Montag, 25. Juni 2012

Spider-Man 3


2007: Das Jahr der Superlative. Mai 2007, der bombastischste Monat im Jahr der Superlative: In den USA drängeln sich Schulter an Schulter die heiß erwarteten dritten Einträge in die Shrek-, Spider-Man- und Pirates of the Caribbean-Sagen, die es sich allesamt vorgenommen haben, ihre überragend erfolgreichen zweiten Teil zu überholen. Und natürlich wollte keiner der drei Filme hinter den anderen "Threequels" zurückstecken, was in ein schwer vergleichliches Bombardement an Marketing für diese kostspieligen Produktionen mündete. Sowie in eine riesige Rekordejagd. Diverse Filmjournalisten sahen diese Schlacht der Megafranchises, die im Fall von Spider-Man 3 und Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt auch noch in einen Wettstreit historischer Rekordbudgets ausartete, als Hollywoods letztes Aufbäumen, bevor es an Profitabilität einbüßt, die Budgets wieder radikal nach unten schnellen und Filmpiraten dem Blockbusterfilm den Boden unter den Füßen wegziehen.

Fünf Jahre später wissen wir natürlich, dass diese Kinoapokalpyse nicht eintraf. Budgets explodieren noch immer und Filme wie The Avengers nehmen deutlich mehr ein, als es die 2007-Threequels taten. Insofern war 2007 auch ein Jahr, das Hollyood auf verflucht hohem Niveau enttäuschte: Alle drei Filme wurden zwar zu wahren Blockbustern, doch keiner von ihnen überkreuzte die Milliarden-Dollar-Marke, was sich wohl so mancher heimlich von ihnen erhoffte.

Während Am Ende der Welt das meiste Geld einspielte, war es Spider-Man 3, das als einziges Threequel zum erfolgreichsten Teil seiner Kinoreihe aufstieg. Dabei war Sam Raimis Bombastwerk weit davon entfernt, auch der beliebteste Spider-Man-Film zu sein. Auf dem internationalen Parkett schien die Ablehnung nicht ganz so enorm zu sein wie in den USA, wo zahllose Fans der menschlichen Spinne lautstark protestierten, trotzdem steht Spider-Man 3 gemeinhin als das schwarze Schaf der Reihe dar. Auch der Regisseur selbst lehnt aufgrund der vielen Verschlimmbesserungen Sonys das ab, was schlussendlich als Abschluss seiner Spider-Man-Saga gelten sollte. Spider-Man 4 war dazu auserkoren, für Versöhnung zu sorgen, doch zwischen Raimi und Sony kam es zu einer weiteren, unschlichtbaren Meinungsdifferenz, weshalb er und daraufhin auch Tobey Maguire das Handtuch warfen. Weswegen schließlich das Reboot The Amazing Spider-Man auf die Beine wurde, um die Spider-Man-Kinorechte bei Sony zu halten.

An dieser Stelle könnte nun eine ausgiebige Schimpforgie folgen, wie Sony Pictures sowie Produzent Avi Arad eine Filmreihe zerstörten, die zuvor nicht nur qualitativ sehr gut damit fuhr, dass Sam Rami sehr viel Freiraum gelassen wurde, sondern ebenso aus wirtschaftlicher Sicht nur schwerlich zu optimieren war. Ich könnte darüber jammern, dass die Spider-Man-Saga auf dem Tiefpunkt endete, obwohl sie mit einem großartigen Knall hätte begeistern können. Dies könnte der Artikel sein, in dem ich auf weniger sarkastisch-blödelnde Weise meine kleine Spider-Man 3-Lästerei fortführe. Aber: Das werde ich hier nicht tun. Denn wie vielleicht in so eben verlinktem Artikel noch immer ein wenig rausklingt – ich finde Spider-Man 3 gut!

