Sonntag, 29. April 2012

In Gedenken an Milt Kahl

Am 19. März jährte sich zum 25. Mal der Todestag eines der wichtigsten und einflussreichsten Disney-Zeichner: Milt Kahl, auch als "der Michelangelo der Animationskunst" betitelt. Er gehörte zu der erlesenen Gruppe an Zeichnern, die Walt Disney als seine "Nine Old Men" bezeichnete. Kahl nahm sich seinen Figuren mit Passion und analytischem Verstand an und trieb seine Kollegen und Schüler an, sich stets ständig zu verbessern. Dies erfolgte mit einem ebenso toughen Mundwerk, wie mit Hilfsbereitschaft. Zu Milt Kahls wichtigsten Arbeiten zählen die Titelfigur in Pinocchio, der erwachsene Bambi, die gute Fee in Cinderella und auch die Erfindung von Primus von Quack, einem großen Zuschauerliebling in Walt Disney's Wonderful World of Color.

Zu Milt Kahls Ehren möchten wir zum Abschluss unseres ersten Artikelzyklus im Rahmen von Im Schatten der Maus auf unsere Lieblingsmomente unter Kahls Beitrag zum Disney-Erbe zurückblicken.


Akus Favorit



Milt Kahl zeichnet den Hasen Meister Lampe
(Copyright: Walt Disney)
 

Obgleich sich diese Artikelreihe dadurch auszeichnet, dem Leser ausgewählte, hervorragende Charaktere vorzustellen – bzw. nähere Informationen über sie bereitzuhalten – verhält es sich mit diesem Stück Trickfilmgeschichte etwas anders. Da Onkel Remus' Wunderland in vielen Dingen von der Normalität abweicht (besonders aus Sicht des imageverlustängstlichen Manager bei Disney), sollte das aber nicht weiter verwundern. Der bisher nicht (auf legalem Wege) als digitale Kopie veröffentlichte Streifen von 1946 wird momentan immerhin restauriert – zwar nicht, um ihn anschließend zu veröffentlichen, aber immerhin um zu verhindern, dass er in den Archiven vergammelt. Zumindest nährt das die Hoffnung, dass Disney nicht den heimlichen Wunsch hegt, die Nachkriegsproduktion für alle Zeiten aus dem eigenen Index zu streichen.

Die Besonderheit, die Onkel Remus' Wunderland ausmacht, liegt im Herstellungsprozess. Dieser war grundlegend anders, als bei allen vorangegangenen, abendfüllenden Werken und den meisten, die noch folgen sollten. Im Gegensatz zu Pinocchio & Co. wurden den Chefzeichnern des Films um Milt Kahl, Eric Larson, John Lounsbery und Ollie Johnston nicht einzelne Figuren zugeteilt, für deren Auftreten im Film sie verantwortlich sein würden, sondern ganze Szenen. Eine weitere Neuerung bestand in der Zusammenarbeit von Milt Kahl und dem begnadeten Storyboard-Künstler Bill Peet, der für weite Teile des Storyboards von Onkel Remus' Wunderland  verantwortlich war. Bill Peet übernahm auch wichtige Aspekte des Charakterdesigns und stritt anschließend mit Kahl über die Details, wobei letzterer in der Regel die Oberhand behielt – auch wenn er ziemlich entrüstet war, als Milt Kahl Jahre später aus „seinem“ formschönen Dalmatiner Pongo eine riesenschnäuzige „dänische Dogge“ machte.

Hinsichtlich der Trickfilmsequenzen wird Onkel Remus' Wunderland in der Regel gnadenlos unterschätzt, was sicher auch damit zusammenhängt, dass eine (kritische) Betrachtung des Werks der weiten Bevölkerung schlicht unmöglich ist und der Film daher in der Öffentlichkeit keine Rolle spielt. Dabei sind gerade Milt Kahls Sequenzen fabelhaft, was der selbstkritische Meister selbst ähnlich sah.

Wer die VHS-Veröffentlichung der Riethmüller'schen Synchronisation ins Deutsche von 1982 nicht sein Eigen nennt, findet ebendiese in mehrere Teile zerlegt auf YouTube. Der von Milt Kahl gestaltete Abschnitt beginnt in diesem Video bei Minute 5:45 und findet seine Fortsetzung hier. Inhalt der Szene ist der Trick von Patzig, dem Fuchs und Brumm, dem Bär, mit dem sie Meister Lampe in die Falle locken wollen: aus Teer fertigen sie ein bekleidetes Teerbaby, das Meister Lampe zu dessen Verärgerung ignoriert, als er an ihm vorbeschreitet. Er beginnt einen Kampf mit dem unhöflichen Wesen, der darin endet, dass Patzig und Brumm, die zuvor auf sein Erscheinen gelauert hatten, dem verklebten Hasen der Freiheit berauben. Es beginnt ein – in erster Linie kommunikativer – Schlagabtausch, an dessen Ende Meister Lampe durch eine List entflieht. An dieser Stelle darf nicht unerwähnt bleiben, dass das schwarze Teerbaby ein Zeichen von ausgemachtem Rassismus ist – und nicht etwa eine Metapher, wie der unschuldige Betrachter zunächst denken mag – so die Deutung einiger Filmwissenschaftler.



Cel von Milt Kahl
(Quelle: Andreas Deja; Copyright: Walt Disney)
 

Die Sequenz, in der Meister Lampe, an den Ohren gehalten, dem Streit der beiden Feinde beiwohnen muss, wurde von Milt Kahl als die am Schwersten zu zeichnende seiner Karriere bezeichnet. Beim Betrachten des entsprechenden Stücks wird deutlich, weshalb – die drei Charaktere sind exakt aufeinander abgestimmt, befinden sich in rascher Bewegung, die Perspektive ist mitunter komplex.

Die Zeichnungen von Milt Kahl vereinen den Slapstick der früheren Zeichentrickfilme mit seiner außergewöhnlichen Präzision, sowohl, was die Qualität der Zeichnungen angeht, als auch der fabelhafte Fluss der Bewegung. Besonders schön animiert ist natürlich Meister Lampe in seinem Versuch, das Teerbaby zur Konversation zu bewegen und später aus den Klauen des Fuchses zu entkommen. Wie er zitternd, bibbernd, blitzgescheit, an den Ohren gehalten seinen Fluchtplan schmiedet, ist großartig, auch die Gedanken des naiven Fuchses zeigen sich in seiner makellosen Darstellung. Die Bildperspektiven, die vereinzelten Zoom-ins, gehen mit Sicherheit auf das Storyboard Bill Peets zurück und bringen die Komposition der Szene zur endgültigen Perfektion.

Es kann nur der Wunsch jedes Trickfilmfreundes sein, dieses Werk in bester Qualität im heimischen Regal stehen zu haben. Der Film ist in vielerlei Hinsicht erstaunlich, auch in seiner Rolle als frühes Werk nach dem Ende des Golden Age und darf in qualitativer Hinsicht als einläutendes Werk zum Wiederaufstieg der Walt Disney Studios gelten. Vermessen wäre, Onkel Remus' Wunderland nur als „Übergangstitel“ nach dem Zweiten Weltkrieg zu sehen, vielmehr handelt es sich um ein – in vielen Belangen – Meisterwerk, das es verdient hat, selbstständig im Disney-Kanon betrachtet zu werden.

Anankes Favorit

Milt Kahl ist den meisten Animationskennern vor allem auf Grund seiner karikaturistischen Zeichnungen ein Begriff. Er war ein Genie darin, Cartoon-Figuren so darzustellen, dass man authentische menschliche Gefühle in den übersteigerten Zeichnungen wiederfinden konnte. Während seiner Zeit als Animator war Kahl nur für eine Handvoll realistisch animierter Figuren wie Alice oder Prinz Philip zuständig, doch diese wenigen Glanzstücke zeigen, dass er mehr als fähig war, dieselbe Beobachtungsgabe für menschliche Emotionen auch in natürlicher Form in seine Zeichnungen einfließen zu lassen.
Von all den von ihm geschaffenen Filmcharakteren ist die für mich beeindruckendste die der Slue-Foot Sue, die große Liebe des Cowboys Pecos Bill, die im finalen Segment von Musik, Tanz und Rhythmus ihren kurzen, aber einprägsamen Auftritt hat.


