Der neunte und letzte Teil dieser Serie behandelt einen Menschen, der an der Verwirklichung des Traums von Walt Disney so lange arbeitete, wie Walt selbst: John Hench
(Quelle: sun-sentinel.com)
John Hench war das, was Walt Disney nach außen hin darstellte und Walt gefiel das ungemein. Er war kreativ, zielstrebig, dabei bodenständig, treu und detailversessen. Nicht, dass nicht die ein- oder andere dieser Eigenschaften auch auf den Maestro zugetroffen hätte, aber besonders was das künstlerische Gespür und die arbeitstechnische Geradlinigkeit anging, hatte Hench dem Studiogründer einiges voraus. John Henchs Leben war ganz und gar dem gewidmet, was er 1939 begonnen hatte. Was da wäre: das Eheleben mit seiner Frau Lowry – und die ewige Verbundenheit mit Walt Disney und seinen Schöpfungen.
John Hench wurde am 29. Juni 1908 in Iowa geboren, wanderte aber schon als Kind mit seiner Familie nach Kalifornien aus. Er gehört zu den wenigen jungen Talenten, die schon vor ihrem Karrierebeginn bei Disney eine langjährige künstlerische Ausbildung genossen hatten. Zunächst ging er nach New York City, um an der dortigen Art Students League zu studieren, die zur selben Zeit von Jackson Pollock besucht wurde. Mit einem Stipendium für das Otis Art Institute kehrte er zurück nach Los Angeles. Desweiteren war er an der California School of Fine Arts in San Francisco und dem Chouinard Art Institute (heute Disneys Kaderschmiede CalArts) immatrikuliert.
Seine ersten Schritte in der Welt des Films führten ihn zu den Vitacolor Studios und Republic Pictures. Besonders Vitacolor war prägend für seine folgende Arbeit, hier lernte er die Handhabung und Ausdruckskraft von Farbe kennen. Auch an Spezialeffekten arbeitete er bereits zu dieser Zeit. Danach, gegen Ende der 1930er Jahre, entwarf er Schaufensterdekorationen und Werbeanzeigen für Broadway Stores, eine Einzelhandelskette, die in Kalifornien große Bekanntheit erlangte und gegen Ende des 20. Jahrhunderts ihren Niedergang erlebte.
Es war im Frühling 1939, als der frisch vermählte John Hench zum ersten Mal die Walt Disney Studios und damit eine kreative Werkstatt in der Blüte ihres Schaffens betrat. Henchs umfangreiche Ausbildung bescherte ihm eine rasante Karussellfahrt innerhalb des Unternehmens – er arbeitete zunächst im Story Department, dann als Layout- und Hintergrundzeichner, er war zuständig für Farbgestaltung und die künstlerische Gesamtleitung und arbeitete an Spezialeffekten, sowohl für Zeichentrick- als auch Realfilmproduktionen. Für zunächst 30 US-Dollar in der Woche arbeitete er an der Nussknacker-Suite aus Fantasia, insbesondere am Arabischen Tanz. Er war es, der die Gestaltung der Unterwasserdarstellung erdachte – ein zweifelsohne guter Einstand als neuer Mitarbeiter.
Auch während des 2. Weltkriegs arbeitete Hench weiter für Disney, der Streik im Jahr 1941 beeinflusste ihn kaum. Er arbeitete bis 1953 an Dumbo, Drei Caballeros, Die Abenteuer von Ichabod und Taddäus Kröte, Cinderella, Alice im Wunderland, Peter Pan und zahlreichen Kurzfilmen.
Die bei weitem spannendste künstlerische Beschäftigung John Henchs in den 1940er Jahren war aber die Zusammenarbeit mit dem Sinnbild des Surrealismus, Salvador Dalí. Im Jahr 1945 muss es überhaupt keinen Zweifel daran gehaben, wer mit Dalí zusammenarbeiten würde. Zunächst sprach Dalí kaum Englisch, weshalb man auf die französischen Sprachkenntnisse Henchs angewiesen war. Hinzu kam, dass John Hench zu den wenigen, gut ausgebildeten Künstlern gehörte, die im Studio arbeiteten – und quasi der einzige dieser wenigen war, der nicht im Character Department arbeitete oder als Chefzeichner als unentbehrlich galt.
