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Freitag, 20. April 2012
Rich Ross verlässt seinen Posten bei den Walt Disney Studios
Rich Ross verlässt mit sofortiger Wirkung seinen Posten als Chairman der Walt Disney Studios. Die Berichte widersprechen sich, ob der Leiter von Disneys Filmproduktion gefeuert wurde oder er sich für einen Rücktritt entschied, ein Nachfolger für den seit Oktober 2009 tätigen Geschäftsmann wurde bislang auch nicht bestimmt.
Ross' Abgang kommt im Fahrwasser des massiven finanziellen Verlusts, den Disney kürzlich duch John Carter gemacht hat, aber Ross wurde nicht zum Opfer eines einmaligen Ausrutschers. Seit Ross die Geschäftsführung und Kontrolle von Disneys Filmstudios übernahm, scheiterten Prince of Persia, Duell der Magier, Tron: Legacy und auch Milo und Mars an den Kinokassen. Als Erfolge konnte Ross nur Alice im Wunderland und Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten verbuchen, der Animations-Hit Rapunzel dürfte eher allein Disneys Tricksparte und weniger Ross zugerechnet werden.
Seit der frühere President of Disney Channel Worldwide, der dem Disney-Konzern unter anderem den gewaltigen Erfolg Hannah Montana bescherte, die Fäden bei den Disney Studios übernahm, war er hauptsächlich mit einer internen Neustrukturierung beschäftigt. Diese war durchaus ambitioniert: Er führte in den Studios die Geschäftsstruktur ein, die in den USA für Fernsehsender üblich ist, und knüpfte noch engere Kooperationen mit den anderen Bereichen des Disney-Konzerns (mehr dazu). Er forderte modernere Marketingwege und vor allem bestimmte er die inhaltliche Ausrichtung Disneys neu: Unter Ross sollte Disney nur noch für zwei Arten von Filmen stehen. Gigantische Über-Blockbuster, die Teil eines großen Franchises sind, sowie rare Mini-Produktionen (mehr dazu). Ross' Position war, klarer ausgedrückt, folgende: Disney solle bloß noch als die Heimat riesiger Event-Filme wie Pirates of the Caribbean wahrgenommen werden, als eine Milliarden-Dollar-Hitmaschine. Ausnahme sollten neue Talente ins Rampenlicht stellende Produktionen sein, die im Stile von The Blind Side sowohl unterhalten, als auch rühren, und für nur sehr wenig Geld verwirklicht werden.
Der erste Film, den Ross in die Produktion schickte, entsprach diesem Bild eines "kleinen Disney-Films". Und wurde prompt zu einem Misserfolg: Prom nahm in den USA keine elf Millionen Dollar in den Kinos ein, in vielen anderen Ländern wurde er gar nicht oder nur als Alibi-Start mit sehr wenigen Kopien aufgeführt. So kam es, dass Ross daraufhin kaum noch beschaulicheren Produktionen sein "Ok!" gab. Jedoch kann ein Studio nicht allein aus (anvisierten) Eckpfeilern bestehen, wie John Carter bestätigt. Denn wenn ein kostenintensiver Film hinter den Erwartungen zurück bleibt, kann ein Konzern infolgedessen 80 bis 120 Millionen Dollar verlieren.
Ich persönlich sehe Ross' Vorhaben nicht per se als Fehler. Disney hat die Infrastruktur und den Markennamen, um sich als Studio zu positionieren, dass einen großen Pflichtfilm nach dem anderen rausbringt. Jedoch braucht es auch eine stabile Absicherung, sollte einer dieser großen Filme scheitern. Auch hier ist Disney prädestiniert, abzuliefern. Mit drei, vier mittelgroßen und leicht an den Mann zu bringenden Familienfilmen der Marke Mighty Ducks pro Jahr wird das Event-Film-Image nicht untergraben, aber man hat (im guten Falle auch gelungene) Ware, die einen befriedigenden, kleinen Gewinn einbringt.
Letztendlich hat Ross seine Vision der Eventfabrik Disney zu radikal, fast schon weltfremd, ausgeführt. Während seiner zweieinhalb Jahre bei Disney hat er mehr Zeit damit verbracht, Filme einzustellen (und gegebenenfalls wieder freizugeben wie bei The Lone Ranger und 20.000 Meilen unter dem Meer), als neue Projekte zu entwickeln. Qualitätskontrolle schön und gut: Ein Studio, das fast nichts ins Kino bringt, kann auch keinen Gewinn machen.
Was sollte Ross' Nachfolger meiner Ansicht nach beibehalten? Erfreulich ist zumindest Disneys neu gewonnene Tendenz, sich nicht weiter mit Studio-Schoßhunden wie Andy Fickman zu umgeben, sondern nach kreativen, eigenen Köpfen wie David Fincher, Guillermo del Toro oder auch dem weniger prominenten James Bobin zu greifen. Das bringt mehr Profil mit sich. Wovon Ross' (und bald auch Igers) Nachfolger absehen sollte, sind die Pläne, Touchstone Pictures abzusägen. Weshalb, das habe ich bereits an anderer Stelle eifrg abgehandelt. Auch wenn Disney immer komfortabler mit dem PG-13-Rating wird, besteht meiner Auffassung nach noch immer Bedarf nach Erwachsenenen- und Jugendware aus dem Hause Disney, das auf den Namen des Firmengründers verzichtet.
Wer in diese Position gelangen wird, bleibt gespannt abzuwarten. Die NY Times bringt Kevin Feige von den Marvel Studios und Stacey Snider von DreamWorks (dem Realfilmstudio, nicht Katzenbergs Trickschmiede) ins Gespräch. Und Dick Cook, Ross' Vorgänger, sprach erst kürzlich davon, sich wieder in der Filmbranche betätigen zu wollen.
Update: Deadline zitiert einen Studio-Insider, der unter anderem anmerkt, Rich Ross sei nie richtig in seinen Job reingekommen und habe sich in unwichtigere Aspekte seiner Aufgaben verrannt, weshalb sein Team das Vertrauen in ihn verlor. Iger sah sich deshalb gezwungen, ihn zu entlassen. Außerdem soll er mit einigen von Disneys wichtigsten Personalien nicht klar gekommen, etwa John Lasseter, Jerry Bruckheimer, Steven Spielberg und Ike Perlmutte von Marvel. Mehr dazu hier.
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