Die Geschichten über Pecos Bill wurden erstmals 1917 von Edward O'Reilly in The Century Magazine veröffentlicht. O‘Reilly behauptete damals, es handele sich um althergebrachtes Volksgut, dass seit Generationen von den Cowboys überliefert würde - spätere Nachforschungen ergaben allerdings, dass er sich die Geschichten als „Fakelore“ selbst ausgedacht hatte. Seit diesen ersten Veröffentlichungen haben jedoch immer mehr Autoren ihren eigenen Beitrag zu dem Pecos Bill-Mythos beigetragen, so dass der furchtlose Cowboy heute in Amerika einen Platz einnimmt, der mit der Stellung „echter“ überlieferter Volkshelden wie Zorro oder Robin Hood ohne Probleme mithalten kann.

Milt Kahls Aufgabe war es, nicht nur diesen ultimativen Cowboy würdig umzusetzen, sondern ihm auch das ultimative Cowgirl gegenüberzustellen. Slue-Foot Sue war als Pecos Bills große Liebe von Anfang an Teil der Geschichten und die Disney-Version hält sich in diesem Fall sehr genau an das Ausgangsmaterial: Die erste Begegnung der beiden, bei der Sue auf einem Katzenfisch einhändig den Rio Grande entlangreitet wird genauso detailliert gezeigt wie Bills Heiratsantrag, bei dem er für Sue die Sterne vom Himmel schießt. Und auch wenn Sue in dieser Fassung eher mit ihrem Makeup als mit dem Revolver beschäftigt ist, lässt Kahl keinen Zweifel daran, dass wir es mit einem knallharten Präriemädchen zu tun haben: der absolute Traum eines jeden Cowboys.

Im letzten Teil der Western-Romanze gehen die verschiedenen Versionen auseinander und es ist bemerkenswert, dass man sich bei Disney für ein eher melancholisches Ende entschieden hat. Während alle Überlieferungen von der Hochzeit und von Sues tragischem Entschluss, Bills Pferd mit ihrer Tournüre reiten zu wollen berichten, herrscht über Sues endgültiges Schicksal Uneinigkeit: In manchen Geschichten wird sie von Bill gerettet, will aber nichts mehr von ihm wissen, in anderen hüpft sie so lange vergebens bis zum Mond, bis Bill sie mit einem Gnadenschuss tötet, um sie vor einem langsamen Hungertod zu bewahren. Der Disneyfilm schlägt mit Sues Landung auf dem Mond und Bills Rückkehr in die Wildnis eine Art Mittelweg ein, doch gemein haben alle Versionen, dass Pecos Bill den Verlust seiner einen wahren Liebe niemals ganz verwinden kann.

Gerade diese Darstellung von Sues Ende ist in ihrer Art wohl nur im Zeichentrickfilm möglich; allein in diesem Medium kann eine Szene, in der eine Frau von ihrer Tournüre bis zum Mond geschleudert wird, visuell realistisch dargestellt werden. Aus dem gleichen Grund war auch Milt Kahl der ideale Zeichner für das legendäre Liebespaar. Er verstand es wie kaum ein anderer, genau den richtigen Grad zwischen Karikatur und Realismus zu treffen, und so war er in der Lage, die legendenhaft-übertriebene Geschichte absolut überzeugend umzusetzen.


Auch der Charakter von Sue wird auf wundervolle Art wiedergegeben. Wenn die Geschichten neben ihren Fähigkeiten als Cowgirl auch nicht allzu viel über sie erzählen, so ist doch allein der Name aussagekräftig genug: Als ein slew-foot wird im Englischen eine spezielle Art des Bein-Stellens bezeichnet, bei der das Opfer von hinten umgeworfen wird. Diese leise Anspielung auf Sues Charakter wird in Kahls Zeichnungen ebenso subtil wiedergegeben; in jedem ihrer Augenaufschläge drückt sich eine Koketterie und Berechnung aus, die es mit Lady Tremaines Lächeln problemlos aufnehmen kann.

