Dieses Jahr feiert eine von Disneys beliebtesten und frühsten Figuren den achtzigsten Jahrestag ihres Leinwanddebüts: Goofy! In dieser Reihe zerren wir den optimistischen Tölpel aus dem Schatten der Maus und blicken zur Feier seines Jubiläums auf seinen cineastischen Werdegang unter Walt Disney. Dies sind Goofys Meilensteine.
Da weder Jack Kinney, der Goofy-Experte der Disney-Studios, noch der große Mousestro Walt Disney höchstpersönlich mit den "Foibles Cartoons" zufrieden war, in denen Goofy als Mittelklassejedermann G. G. Geef in Situationskomödien rund um alltägliche menschliche Schwächen verwickelt wurde, musste eine Lösung her. Walt war der neue Goofy zu persönlichkeitsarm, bot zu wenig Identifikationsfläche und war darüber hinaus auch unattraktiv für weitere Verwendungszwecke, wie etwa als Merchandisingfigur, dem mit einem aufgedrehten Sinn für Humor ausgestatteten Kinney boten diese eher bodenständigen Alltagsgeschichten zu wenig komödiantisches Potential.
Ein radikaler Bruch von der neuen Goofy-Formel tätigte Regisseur Jack Kinney gemeinsam mit seinem Bruder Dick Kinney, der in der Storyabteilung tätig war, und dessen Kollegen Brice Mack im Jahr 1952 mit der Film-noir-Parodie How to Be a Detective. Goofy verkörpert darin den Privatdetektiven Johnny Eyeball, der, im Gegensatz zu klassischen How to ...-Cartoons sein Handwerk nicht erst noch lernen muss, sondern es bereits beherrscht. Der Erzähler, natürlich in bester Film-noir-Manier ein richtig kerniger Kerl, erläuterst stattdessen, was zu einem waschechten Detektivdasein dazugehört und dem üblichen Ablauf nach als nächstes passieren wird. Ahmte Donald's Crime einige Jahre zuvor die klassischen Stilmittel des verrauchten Kriminalgenres auf pointierte, donaldhafte Weise nach, werden sie in How to Be a Detective mit ironischem Beiklang benannt und überspitzt. Die Auftraggeberin ist hier eine absolut übertriebene Femme fatale, Jahre, bevor andere Genreparodien die Gesichter der verführerischen Damen verschleierten und ihren Bewegungsablauf auf reines Hinternwackeln und einen gestelzten Gang reduzierten. Während das Intro des Cartoons, der für einen Disney-Film in kurzer Zeit absonderlich viele Gewalttaten darstellt, noch mit Silhouetten von Goofy-Klonen bevölkert ist, befolgt die eigentliche Handlung des Kurzfilms (Johnny Eyeball nimmt gegen den Rat der Polizei einen brenzligen Fall auf und macht sich auf die Suche nach einem ominösen Al) Walt Disneys Wunsch, Goofy wieder zu einer einmaligen Figur zu machen. Kater Karlo tritt als zwielichtiger Cop auf und schon 36 Jahre vor Disneys wohl denkwürdigster Film-noir-Parodie, Falsches Spiel mit Roger Rabbit, übernimmt ein an Disneys Wind in den Weiden angelehntes Wiesel die offenkundige Schurkenrolle.
Tod durch den Strick in How to Be a Detective
Das Herzstück dieses späten Goofy-Cartoons ist eine vollkommen aus dem damals gesetzten, besonnenen Rahmen der Disney-Kurzfilme fallende Autoverfolgungsjagd, die eher einem flotten Tex-Avery-Werk entsprungen sein könnte, inklusive rasanter Verstöße gegen die physikalischen Gesetze. Außerdem erlaubt der Kurzfilm, in welchem der tollpatschige Disney-Star fast wieder wie er selbst klingen darf, statt mit normaler Stimme zu sprechen, Goofy endlich wieder etwas Sprachwitz. Der Gesamteindruck wird nur durch einen halbherzigen Schlusstwist / eine dünne Schlusspointe minimal getrübt.
Brach dieser Kurzfilm sämtliche durch die "Foibles"-Serie gesetzten Konventionen, fanden die zwei abschließenden How to ...-Kinokurzfilme Walt Disneys einen Mittelweg. 1953 lernte der mittelständische Goofy die Kunst des Gesellschaftstanzes und in einem anderen Kurzfilm wurde am Testobjekt Goofy die Geschichte des Schlafes und der Schlafprobleme behandelt. Der hektische Witz der Sportcartoons war weiterhin tabu, allerdings konnte Jack Kinney Goofy für diese zwei Filme auch wieder aus der Rolle des 50er-Jahre-Situationskomödien-Vaters rausholen.
