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Dienstag, 14. August 2012
The Rum Diary
Dass der (mit mächtiger Fahne) autobiographisch angehauchte Roman The Rum Diary von Hunter S. Thompson eines Tages mit Johnny Depp in der Hauptrolle verfilmt wird, war im Grunde meilenweit vorherzusehen. Depp war nicht nur ein enger Freund des Gonzo-Journalisten, sondern stellte bereits in Fear and Loathing in Las Vegas mit denkwürdiger Energie ein anderes, dünn getarntes Alter Ego Thompsons dar. Nach jahrelangem Darsteller-Hickhack und wechselnden Produktionsfirmen nahm sich 2009 dann Depps Produktionsstudio Infinitum Nihil dem Projekt an und startete bereits im März des selben Jahres mit den Dreharbeiten. Daraufhin tat sich die Verfilmung jedoch äußerst schwer damit, einen Verleih zu finden. Vielleicht ist es wohl keine gute Idee, Amber Heard in einer größeren Rolle zu besetzen, die Dame hat ja eine gewisse Historie mit mühevoll in die Kinos zu hievenden Filmen. Oder lag es an der Qualität des Films?
Der sich von Job zu Job hangelnde Journalist Paul Kemp (Johnny Depp) nimmt im Jahr 1959 Kurs auf San Juan, Puerto Rico, wo ihn ein Schmierenblatt mit einem gut bezahlten Angebot und der sonnigen Aussicht Mittelamerikas lockt. Der Lebemann täuscht seinem neuen Chef vor, ein Spießer zu sein, und tief in ihm glüht auch ein Funke des Arbeitswillen, des Vorhabens, die runtergkommene Zeitung aufzupolieren. Doch lange dauert es nicht, bis Kemp den Versuchungen Puerto Ricos erliegt: Hochprozentiger Rum, verrauchte Clubs, sonnige Strände, hochprozentiger Rum, skurrile Arbeitskollegen (Giovanni Ribsi & Michael Rispoli), hochprozentiger Rum und atemberaubende Grazien, vornehmlich in Gestalt der sinnlichen Chenault (Amber Heard). Letztere ist jedoch mit dem schneidigen Baulöwen Sanderson (Aaron Eckhart) verbändelt, welcher Kemp für seine neusten Unternehmungen als Pressesprecher gewinnen möchte, weshalb er ihn mit allerlei Luxus zu bestechen versucht. Und so streunert Kemp ziellos zwischen seinen Engagement für eine drittklassige Zeitung, politischen Machtdeals, seinen romantisch verkleideten Trieben, Sauflust und dem Drang nach absurden Abenteuern in Puerto Rico ...
Vielleicht ist die Handlung von The Rum Diary, eine unter allerlei spröden Beinaheskurrilitäten versteckte Coming-of-Responsibility-Story über einen sich in Ablenkungen verlierenden, jedoch talentierten Journalisten, schlichtweg nicht so aufregend wie der Drogentrip Fear and Loathing in Las Vegas. Womöglich ist der nach Jennifer 8 vom Regiestuhl verschwundene Bruce Robinson kein derartig fantasievoller Filmemacher wie Terry Gilliam. Womöglich schaukelten sich beide Aspekte gegenseitig hoch. Ganz gleich, wo die Probleme von The Rum Diary angefangen haben, sie bremsen im fertigen Film gewaltig das Sehvergnügen.
Zunächst einmal passiert in The Rum Diary nicht viel: Ein US-Journalist kommt nach Puerto Rico, nimmt sich vor, das Leben zu genießen, nein, lieber hart zu arbeiten, nein, doch lieber sich treiben zu lassen ... Unterhält sich mit schrägen, nicht aber denkwürdigen Typen, führt von jeder Sinnlichkeit befreite Gespräche mit dem Objekt seiner erotischen Begierde, säuft, gerät urplötzlich zwischen die Fronten, unterhält sich noch ein wenig mehr und dann holpert einem das Ende entgegen.Viel Film um wenig Handlung kann selbstredend sehr gut funktionieren, wenn die Figuren aufregend oder die Dialoge denkwürdig sind. Jedoch ist dies nicht gegeben: Depps Paul Kemp ist unter all den ihn umgebenen Spinnern mit seinem Genuss am starken Tropfen bei weitem der spießigste Geselle in The Rum Diary, und nach Jahren des Rumtorkeln als Jack Sparrow und der tragisch-verrückten Tim-Burton-Rollen scheint Depp das Normalsein vor der Kamera langsam verlernt zu haben. Es ist nicht ganz so drastisch wie in Florian Henckel von Donnersmarcks legendärem Kritikergift, aber Paul Kemp könnte tatsächlich ein Bruder im Geiste von Depps Figur aus The Tourist sein. Der Oscar-nominierte Frauenschwarm sieht hier zwar jünger aus (entweder tat ihm die Bräune gut, oder es liegt daran, dass die Dreharbeiten zu The Rum Diary so weit zurückliegen), kommt mimisch aber kaum aus den engen Grenzen der Verwechslungskomödie heraus.
Die restliche Chaosriege ist zwar verschroben, kann dies aber kaum ausleben, ebenso wie Amber Heard zwar in aufreizend-stilvolle Kleidung gesteckt wurde, sich aber kaum von ihrer verführerischen Seite zeigt, da das Drehbuch sie in viel zu viele langwierige Situationen steckt, die trocken inszeniert sind. Wenn sie mal etwas freigeistig auftritt, kippt sie durch den Aufbau der Szene zu schnell ins reine Zickenhafte. Aus darstellerischer Sicht kann deswegen einzig Aaron Eckhart wirklich überzeugen: Mit einvernehmenden Selbstbewusstsein und seine Schmierigkeit aufbrechender Jovialität wickelt er Kemp und den Zuschauer um den Finger. Zu schade nur, dass sein mieser Plan so routiniert und gelangweilt abgespult wird, dass er als Antagonist dennoch eine blasse Figur macht.
Von wenigen Slapstickmomenten (etwa zwei wilden Autojagden) und sehr, sehr wenigen Dialogspären abgesehen schleppt sich The Rum Diary so vom "Fear and Loathing light"-Anfang mit seinem unverantwortlichen Journalistenhelden hin zu einem bemüht inspirierend wirken wollenden Ende, dessen Charakterentwicklung aber im Alkoholdunst der über 100 Filmminuten verschollen bleibt.
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