Seiten

Montag, 1. Oktober 2012

Frankenweenie


Naja, wahrscheinlich sollte ich diese Filmkritik besser Frankensteenie nennen, schließlich lautet so der deutsche Titel des Tim-Burton-Kurzfilms von 1984. Außerdem lässt er sich so besser vom neuen Stop-Motion-Langfilm unterscheiden, welcher Burtons kleines Realfilmprojekt deutlich "burtonesquer" umsetzt.

Es ist ja immer überaus amüsant, wenn uninformierte "Fans" in Burton-Foren rumzetern, ihr großes Idol würde sich nun an Disney verhuren und einen auf kommerziell machen. Schließlich begann Burton genau dort seine Karriere, zunächst als Zeichner und dann als Kopf hinter Nischenprojekten wie Vincent und nunmal Frankenweenie (ich bleibe hier stur beim US-Titel). Es ist außerdem amüsant, dass Burton Disney nun mit Alice im Wunderland und der ganzen Wiederverwertung des von ihm erdachten Nightmare before Christmas Milliarden in die Kassen spült, wurde er doch in den 80ern noch gefeuert, da er mit seinen exzentrischen Projekten bloß Geld verschwende. Mittlerweile packt Disney die genannten Projekte wenigstens als Bonus auf Veröffentlichungen von Nightmare before Christmas - eine andere Produktion für Disney bleibt dagegen eine Obskurität der Filmgeschichte.

Frankenweenie wäre sicherlich ebenfalls in dieses Territorium gerutscht, stünde dahinter nunmal nicht Tim Burton, der was für dieses alte Projekt übrig hat. Der Film zeigt einen filmbegeisterten kalifornischen Jungen, der mit seinem Hund kleine Monsterfilme dreht und sie stolz seiner Familie vorführt. Eines Tages geschieht jedoch das große Unglück, und der kleine Sparky wird beim Ballspielen überfahren. In der Schule kommt dem trauernden Kind während der Naturkunde die große Idee: Er erweckt seinen zu Grabe getragenen Hund mittels einer Gewitterladung an Elektrizität wieder zum Leben. Das kuriose Experiment von Victor Frankenstein gelingt, allerdings dreht die Nachbarschaft angesichts des Monsterhundes in Panik aus ...

Dass Frankenweenie ohne Burton sicherlich zwischen die Ritzen des Sofas der Filmgeschichte gerutscht wäre, liegt wohl in der Natur dieser Sache: Es ist ein etwas skurriler Kurzfilm, von Disney zu einer Zeit produziert, als man nach einer neuen Identität als Studio suchte. Der Kurzfilm war kein wirklicher Erfolg, und weder eine künstlerische Offenbarung, noch so schlecht, dass er Jahrzehnte später wieder ausgegraben und zum Kult aufgeputscht werden könnte. Es ist nunmal eine Fußnote der Filmgeschichte, und in Disneys Fall halt eine etwas schräge noch dazu.

Der Schwarz-Weiß-Film ist eine parodistisch angehauchte Hommage an Frankenstein, insbesondere die Verfilmung aus dem Jahr 1931, und wie Burton diese Grundidee auf die Neuzeit sowie die Beziehung eines Jungens zu seinem Haustier anwendet, ist schon recht nett anzusehen. Wirklich witzig wird der Kurzfilm aber nur in einigen, wenigen Dialogspitzen. So schmeißt ein grummeliger Nachbar entnervt seine Katze mit dem Kommentar "I hope you run into a ten-foot mouse!" aus dem Haus und der Biologie-Lehrer von Victor beschreibt einen toten Frosch ganz python-mäßig als "ex-frog". Auch die visuellen Anlehnungen an die Frankenstein-Verfilmung aus den Dreißigern sind gelungen und bringen einen zum Schmunzeln.

Trotzdem mag ich mit Frankenweenie nicht so recht warm werden. Das Schauspiel der Erwachsenen ist stellenweise recht hölzern, überhaupt sind die Nachbarfiguren unangenehm überzeichnet. In Edward mit den Scherenhänden haben die Spießernachbarn etwas sarkastisch-charismatisches an sich, in diesem Film sind sie eine reine Last. Auch kommt die Panik vor dem Monsterhund viel zu plötzlich. Klar, es ist ein Kurzfilm, dennoch wechselt der Film so schnell den Gang, dass es weder plausibel, noch sonderlich amüsant ist.

Es ist auch schwer zu benennen, doch irgendwie laufen in diesem Film der frühe Burton-Stil und der Geschmack der frühen Disney-80er unwohl aufeinander. Frankenweenie ist sozusagen selbst ein Frankenstein-Monster. Wenn der wiederbelebte Sparky schwanzwedelnd Wasser trinkt und dieses aus seinen Narben spritzt, oder bei größeren Gefühlsregungen aus seinen Kolben Funken sprühen kommt das alles so bemüht disneyhaft rüber, was zu anderen Stellen des Films gar nicht passt. Aber das ist mal wieder eine Beobachtung der Marke "Wen juckt's?"

Naja, damals hat es wohl Disney gejuckt: Ursprünglich sollte Frankenweenie im Vorprogramm einer Pinocchio-Wiederveröffentlichung laufen, doch nach problematischen Reaktionen in Testvorführungen wurde das Vorhaben abgebrochen. Stattdessen versteckte man ihn vor UK-Aufführungen der Touchstone-Produktion Baby - Das Geheimnis einer verlorenen Legende. Später folgte eine gekürzte Video-Veröffentlichung, bevor Nightmare before Christmas auf DVD erschien und das Studio dort die ungeschnittene Fassung wieder der Öffentlichkeit präsentierte.

Frankenweenie ist fern ab von Burtons Standardform, aber er ist immerhin mitverantwortlich dafür, dass Burton und Disney zunächst getrennte Wege gingen und Burton sich neu erfinden musste. Graduell ließ er das Familienkino hinter sich, bevor er mit Batman einen absoluten Comicblockbuster ablieferte. Den finde ich ja schmerzlich überschätzt, aber mit Edward mit den Scherenhänden und Batmans Rückkehr fand er schließlich zu der Form, die ihn zum Kultregisseur gemacht hat, den wir heute kennen. Also vielen Dank, Frankenweenie!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen