So wie ich mir bei der besten Filmmusik jährlich meine Oscar-Lieblinge aussuche, so muss ich Jahr für Jahr feststellen, dass ich die Kategorie "Beste Kamera" enorm spannend finde. Spannender etwa als die Darstellersparten. Es ist schwer, einen Gewinner vorherzusagen und oft gibt es auch viel mehr verdiente Nominierte als Plätze im Oscar-Feld. Wie dieses Jahr zum Beispiel. Ich würde vom Fleck weg Anna Karenina, The Dark Knight Rises, Moonrise Kingdom,Argo,Django Unchained, Skyfall, Cloud Atlas und Life of Pi nominieren und komm obendrein nicht umher, den Oscar-Hype um Zero Dark Thirty, Lincoln und The Master zu beachten. Es hat sich eine stattliche Gruppe an Elitekameramännern in Hollywood gebildet und sie alle kämpfen Jahr für Jahr um die fünf begehrten Plätze in dieser vom Durchschnitts-Oscar-Fernsehpublikum unbeachtete Kategorie.
Als nahezu gesetzt sehe ich zum einen Cloudio Mirandas Arbeit für den poetisch eingefangenen, wundervoll mit künstlichem, träumerischem und echtem Licht arbeitenden (und beeindruckendes 3D aufweisenden) Life of Pi und zum anderen Kameralegende Roger Deakins, der seine Licht-und-Schattengemälde in die Welt von James Bond einführte und somit Skyfall zum visuell erstaunlichsten Agentenfilm seit Ewigkeiten, vielleicht sogar aller Zeiten machte.
Ein wenig kann ich zudem nach dem Ausschlussverfahren gehen. So rechne ich, im Gegensatz zu einigen fähigeren Oscar-Kennern, nicht mit einer Nominierung für Danny Cohen und seine Kameraarbeit in Les Misérables. Das, übertrieben gesagt, an Sportübertragungen erinnernde Hinterherhecheln gegenüber dem Geschehen und die vielen Bewegungen, durch welche die prunkvollen Setbauten schwer zu erkennen sind, haben aufgrund ihrer Dynamik ihre Freunde, aber auch sehr viele Gegner, deren Stimmen somit fehlen werden.
Von den großen Oscar-Favoriten in der Hauptsparte rechne ich dagegen durchaus Greig Fraser und Zero Dark Thirty große Chancen auf eine Kameranominierung ein, da Fraser einige vielsagende Einstellungen wählte, die das Thrillerdrama auf eine höhere Ebene hieven. Somit blieben noch zwei Felder frei, um die sich die "Bester Film"-Spitzenkandidaten Lincoln (mit Kameralegende Janusz Kaminski, der eine sehr ausgefeilte Beleuchtung angewendet hat), Argo (Rodrigo Prieto mit einem unaufdringlichen, spannungsfördernden Bild) sowie Django Unchained (Academy-Darling Robert Richardson belebt den Spaghettiwestern wieder) prügeln. Und obendrein hätten noch weitere Filme eine Nennung verdient, die mit auffälliger Kameraarbeit betören. Seamus McGarvey bringt Joe Wrights theatrale Liebestänzelei Anna Karenina ins richtige Licht und verzaubert mit surrealen Einsprengslern, Robert Yeoman nahm Wes Andersons genial-starren Stil und brachte ihn in Moonrise Kingdom in Bewegung, Mihai Malaimare Junior hypnotisiert in The Master, Beasts of the Southern Wild ist unberechenbar magisch und könnte so Ben Richardson eine Nominierung einbringen und Wally Pfister hat eigentlich stets eine Nominierung sicher, wieso also nicht für die IMAX-Bildgewalt The Dark Knight Rises?
Bei den großen Favoriten tippe ich eher auf Kaminskis bedachtvoll beleuchtetes Historiendrama, den fünften Platz machen in meinen Augen Django Unchained (geachteter Kameramann, tolle Bilder, doch zu cool für die Academy?) und Anna Karenina unter sich aus, da dieser Film von den "restlichen Kandidaten" der ist, bei dem die Kameraführung am exzentrischsten ist und so ein paar "Wagemut muss belohnt werden"-Stimmen ergattern könnte. Ich schätze, dass sich letzteres durchsetzen könnte.
Meine Tipps lauten also:
- Skyfall
- Life of Pi
- Zero Dark Thirty
- Lincoln
- Anna Karenina
Und was glaubt ihr?
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