Das Epos, das nicht sein sollte ...
Bevor wieder ein paar Leserinnen und Leser jeglichen Glauben an mein Urteilsvermögen aufgeben wollen: Nein, dies hier wird keine flammende, Spider-Man 3 über jeden Zweifel erheben wollende Verteidigungsrede und ich möchte keineswegs den Eindruck erwecken, als wäre mir jeglicher Kritikpunkt an diesem Trilogieabschluss fremd. Im Gegensatz etwa zu Pirates of the Caribbean – Die Truhe des Todes, wo ich mir selbst beim besten Willen nicht erklären kann, weshalb ihn dermaßen viele PotC-Fans für einen derart großen qualitativen Rückschritt gegenüber dem Erstling halten, kann ich bei Spider-Man 3 den Frust vieler durchaus nachvollziehen. Und insbesondere verstehe ich, wie die Enthüllungen dessen, was hätte sein können und weshalb diese frühen Pläne dem endgültigen Produkt weichen mussten, Spider-Man 3 einen verdrießlichen Nachgeschmack verleihen können.

Sam Raimis ursprüngliches Vorhaben war es, dass der Vulture (gespielt von Ben Kingsley) und der Sandman gemeinsam aus dem Gefängnis ausbrechen, wobei der Geier eher als großer Hauptschurke auftreten sollte, während im Falle des Sandmans beabsichtigt war, seinen Status als Gelegenheitskrimineller stärker zu betonen. Es war beabsichtigt, ihn als einen nicht sonderlich hellen Kerl zu zeichnen, der in Trubel geriet und keinen cleveren Ausweg fand, so dass er sich behilfsmäßig auf der falschen Seite des Rechts herumschlug. Spider-Mans Rachemotiv am Sandman, der schon früh als ungewollter Mörder Onkel Bens eingeplant war, sollte völlig aus Peter Parker selbst herauswachsen, so dass die duale Thematik (das Dunkle im Helden, das Unschuldige im Schurken) deutlicher zu spüren gewesen wäre, als in dem, was schlussendlich Spider-Man 3 wurde. Einige dieser Ideen wurden dann im nie verwirklichten Skript von Spider-Man 4 wiederverwertet, in dem Spider-Man den Vulture aus voller Absicht kalt macht, was wiederum ihn zur Zielscheibe eines Rachekomplotts machen sollte.

Sony und Arad wollten allerdings Venom an der Stelle vom Vulture in Spider-Man 3 sehen, da er zu den populärsten Schurken des Spider-Man-Universums gehört und das Potential zu einem eigenen Schurken-Spin-Off aufwies. Und wisst ihr was, an diesem Punkt ging Spider-Man 3 meines Erachtens nach noch gar nicht in die Brüche. Drehbuchautor Alvin Sargent entwarf daraufhin in Rücksprache mit Raimi ein epochales Drehbuch mit genügend Stoff für zwei Filme, über deren Verlauf die von Raimi erwünschte Storyline um Harry Osborne und sein Handeln als New Goblin ausreichend Raum hatte, um zu zeigen, wie er versucht, eine eigenständige Identität aufzubauen, statt nur in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Des Weiteren sollte die von den Produzenten ins Skript gequetschte Gwen Stacy eine ausgearbeitete Liebesrivalin für Mary Jane werden und in Spider-Man 3 nur durch die Präsenz Eddie Brocks auf die Existenz des Symbioten hingewiesen werden. Erst in Teil 4 hätte Venom zuschlagen sollen, jedoch fand sich keine geeignete Stelle für ein befriedigendes Finale von Teil 3, die zugleich einen Cliffhanger für den nächsten Film dargestellt hätte, so dass alles in einen Film von 139 Minuten (inklusive Abspann) gedrängt wurde.

Für mich ging Spider-Man 3 bei dieser Entscheidung in die falsche Richtung. Bloß weil man keinen Cliffhanger hat, macht man aus zwei potentiellen Filmen doch nicht einen Film mit handelsüblicher (Superheldenfilm-)Laufzeit. New Goblin, die Liebesdreiecke, Venom, der Sandman – das ist ausreichend Stoff für einen fast dreistündigen Megablockbuster. Mit fünfzehn bis fünfunfzwanzig Minuten mehr Laufzeit wäre Spider-Man 3 selbst mit einem Raimi aufgedrückten Venom nicht mehr eine überfrachtete Hetze von einem Spider-Man-Film, sondern gut unterfütterter Bombast.

