Disney Dreams!, das beeindruckende, zauberhafte Finale eines Tags im Disneyland Paris (Foto: Dlp.info)
Die moderne Projektionstechnologie hat das Nighttime-Entertainment der Disney-Themenparks auf ein neues Niveau gehoben. Und die Imagineers arbeiten mit beeindruckendem Eifer daran, die sich erbietenden Möglichkeiten voll auszuloten. Nachdem World of Color nahezu im Alleingang Disney California Adventure von seinem Versagerstatus befreite, Millionen Besucher aus der gesamten Welt in seinen Bann zog und übers Internet auch jene berührt, die keine Gelegenheit haben, nach Anaheim zu reisen, sollte Disney Dreams! dem Pariser Disneyland zu seinem 20-jährigen Jubiläum ein ihm gebührendes, neues Highlight spendieren.
Die Vorabberichterstattung auf
einschlägigen Fanseiten suchte ihresgleichen, die offizielle
Premiere wurde im Web und französischen Fernsehen übertragen und
die Besucherumfragen sprechen von der höchsten Gastzufriedenheit in
der Geschichte des europäischen Disney-Königreichs. Ein massiver
Erwartungsdruck, der da auf der über 20 Minuten dauernden Laser-,
Wasser- und Feuerwerksshow lastete, als ich sie mir Ende August zum
ersten Mal live im Park ansah. Und dies praktisch ungespoilert –
weil ich mich überraschen lassen wollte, mied ich jegliche
Informationen zum Inhalt von Disney Dreams!, über
den Ablauf wurde mir vorher lediglich das Vorkommen eines einzelnen
Films verraten, weiteren Details konnte ich erfolgreich ausweichen.
Um nicht länger um den entscheidenden
Punkt herum zu tänzeln: Meiner Meinung nach wird Disney
Dreams! sämtlichen Versprechungen gerecht, es ist ein
atemberaubender, energiereicher und berührender Traum aus der
wundervollen Disney-Welt und jeder, der die Möglichkeit hat, sich
live von ihm verzaubern zu lassen, sollte dies unbedingt tun.
Dass Disney Dreams!
so zu begeistern weiß, liegt nicht nur an der nahezu perfekten
Technik und der ausgeklügelten Verknüpfung von Lasereffekten,
Wasserorgeln, ultrahochauflösender sowie millimetergenauen
Projektionen und wunderschönem Feuerwerk, sondern auch an der Musik-
und Filmauswahl. Disney Dreams! erfüllt all das,
was man sich von einem Disney-Nachtspektakel verspricht, geht dabei
allerdings nicht unentwegt die naheliegendsten Wege, wodurch sich
diese Show von vergleichbaren Spektakeln abhebt, überrascht und eine
eigene Identität entwickelt.
Wer ähnlich unvorbereitet wie ich
Disney Dreams! erleben möchte, sollte nun das
Lesen einstellen, denn nachfolgend werde ich auf die Geschichte und
die in der Show repräsentierten Lieder und Filme eingehen.
Zu Beginn dieses nächtlichen Zaubers
versprüht eine altbekannte, zierliche und kecke Fee Feenglanz über
das Dornröschen-Schloss, über welchem der „Second Star to the
Right“ aufgeht, welcher bekanntlich Träume wahr werden lassen
kann. Peter Pan wird aber durch die Macht des Sterns in ein
unerwartetes Abenteuer gestürzt: Als sich sein Schatten von ihm löst
und unversehens all den Feenglanz aus dem Stern entlässt, stolpert
der Junge, der niemals erwachsen werden möchte, durch diverse
Disney-Träumereien. Zunächst begegnet er Lumiere, der ihn zu einem
traumhaften Dinner einlädt, dann schwärmt ihm Remy von den
unendlichen Möglichkeiten in Paris vor – einer Stadt, die auch
Quasimodos Traum von Freiheit beherrscht. In weiteren Sequenzen tanzt
Peter Pans Schatten auch zusammen mit King Louie, der so gerne ein
Mensch wäre, und dem ausgelassenen Dschinni und den
Schornsteinfeger-Kumpels von Bert, ehe er vom zärtlichen Gesang
Rapunzels und Flynns vom Traum der Liebe hört. Aber als Schatten hat
man es nicht leicht, erst recht nicht, wenn so viel Magie im Spiel
ist – auch Doktor Facilier läuft frei herum und beschwört seine
Freunde aus dem Schattenreich ...