Während der achtmonatigen Produktionsphase, die besser als „kreative Zusammenkunft“ bezeichnet werden sollte, war es John Henchs Aufgabe, das Wirrwarr an Gedanken und Ideen, das Dalí hervorbrachte, in filmisch verwertbare Bahnen zu lenken, was ihm bis zu einem gewissen Grad gelang, auch wenn Salvador Dalí angekündigt hatte, der Film sei nur perfekt, wenn ihn keiner verstehe. Als nach der Veröffentlichung von Fantasia 2000 die Produktion von Destino, so der Titel des Projekts, wieder aufgenommen wurde, musste rund ein Drittel des noch vorhandenen Erzählverlaufs gestrichen werde, weil schlichtweg niemand aus dessen Inhalt schlau wurde. Grundlage für die Rekonstruktion war das achtminütige Storyboard des Films gewesen, das Hench angefertigt hatte und das, obgleich Hench selbst am „Entschlüsselungsversuch“ mitwirkte, die Zusammenhänge nicht vollständig klären konnte. Strittig ist die Frage, wieviel Dalí tatsächlich im Film steckt. Die fünfzehnsekündige, von 1946 erhaltene Filmsequenz, die in der Neuproduktion Verwendung fand, stammte von John Hench. Von Dalí selbst erhalten waren rund hundert Zeichnungen und ein gutes Dutzend Gemälde, wobei John Hench nachgesagt wurde, er habe Dalís Stil so gut imitieren können, das ein Unterschied nicht festzustellen gewesen sei.
Der Film feierte schließlich am 2. Juni 2003 seine Premiere und wurde wenige Wochen vor Henchs Tod für den Oscar nominiert. Ganz gleich, ob man Dalí oder Hench mehr oder weniger Anteil an der Gestaltung zugestehen möchte, das Ergebnis des Projekts ist in jedem Falle erstaunlich.
Im Jahr 1954 wurde John Hench von Walt Disney persönlich ausgewählt, um an der Gestaltung von Disneyland mitzuwirken. Im selben Jahr kam 20.000 Meilen unter dem Meer in die Kinos. Für diesen Film hatte er an den Spezialeffekten gearbeitet und sollte im darauffolgenden Jahr mit dem Oscar belohnt werden. So waren in der Person von John Hench nicht nur ein vielseitiger Künstler und Designer, sondern auch ein technikverliebter Bastler vereint. Das Bild des Tomorrowland wurde so wesentlich von John Hench geprägt. Nicht nur die Attraktionen, sondern auch die Gestaltung von Arbeitskleidung und das allgemeine Klima im Park wurde von ihm mitverwirklicht. Dabei zeigte er sich als eifriger Schüler Walt Disneys, seine Freundschaft zum Studiogründer verfestigte sich mit der Eröffnung Disneylands noch. Nicht nur folgte er Walts Motto, man müsse als Verantwortlicher in das Publikum hineintauchen, sich mit den Gästen auseinandersetzen und ihre Wünsche und ihre Kritik ernst nehmen – tatsächlich wurde er selbst oft um Fotos und Autogramme gebeten, weil die Besucher ihn für Walt Disney selbst hielten.
In der Folge war John Hench für die Gestaltung aller Parks der kommenden 50 Jahre mitverantwortlich, insbesondere nach Walt Disneys Tod im Jahr 1966. Er war hauptverantwortlich für die Gestaltung von Walt Disney World, den Bau von Epcot 1982 und den ersten Vergnügungspark in Übersee, Tokyo Disneyland. Insgesamt gestaltete er mehr als hundert Fahrgeschäfte.
Aber auch außerhalb von Disneyland stieg John Hench zum wichtigsten Gestalter Walt Disneys auf. Für die Olympischen Winterspiele 1960 in Squaw Valley war Disney federführend verantwortlich, Hench arbeitete an der Gestaltung zahlreicher zeremonieller Aspekte. Am bedeutendsten ist mit Sicherheit sein Design für die Fackel, die nach Squaw Valley getragen wurde. Er orientierte sich dabei an den Modellen der Vorjahre.
Wesentlichen Einfluss nahm er auch auf die Gestaltung der Weltausstellung in New York City im Jahr 1964, für die Disney mehrere Attraktionen gestaltete: Great Moments with Mr.Lincoln, Carousel of Progress, Magic Skyway und it’s a small world. Besonders it’s a small world, für das auch Mary Blair stilprägend war, war ein großer Erfolg, der sich später in den Themenparks fortsetzte.
Eine besondere Aufgabe erwartete ihn zu den runden Geburtstagen des runden Maskottchens des Studios: Micky Maus. Er gestaltete das offizielle Portrait zu Mickys 25., 50., 60., 70. und 75. Geburtstag. Zu Walt Disneys 100. Geburtstag im Jahr 2001 hielt er eine Rede in Disneyland, in der er an den Studiogründer erinnerte.
Im Jahr 1990 wurde John Hench als eine der ersten Personen als Disney Legend ausgezeichnet. Neben einigen anderen Auszeichnungen für sein Lebenswerk, wurde ihm kurz vor seinem Tod der Winsor McCay Award der Annie Awards ausgezeichnet.
Am 10. Februar 2004 endete John Henchs Mitwirken an der Verwirklichung von Walt Disneys Traum. Bis zwei Wochen vor seinem Tod widmete Hench sich noch seiner Arbeit – wie in den 65 Jahren zuvor. Seine geliebte Frau Lowry, die zweite, wichtige Konstante in seinem Leben, folgte ihm nur dreizehn Tage später.
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