Mittwoch, 21. November 2012
Dredd 3D
Die 1995 erschienene Comicverfilmung Judge Dredd mit Sylvester Stallone gehört zu den größten Verbrechen, den das zum Disney-Konzern gehörende Filmstudio Hollywood Pictures auf die kinobegeisterte Menschheit losgelassen hat. Diese Meinung war nicht von Beginn an die vorherrschende: Zwar erhielt die aufgrund von heftig ausgetragenen Unstimmigkeiten zwischen Hauptdarsteller Stallone und Regisseur Danny Cannon inhaltlich orientierungslose Sci-Fi-Story bei Kinostart vorwiegend schlechte Kritiken, allerdings machte sie an den Kinokassen Gewinn und wurde für gerade einmal eine einzige Goldene Himbeere nominiert. Mittlerweile ist Judge Dredd eine verhasste Lachnummer, ein Campfest, das im Pantheon der grausigen Comicadaptionen direkt neben Howard – Ein tierischer Held und Steel verortet wird.
Klar, dass Fans der Vorlage seither gebannt auf eine neue Verfilmung gewartet haben, die das cineastische Bild des kompromisslosen Richters korrigiert. Die Abscheu vor dem 95er Judge Dredd hatte jedoch ebenfalls zur Folge, dass sich die Finanziers in der Filmwelt nicht mehr an den Stoff herantrauten, weil sie einen garantierten Misserfolg fürchteten. Doch nach einigem Hickhack konnte das im Dezember 2008 gestartete Vorhaben der britischen Independentfirma DNA Films und Autor Alex Garland (verantwortlich für den Roman Der Strand und die Kinofilme Sunshine sowie 28 Days Later) in die Tat umgesetzt werden: Die 45-Millionen-Dollar-Produktion Dredd 3D kam mit einigem über Previews und Festivalaufführungen generierten Vorabhype in die US-Kinos, wo sie Actionfans und Kritiker überzeugte. Die von den Machern ersehnten Fortsetzungen stehen indes auf wackligen Beinen. Das erhoffte US-Einspielergebnis kam nicht zusammen, und so hängt die Kinozukunft von Judge Dredd vom internationalen Einspiel ab.
Auch wenn Dredd 3D aus wirtschaftlicher Sicht hinter dem Stallone-Desaster hinterherhinkt, ist diese herbe Actionproduktion qualitativ und stilistisch über ihr zu verordnen. Nicht nur, dass kein schriller Actionspaß aus der Vorlage gezimmert wurde, Dredd 3D ist sich, anders als die Comicadaption von 1995, seiner technischen und finanziellen Limitationen bewusst und nutzt sie sogar zu seinem Vorteil, indem er dem Publikum ein Gewalt-Kammerspiel mit harscher Atmosphäre und trockenem Menschenbild unterbreitet.
In einer nicht all zu entfernten Zukunft, in der die Erde vertrocknet und die Demokratie verendet ist, prangt die Metropole Mega City One in Mitten dessen, was einst die Vereinigten Staaten von Amerika waren. In der von Chaos, Zerstörung, Armut und Verbrechen diktierten Stadt vereinen die Judges Jurisdiktion, Legislative und Exekutive in einem. Zu den besten und strengsten dieser Rechtsvollstreckern gehört Judge Dredd, dem eine Auszubildende zugeteilt wird. Sie fiel stets haarscharf durch alle Prüfungen durch, aber weil sie durch ihre Mutation Gedanken lesen kann, wollen Judge Dredds Vorgesetzten, dass er sie dennoch mit auf Streife nimmt. Sollte sie die Feuertaufe bestehen, würde sie offiziell zum Judge ernannt. Als Dredd und Lehrling ihre Runde drehen, geschieht im von Drogenbaronin Ma-Ma unterjochten Hochhaus Peach Trees ein dreifach Mord, dem das Duo nachgeht. Die Spur führt zu besagter Drogenbaronin, welche daraufhin das gesamte Hochhaus abriegelt. Ihr Befehl an alle Einwohner: Tötet die Judges. Oder es bestehen grausige Dinge zu erwarten ...