Wie erwähnt, lässt Disney
Dreams! zahlreiche Offensichtlichkeiten links liegen und
nimmt sich eigensinnigere Entscheidungen heraus. Während Alan
Menkens Showstopper Sei hier Gast aus Die
Schöne und das Biest zu den großen
Uptempo-Disneyklassikern gehört, ist bereits Nur ein
kleiner Freundschaftsdienst unter den losgelösten
Disney-Nummern eher als Fanfavorit zu betrachten. Die obligatorische
Dosis Disney-Romantik versprüht in dieser Show keiner der großen
Liebesballadenklassiker aus der Disney-Renaissance, sondern
Endlich sehe ich das Licht aus Rapunzel
- und den schurkisch-feurigen Pepp, auf den keine großartige
Disney-Nachtunterhaltung verzichten mag, liefert weder Arme
Seelen in Not, noch Seid bereit oder gar
Das Feuer der Hölle, sondern Dr. Facilier mit
Freunde aus dem Schattenreich. Angesichts der
Handlung rund um Peter Pans Schatten eine inhaltlich vorzügliche
Wahl, aber es bleibt eine unerwartete und ungewöhnliche, ist Küss
den Frosch doch der Einzug in die vorderen Ränge des
Disney-Kanons verwehrt geblieben. Disney Dreams!
ist aber keine Underdog-Show, die unterschätzte Lieder und Filme mit
etwas zusätzlichem Respekt bedenken möchte, sondern nimmt die
Segmente, die ins Gesamtkonzept passen und visuell wie akustisch am
meisten versprechen. Dass der große „Ich will“-Song der Show von
Quasimodo in die Welt hinausgesungen wird, ermöglicht es, das
Dornröschen-Schloss für wenige Minuten in eine malerische Kopie
Notre-Dames zu verwanden. Und so ganz nebenher bekommen die Besucher
des Disneyland Paris eine Gänsehaut erzeugende Powerballade zu
hören, die sie nicht in zig anderen Disney-Shows vorgesetzt bekamen
und so zwar bekannt, dennoch aber auch unverbraucht wirkt.
Disney Dreams!-Premerie, gefilmt von DLRP Magic
Die Suche nach meinem Lieblingssegment
fällt mir ungeheuerlich schwer. Bei Rapunzel bin
ich während meines Disneyland-Besuches ein ums andere Mal
dahingeschmolzen, da nicht nur der Song richtig stark ist (für mich
eine der besten Disney-Balladen überhaupt), sondern auch die
Projektionen auf das Schloss in ihrer unnachahmlich disneyhaften
Mischung aus zuckrigem Kitsch und zarter Poesie berührend sind. Aber
auch Quasimodos Wunsch, einmal unter Menschen zu sein, ist eine
kraftvolle Vereinigung eines unterschätzten Disney-Liedes und
gestochen scharfen, milimetergenauen Projektionen. Das Schloss
verschwindet förmlich hinter der Notre-Dame-Projektion und Quasimodo
klettert behände auf diesem umgeformten Schloss herum. Da der
Dschinni das Schloss mal eben zu einer Las-Vegas-Leuchtreklame
umfunktioniert, ist sein Segment aber ebenfalls großartig – ich
liebe den Song und der heftige, knallige Feuerwerkeinsatz während
dieser Szene lässt sie ebenfalls um meinen Favoritentitel kämpfen.
Optisch austauschbar und auch thematisch eher verzichtbar ist
hingegen Step in Time - welch Zufall, dass diese
Szene von den Entertainment-Künstlern hinter Disney
Dreams auch als jene benannt wurde, die man bei Bedarf
saisonal ersetzen könnte.
Doch wie schneidet Disney
Dreams! im Vergleich zur kalifornischen Disneysensation
World of Color ab? Um fair zu sein: Ich habe diese
nicht live erlebt, weshalb die Gegenüberstellung etwas ungleich ist.
Dennoch: Da ich so schnell nicht in den Genuss kommen werde, diese
Show live zu sehen, habe ich die (semi-)professionellen Aufnahmen
dieser magischen Abendunterhaltung geradezu verschlungen. Und, sofern
der Urheber der Aufnahme nicht völlig dilettantische Arbeit
geleistet hat, so kann das Aushängeschild des zweiten kalifornischen
Disney-Parks auch „aus der Konserve“ mit seinen farbenfrohen
Bildern und der wunderschönen Musik begeistern. Möchte ich es
allerdings mit Disney Dreams! vergleichen, so
komme ich nicht umhin, einige Kleinigkeiten aufzuzählen, die mich an
diesem Wasser- und Lichtspektakel stören. Ich will die Show
keineswegs kleinreden, es ist ein Prunkstück der
Disney-Parkentertainment-Geschichte, doch wenn man zwei Spitzenwerke
gegeneinander antreten lässt, lässt sich Haarspalterei kaum
vermeiden.