Auch wenn Slue-Foot Sue nur einen kurzen, stummen Auftritt im Disney-Kanon verbuchen kann, so hinterlässt sie doch einen nicht unerheblichen Eindruck. Lange Zeit hindurch war ihre Beliebtheit so groß, dass sie in Disneyland als Star ihrer eigenen Show auftrat: Disneyland‘s Horseshow Revue, die vom Eröffnungstag des Parks 1955 bis Ende 1986 durchgehend Zuschauer begeisterte und als am längsten laufende Bühnenshow überhaupt Geschichte schrieb.
Als rührende Zusatzinformation lässt sich erwähnen, dass Betty Taylor, die für mehr als drei Jahrzehnte die singende Saloon-Gastgeberin und Liebchen von Pecos Bill darstellte, 2011 genau einen Tag nach Wally Boag starb, dem Schauspieler, der als Pecos Bill über 25 Jahre mit ihr auf der Bühne stand.

Anders als Pecos Bill, der eher als lustiger Haudegen dargestellt wird, schuf Milt Kahl in Slue-Foot Sue ein echtes Rasseweib. Allein durch Aussehen und Mienenspiel zeigt sie eine Mischung von Koketterie und Wildheit, die sie - gerade für Disney-Verhältnisse - zu einer außergewöhnlichen Figur machen.

Das Ganze wird noch verstärkt durch eine leichte Karikatur, genug, um den Charakter ihres Äußeren noch weiter zu betonen, doch so wenig, dass sie jederzeit als reeller Mensch empfunden werden kann. Diese Übersteigerung der Sexualität ist vielleicht am ehesten vergleichbar mit dem Design von Jessica Rabbit, doch in Sue gelingt die Gratwanderung zwischen Cartoon und Sexbombe meiner Meinung nach erheblich geschickter und erfolgreicher als bei Jessicas platt übersteigerten Kurven.
Milt Kahl hatte die Aufgabe, für ein kurzes Segment eine stumme Nebenfigur zu animieren und schuf eine Legende. Das Ergebnis ist eine Figur, die es schafft, gleichzeitig das perfekte Western-Girl und die idealisierte Frau sowohl ihrer als auch unserer Zeit in sich zu vereinen.

Sir Donnerbolds Favorit

Als Zeichenkünstler mit einer sehr handwerklichen, perfektionistischen Herangehensweise wurde Milt Kahl sehr häufig die Aufgabe zugeteilt, Figuren zu verwirklichen, die nur schwer glaubwürdig umzusetzen schienen. Kahl zeichnete viele eher ernstere Figuren wie Anita in 101 Dalmatiner oder den erwachsenen Bambi, da man es im Disney-Studio nur ihm mit seiner scharfen Beobachtungsgabe zutraute, ihnen Leben einzuhauchen. Allerdings schlummerte in Kahl auch ein Künstler mit großem Gefühl für Dynamik und Timing, weshalb seine Tanzsequenzen zu den besten im Zeichentrickmedium gehören und er auch großartige komödiantische Rollen schuf, darunter etwa Merlin oder der bereits erwähnte Primus von Quack. Milt Kahls Bandbreite gehört für mich zu seinen bestechendsten Beiträgen zum Disney-Schaffen, aber sie wurde nicht immer derart wertgeschätzt.


Noch zu Beginn der 40er Jahre stichelten seine Kollegen, er sei unfähig, aufgedrehte, komödiantische Cartoonfiguren zu zeichnen. Dann aber übernahm er die Aufgabe, den Tiger im 1945 Goofy-Cartoon Tiger Trouble zu zeichnen. Kahl animierte ihn nahezu im Alleingang und lieferte eine derart fantastische Nebenfigur ab, dass die scherzhaft-gehässigen Bemerkungen seiner Mitarbeiter für immer verstummten. Tiger Trouble zeigt Goofy als Wildjäger im Dschungel, während ein Erzähler (in einer leichten Abkehr von der üblichen How to-Formel) nicht etwa Goofys Fortschritte kommentiert, sondern die bedrohliche Anziehungskraft des Dschungels sowie die Grazie des gefährlichen Tigers. Kahls Tiger jedoch ist ein schlacksiger, dürrer und bewusst "gummiartiger" Geselle, der sich von einer meisterlichen Pose auf überaus komische Form in die nächste präzise ummessenen Pose dehnt. Die "Weichheit", mit der die Bewegungen dieses Tigers von Statten gehen, ist eine radikale Abkehr von dem damals üblichen Disney-Stil und fände eher in einem Hanna-Barbera-Cartoon jener Ära Platz, wobei der Tiger, wenn er sich in Pose geschmissen hat, auch sehr viel Persönlichkeit ausstrahlt. Die Definiertheit, mit der Kahl diese schlacksige Witzfigur animierte, gibt dem Tiger einen richtigen Charakter, wodurch er sich von den gummibandartigen Randfiguren der frühen Schwarzweißcartoons abhebt, die nichts weiteres waren, als sich zur Musik dehnende Striche und Kreise. Tiger Trouble bietet jedem Liebhaber loser Animation mit Kahls Tiger ein furioses Beispiel für wagemutigen, selbstbewussten Einsatz von "Squash & Stretch".

