Vier Jahre sind vergangen, seit
The Dark Knight die Kinowelt in Aufruhr versetzte. Ein intelligent geschriebener, komplex gesponnener Action-Thriller mit tiefschürfenden Darbietungen, basierend auf den Batman-Comics, eroberte nicht nur im Sturm die Herzen der Kino-Kritiker, sondern katapultierte sich in die oberen Ränge der Hitliste, die für die erfolgreichsten Filme aller Zeiten reserviert ist. Christopher Nolan übertraf die Erwartungen vieler, die nach seinem bereits hoch respektierten
Batman Begins gebannt waren, wie er seine psychologisch-dramatische Interpretation des Rächers und dunklen Ritters weiterführen wird, schürte so aber auch sofort wieder Anspannung. Kann die Batman-Reihe ohne Heath Ledger und seine alles überschattende Darstellung des Jokers angemessen fortgeführt werden? Wie kann die Fortsetzung von
The Dark Knight die so hoch angesetzte Messlatte noch nehmen und die Saga konsequent auf eine höhere Ebene führen, ohne zur reinen Materialschlacht zu verkommen?
Noch während
The Dark Knight seinen Siegeszug vollführte, der unter anderem acht Oscar-Nominierungen (darunter zwei Siege, einmal für den Tonschnitt und einen Nebendarsteller-Oscar für Ledger) sowie kurzzeitig Platz 1 in der ewigen Bestenliste der IMDb beinhaltete, überschlugen sich die Spekulationen. Früh schien sich die Internet-Fangemeinde einig, dass Catwoman und der Riddler Teil eines weiteren Bat-Abenteuers sein müssen. Doch wäre ein Verrückter, der gerne Rätsel aufgibt, nicht zu nah am Joker? Und Catwoman könnte für Nolan gewiss zu kitschig sein ... Überhaupt – wie düster wird wohl die Fortführung von
Batman Begins und
The Dark Knight? Der Regisseur und Autor, der zwei Jahre nach seinem Milliarden-Dollar-Kassenerfolg mit
Inception eine melancholische, vergrämte Liebesgeschichte im Gewand eines Science-Fiction-Action-Kriminalthrillers erzählte, betonte dereinst
in einem Interview, optimistische Filme zu drehen. Wenn jedoch der Mann, der einen Superheldenfilm erschafft, in dem die Hauptfigur lernen muss, dass sie Soziopathen erst dazu inspirierte, massive Verbrechen zu begehen, und dass sie deswegen den schmerzvollen Lebensweg eines Gejagten einnehmen muss, sein eigenes Werk als "optimistisch" betrachtet – so darf der spekulierende Filmfreund über diese Sichtweise sicherlich zynisch lächeln und sich ein ganz besonders "optimistisches" Finale der Saga ausmalen.
Die Zeit der Spekulationen hat nunmher ein Ende gefunden, denn Christopher Nolans Interpretation Batmans kommt für ein drittes und letztes Mal ins Kino. Mit der Rückkehr des dunklen Ritters in Fledermausmaske und Cape erfährt das geneigte Kinopublikum auch die Rückkehr diverser Stilmittel, welche für Christopher Nolan typisch sind, in
The Dark Knight allerdings nur in subtilerer Form aufkamen oder sogar gänzlich fehlten. Das Finale dieser Batman-Trilogie lässt die Handschrift ihres Schöpfers deutlicher erkennen, wodurch es sich
Batman Begins annähert und als konsequenter Kreisschluss dient. Schilderte
The Dark Knight unvermittelt den einschneidenden Wendepunkt in Batmans Werdegang, bildete ein großes Ereignis ab, umfassen
Batman Begins und
The Dark Knight Rises komplexere Prozesse – nämlich jene, die zum Anfang und zum Ende dieser Batman-Saga führen. Was in der Zwischenzeit geschah, soll dem Zuschauer zwar durchaus interessant vorkommen, ist für Christopher Nolan allerdings nicht von größerem Belang, so dass er die Übergänge zwischen Anfangsphase, Wendepunkt und Schlussphase seiner Trilogie bewusst in einem Schleier der Mystik verhüllt. Insbesondere im ersten Akt von
The Dark Knight Rises werden Fragen aufgeworfen, wohlweislich inhaltliche Lücken gelassen und Geheimnisse gestreut.