World of Color in Disney California Adventure (Foto: Disney-Wiki-User Hey1234)
So ist die Pariser Show ein Paradebeispiel dafür, wie sich die europäische Vielsprachigkeit und die dadurch entstehende Sprachhürde bei einem europäischen Park zu einem künstlerischen Vorteil wandeln kann: Um das aus zahlreichen Ländern zusammengewürfelte Publikum möglichst einheitlich anzusprechen, beschränkten die Imagineers die Dialogszenen auf ein absolutes Minimum, hauptsächlich besteht Disney Dreams! aus den aussagekräftigen Songs des riesigen Disney-Portfolios. World of Color ist dagegen äußerst redsam, was in einer Gegenüberstellung mit
Ursprünglich sollte eine kleine,
orangefarbene Wasserfontäne namens Little Squirt die Zuschauer bei
ihrer Reise durch die Disney-Welt begleiten, doch in seiner
endgültigen Form ist das kalifornische Nachtspektakel nichts
weiteres als eine (überwältigende, kunstvolle) Ansammlung von
Disney-Momenten, ein rein assoziatives Medley. Dass dieses nun immer
wieder durch Dialogmomente unterbrochen wird, ist meiner Ansicht nach
unfassbar schade, erst recht, da es sich dabei um ein wahlloses
Durcheinander aus Lieblingszitaten der repräsentierten Filme
handelt. Würden die gewählten Sequenzen einen Story-Überbau
erschaffen oder die emotionale Thematik der sie umgebenen Musikstücke
stützen, wäre das noch zu verzeihen. Aber wenn zum Beispiel das
großartige, rhythmische Medley aus Unter dem Meer
und Thomas Newmans Findet Nemo-Score durch
Geplapper von Crush und seinem Sohn unterbrochen wird und danach der
Beginn der Wal-Szene aus dem Oscar-prämierten Fischfilm jeglichen
Drive aus der Show nimmt, ist das einer dieser künstlerischen
Schnitzer, die dieser großartigen Show in meinen Augen die
Möglichkeit rauben, Perfektion zu erreichen. Zumal man stattdessen
ganz rasch vom Unterwassermedley zum poetischen Pinien von
Rom-Segment überleiten könnte, was den traumhaften
Charakter von World of Color ausbauen würde.
Selbiges gilt etwa auch für die Toy
Story-Sequenz, die sich dank Buzz Lightyear und seinem
Erzfeind Zurg zu einer stylischen Laser-Einlage wandelt, zuvor aber
meint, in aller Ausführlichkeit den „Buzz, du bist ein Spielzeug,
du kannst nicht fliegen“-Streit zwischen dem Space Ranger und Woody
rezitieren zu müssen. Auch das ultrakurze, und dadurch etwas
zwanghaft eingefügt wirkende, aber dank Musik und Bildern schöne
Oben-Segment, kommt nicht ohne Rezitation eines
beliebten Filmsatzes aus – doch so knuffig ich Dug und seine
Liebeserklärung an Carl finden mag, sie schwächt den Zauber der
instrumentalen Musik und passt thematisch selbst beim besten Willen
nicht zwischen zwei Stücke mit Flug-Thematik.
Uneinig bin ich mir mit dem kleinen
Gastauftritt der Raupe Gustl aus Das große Krabbeln:
Nach dem imposanten Farbenspiel des Winds fliegt
ein Stück Laub näher auf die imaginäre Kamera zu. Auf diesem Blatt
befindet sich Gustl, der mit seinem lustigen Akzent anmerkt, dass das
Publikum von da oben aus so klein wie Ameisen aussieht. Es beginnt zu
Regnen und Gustl mutmaßt erst, dass ein kleiner Regenschauer
beginnt, doch das Unwetter wird heftiger. „Uhhh … BIG rain!“ -
er wird weggewischt und verabschiedet sich, woraufhin eine
verspielte, liebevolle Sequenz beginnt, die The Old Mill
und der Regenszene aus Bambi Tribut zollt. Gustls
Kommentar ist wenigstens witzig und, im Gegensatz zu den restlichen
Dialogmomenten, neu, jedoch wäre der Übergang von Pocahontas
zum immer heftiger werdenden Regenschauer genauso gut sprachlos
möglich, was ihn vom Niveau einer Disney-Spaßshow lösen würde.