Und dennoch ... All das hält mich nicht davon ab, an Spider-Man 3 mein Vergnügen zu haben. Der Film ist ungeschliffen und hat seine tonalen Inkonsistenzen, aber das war bei Spider-Man 1 & 2 ebenfalls so, wenngleich nicht in dieser Bandbreite. Doch in Spider-Man 3 stecken ebenso auch sehr passionierte Ansätze, gute Actionsequenzen sowie quirlig-vergnügliche Einfälle, die ihn trotz seiner Schwächen nicht so stark vom Rest der Filmreihe abfallen lassen, wie es verbitterte Venom-Fans darstellen zumindest meiner Meinung nach.

... und die überfrachtete, spritzige Materialschlacht, die wir stattdessen bekamen
Das Schicksal scheint sich endlich auf die Seite Peter Parkers zu schlagen: Spider-Man wird von den Bürgern New Yorks verehrt, seine Jugendliebe MJ befindet sich in einer vitalen Beziehung zu ihm, während sie den Broadway erobert. Und derzeit machen auch keine mutierten oder mit Supergadgets ausgestatteten Freaks die Welt unsicher. Alles scheint sicher genug, dass Peter seiner Traumfrau einen Antrag machen kann. Auf langer Sicht haftet jedoch Trubel an den Fersen des Superhelden: Während eines nächtlichen Dates mit MJ nimmt eine schwarze, klebrige Alienmasse Peters Fährte auf, außerdem hat es sein ehemals bester Freund Harry Osbourne auf ihn abgesehen. Und dem nicht genug: Neue Ermittlungsergebnisse besagen, dass sich der wahre Mörder von Onkel Ben weiterhin auf freiem Fuß befindet – es soll der Kleinkriminelle Flint Marko gewesen sein, der derzeit auf Raubzug geht, um Geld für seine schwerkranke Tochter zu erbeuten. Durch einen Unfall verwandelt sich Flint Marko in ein Sandungeheuer – während dieses Geldtransporter überfällt, sinnt Peter Parker aka Spider-Man auf Rache an ihm. All diesen Sorgen nicht genug: Der schmierige Sunnyboy Eddie Brock macht Peter seinen Job als Fotograf beim Daily Bugle streitig und MJ wird eifersüchtig auf Peters Mitschülerin Gwen Stacy, die sich gut mit dem liebenswerten Loser versteht – und noch besser mit Spider-Man ...

Im eigentlichen Film reihen sich diese Probleme der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft nur unwesentlich langsamer aneinander an als in dieser Kurzzusammenfassung. Nahmen sich Spider-Man 1 & 2 noch eine angemessene Zeit, um den Status Quo zu etablieren und den Zuschauer mit Peter Parkers Lebenssituation zu konfrontieren (weshalb auch Teil 2 eigenständig funktionierte), ist Spider-Man 3 eine waschechte Fortsetzung. Hurtig erzählt Peter aus dem Off, was sich seit dem letzten Film getan hat, und dann werden Schlag auf Schlag die Konflikte und Schurken des neuen Spinnenabenteuers eingeführt. Das ist sehr uninspiriert, lässt die ersten Filmminuten über keinerlei Stimmung aufkommen – bis alle Hürden aufgebaut sind, läuft Spider-Man 3 nicht wie eine filmische Einheit ab, sondern wie ein Schnellraffer.

Sobald sämtliche Handlungsfäden aufgenommen sind, lässt dieser Effekt glücklicherweise nach und man kann sich als Zuschauer wieder in die Story einleben – dennoch eilt Spider-Man 3 durch seine Handlung. Deshalb fühlt er sich trotz höchsten Produktionswerten und längster Laufzeit der Filmreihe nicht als ihr schwerwiegendster, tragendster Film an. Es gibt zu wenige Atempausen, um die richtige Gravitas entstehen lassen können.

