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Dienstag, 12. Juni 2012
Camelot
Die Artussage gehört, ebenso wie Die drei Musketiere oder Robin Hood, zu den Stoffen, die alle Jahre wieder neu bearbeitet werden. Und dagegen ist auch nichts zu sagen, da viele dieser Neubearbeitungen die Grundlage aus einem gänzlich anderen Blickwinkel betrachten. So hat auch die 2011 vom US-Kabelsender Starz in Auftrag gegebene Serie Camelot kaum etwas mit der letzten großen Arthus-Bearbeitung, Jerry Bruckheimers meiner Ansicht nach zu Unrecht schlechtgeredetes Schlachtengemälde King Arthur, gemein. Wobei es zumindest eine große Parallele zu beobachten gibt, die, wenn man den will, so einiges über den modernen Stand der Unterhaltungsindustrie aussagt. Beide Werke entglorifizieren die Sage mit einem großen Genuss, erzählen die dreckige und raue Anfangsgeschichte des legendären, vermeintlich unfehlbaren Königs.
Während King Arthur sich den Anspruch setzte, die historisch plausible Vorgeschichte auf die Leinwand zu bannen, bleibt Camelot hingegen im Fantasygenre verwurzelt, auch wenn die Serie meilenweit davon entfernt ist, Heldensagen von allmächtigen Magiern, verzauberten Schwertern und feuerspeienden Drachen zu erzählen. In Camelot existiert nur ein Hauch dunkler Magie, die jene zerfrisst, die sie anwenden. Diese Figuren sind dann auch auf Anhieb die faszinierendsten in dieser kurzlebigen US-Kabelserie.
Britannien im 5. Jahrhundert: Die verstoßene Königstochter Morgan (Eva Green) kehrt unangekündigt auf den Hof Camelots zurück, um ihre Stiefmutter Lady Igraine zu verhöhnen und ihren unliebsamen Vater König Uther zur Rede zu stellen. Sie verlangt Thronrechte, die ihr allerdings versagt bleiben. Mittels dunkler Magie und schnell wirkenden Giften ermordet sie daraufhin den König. An die Macht gelangt Morgan trotzdem nicht, denn mit seinem letzten Atemzug unterzeichnet Uther ein Schriftstück des herbeigeeilten Zauberers Merlin (Joseph Fiennes), wodurch er dem versteckt gehaltenen Königssohn und Morgans Halbbruder Arthur (Jamie Campbell Bower) den Thron vermacht. Dieser wuchs bei einem Bauernpaar auf und wird nun von Merlin mit seiner wahren Herkunft konfrontiert. Zunächst ungläubig und widerwillig, lässt sich Arthur von Merlin zu einem rechtmäßigen Herrscher und Kämpfer ausbilden. Doch die Hexe Morgan lässt sich die Macht nicht unversehen von ihrem unehelichen Halbbruder entnehmen. Mit politischer Tücke, sexueller List und magischen Tricks versucht sie, ihre Position zu verteidigen ...
Beginnt die Pilotepisode noch viel versprechend, verliert Camelot innerhalb weniger Minuten ordentlich an Zugkraft, was sich durch die ersten drei von zehn Episoden durchzieht. Ein arges Problem ereilt die Serie durch die Fehlbesetzung der eigentlichen Heldenrolle. Jamie Campbell Bower, unter anderem bekannt als das blonde Bübchen aus Sweeney Todd, spielt sich in den ersten Episoden sehr weinerlich durch die ihn ereilenden Aufgaben eines anstehenden Königs, der um sein Recht zu kämpfen hat. Mit hilflosem Welpenblick und bockigen Widersprüchen gegenüber Merlin fällt es schwer, ihn ernstzunehmen. Auch im Laufe der Staffel gelingt es ihm nicht, diese Rolle überzeugend für sich einzunehmen, zumindest aber verliert er im letzten Drittel sein quengeliges Auftreten. Ein weiterer Negativpunkt von Camelot ist eng mit der Darstellung Arthurs verbunden: Der ewigen Dreiecksgeschichte um Arthur und seine Guinevere (Tamsin Egerton) wird für meinen Geschmack viel zu viel Zeit eingeräumt, ohne dass die dramatischen Zwischentöne zur Geltung kommen. Es ist bloß ein seifenopernartiges "Wer treibt's wann mit wem?", bloß dass Camelot als Kabelserie natürlich liebend gerne auf seiner "FSK ab 16" rumreitet und diese sowie andere Beziehungen mit viel nackter Haut ausschmückt. Manchmal ist es stilistisch vertretbar, andere Male scheinen die Produzenten und Regisseure nur deshalb blanke Frauenbrüste in die Kamera zu halten, weil sie's nunmal können.