Seit Commissioner Gordon die Jagd auf Batman eröffnen musste, damit dieser sich als der Schuldige hinter den Taten des durch den Joker in den Wahnsinn getriebenen Harvey Dent inszenieren konnte, ist vieles in Gotham geschehen; das meiste davon reißen die für das Drehbuch verantwortlichen Brüder Jonathan & Christopher Nolan allerdings bloß an. Neue Bekanntschaften wurden geschlossen, Bindungen wurden gekappt, einige der Figuren veränderten ihre Position in der Welt – oder gar die Position, die sie der Welt gegenüber einnehmen. So ist unter anderem nicht nur Batman, zu Beginn von
The Dark Knight noch ein Vorbild vieler Einwohner Gothams, zu einer finsteren Persönlichkeit verkommen, es färbte auch auf Bruce Wayne ab, den wir in
The Dark Knight Rises anfangs ohne nähergehende Erläuterungen als zurückgezogenen, verbitterten Mann vorfinden. Die zahlreichen offenen Stellen in Nolans Batman-Mythos machen es möglich, ihn überhaupt als solchen aufzufassen, obwohl er so firm in einer realistischen Welt verankert ist. Die vielen, nie aber zentralen Rätsel dienen der Weltenbildung, geben das Gefühl, dass mehr als das bloße Erzählte hinter der Geschichte steckt. Somit ist es auch ein spannungsförderndes Stilmittel, es soll das Publikum an den Rand des Kinosessels ziehen, gebannt, ein sichereres Gefühl für die Figuren, Hintergründe und Ereignisse zu entwickeln. Zugleich riskiert Nolan somit, seine Zuschauer von der Handlung zu distanzieren. Erst recht, nachdem er sie in
The Dark Knight unmittelbar an Batmans Kampf gegen den ein perfides Spiel treibenden Joker teilhaben ließ, kann sein Einstieg in
The Dark Knight Rises etwas entfremdendes an sich haben, da es sich nun um eine gänzlich andere Form von Spannungsbildung handelt.
Selbstredend arbeitet selbst ein Christopher Nolan, welcher weder über eine E-Mail-Adresse noch über ein Handy verfügt, nicht in einem künstlerischen Vakuum. Zu den beliebtesten Momenten von
The Dark Knight gehört die ausführliche Introsequenz, die im überwältigenden IMAX-Format einen vom Joker geplanten, genialen Banküberfall schildert und so das unberechenbare Handeln dieses Schurken sowie seinen makaberen Humor vorführt. Während die Erzählstruktur, die Bildästhetik und die Grundstimmung eher an
Batman Begins angelehnt sind, gehört der Versuch, diesem denkwürdigen Einstieg nachzueifern, zu den von
The Dark Knight beeinflussten Sequenzen des großen Endkapitels der Batmansaga. Obwohl Banes großer Auftritt durchaus Parallelen zur Introsequenz von
The Dark Knight aufweist, und selbstredend wieder im IMAX-Format gedreht wurde, macht Nolan dennoch unmissverständlich deutlich, dass Batman nun nicht einfach bloß einem Joker-Abklatsch die Stirn bieten muss. Bane beweist bereits in wenigen Minuten, dass er in größeren Maßstäben denkt, bei vergleichbarer Ruchlosigkeit kontrollierter handelt und dass mit ihm weitaus weniger zu spaßen ist. Zudem ist er körperlich um ein Vielfaches stärker, wodurch er Batman sowohl im Zweikampf als auch im Planungsvermögen ebenbürtig ist.