Spider-Man 3 ist also eher eine eilende "Tour de Force", aber eine der erfrischenden Sorte. Schon die erste größere Actionszene (Peter Parker vs. Harry auf einem Hoverboard) ist rau und rasant, mitreißend inszeniert und aufgrund ihrer Agilität eine Abwechslung gegenüber den bisherigen Kämpfen Spider-Mans. Ein wahrer Höhepunkt ist aber die "Geburtsszene" des Sandmans – eine geniale, poeteische und charakterstarke Effektsequenz, begleitet von fantastischer Musik. Sandmans erster Raubzug ist ganz gelungen, da auch er sich von üblichen Superheldenkämpfen abhebt, darüber hinaus sind die Effekte auf einem stabil hohen Niveau, was bei Spider-Man 1 & 2 nicht der Fall war

Die Lovestory wiederum fußt auf dem Grundproblem, dass die meisten Zuschauer sie nach Teil 2 wohl als abgeschlossen betrachtet haben. Ein Liebedreieck wäre für die Kernhandlung tatsächlich nicht nötig, es genügte für die Brisanz in Peters Privatleben, dass er mit seinem Ruhm (als Spider-Man) nicht umgehen kann, weshalb sich MJ übergangen fühlt, während Harry Rache für seinen Vater will. Es musste nicht zu einem soapartigen Betrugsspiel verkommen. Dennoch kommt es in Spider-Man 3 vor, und dafür ist es sogar besser umgesetzt als in den ersten zwei Filmen. Man sieht, was die jeweiligen Figuren voneinander halten und kann sich in ihre Zu- und Abneigungen vergleichsweise gut einfühlen. MJs Seite zum Beispiel hat man in den Vorgängerfilmen gar nicht erst erlebt. Ärgerlich ist nur, dass dies erreicht wurde, indem Harry von den Autoren nach seiner umwerfenden ersten Actionszene Amnesie aufgedrückt bekommt. Das ist lahm, wirkt, als wollte man den Film mit einem Knall eröffnen und dann die Figur mit einer Ausrede bei Seite schieben, bis sie wieder in die Handlung passt. Trotzdem: James Franco spielt hier toll auf, wenn er seine Intrige spinnt kehrt er seine schleimige Seite vergnüglich hervor, in anderen Szenen hat er was von einem leicht schusseligen Lebemann. Und es passt, es gibt seiner Figur mehr Kontur und Gewicht als in den ersten Teilen.

Noch mehr Spaß macht aber tatsächlich, wenigstens meiner Ansicht nach, wie Peter sein Liebesglück mit MJ auf's Spiel setzt, da es so natürlich aus der Charakterisierung in den Vorgängerfilmen erwächst. Er ist ein ungeschickter, unpopulärer Versager und hat nun seine Traumfrau – es passt nur zu gut zu ihm, dass er fortan die Risse in der Beziehung übersieht, da er naiv glaubt "jetzt, da es klappt, klappt es auch fortwährend!" Seine Kokettiererei mit Gwen Stacey ist harmlos, eine Spielerei ob seines Ruhms, doch dass die ihr Leben lang von Männern getäuschte MJ Peter dadurch in einem falschen Licht sieht, ist ebenso verständlich. Sam Raimi erzählt diesen dramaturgischen Motor obendrei mit sehr viel cartoonhaftem, treffenden Witz: Die Spider-Man-Ehrenzeremonie, Bruce Campbells Monty Python-artige Einlage als französischer Kellner der Peter bei seinem romantischen Dinner unterstützen will (aber nur Verwirrung stiftet), all diese Einlagen sind erfrischend komisch, wenngleich unerwartet. Im Gegensatz also zum obligatorischen, hier jedoch völlig erzwungenen und dämlichen Stan-Lee-Cameo. Deutlich besser sind dagegen die Szenen mit J Jonah Jameson, in denen J. K. Simmons wieder völlig aufdreht. Auch Elizabeth Banks als seine Sekretärin kommt was mehr zur Geltung, und da ich Banks stets sehr unterhaltsam finde, freut mich das natürlich. Genauso, wie ich mich im Gegensatz zu vielen Kritikern von Spider-Man 3 über die Szenen mit Peter Parkers schroffen, dennoch netten Vermieter freue.

Emo-Peter Boogie-Peter und der Symbiot aus dem All
Wie Sam Raimi mit der von ihm ungeliebten Figur Venom umsprang, ist einer der Hauptkritikpunkte vieler Spider-Man-Fans. Und ja, hätte ich eine ausgeprägte Schwäche für Venom, so wäre ich wohl ebenfalls betrüb: Da kommt einer von Spideys denkwürdigsten Schurken auf die große Leinwand und wird nach kurzem Schlagabtausch abgefrühstückt. Doch sobald man den Alien-Symbioten, der Peters dunkle Seite zum Vorschein bringt, und die Eddie Brock übernehmende, boshafte Kopie Spider-Mans nicht weiter als getrennte Entitäten betrachtet, prägt diese schwarze, außerirdische Masse den Film sogar mehr als Raimis Wunschschurke Sandman und ungefähr gleich stark wie "die Liebesbaustellen nach dem Happy End".