Unkorrumpierbare Vertreter des Rechts, die sich in einem verkommenen, von einem Drogenboss beherrschten, lachhaft großen Hochhaus von unten nach oben durchkämpfen müssen. Das erinnert frappierend an den indonesischen Action-Überraschungserfolg The Raid, der dieses Jahr den internationalen Filmmarkt eroberte. Auch wenn die Produktion von Dredd 3D anfing, bevor The Raid das Licht der Filmwelt erblickte und es somit nicht mehr als ein Zufall ist, bietet sich dieser Vergleich an: Beide Filme reduzieren die Pseudostory auf ein Minimum und nehmen die naheliegende, videospielartige Idee eines superklaren Ziels für die Protagonisten. Durchkämpfen. Fertig. Das verkommene Hochhaus bietet einen dreckigen Schauplatz für kompromissarme Action und ist somit eine geeignete Kulisse für harte Action in Reinkultur. Während in The Raid blutige Martial Arts vorgeführt wurde, atmet Dredd 3D bleischwere Luft. Da die Judges sehr vielseitige Schusswaffen haben, deren Munition nicht unbegrenzt ist, erlebt der Kinogänger bei Dredd 3D aber kein monotones Dauerfeuer, sondern bekommt Abwechslung sowie taktierende Figuren geboten. Das größte Element der Monotonie-Bekämpfung kommt jedoch in Form der Droge Slo-Mo daher, die von Ma-Ma vertickt und auch genutzt wird. Slo-Mo sorgt für eine Entschleunigung und gleichzeitige Intensivierung der Sinneswahrnehmung. Soll heißen: Wann immer wer Slo-Mo einnimmt, bekommt der Zuschauer kunterbunte Superzeitlupenbilder geliefert. Manche davon waren mir zu zäh und sinnlos, doch meistens wird sie sehr effektiv für kreative Gewaltdarstellungen genutzt.
Seine FSK-Freigabe ab 18 Jahren hat sich Dredd 3D mit viel spritzendem Blut und einigen anderen harten Augenblicken durchaus verdient, dennoch ist der Film harmloser als "Hochhausdurchkämpfungskollege" The Raid, welcher ebenfalls schon kein Tabubrecher war. Dredd 3D definiert sich nicht durch Superlative, sondern dadurch, dass wieder unpolierte, raue Action geboten wird, die seit dem neuen Jahrtausend im Kino immer rarer wurde. Als solch ein Stück "Old School"-Action funktioniert Dredd 3D auch ganz gut, trotzdem finden sich in Pete Travis' Gewalt-Kammerspiel einige der Probleme, die schon dafür sorgten, dass mich The Raid kalt ließ.
So ist der Spannungsbogen von Dredd 3D ziemlich flach. Dredd und sein Azubi Cassandra Anderson geraten zwar jeweils einmal in die Enge getrieben, doch sonst sind sie so übermächtig, dass kein Mitfiebern möglich ist. Genauso wie The Raid bremst Judd 3D während der Pseudo-Storysequenzen ziemlich aus. Dredd ist eine stoische, im übertragenen Sinne unbewegliche Figur, so dass aus ihr im Laufe der Filmhandlung wenig rauszuholen ist. Auch Ma-Ma, die in ihren Einführungsmomenten noch etwas Coolness hat, ist bald nur noch "die krähende Drogenboss-Tussi", so dass einzig Cassandra in den Storymomenten für Charakterwachstum und somit für Kurzweil sorgt. Durch das süße und vergleichsweise subtile Spiel Olivia Thirlbys sind ihre Figurenmomente tatsächlich interessant, was Dredd 3D in dieser Hinsicht an The Raid vorbeischiebt. Auch technisch ist Dredd 3D mit seiner klaren Schnittarbeit und klaren Kameraarbeit stärker als der verwackelte The Raid. Der Humor kommt in beiden Filmen kurz, doch die Comicadaption hat einige sitzende Oneliner und zwei, drei Fälle komisch überspitzter Gewalt, die in der Actionflut sehr willkommen sind.
Wenn man vom 3D absieht, welches von zwei Aus-der-Leinwand-spritz-Effekten abgesehen das flachste und unschärfste 3D ist, das ich je in einem mit 3D-Kameras gefilmten Film sah, ist Dredd 3D also exakt das, was man erwartet. Nicht weniger, vor allem jedoch auch nicht mehr. Es ist ein Sci-Fi-Baller-The Raid.