1953, also im letzten Jahr, in dem die reguläre Goofy-Cartoonreihe fortgeführt wurde, feierte außerdem For Whom the Bulls Toil seine Premiere. Der am 9. Mai uraufgeführte Kurzfilm gehört zu den raren Beispielen eines "normalen" Goofy-Cartoons, also zu jenen, die weder der How to ...- und Sport-Reihe angehörig sind, noch der "Foibles"-Reihe. Stattdessen ist es einfach bloß ein Solo-Kurzfilm mit dem Bauerntölpel, den die Kinogänger in gemeinsamen Auftritten mit Micky und Donald kennen gelernt haben. Und es ist zugleich einer der besten dieser seltenen Sorte.
Der Kurzfilm zeigt Goofy bei einem Autotrip durch Mexiko, welcher dadurch unterbrochen wird, dass es sich ein stattlicher Bulle mitten auf der Straße bequem gemacht hat. Goofy, der das ebenso reizbare wie starke Tier für eine gewöhnliche Milchkuh hält, will es weglocken und provoziert es dadurch. Doch da der optimistische Hohlkopf dies nicht bemerkt, bleibt er ganz locker und kümmert sich um seinen Wagen, während der wütende Stier an Goofy vorbeirauscht. Dies ruft bei den Anwohnern Begeisterungsstürme hervor und alsbald wird Goofy als neuer Stern am Matadorenhimmel gefeiert. Von der erstaunten mexikanischen Bevölkerung in ein traditionelles Outfit gesteckt und eine der größten Arenen des Landes verfrachtet, fällt bei Goofy erst während seines ersten offiziellen Stierkampfes der Groschen – das Chaos ist somit vorprogrammiert.
Obwohl auch dieser Cartoon über einen Erzähler verfügt, lässt sich For Whom the Bulls Toil keinesfalls als How to ...-Kurzfilm einordnen, da der Sprecher bloß kurze einleitende und abschließende Worte verliert und nicht etwa Goofy als Exempel für einen guten Stierkämpfer verwendet. Mit Goofys aus purem Zufall geglückter Auseinandersetzung gegen den seinen Fahrtweg blockierenden Bullen kehrt dafür wieder nach langer Zeit der urtypische Goofy-Humor aus seinen Trio-Auftritten zurück. Bloß dank seiner Einfältigkeit und der daraus resultierenden Gelassenheit sowie einem Quäntchen Glück gelingt es ihm, den Stier zu bezwingen und bei den staunenden Betrachtern den Eindruck eines Stierkampf-Naturtalents zu hinterlassen. Dies entspricht der ursprünglich von Art Babbitt erdachten Typisierung des Goofs und auch die Charakteranimation, an der unter anderem John Sibley maßgeblich beteiligt war, orientiert sich wieder enger am Bauerntölpel-Goofy der 30er, selbst wenn Goofys Gang in For Whom The Bulls Toil nicht derart federnd ist wie etwa im Micky-Donald-Goofy-Klassiker Moving Day
Während dieser späte Ausflug der Disney-Studios ins Land südlich der kalifornischen Grenze also Freunden des Dreißiger-Goofys sehr gefallen dürfte, hat er aus der Perspektive der Political Correctness einen leicht bitteren Nachgeschmack. Dies allerdings nicht wegen der mexikanischen Randfiguren, die der Disney-Konzern ab Mitte der 80er in vielen Wiederveröffentlichungen rausgeschnitten hat. Diese dürften nur den scheinheiligsten Gemütern übel aufstoßen, sehen sie doch schlicht aus, wie menschliche Nebenfiguren in klassischen Disney-Kurzfilmen sonst auch gestaltet sind, bloß mit etwas dunklerem Teint und statt in Bauernkleidung oder geschäftigen Vorstädteranzügen nunmal in Textilien gekleidet, die man eher mit ländlichen Regionen Mexikos assoziieren würde. Ja, diese Figuren sind Karikaturen, aber es sind einfach nur karikierte Menschen und keine despektierlichen Stereotypisierungen von Mexikanern. Sie sprechen korrektes Spanisch (was man in den Cartoons der späten 20er und frühen 30er nicht unbedingt erwartet hätte) und der Song, der für eine Radio-Blitzmeldung bezüglich der Entdeckung des Supermatadoren Goofy unterbrochen wird, ist keine Parodie typischer mexikanischer Musik, sondern schlichtweg ein authentisch klingendes Musikstück. Der Respekt, den dieser Kurzfilm gegenüber der mexikanischen Kultur zollt, geht sogar so weit, dass der Trompetenspieler Rafael Mendez, der für die musikalische Begleitung des Cartoons herangezogen wurde, eine prominente Nennung in der Film-Titelkarte erhielt.