Gänzlich reicht das, was Sam Raimi und seine Autoren aus den Möglichkeiten schröpften, nicht an die Wünsche mancher Fans heran. Eine außerirdische Masse, die sich an einen Wirt hängt und dessen destruktiven Emotionen verstärkt – für viele rief das nach surrealen Albtraumsequenzen, düsterer Action und einem innerlich zerrissenen Peter Parker, der zwischen seiner guten und seine bösen Seite hin-und herschwankt. Diesen Weg beschreitet Spider-Man 3 nur ansatzweise, tonal orientiert er sich wesentlich stärker an seinen Vorgängerfilmen als an den ernsthaftesten Venom-Comics. Die Integration der Idee des "bösen Peter Parker" in Raimis Filmwelt ist also nicht das, was sich viele wünschten, aber es ist nüchtern betrachtet ein schlüssiges Konzept, welches auch in vielen seiner Kernszenen wunderbar funktioniert. Das größte Problem ist für mich nicht etwa die berühmt-berüchtigte Tanzsequenz (auf die ich dennoch zu sprechen kommen werde), sondern die allererste Sequenz mit "Black Spidey":

Der Symbiot greift sich Peter, als er gerade vor Wut über das Versagen der Polizei im Fall Flint Marko sowie in Selbsthass versinkt, weil er sich vor Jahren den falschen Kleinganoven vorknöpfte. Schnitt. Spider-Man hängt an einem Hochhaus und aus dem Off erfährt das Publikum, dass sich unser Superheld so ungewöhnlich stark und mächtig fühlt. Die Hintergrundmusik, eine etwas schwerere, kräftigere und unterschwllig unheimliche Abwandlung des in Teil 1 und 2 von Danny Elfman erschaffenen Spider-Man-Themas suggeriert dies ebenfalls, doch Spider-Mans Handeln und seine Bewegungsabläufe geben keinerlei Hinweis darauf. Hier versagen also sowohl die Animationen des Superhelden, als auch der Erzählablauf, die erste Szene mit Parker im schwarzen Spider-Man-Kostüm müsste einen größeren Nachhall haben und sich im Idealfall ohne Off-Kommentar selbst erklären.

Schon deutlich besser ist die Szene, in der "Black Spidey" gegen den Sandman kämpft: Sie ist spürbar härter und rücksichtsloser als ihre erste Begegnung, Spider-Man geht größere Riskien ein und gibt sich erschreckend große Mühe, seinen Rivalen nicht nur zu bezwingen, sondern zu zerstören. Aufgrund seiner großen Aufrichtigkeit verstaut er danach seinen Poweranzug allerdings, im Wissen, dass er nur für Unheil sorgen wird. Erst als ihn sein vermeintlicher Freund Harry ins Gesicht sagt, dass er ihm MJ ausgespannt habe und wieder auf bösen Pfaden wandelt, greift er aus Wut (sowie in Erinnerung daran, dass Harry ein ihm zu ebenbürtiger Gegner ist) wieder auf diesen Anzug zurück. Daraus resultiert eine weitere starke Kampfsequenz, in deren Anschluss Peter Parker auch mal eben seinen Konkurrenten beim Daily Bugle ausbootet, ohne jegliche Bescheidenheit oder der ihn sonst prägenden Tendenz, kleinlaut zu sein. So weit, so gelungen: Es wäre nicht plausibel, wenn er in der Sekunde, in der er den Anzug aufträgt, wie ein wahnwitzig gewordener Superschurke durch New York City wütet. Der Symbiot muss seinem Nutzer, wie Steroide oder Alkohol, zunächst vermeintlich (!) nebenwirkungsfrei das Gefühl geben, er sei stärker und selbstbewusster. Damit Peter sich nicht erneut vom Symbioten löst, muss er glauben, dass er ihm nur Vorteile bringt. Diese Abfolge an Ereignissen verläuft aus Petrs Sicht optimal, als Zuschauer jubelt man ihm derweil nur mit einem lauernden, schlechten Gewissen zu.