Nach Gustls Abgang gelingt dies World of Color
tatsächlich: Sind die ersten zwei Drittel durch die Kombination aus
Farbe, Licht, Musik, Disney-Erinnerungen und der malerischen
Wasserorgel-Choreographie faszinierend, bleiben sie schlussendlich
nichts anderes, als künstlerisch wertvoll glorifizierte
Disney-Schnipsel in nahezu kopfloser Reihenfolge. Ab einschließlich
The Old Mill ist die Abfolge der Segmente mit
einer stärkeren assoziativen Logik versehen und World of
Color steigt zu Disneys eigenem, kleinen, selbstfeiernden
Fantasia auf, nur mit Lasern, Projektionen und
Wasserfontänen statt einer Kinoleinwand.
Die Originalversion von World of Color, gefilmt von Sharp Productions
Das finale Drittel ist ein einziger,
großer Gänsehautmoment, und während Nur ein kleiner
Freundschaftsdienst dank des originellen Einsatz des
Dornröschen-Schloss in Disney Dreams! deutlich
denkwürdiger ist als auf der Wasserleinwand von World of
Color, kann der kalifornische Publikumsrenner in diesem
Drittel tatsächlich das Pariser Jubiläumsgeschenk schlagen: Gegen
den gewaltigen Schurken-Part von World of Color
mit seiner teuflischen Farbwelt und der nahezu apokalyptischen Musik
kommt Disney Dreams! mit seinem Steampunk-Schloss
und dem eiligen Bösewichttreffen zwischen Hook, Ursula und Malefiz
nicht heran.
Sowohl für Disney Dreams
als auch für World of Color gilt wiederum
gleichermaßen, dass sie technisch den höchsten Standards
entsprechen. Das Timing zwischen visuellen und akustischen Reizen,
die Klarheit und minutiöse Genauigkeit der Projektionen und im Falle
von Disney Dreams! auch die Abstimmung zwischen
Laser, Feuerwerk und den restlichen Effekten ist erstaunlich. Die
Pariser Show hat mit ihrem Schauplatz – dem Dornröschenschloss –
das theoretisch schlechtere Los getroffen. Es ist unförmig und
begrenzt, während die Wasserfontänen auf dem künstlichen See in
Kalifornien eine große Leinwand bieten. Aber die Imagineers haben
ihrer Fantasie freien Lauf gelassen und aus ihrem Nachteil einen
Vorteil geschaffen – das Schloss in Dschungeltempel, Radwerke und
den Notre Dame zu verwandeln (oder eine täuschend echte Kopie seiner
selbst, die für eine finale Pointe da ist) ist dann doch
beeindruckender als die im Raum schwebende Filmclipansammlung auf der
Wasserorgel. Da wünscht man sich glatt, wieder ein naives Kind zu
sein, das wirklich glauben könnte, dass sich das Dornröschen-Schloss
so leicht verformen lässt. Gewitzt finde ich auch, wie Disney Dreams! seinem französischen Publikum die Hand reicht: Ist die Auswahl, welche Lieder auf Englisch oder Französisch zu hören sind, oftmals nicht nachzuvollziehen, werden in diesem Fall Einmal und Sei hier Gast in der Sprache der Pariser Gastgeber gesungen, also die Lieder, die von französischen Figuren stammen. Welch glücklicher Zufall, dass Einmal obendrein in der französischen Synchro sowieso viel emotionaler und schöner klingt.
Um ein Fazit zu ziehen: Beide Shows
sind meisterlich und sollten von jedem gesehen werden, der auch nur
irgendwas für Disney übrig hat. Doch im direkten Vergleich gebe
ich, als Kalifornienbesuch-Jungfrau, Disney Dreams!
ohne zu zögern den Vorrang. World of Color ist
als Vereinigung von Bildern, Musik und Wasserorgeln
Disney-Megalomanie at it's best, um als Traum mit offenen Augen
durchzugehen ist es jedoch zu geschwätzig und die ersten zwei
Drittel der Originalshow (auf die Abwandlungen werde ich an anderer
Stelle ein paar Worte verlieren) mischen die verarbeiteten
Disney-Filmszenen recht beliebig durcheinander. Disney
Dreams! könnte man mit sehr viel bösem Willen vorwerfen,
kalkuliert gegen den Strich gebürstet zu sein und einige der
ikonischsten Disney-Bilder bewusst auszulassen. Tatsächlich aber
wird so nur die Einmaligkeit der Show gestärkt, die mit ihrer
straffen Pseudostory Längen vermeidet und einen magischen Rahmen für
das bunte, musikalische Disney-Treiben schafft. Es fehlt der von
anderen Disney-Prunkshows gewohnte Punch in der Schurkensequenz,
dafür ist der Rest umso traumhafter.
Ist World of Color
eine magische Disney-Show, wie sie sich kaum jemand erträumen
könnte, ist Disney Dreams! ein showgewordener
Traum, wie ihn sich selbst der größte Disney-Liebhaber nicht
ausmalen könnte.
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