Paradoxerweise schlägt Bane den Joker sogar in seinem eigenen Fachbereich: Bane agiert geordneter, ist ein fokussierterer Wahnsinniger, doch gerade dadurch behauptet er sich in
The Dark Knight Rises als der effektivere Anarchist. Denn wie ungebührend wäre ein Ende der Batman-Legende, in dem es um bloße monetäre Dinge geht? Nein, auch Bane verfolgt eine Agenda völlig eigener Ideale – wenngleich diese für ihn, im Gegensatz zum Joker, keinen perfiden Spaß darstellt. Das macht ihn werkimmanent betrachtet zum gefährlicheren Widersacher für Batman, aus der Publikumssicht kommt Bane derweil nicht ganz an den Psychopaten mit der Clownsschminke heran, weil in ihm kein so großer Funken der manisch-kindlichen Begeisterung brennt. Was keineswegs bedeuten soll, dass Bane ein langweiliger Antagonist ist. Skript, Inszenierung und Darstellung verleihen ihm bedeutsam mehr Profil als den Schurken aus
Batman Begins, und selbst wenn hinter der Maske Banes nur wenig von Tom Hardys Gesicht zu erkennen ist, verraten bereits seine in der Rolle versunkenen Augen, dass der
Inception-Star mit großer Passion dabei ist. Er nimmt diesen in sein Vorhaben vernarrten, intelligenten Koloss von Mann und gibt ihm selbstdarstellerische Züge, durch welche Banes brachialsten und wortgewaltigsten Szenen gleichfalls bedrückend wie faszinierend wirken. Mit einem heiteren Singsang in der düsteren Stimme hält Bane vernichtende Monologe, während er mit dem Körper eines Kampfgiganten den Gestus eines entspannten Showmasters einnimmt.
Die Brillanz des Jokers erreicht diese komplexe Performance nicht, auch das Drehbuch deutet zwar einvernehmende Tiefen für Bane an, kann aber die Geniestreiche aus
The Dark Knight nicht gänzlich erreichen. Dennoch hat Bane eine derart für sich gewinnende, abscheuliche Ausstrahlung, weswegen es enttäuscht, dass es nicht zu mehr Interaktion zwischen ihm und Batman kommt und Tom Hardy nicht wenigstens noch eine ausschweifende, auf ihn konzentrierte Sequenz erhielt, um Bane mit noch größerer Gewalt in die Erinnerung des Zuschauers zu prügeln.
Die etwas geringere Präsenz Banes gegenüber dem Joker ermöglicht es aber, Batman wieder etwas stärker ins Zentrum zu rücken. Erneut weist Nolan seinem Helden nicht die prominente Position zu, die er in
Batman Begins einnahm, allerdings lässt sich nunmehr mit Sicherheit sagen, dass dies Methode hat. Einzig das Anfangskapitel der Trilogie trägt Batman explizit im Titel, die Fortsetzungen dagegen nennen ihn (ehr)fürchtig bei seiner inoffiziellen Bezeichnung – es steht sinnbildlich dafür, dass Batman in diesen Filmen als Symbol eine gesteigerte Bedeutung hat, was Nolan auch auf die Narrative überträgt. Dennoch wird Batman somit nicht zum Nebendarsteller im Finale seines eigenen Filmmythos degradiert. Christian Bale stellt sowohl Bruce Wayne als auch sein Alter Ego überzeugend in verschiedensten Facetten dar, er skizziert wohl das komplexeste Bild dieser Figur, die es im Kino bislang zu bewundern galt: Verbittert, moralisch gebrochen, seinen Einsatz als Held wieder genießend, von Wut getrieben und verzweifelt-verbissen – für Batman steht in
The Dark Knight Rises eine emotionale Tour de Force bevor. Dass diese nachvollziehbar und glaubwürdig erscheint, ist vor allem Bales nuanciertem, zwischen diesen so weit voneinander liegenden Gefühlsregungen plausible Brücken bauendem Spiel zu verdanken, denn Nolans Erzählung bemüht sich vorrangig um die Vermittlung ihrer thematischen Kernthesen, so dass Batmans innere Reise auf ihre Eckpfeiler reduziert wird. Die Übergangsphase deutet das Drehbuch oftmals nur an, weshalb die emotionalen Entwicklungen nicht durchwegs Schritt für Schritt erklärt werden – unglaubwürdig werden sie dadurch nicht, jedoch gleichen sie eher schnellen, dramaturgischen Pinselstrichen. Nolan legt größeren Wert, dass die Beschlüsse Batmans überzeugen und trotzdem erstaunlichen Effekt haben, nicht, dass der Zuschauer auf jede einzeln Entscheidung die Antwort darauf parat hat, weshalb der Ritter der Nacht diese Wege einschlägt.
Es wird einige Fans sicherlich freuen, dass Batman, obwohl
The Dark Knight Rises einen noch ernsteren Ton anschlägt, verbal wieder schlagfertiger geworden ist. Insbesondere gegenüber Catwoman kann sich der grimme Held diverse verschmitzte Wortspielereien nicht verkneifen. Es ist wohl ein künstlerisches Naturgesetz, dass Batman in der Nähe der katzenhaften Meisterdiebin seinen Humor wiederfindet, und diese Grundregel schadet
The Dark Knight Rises keineswegs, da die kurzen Phasen pointierter Dialoge stets behutsam in die dramatische Handlung eingestreut sind.
