Dienstag, 3. April 2012

Die Piraten! – Ein Haufen merkwürdiger Typen


Weshalb ich in meinem Umkreis weder eine 3D-, noch eine OV-Aufführung des jüngsten Spaßes aus dem Hause Aardman Animation ausmachen konnte, kann ich mir beim besten Willen nicht erklären. Doch ich brauche einfach meinen regelmäßigen Fix an neuer Filmpiraterie (äh ... das klingt irgendwie falsch ...), also ging's für mich zum Spottpreis ins unsympatische, unheimelige Kino in nächster Nähe. Was mich dort erwartete, war rarer als eine geschenkte Buddel voll Rum: Ein absolut leerer Kinosaal. Manchmal schmeißen mich dann grummelige Kinoangestellte mit der Begründung raus, dass der Aufwand, den Film nun vorzuführen, mehr Energie und Geld kostet, als das Kino an mir verdienen würde. Dieses Mal hingegen war mir das Glück eines Bukaniers hold, und so kam ich in den Genuss einer piratigen Privatvorstellung ...

Der Piratenkapitän namens Piratenkapitän hat eine aus obskuren Gestalten zusammengewürfelte, ihn bedingungslos verehrende Mannschaft hinter sich stehen. Nicht aber Fortuna: Seit Jahren begehrt er erfolglos den prestigeträchtigen Preis "Pirat des Jahres", doch mit seinen eintragslosen Beutezügen bleibt der Piratenkapitän in den höheren Seeräuberkreisen eine Lachnummer. Auch dieses Jahr hat er nicht einmal Außenseiterchancen auf diesen Titel, denn die energische Enteroffensive führt nur von einem frachtlosen Schiff zum nächsten. Als die merkwürdige Piratenbande allerdings ein Forscherschiff einnimmt, scheint die große Stunde des glücklosen Kapitäns gekommen: Auf dem Schiff befindet sich auch Charles Darwin, der sich gerade nach einer misslungene Expedition auf dem Rückweg nach London befindet.
Der bei Frauen alles andere als ein gutes Händchen beweisende Wissenschaftler bemerkt, dass der vermeintliche Papagei des Piratenkapitäns in Wahrheit ein seltener Vogel ist und wittert mit ihm den Gewinn des Preises für den "Wissenschaftler des Jahres". Während sich der Piratenkapitän von dieser Auszeichnung reichlich Gold verspricht, hofft Darwin, durch diese Ehrung endlich auf Frauen attraktiv zu wirken. Die Wissenschaftlermesse findet jedoch in London statt, dem Machtzentrum der erbarmungslosen Piratenjägerin Queen Victoria ...

Peter Lord (Chicken Run) und Co-Regisseur Jeff Newitt füllten ihren Stop-Motion-Film entgegenfrüherer Traditionen mit einigen computeranimierten Elementen. Doch das CGI-Wasser und der Pixelhimmel fügen sich aufgrund der gänzlich im typischen Aardmanstil gehaltenen Optik nahtlos in das Plastilinuniversum der Aardman Studios. Diese warten mit einem fast 400 kg schweren Piratenschiff, das in rund 5.000 Arbeitsstunden geplant und handgefertigt wurde, über 400.000 Goldmünzen, 220.000 weiteren Gegenständen und natürlich auch liebevollen, durch und durch einzigartigen Figuren auf, deren Design an das von Wallace & Gromit erinnern und für die 6.800 Puppenmünder angefertigt wurden, wovon allein 1.300 für den besonders ausdrucksfähigen Piratenkapitän bestimmt waren.

Die liebevolle Handarbeit macht einen großen Teil des schwer widerstehlichen Charmes von Die Piraten! aus, und das sowohl für ein kindliches (oder kindgebliebenes) Publikum, als auch für ein erwachsenes. Ersteres erfreut sich an den außergewöhnlichen Figuren, vom "überraschend kurvenreichen Piraten" bis zum bald nur noch aus Ersatzteilen bestehenden Crewmitglied, letzteres an der kunstvollen Handwerkskraft der passionierten Trickfilmer aus Großbritannien. Diese haben auch zahllose verrückte Details in den Film eingebaut, die am Kinderpublikum vorbeisausen dürften und Lust auf eine DVD/Blu-ray-Neusichtung machen. Wobei ich glaube, in meiner Privatvorstellung dank mangelnder Ablenkung auch sehr viel entdeckt zu haben. Da lesen Figuren im Hintergrund eine Piraten-Depesche, in der Blackbeard seine tolle Strandfigur vorführt und betrauert der Piratenkapitän in einem Ölgemälde einen Schwanentod – es gibt kaum eine Szene und kein Set, wo es nicht etwas zu entdecken gibt. Sogar TARDIS soll es in den Film geschafft haben, wobei ich Doctor Whos Raum- und Zeitmaschine nicht ausmachen konnte.