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2 Kommentare:
Der letzte Absatz bestätigt meinen Eindruck vom Film. :P
Lange ist es her, seit ich zuletzt das Donnerbold´sche Disneyversum sowie allerhand interessante Beiträge darin besuchte.
Nunja - was soll ich groß sagen? Bin ich froh wieder mal reingeschaut zu haben? Klar!
War ich in Dredd 3D? Natürlich nicht!
Viel lässt sich zum Comic, den Verfilmungen und natürlich zum angewendeten 3D des neuen Films sagen. Sir D. hat dies bestimmt zur Genüge und sicher zur Freude des interessierten Leser, selbst wenn mich "Dredd" einfach völlig desinteressiert gelassen hat, dann nicht deshalb, weil mir gute Artikel oder interessante Elemente nicht geschrieben wurden.
Jeder mag von der Umsetzung mit Stallone ja halten was er möchte, aber immerhin wurde mit der Hauptrolle eine physisch geradezu überpräsente Person ausgewählt, die noch dazu im Jahr 1995 neben Schwarzenegger wohl als die Bestbesetzung in Blockbuster-Actionkinofilmen anzusehen war.
Mir ist klar, dass Fans des Comics es als einen Eklat betrachten mögen, dass im ersten Film mit Stallone, dieser den Helm abzieht. Doch das ist nunmal Kino! Im Gegensatz zum (mir überhaupt nicht einmal im Ansatz bekannten) Comic, muss man bei einem Hauptdarsteller wie Stallone natürlich auch den Coolness-Faktor, aber auch den Wiedererkennungswert und das Charisma dieses Darstellers präsentieren - wo er doch den Film tragen muss!
Wer nun "Judge Dredd" und darin Silvester Stallne diese Dinge abspricht, nun - der könnte vielleicht sogar Recht behalten. Allerdings war er in den 90ern für diese Art des Actionkinos bekannt - vor allem in Deutschland. Darum ging man in seine Filme, um dies zu sehen. Ich gstehe, dass ich 1995 trotz einiger Beachtung von Mr. Stallone von "Judge Dredd" zu wenig interessiert war, um ins Kino zu gehen. Doch auf DVD oder im TV hat mich der Film durchaus unterhalten. Nicht grade mein Lieblings-Actioner mit ihm, aber anschaubar und stellenweise gut.
Wen nahm man bei "Dredd"? Einen Darsteller der dem gewöhnlichen (Action-)Kinobesucher bitte wodurch bekannt ist - etwa durch die Rolle des "Pferdefürsten" aus "Der Herr der Ringe - Die Zwei Türme" und "Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs"? Dem Hauptdarsteller des Kinoflops "Pathfinder" (gesehen und für ne unterhaltsame "Conan in Viking-Style"-Verfilmung befunden) war auch mit "Dredd" kein Glück beschienen.
Fakt ist - "Dredd" hat ein 3D (laut Sir D.), bei dem man besser mit der 2D-Fassung wegkommt. Eine minimalistische Handlung die sich scheinbar nur in einem Gebäude abspielt und dann was? Nein im Ernst - was hat "Dredd", was den Film für Actionkinofans interessant macht? Die Trailer waren wenig ineressant. Es fehlte an Witz, gab keine wirklich bekannten Stars, die Action scheint kaum mehr als solide gemacht - jedenfalls nichts, was man sofort als Alleinstellungsmerkmale betrachten würde.
"Dredd" krankt wie auch schon die neue Verfilmung von "Total Recall" daran, dass die meisten Kinogänger und DVD/TV-Zuschauer die Erstlinge mit den Stars des 90-er Bombast-Actionkinos kennen und schätzen - wenn nicht gar liebgewonnen haben.
Ach ja - es passiert nur sehr selten, dass ich bei einem Artikel hier mit dem Lesen began und das nicht auch zu Ende gebracht habe. Manchen Artikel sparte ich mir entweder bewusst auf (aus Zeitmangel) - oder beließ es dabei, dass mich die Thematik nicht sofort zum Lesen brachte und ich dies erst Monate später nachholte.
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