Was For Whom The Bulls Toil aus heutiger Sicht leicht fragwürdig dastehen lässt ist, ironisch genug, eher sein ehrlicher Respekt vor einem Aspekt der spanischen und mexikanischen Kultur. Nämlich vor dem Stierkampf. Der Erzähler erläutert zu Beginn des Films, welche Grazie und Heroik dieser nicht als Sport, sondern fast schon als Kunst verehrten Tätigkeit innewohnt. Diese Aussage wird nicht etwa ironisch gebrochen, sondern durch eine agile, heldenhafte Darstellung eines erprobten Matadoren unterstrichen. Zum Schluss des Cartoons stiftet Goofy zwar Unheil in der Stierkampfarena, der wilde, einfallsreiche Slapstick lässt das Publikum aber über die Ungeschicklichkeit und den unverschämten Dusel Goofys lachen, nicht etwa über den Sport als solchen. Damit steht For Whom The Bulls Toil im Gegensatz zum 15 Jahre zuvor veröffentlichten Ferdinand the Bull, in welchem der Stierkampf weitaus weniger positiv davonkommt und die Matadorenfigur nicht als begnadeter Performer auftritt, sondern als dämlich grinsende Witzfigur – welche, so ganz nebenbei, Studioboss Walt Disney nachempfunden wurde.
oben: Der Matador in For Whom The Bulls Toil, unten: Der Stierkämpfer in Ferdinand the Bull
Im August 1953 kam übrigens ein weiterer Stierkampf-Cartoon in die US-Kinos, und zwar der Bugs-Bunny-Klassiker Bully for Bugs, der einer Anekdote nach dadurch entstand, dass Produzent Edward Selzer unmissverständlich klar machte, dass Chuck Jones und sein nach neuen Ansätzen für Bugs-Cartoons bloß nicht auf die Idee kommen sollten, was mit Stierkämpfen zu machen. Diese empfand Selzer als alles andere, als witzig. Und schon war Jones und seinen Leuten klar, was sie ins Auge fassen mussten. Wenige Jahre zuvor betätigte sich zudem auch Droopy als Stierkämpfer. Dieser kleine thematische Trend lässt sich womöglich damit erklären, dass Ende der 40er bis in die späten 50er hinein dieser Sport vermehrte Aufmerksamkeit erhielt. In Spanien kam es zum medienstarken Wettlauf zweier Stierkampf-Stars um mehr Ruhm und einige mexikanische Stierkämpfer erlangten durch Filmrollen auch in den USA große Popularität, und diese zwischenzeitliche Anerkennung des Stierkampfs dürfte wohl auch den Wertungsunterschied zwischen For Whom The Bulls Toil und Ferdinand the Bull geprägt haben.
Hinter den Kulissen erwies sich For Whom The Bulls Toil derweil als erste Bewährungsprobe des Hintergrundmalers Eyvind Earle. Der gebürtige New Yorker machte durch seine experimentell-modernen, verwinkelten Hintergründe für diesen Cartoon auf sich aufmerksam und durfte seinen bereits hier erkennbaren Stil bald darauf noch stärker in den Cinemascope-Cartoon Toot, Whistle, Plunk and Boom, den Donald-Duck-3D-Film Working for Peanuts, den stilisierten Kurzfilm Pigs Is Pigs oder auch den speziell auf Cinemascope ausgelegten Donald-Spaß Grand Canyonscope einbringen. Nicht zuletzt meißelte er mit seiner Designarbeit für Dornröschen seinen Namen in die Disney-Historie ein.
Der moderne Look eines Eyvind Earle, aber auch die stark limitierte Stilistik der Disney immer gefährlicher werdenden UPA Studios, sollte letztlich auch zum größten Erkennungsmerkmal von Goofys zweitem für den Oscar nominierten Cartoon werden. Aber dazu nächstes Mal mehr ...
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