Folgendes mag nun zu harsch klingen, soll es aber nicht sein: Die zahlreichen Randentdeckungen braucht's in Die Piraten! auch, denn der Plot ist ebenso routiniert-durchschnittlich, wie er auch flott erzählt wird. Die Story ist schnell durchschaut, und  auf Spannung wird eh kaum gesetzt. Was begeistern soll, sind die amüsanten, teils neurotischen Figuren sowie das Gagfeuerwerk. Der Slapstick ist gut abgestimmt, manchmal auch einfallsreich, immer wieder furios sind aber die toll eingebundenen Anachronismen sowie Filmanspielungen. In einem Film, in dem der Begründer der Evolutionstheorie und ein Schimpanse vorkommen, sind Referenzen auf ein gewisses Science-Fiction-Meisterwerk unvermeidlich, und genau an der Stelle hat es mich im Kino auch völlig zerrissen.

Die Synchronarbeit fand ich recht akzeptabel. Die auf dem Plakat angekündigten Promis haben allesamt eher überschaubare Rollen. Bettina Zimmermann gibt verrucht eine Piratenamazone, der aber das exotische Flair einer Selma Hayek fehlt, Joko Winterscheidt klingt als prahlerischer Überpirat in manchen Szenen wie Dietmar Wunder, Klaas Heufer-Umlauf ist nicht wiederzuerkennen und somit wohl nur im Film, damit er mit Joko & Klaas werben kann. Etwas enttäuscht bin ich von Patrick Winczewski (unter anderem Stammstimme von Hugh Grant) der in der Hauptrolle (im Original: Hugh Grant) eher farblos bleibt.

Fazit: Die Handlung hätte meiner Ansicht nach mehr Pfeffer vertragen können oder alternativ den verrücktesten Piraten im Portfolio des Films mehr Aufmerksamkeit schenken dürfen. Aber die liebevoll-geniale Trick- und Setarbeit sowie zahlreiche Anachronismen und Randgags machen Die Piraten! zu einem turbulenten Knetabenteuer mit britischer Attitüde, das dem geneigten Piraten- oder Aardman-Liebhaber ein Lächeln ins Gesicht zaubern wird.

12 Kommentare:

Antje hat gesagt…

Hat Patrick Winczewski Klaus-Dieter Klebsch als Stammsprecher von Hugh Laurie beerbt? Ich wusste gar nicht, dass sich in der Hinsicht etwas geändert hat...

Sir Donnerbold hat gesagt…

Ne, ne, Winczewski spricht den anderen großen Hugh.

Antje hat gesagt…

Jetzt habe ich Angst... Du hast das doch gerade geändert, oder? Oder hab ich mich wirklich so sehr verlesen?

Luanalara hat gesagt…

Ist doch auch richtig mit Winczewski, schließlich spricht ja auch Hugh Grant den Piratenkapitän und nicht Hugh Laurie.^^ Kleiner Hugh-Verdreher. *g*

Ich würd den Film auch liebend gerne im Original sehen, schließlich gibt's ja Martin Freeman und David Tennant, aber das ist ja eher unwahrscheinlich. Vielleicht krieg ich aber eine "nomale" Vorstellung unter.^^

Müsste da allein deswegen rein, weil ich Gideon Defoes Buch dazu gelesen hab - ist allerdings schon ein paar Jahre her. Total sinnlos, aber irgendwie gut. *g*

Antje hat gesagt…

Ich war felsenfest davon überzeugt, dass da vorher stand, dass Winczewski die Stammstimme von Laurie ist. Aber vermutlich kann ich einfach nur nicht lesen. *g*

Ach, wursch'd...

Sir Donnerbold hat gesagt…

Also, den Hinweis auf Laurie im Original muss ich wohl auf meine Kappe nehmen, da kam mir meine Müdigkeit dazwischen. Ich wusste zwar, dass es Grant im Original ist, aber wenn man gerade erschöpft und froh ist, mal wieder was für den eigenen Blog zu Ende gebracht zu haben ... Ich brauch Urlaub. :-p

Antje hat gesagt…

Und ich scheinbar nicht - na Gott sei Dank! Um diese Uhrzeit kann ich ja noch einen schönen (entspannten) Tag wünschen! :-)

Dr-Lucius hat gesagt…

Wenn schon Verschreiber oder Verleser, was ist den "Bukanieren"?? (im 1. Absatz) :--)
(Der weisse Neger Wumbaba lässt grüßen..)

Sir Donnerbold hat gesagt…

Ein Bukanier ist ein karibischer Seeräuber, also weiß ich nicht, wie du auf den berüchtigten Wumbaba kommst. Ein Oxymoron unbeabsichtigtes ist nicht gegeben, bloß eine inkorrekte Beugung, und die rechtfertigt den Gruß ja nicht. Oder stehe ich auf'm Schlauch?

Dr-Lucius hat gesagt…

Nö, aber war doch lustig.
Apropos 3D: Ich nehme mal an, dass Du nicht in Titanic 3D gehst, oder? :-)

Sir Donnerbold hat gesagt…

Seltsam, irgendwie sehe ich, dass du zwei Zeilen gepostet hast, aber nach der ersten schalte ich plötzl

Dr-Lucius hat gesagt…

Tja, der Trailer lief letzthin vor Hugo Cabret. Ich nehm zukünftig ne Taschenflasche Cognac mit...

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