Aufgrund der vielen Catwoman-Fans führte die Ankündigung, Batmans bezirzende Widersacherin käme in
The Dark Knight Rises vor, vorab für einigen Jubel, zugleich herrschte jedoch unter einigen Kinogängern Sorge, Anne Hathaway könne bei weitem nicht an Michelle Pfeiffers Version aus
Batman Returns heranreichen. Tatsächlich aber macht Hathaway ihre Sache sehr gut und interpretiert die diebische Verführung ohne zu starken Einfluss aus vorhergegangenen Batman-Inkarnationen. Aufgrund der ihr recht wenig bemessenen Leinwandzeit verfügt Hathaways Catwoman-Performance jedoch nicht über die ikonische Ausstrahlungskraft des Ledger-Jokers, Aaron Eckharts Harvey Dent oder auch Tom Hardys Bane, und da sie klar als Nebenrolle und nicht als heimlicher Star angelegt ist, kann sie auch nicht mit der nachhaltigen Präsenz von Michelle Pfeiffer mithalten. Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass Hathaway die richtige Catwoman für
diesen Batman ist. Die ouverte Sexualität der im Lack-und-Leder-Fetisch gekleideten
Batman Returns-Katzenfrau (über die von Halle Berry gespielte Domina-Straßennutte hüllen wir den Mantel des Schweigens) tauscht die
Der Teufel trägt Prada-Hauptdarstellerin gegen eine subtilere, natürlichere Attraktivität ein, sie versprüht durch beiläufige Blicke und unaufgesetztes Selbstbewusstsein ihre verführerische Ausstrahlung. Die aufgeweckte Diebin stiehlt sich gekonnt, aber dennoch nur ausreichend erfolgreich durch Gotham, um in einer ihr nicht gerechten Welt überleben zu können. Somit repräsentiert sie jene, die in der schattenhaften Metropole zwischen Licht und Dunkelheit der Moral stehen. Während andere unpriviligierte Bürger Gothams das Gestz selbst in die Hand nehmen und es dermaßen verdrehen, dass sie zu einer Geißel der Ordnung werden, nimmt sie nur notgedrungen von den Überpriviligierten, um sich über Wasser zu halten. Denn für ein Leben auf der gesetzestreuen Seite ist es für sie bereits zu spät, längst hat sie ihre Hände zu schmutzig gemacht, um einer rechtmäßigen Tätigkeit nachzugehen.
Die weniger aufdringliche Sinnlichkeit Catwomans und die von ihr nie theatralisch angesprochene Unglücklichkeit hinter ihrem kessen Auftreten passen wundervoll in Nolans Filmuniversum und werden von Anne Hathaway mit ungezwungenem Charme rübergebracht. Trotzdem wird Christopher Nolan nur manche der Kritiker verstummen lassen können, die ihm vorwerfen, beim Erschaffen von Frauenrollen ein weniger fähiges Händchen zu haben als bei den Männerrollen. So galant Hathaways Selbstversorgerin in hochhakigen Schuhen auch zwischen Gut, Böse und Opportunismus tigern mag, zugleich ist sie das möglicherweise unverdienteste Opfer der gewollt unvollkommenen, narrativen Legendenbildung von
The Dark Knight Rises. Zwar sind die Facetten vorhanden, die für eine mehrschichtige Skizzierung dieser Figur notwendig sind, doch sie werden nicht ausreichend vertieft, um diese eigentlich sehr bodenständige Nebenrolle vollkommen greifbar zu machen. Die Inszenierung Catwomans als eine schwer durchschaubare, flüchtige Bekanntschaft Batmans mag reizvoll sein, aufgrund ihrer Position im Schickalsspiel von
The Dark Knight Rises hätte es sich allerdings angeboten, sie etwas ausgiebiger zu charakterisieren und somit als kleines Licht, das in große Ereignisse verstrickt wird, erzählerisch besser zu erden.