Der große Trumpf im Gewandsärmel von Camelot ist zweifelsohne die begnadete Eva Green (Casino Royale, Dark Shadows), die Morgan mit einer verruchten Sinnlichkeit erfüllt sowie, was wesentlich bedeutsamer ist, mit einer nachvollziehbaren Tragik. Obwohl Morgan glasklar als die Antagonistin der Serie installiert ist,ist sie trotz ihrer diabolischen Art stets auch sympathisch, da Green sie als eine moderne, gebrochene Frau anlegt, die sich beim Kampf um ihr Recht verbissen immer tiefer in moralische Abgründe manövriert. Eine per se schlechte Herrscherin wäre sie jedoch nicht, wie ein sehr salomonischer Urteilsspruch in einer der ersten Episoden aufzeigt. Kurzum: Die Szenen mit Green machen riesigen Spaß, und es ist schade, dass die Autoren zwischenzeitlich nicht die selbe Balance zwischen boshaft und "Der Zweck heiligt die Mittel"-Menatlität halten können, wie sie in Greens ansprechender Darstellung gegeben ist.
Überzeugend ist auch Joseph Fiennes (Elizabeth) als leicht schroffer Mentor und ebenfalls emotional gebrochener Zauberer, der Arthur für ein hehres Ziel so manch harsche Ratschläge geben muss. Seine Figur wird zu wenig genutzt, und wenn er in späteren Episoden vermehrt Aufmerksamkeit erhält, dann leider in einer unnützen Liebesgeschichte mit Lady Igraine (Claire Forlani). Überhaupt verzettelt sich Camelot leider in mehrere uninteressante Nebenplots sowie dröge Dialogszenen ohne dramatische Tragweite. Das ist sehr schade, denn wenn Camelot etwas richtig macht, ist wird sie zu ganz ansehnlichem Fantasy-Entertainment. Die Umdeutungen der ursprünglichen Sage, vor allem die Herkunft Excaliburs, sind gut geschrieben und fügen sich in den generellen Tonfall der Serie ein. Aber bei all den Liebesintrigen kommen solche Höhepunkte nicht genug zur Geltung.
Der Look der Serie ist gelungen, die irischen Drehorte sind wunderschön und die Kostüme weitestgehend aufwändig, ohne in den Prunk optimistischer Ritterfilme oder die irreale Düsternis anderer grimmer Neuinterpretationen zu verfallen. Die Musik von Mychael & Jeff Danna ist effektiv, jedoch nicht sehr denkwürdig. Denkwürdig, das wäre das Staffelfinale, welches einen tollen Start in eine zweite Staffel verspricht, und mit den getätigten Andeutungen auf die noch fehlenden Ritter der Tafelrunde könnte man erwarten, dass eine Fortführung das Erzähltempo anzieht. Allerdings bedeuteten die hohen Produktionskosten im Verbund mit den sinkenden Zuschauerzahlen sowie der hohen Nachfrage nach den Hauptdarstellern, dass die erste auch die letzte Staffel bleiben wird.
Fans der Artussage werden Camelot auf DVD dennoch verschlingen, als kleines "Guilty Pleasure" für ein Wochenende. Das Potential für mehr war dank Eva Green, Joseph Fiennes und den besseren Episoden (Mitte der Staffel und das Finale) auch gegeben. Aber insgesamt ist Camelot leider nur eine weitere viel versprechende, aufwändige, aber nicht genügend durchdachte Kabelserie wie Die Tudors und Co.
Camelot ist als Staffelbox am 8. Juni erschienen.
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