliebt zu haben und deswegen an einem Überlauf in den Westen interessiert zu sein. Das Schurkensyndikat hat in seinem Spiel mit Netz und doppeltem Boden eine wichtige Sache übersehen: James Bond ist nicht irgendein Spitzenagent, sondern ein Charmeur oberster Kajüte: Tatiana verfällt dem raubeinigem Briten tatsächlich und macht sich mit ihm, dem MI-6-Vertrauten Ali Kerim Bey und der Dechiffriermaschine im Simplon-Orient-Express auf dem Weg durch Jugoslawien in den Westen. Aber S.P.E.C.T.R.E. hat noch einige Trumpfkarten im Ärmel ...
Das qualitative Herzstück von Liebesgrüße aus Moskau ist für mich die Zugreise, welche mit ihrem klassischen Suspense aus Hitchcock-Filmen wie Der unsichtbare Dritte oder einem richtig guten Agatha-Christie-Werk stammen könnte. Früh erahnt man, dass Bond im Orient-Express, der dank der Kameraführung und Setgestaltung Reiselust und Anspannung erzeugt, in eine Falle laufen wird, aber dank der stimmigen Schauspielleistungen und der für Bond sehr unübertriebenen Skriptarbeit bleibt man beim ersten Anschauen stets in der Schwebe. Generell fängt Regisseur Terence Young selbst in den abstruseren Momenten sehr gut den Einfluss des Kalten Krieges ein. Kleine Randnotizen, wie der Laissez-faire-Stil der Geheimdienstagenten in Istanbul (wir lassen uns verfolgen, sie lassen es zu, dass wir sie verfolgen, damit haben wir alle unsere Pflicht erfüllt) geben dem Film eine Fundierung im Alltag, Young setzt die Bond-Gadgets bloß als kleine, bunte Einsprengsler an. Connery gibt eine facettenreiche Version des Frauenhelden und Überagenten und Daniela Bianchi bekommt viel mehr noch zu tun als Ursula Andress im Original.
Im Finale kommt es auch zur ersten Helikopter-Verfolgungsjagd, welche sich nicht als aufgesetzter Bombast anpreist, sondern konsequente Eskalierung der Hatz auf Bond und auch die Rückgriffe auf den ersten Teil (etwa der Flirt mit Silvia Trench) helfen, diesen ernsteren Bond dennoch klar als Bond zu erkennen. Überflüssig ist dagegen der reine Fanservice-Moment mit zwei duellierenden Bauchtänzerinnen.
Trotzdem ist Liebesgrüße aus Moskau als plausible, kernige Agentenfantasie ein Stück Actionfilmgeschichte, von dem sich neue Genrevertreter sehr gerne ein Stück abschneiden können. Nicht unnötig düster, nur selten albern (und dann meistens mit rauer Selbstironie) und ruhig genug, um auch ohne Dauerkugelhagel zu fesseln. Kein prototypischer Bond-Film, wohl aber einer, der eine Vorbildfunktion hat.
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