Auch weitere Nebenrollen werden eher flüchtig dargelegt, bei ihnen ergibt sich aber dank ihrer klareren Rolle dessen ungeachtet ein rundes Bild: Morgan Freeman begeistert erneut als freundliches, zum trockenen Witz aufgelegtes Technikgenie Lucius Fox und Gary Oldman bietet als gealterter Jim Gordon weiterhin die brüchige Klasse eines überforderten, von seiner Aufrichtigkeit dennoch weiter vorwärtsgetriebenen Polizeibeamten. Gordon trifft in
The Dark Knight Rises eine bedeutungsvolle Fehlentscheidung, die zwar unter Berücksichtigung seiner Charakterisierung in den Vorgängerfilmen für ihn naheliegend ist, da Nolan sich in diesem Film allerdings nicht die Zeit nimmt, die gutgläubige Seite Gordons erneut zu etablieren, dürfte diese Tat Gordons einige Zuschauer verärgern, da sie ohne frische Erinnerung an
The Dark Knight sehr konstruiert wirkt. Hier muss jeder bei der Bewertung der erzählerischen Stärke beschließen, ob es wichtiger ist, dass eine Trilogie am Stück besser funktioniert, oder ob ihre Einzelelemente primär alleinstehend aufgehen sollten.
Unterstützung erhält der in
The Dark Knight Rises nicht mehr sonderlich prominent (wenngleich bedeutsam) auftretende Jim Gordon durch den noch ungeschliffenen, ebenso idealistischen wie ungestümen Cop John Blake, gespielt von Joseph Gordon-Levitt. Gordon-Levitt gibt eine adäquate Leistung ab, er drängt sich nicht zu sehr in den Vordergrund, hinterlässt dennoch Eindruck. Ähnliches gilt für Marion Cotillard, die als Energieunternehmerin Miranda Tate zwar sympathisch spielt, jedoch vom Skript nur wenig herausgefordert wird. Manchen wird es stören, dass Alfred und Bruce Wayne sie wie eine alte Bekannte behandeln, ohne dass dem Publikum ihre Vorgeschichte über wenige Bruchstücke hinaus nahegelegt wird. Es stützt die schattenhafte, leicht zerfranste Erzählweise, die Nolan eingangs verwendet, um
The Dark Knight Rises mit Unklarheiten und atmosphärischer Spannung zu füllen, anders als bei Selina Kyle aka Catwoman schadet es der Figur der Miranda Tate aber nicht im Geringsten. Dessen ungeachtet kann es schnell als unsaubere Erzählweise aufgefasst werden, wenn man sich auf diese Narrative nicht völlig einzulassen vermag.
Zu guter Letzt muss hinsichtlich der Darsteller erwähnt werden, dass Michael Caine in
The Dark Knight Rises als Alfred noch gewitzter ist als in den Vorläuferfilmen. Darüber hinaus darf er den juxenden, väterlichen Butler aber auch von seiner fürsorglichsten und verletztlichsten Seite zeigen. In diesen Szenen wird wieder das ungeheuerliche Talent Caines deutlich, der in Nolans intellektueller, psychologischer Heldenstudie die rührendsten und menschlichsten Dialogzeilen aufgebracht spielen kann, ohne deplatziert zu wirken.
Nach der unweltlich-rotbraunen Bildästhetik von
Batman Begins und dem kühlen Blauschleier, in welchen sich
The Dark Knight hüllte, tritt
The Dark Knight Rises in einem verwaschenen/überbelichteten, gleißendem Weiß auf. Selbstredend ist es keine ästhetische Entscheidung ohne Belang. Das herbstliche Kastanienbraun von
Batman Begins weckte Assoziationen zu Gruselgeschichten, was angesichts der Anleihen an die 13-teilige Batman-Erzählung
The Long Halloween und dem zentralen Motiv der Angst eine naheliegende Wahl darstellt. Zumal trat Batman in diesem Film als albtraumhafter, noch kaum bekannter Schrecken der Unterwelt auf, während auch die unbequeme Hintergrundgeschichte des Helden erzählt wird.
The Dark Knight rückte visuell näher an harte, dennoch weitestgehend realistische Kriminalthriller, war nicht nur Batman nun eine greifbare Bedrohung des Bösen, sondern auch der Kampf zwischen dem Titelhelden und dem Joker so weltnah, wie nie zuvor derKernkonflikt eines Superheldenfilms. Zugleich unterstrich das eisige Blau die emotionale Kälte in Gotham und in Bruce Waynes vereinsamendem Leben.