Und schon ereilt das Publikum die Abfolge von Szenen, in denen Peter Parker in schwarzen Klamotten durch sein Leben streift, mit einem schwarzen Scheitel, der seine Stirn verdeckt. "Emo-Peter", winselt das Internet. Doch ich bäume mich auf und sage: "Nein!" Denn gerade das verfluchte Internet sollte es besser wissen, ist es doch die Geburtsstätte der Emo-Witze. Peter verkriecht sich nicht stundenlang in eine Ecke und heult, wie mies sein Leben ist, dass er alles verliert. Nein, mit der Macht des Aliensymbioten, der seine Schattenseiten hervorkehrt und sein Selbstbewusstsein durch die Decke gehen lässt, mutiert der stille, liebenswerte Loser aus der Nachbarschaft zum jazzigen, geölten



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Boogie-Peter!


Dass eingefleischte Venom-Fans, die sich eine Batman Begins-artige, bloß jedoch auch grafischere Auseinandersetzung versprachen, von diesen Szenen vor den Kopf gestoßen werden, kann ich nachvollziehen. Aber dass auch einige Leute, die sich primär als Fan der Filmreihe betrachten oder unterschiedliche Interpretationen Spider-Mans wertschätzen können, diese Szenen als schlecht, narrativ fehlkonzipiert und atmosphärischen Stilbruch mit der restlichen Kinosaga betrachten, verwundert mich doch enorm. Zunächst einmal: Ich finde die Montage, in der Peter Parker flott durch die Straßen tanzt, mit seiner Nachbarin alberne Späße treibt und mit absolut out-of-character-formatigem Selbstvertrauen die Sekretärin seines Chefs anbaggert, saukomisch. Ja, ich habe mich damals im Kinosessel gekringelt vor Lachen und auch jetzt habe ich bei DVD-Sichtungen ein glückliches Grinsen auf dem Gesicht. Die aus einer falschen Zeit gegriffene Jazz-Musik, die rumblödelnden Einfälle und vor allem Tobey Maguires Darstellung machen die Montage für mich zu einem Hit: Maguire spielt nicht cool, sondern den "dorky" Versager und Geek Peter Parker, der sich nun für cool hält. Und das sieht nicht nur schräg (sowie unterhaltsam aus), sondern ist aus mehreren Gründen die konsequente Wahl für diesen Film: Es zeigt, welch aufrichtige Persönlichkeit Peter Parker ist. Mit gesteigertem Sexualtrieb, überhöhtem Selbstvertrauen und betonter Aggression ist er weiterhin nur dazu fähig, seinen Professor zu ignorieren, das liebenswerte Mädchen von gegenüber, das sowas von eindeutig auf ihn scharf ist, für Milch und Kekse auszunutzen, Passantinnen ungelenk-flirtende Blicke rüberzuwerfen und sich an unangebrachten Orten für einen guten Tänzer zu halten.

Sam Raimi degardiert mit dieser Sequenz nicht die durch den Symbioten ausgesendete Gefahr zu reinem Comic Relief, sondern skizziert die Gutherzigkeit Peters, während er sein wahres Ich von seinem momentanen Verhalten auf campige, augenzwinkernde Weise differenziert. Zumal: Weshalb sollte Peter ohne Provokation böse Dinge tun? Nein, nein, nein, die Boogie-Montage ist vollkommen in Ordnung wie sie ist. Der kurz darauf anschließende Ausflug Peters und Gwen Staceys in einen Jazz-Club übrigens weitestgehend auch: Peter geht mit Gwen aus, begegnet MJ, die jetzt als singende Kellnerin arbeitet, und macht eine gewaltige Schau, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, sie vor den restlichen Gästen lächerlich zu machen, sich als guten Fang zu beweisen und so seine Verflossene in Eifersucht aufgehen zu lassen. Er nutzt Gwen aus, setzt mit seinen kaum durchführbaren Tanzschritten seine geheime Identität auf's Spiel und beweist wieder einmal, dass er mit der wahren Definition von "cool und selbstbewusst" nicht auf einer Wellenlänge liegt. Sam Raimis Inszenierung des Tanzes, die Choreographie und Beleuchtung, der Einsatz von Requisiten und die Berücksichtigung der Eigenheiten des Sets sind beeindruckend, es ist eine launige, erquickliche und, ja, dümmliche Szene. Innerhalb weniger Sekunden peitscht Spider-Man 3 seinem verwirrten, amüsierten Publikum einen Stimmungswechsel entgegen: Peter soll den Club verlassen, prügelt sich mit der Security, MJ schreitet ein, Peter sieht seine große Liebe nicht, hält sie für einen weiteren Türsteher, holt aus und schlägt sie so aus Affekt zu Boden. Ein schrecklicher Unfall, Peters Gewissen kehrt zurück und ...