Danach wurde Kahl gewissermaßen zum Studioexperten für gestreifte Großkatzen: Beim Dschungelbuch durfte Milt Kahl einen radikal anders gestalteten Tiger verwirklichen und schuf so einen der besten Disney-Schurken überhaupt. Kahl übernahm nahezu alle Szenen von Shir Khan (der Rest stammt von John Lounsbery) und verlieh dieser Figur mindestens so viel Gewicht, Schwere und Klasse, wie ihrem namenslosen Vetter Humor und Dehnbarkeit. Shir Khan ist nicht nur ein Beispiel dafür, wieviel Grazie, Seriösität und Bestimmtheit Kahl in eine Zeichnung legen konnte, sondern auch für sein die meisten seiner Kollegen in den Schatten stellende Beobachtungsgabe. Über die Jahrzehnte entwickelte Kahl ein derart umfassendes Verständnis dafür, wie sich die reale Anatomie eines Tieres in eine ausdrucksstarke Zeichnung übertragen ließ, dass er für Shir Khan bloß eine Woche lang Recherche über die Bewegung von Tigern betrieb – ein unfassbar kurzer Zeitraum.


Dass der bedrohliche, auf seine ganz eigene, strenge Art dennoch auch durchaus zu kleineren, bedrohlichen Scherzen aufgelegte, Shir Khan galant gestreift ist, hätte vielen anderen Zeichnern Albträume verursacht. Muster sind im Zeichentrick stets eine riesige Herausforderung, so musste sich Khans Streifenmuster glaubwürdig mit ihm mitbewegen und obendrein musste mit hoher Präzision gearbeitet werden, um Kontinuität zu wahren. Aufgrund dessen vermeidet man solche optischen Schmankerl üblicherweise im Zeichentrickmedium, sogar John Silvers gestreiftes Paar Hosen musste in Der Schatzplanet irgendwann ausgetauscht werden, weil die Animation dem Team Kopfschmerzen bereitete – und dieser Film profitierte immerhin von mehreren Jahrzehnten technischer Optimierung. Kahl hingegen hatte kein Problem mit den Streifen – ganz im Gegenteil sogar. Seiner Meinung nach halfen sie ihm, die richtige Form für Shir Khan zu finden und stets im Blick zu halten, wo sich der Bewegungsschwerpunkt befinden muss.

Mit Shir Khan war jedoch nicht Kahls letzter Tiger gezeichnet. Ein paar Jahre später fand sich mit Tigger gewissermaßen der Mittelweg zwischen den zwei Großkatzen-Extremen: Winnie Puuhs sprunghafter Freund ist eine hibbelige, vitale Figur, doch auch mehr als ein ein reines Comedy-Element und obendrein auch noch ein (lebendiges) Stofftier mit einer gewissen Selbstverliebtheit, vielleicht sogar Arroganz. Tigger konnte also nicht derart betont und geziemt wie Shir Khan, aber auch nicht dermaßen beweglich wie der Tiger aus Tiger Trouble sein. Und auch mit seinem dritten Tiger traf Kahl genau ins Schwarze:



Dies wären unsere Anmerkungen zum großen Schaffen des vielseitigen Künstlers Milt Kahl. Und somit schließt sich auch unser erste Artikelzyklus. Der kommende Wonnemonat Mai macht in unserem Fanprojekt "Im Schatten der Maus" alles neu. Euch erwarten neue Artikelreihen, in denen wir wieder Woche für Woche einen Aspekt der gewaltigen Welt Disneys genauer beleuchten.

2 Kommentare:

Andreas Deja hat gesagt…

Fantastische Beschreibung des genialen Talents von Milt Kahl.

Sidney Schering hat gesagt…

Herzlichen Dank! Aus diesen Tasten ist das ein ungemeines Kompliment.

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