Das gleißende Weiß, welches über dem Geschehen in
The Dark Knight Rises liegt, fußt gleich auf mehreren Gedanken. Mit seinem helleren Farbton impliziert
The Dark Knight Rises nicht so düster wie seine Vorläufer zu sein, was sehr oberflächlich betrachtet anfänglich auch zutrifft. Gotham scheint seit den Ereignissen von
The Dark Knight mühselig Frieden erarbeitet zu haben. Aber das Weiß dieses Films ist ein verwaschenes, imperfektes, der Frieden trügt nur. Das helle Licht dieses Finales blendet zu sehr, ist befremdender als die Farbfilter der ersten beiden Filme. Der verwaschene, helle Weißton kann sogar beinahe schmerzlich sein, was sinnbildlich für eine zentrale Aussage Banes steht: Dieser predigt, sinngemäß, davon, dass erst der helle Schein eines Hoffnungsschimmers Menschen in einer ausweglosen Situation vergehen lassen kann. Eine Weisheit, die
The Dark Knight Rises methodisch verfolgt: Wie erläutert tritt er als der strahlendste, demnach vermeintlich hoffnungsvollste Film der Reihe auf, dann aber hält er dem Zuschauer und seinen Helden konsequent vor, dass diese Hoffnung nur aus der Ferne scheint, dass dieses Licht auf einen Hort der Verzweiflung runterblickt und die dort Gefangenen blendet.
The Dark Knight Rises wird somit der stringenteste, die ärgsten Konsequenzen vordernde Teil der Saga. Er missleitet bewusst mit seinen Lichtschimmern, was ihn schlussendlich zum düstersten Teil der Trilogie macht.
Diese duale Deutung der Hoffnung lässt sich auch auf Batman übertragen, der sich herausgefordert sieht, den Bürgern Gothams endlich als leuchtendes Symbol zu dienen – gleichwohl zeichnet sich ab, dass Bruce Wayne ob dieses Vorhabens verglühen dürfte. Sein Licht droht, sein Untergang zu werden, Hoffnung und hehre Absichten können seinen Untergang bedeuten. Die Kernproblematik, die
The Dark Knight Rises behandelt, ist die zerstörerische Kraft von Heldentum und Hoffnung, was sich visuell in der unwohlen Leuchtkraft von Wally Pfisters Kinematografie äußert.
Bei aller Genialität, wie tief die Farbästhetik von
The Dark Knight Rises im Filminhalt verwurzelt ist, verfügt der Film nicht über derart viele minutiös geplante, Bände sprechende Stillbilder wie
The Dark Knight. Obschon Christopher Nolan und sein versierter Stammkameramann Wally Pfister erneut einige imposante, stimmungsvolle und ausdrucksstarke Bilder kreieren, wie etwa Banes in seiner selbstgefälligen Entspanntheit eine kontrollierte Aggressivität ausstrahlender Gang, während er sich darauf vorbereitet, ganz Gotham eine Rede zu halten, lassen sie seltener als in
The Dark Knight allein die Bilder sprechen. Auch verweilen Nolan und Cutter Lee Smith kürzer auf aussagekräftigen Einstellungen, weshalb diese nicht die nachhallende Kraft entwickeln können, die mehreren Szenen des Vorgängers innewohnte. Nolan nutzt also zwar starke Motive und lässt auf visueller Ebene das Innenleben der zentralen Figuren sowie den Stand der von ihm erschaffenen Filmwelt widerspiegeln, aber solche Momente wie Batman, der über einer Ruine stehend sein Versagen zu begreifen versucht, oder die Szene, in der der Joker beharrlich darauf wartet, von Batman angefahren zu werden, entstehen in
The Dark Knight Rises nicht.