... zack, schon folgt das ikonische Bild des dunklen Spider-Mans, der im Regen auf einer Kirchturmspitze in Selbstreflexion und Schuldgefühlen versinkt. Das geschieht zu schnell, nach all der Herumtollerei haben die Venom-Fans mehr Dramatik verdient, und auch aus atmosphärischen Gründen wäre es eine Überlegung wert, zwischen diesen zwei Momenten stärker auf Peters Zerrissenheit oder Selbsthass einzugehen. Ein aggressiver "Flug" durch New York, eine Albtraumsequenz, irgendetwas, dass verdeutlicht, was nun in ihm vorgeht. So würde das eben besagte Bild eine größere Wirkung entfalten, denn im fertigen Film verblasst es nach dem unerwarteten Lachfest mit Boogie-Peter, wirkt sogar aufgesetzt. Was, meiner Vermutung nach, den Hass auf die vorhergegangenen Szenen erklärt.

Ein Gesamturteil
Mit einem moralisch ambivalenten Thomas Hayden Church als Sandman, hervorragender Effektarbeit und einer, wenngleich forcierten, so doch auch klar überdurchschnittlich gut ausgespielten Liebesgeschichte sowie fantastischen komödiantischen Darstellungen von Tobey Maguire, J. K. Simmons, Elizabeth Banks und Co. ist Spider-Man 3 wahrlich kein Rohrkrepierer. Die Geschichte ist dermaßen vollgestopft, dass sie das Publikm fast erschlägt, doch die einzelnen Storylines sind gelungen, die Actioneinlagen sind eine Wucht und Christopher Young gibt einen adäquaten Ersatz für den Komponisten Danny Elfman, der aus Streit mit Sam Raimi die Spider-Man-Saga verließ. In Spider-Man 3 ist mit seinen reichhaltigen Stimmungslagen, Figuren und Handlungssträngen der beste Teil der Trilogie versteckt, aber dazu fehlt es dem Film an weiterem Feinschliff. Manche Dialoge hätten noch etwas feinsinniger sein sollen, manche Storybeats prallen noch zu schnell auf, wo sich die vorhergegangenen Teile noch Zeit nahmen, das Filmuniversum ausführlich zu umschreiben.

So, wie er letztlich in die Kinos entlassen wurde, ist Spider-Man 3 dennoch wesentlich besser als sein Ruf. Er ist durch seine Hektik minimal schwächer als Teil 1 und 2, mir selbst macht er jedoch, wenn ich in der entsprechenden Stimmung bin, tatsächlich etwas mehr Spaß als das Original. Ich kann radikale Stimmungswechsel leicht verzeihen und habe eine gewisse Schwäche für "Wow, was da alles drin ist!"-Filme, während ich Origin-Stories schnell überdrüssig werden kann. Vor allem aber ging Spider-Man 3 durchaus Riskien ein, da Raimi seine tonale Vision selbst gegen die herrschsüchtigen Studio-Bosse durchdrückte. Ich finde, das hat seine Achtung verdient.

Siehe auch:

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich bin kein Hardcore-Spiderman Fan und somit ist mir eine eventuelle Venom-Vergewaltigung reichlich egal, aber Spiderman 3 war ein riesengroßes Schnarchfest der allerersten Güte.

Und das ist bei einem Sommerblockbuster in meinen Augen nunmal die höchste Strafe. Absolut kein Vergleich zum "OK"-Erstling und zum "Sehr gut"-Zweitling.

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