Partiell ist dies darin begründet, dass dieser dramatische Superheldenthriller sehr viel Handlung zu erzählen hat, die sich über einen größeren Handlungszeitraum erstreckt. Da das Geschehen deshalb selbst bei einer Laufzeit von 165 Minuten stark komprimiert werden muss, kann Regisseur Christopher Nolan nicht ohne weiteres länger auf beeindruckenderen Bildern ruhen bleiben. Wegen seiner komprimierten Erzählung kann er in
The Dark Knight Rises außerdem nicht davon ablassen, Handlungsstränge und Figuren hastig bei Seite zu schieben, sobald sie seiner Ansicht nach ihre Funktion erfüllt haben. Wer sich schon in
Batman Begins und
The Dark Knight schwer mit der raschen Abfertigung vereinzelter Figuren tat, wird auch beim Finale der Saga feststellen müssen, dass nicht alle Handlungsfäden zeremoniell abgeschlossen werden. Die starke Verdichtung der Erzählzeit ermöglicht zugleich aber eine effektvolle Verunsicherung des Zuschauers. Dies trifft vor allem auf die zweite Hälfte des Films zu, welche inhaltlich wieder größere Anleihen bei
The Dark Knight nimmt. Banes Plan konkretisiert sich, es wird ersichtlich, dass auch er ein Agent des Chaos ist. Doch während der Joker die Welt einfach nur brennen sehen wollte, um sich daran zu vergnügen, will Bane ihr seine Deutung von Gerechtigkeit und Selbstbestimmung bescheren. Was vermeintlich nur gelingen kann, indem er sie mit Zerstörung und Verzweiflung erfüllt, weil dies die einzigen Wege sind, die er kennt und die es seiner Auffassung nach zu beschreiten gilt.
Über Banes Verbreitung von Furcht und Unordnung knüpft das ausführliche Kernstück von
The Dark Knight Rises schlüssig Bande mit seinem Vorläufer, obwohl der Film stilistisch näher an
Batman Begins ist und auch seine thematischen Schwerpunkte zu einem bedeutsameren Anteil aus dem Anfang der Trilogie generiert. Dass Bane eigene Beweggründe hat, ist jedoch nicht der alleinige Unterschied zur Anarchie des Jokes, Nolan erzählt diesen Aspekt auch anders, statt erneut Schritt für Schritt das Katz-und-Mausspiel zwischen dunklem Helden und chaotischem Schurken nachzuverfolgen: Immer wieder springt die Geschichte für kleinere Zeitspannen voran, so dass Nolan mühevoll das Zeitgefühl seines Publikums aus dem Gleichgewicht bringt, was dazu führt, dass es sich selten gewiss sein kann, wie tief Gotham bereits im Morast steckt oder wie aussichtslos die Situation für Batman nunmehr geworden ist. Insgesamt ist dies ein stimmiges Stilmittel, welches gekonnt durchgeführt wird, zumal dem aufmerksamen Zuschauer regelmäßig wieder Anhaltspunkte gegeben werden, wie viel Zeit verflogen ist. Allerdings überspringt Nolan dabei vereinzelte Punkte, die sehr wohl von Interesse wären, so dass haarspaltende Zuschauer einige bohrende Fragen aus dem Kinosaal mitnehmen werden.
Wie eingangs erwähnt, stellte sich in den vergangenen vier Jahren, wie
The Dark Knight Rises als dramatisches Finale die schiere Bandbreite von
The Dark Knight übertrumpfen kann, ohne in die berüchtigte Sequelfalle zu tappen und einfach das gleiche Feuerwerk nochmal abzubrennen, nur halt größer.
Die Antwort liegt, erneut, in den kleinen, doch feinen Unterschieden zwischen Joker und Bane. Der Joker sponn ein die Helden quer durch Gotham jagendes, explosives Wirrspiel, es gab mehrere, sich in ihrer Intensität steigernde Attentate, die Hinweise zu ihrer Abwendung ließen Batman und Gordon nur knapp bemessene Zeit. Bane lädt zu keiner solchen Verfolgungsjagd ein, er ist ein stationäres Ziel, statt eine eskalierende Abfolge von Gräueltaten vollführt er einen megalomanischen Plan, ein längerfristiges Vorhaben. Dadurch hat
The Dark Knight Rises ein völlig anderes Tempo, die Action nimmt andere Gestalt an. Statt vieler atemberaubender Verfolgungen und knapp ausgehenden Kämpfen gibt es in
The Dark Knight Rises zunächst nur sehr kurze, sehr harsche Auseinandersetzungen. Diese sind auf den Punkt inszeniert und einschneidende Sequenzen, nicht aber so bombastisch, wie man es vielleicht erwarten würde. Denn der überragend kräftige Bane will Batman und Gotham auch innerlich, moralisch zerbrechen, weshalb sich seine Handlungen weniger auf große Verbrechensakte und verbitterte Kämpfe mit Batman konzentrieren, sondern auf Manipulation und Zerstörungen mit symbolischer Aussage. So zeichnet Nolan ein Finale mit deutlicher Fallhöhe, ohne einfach
The Dark Knight in größerem Maßstab zu wiederholen.
Für Batman wiederum bringt das von Bane erstellte Szenario vor allem einen Kampf mit sich selbst. Einen Kampf, dem so oder so Batmans Untergang vorprogrammiert scheint. Gibt er kleinbei, ist er kein Held mehr, doch je mehr er sich zum Leuchtbild hochstilisiert, desto ärger werden die Folgen, die dies nach sich zieht. Denn wie in
The Dark Knight klar wurde, ist Batman Mitverursacher des Leids, welches er zu bekämpfen versucht Wer zu lange Held spielt, wird schließlich selbst zum Schurken, so die pessimistische Moral, die der Joker hinterließ. Womit das visuelle Leitmotiv wieder zum Vorschein kommt: Eines der Themen von
The Dark Knight Rises ist, dass für Batman sowohl die Flucht ins Licht als auch in die Schatten der Vergessenheit nur Schmerzen bedeuten werden. So eine ausweglose Situation schilderte selbst der Vorgängerfilm nicht – dieser wies dafür den straffer umrissenen Spannungsbogen auf, weil sein Kernkonflikt explizitere und dynamischere Auseinandersetzungen zwischen Protagonisten und Antagonisten gestattete. Die Actionhöhepunkte von
The Dark Knight Rises sind dagegen Selbstbezwingung und der Versuch, Banes Demoralisierung Einhalt zu gewähren. Nolan holt das packendste aus diesen Szenen heraus, den klassischen Thrill aus
The Dark Knight kann er dennoch nicht vollauf erreichen.
Umso handgreiflicher ist dafür die Musik in
The Dark Knight Rises. Der Oscar-prämierte Komponist Hans Zimmer schuf für Bane ein wiederkehrendes Thema, welches mit wild hämmernder Percussion, manischen Streichern und einem einschüchternden Chorus wuchtvoll voranschmettert. Es ist laut, düster und begleitet die Szenen, in denen es vorkommt, mit einer unheilvollen, wie ein Damoklesschwet über den Bildern schwebenden Andersweltlichkeit, die allerdings sehr gezielt eingesetzt wird, so dass sich eine Sogwirkung ergibt, der man sich nur schwer entreißen kann. Zimmer setzt jedoch nicht nur auf pure Klanggewalt, sondern schuf auch ein zärtlicheres, mit leiser Tragik spielendes Motiv für Catwoman und dramatische Szenen untermalt er mit traurigen Melodien, die sich eine heroische Ehrwürdigkeit bewahren. Aber auch das in den Vorgängern aufgebaute Batman-Leitthema kommt erneut zum Einsatz, meistens im verzweifelten Kampf um die Vorherrschaft gegen sich langsam aufbäumende Reinterpretationen des Bane-Themas. Die Filmmusik ist, kurzum gesagt, kraftvoll, bei Bedarf feinfühlig und vor allem das Ergebnis von kontrolliertem Wahnsinn. Perfekt für diesen Film, in dem es um die Ungerechtigkeit des Heldentums sowie um die stets durch das Unheil durchschimmernde, durchaus auch destruktive Wirkung der Hoffnung geht.
Fazit: Christopher Nolan fügt in
The Dark Knight Rises konsequent zusammen, was er zuvor aufgebaut hat und verfolgt dabei gezielt den angemessenen Ansatz, die übergreifenden Themen seiner Trilogie stärker in den Vordergrund zu rücken. Dadurch wird
The Dark Knight Rises nicht zu dem Film, den sich alle Liebhaber von
The Dark Knight gewünscht haben, sehr wohl aber zu dem Finale, das sich Nolans Batman-Trilogie verdient hat. Das Gesamtbild ist aufgrund der überwältigenden Inszenierung, zahlreichen intelligenten Handlungselementen und der durchdachten, handfesten Betrachtung der Heldenthematik stimmig geraten, wenngleich sich der brillante Autor und Regisseur bei vereinzelten Details verkalkuliert hat. Denn zu Gunsten der effektvollen Durchführung seiner thematischen Konzepte wird die Charakterentwicklung in manchen Sequenzen mit einem solchen Nachdruck vorangetreiben, dass sie stellenweise sprunghaft erscheinen kann und nicht jede Figur die ihr gebührende Aufmerksamkeit erhält.