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Sonntag, 15. April 2012

Der unglaubliche Hulk


In wenigen Tagen startet endlich Marvels The Avengers in den Kinos, das von langer Hand geplanter und mindestens ebenso lang erwartete Treffen einiger der größten Superhelden in ihrem bislang bombastischsten Leinwand-Abenteuer. Iron Man, Captain America und Thor kehren darin in altbekannter Form zurück, so wie das Kinopublikum sie in ihren eigenen Filmen kennenlernte. Auch der grüne Riese Hulk ist Teil dieser Helden-Zusammenkunft, wird jedoch von einem anderen Darsteller verkörpert. Das dürfte einer der Gründe sein, weshalb nun, zum Höhepunkt des Avengers-Vorabhypes, Der unglaubliche Hulk eine derart unterbetonte Rolle spielt. Hinzu kommt, dass er als einziger Film des "Marvel Cinematic Universe" in den USA von Universal vertrieben wurde – und man wird bei Universal wohl kaum einen Finger rühren, um Werbung für einen von Disney vertriebenen Kinofilm zu rühren, von dem wiederum Paramount Pictures eine Gewinnbeteiligung erhält. Zu guter Letzt ist Der unglaubliche Hulk von allen Filmen des Avengers-Universums der, mit dem schwächsten Kritiker-Feedback. Und wenn ihr mich fragt ... ist das vollkommen unberechtigt.

Vielleicht schadete auch die vom Publikum äußerst kritisch aufgenommene Hulk-Verfilmung aus dem Jahr 2003 der Kino-Popularität des wütenden Riesen. Ursprünglich war es vorgesehen, dem Film von Ang Lee im Mai 2005 eine Fortsetzung zu spendieren, aufgrund der niedrigen Einnahmen ließ Universal aber die Lizenz verfallen. So fiel sie in die Hände Marvels zurück, die somit Hulk in einem Kino-Reboot zum Teil des "Marvel Cinematic Universe" machen wollten. Dennoch erzählt Der unglaubliche Hulk die Geschichte des Vorgängers weiter, da sich die Filmemacher, vor allem Regisseur Louis Leterrier (Transporter II) und Hauptdarsteller Edward Norton, gegen eine weitere Origin-Story sträubten.

Deswegen erzählt Der unglaubliche Hulk, was Bruce Banner (Edward Norton) widerfährt, nachdem er vom Militär gejagt wurde und untertauchte. In Brasilien versucht er, eine neue, unauffällige Existenz aufzubauen. Er ist Hilfsarbeiter in einer Fabrik für Guarana-Limonade und macht Meditations- sowie Atemübungen, um sich bei steigender Aufregung wieder zu beruhigen, so dass die Verwandlungen in den mächtigen Hulk unterdrückt werden. Außerdem unterhält er digitalen Kontakt zu einem Wissenschaftler, der ihm per Fernbehandlung alternative Wege unterrichtet, die Gammastrahlen-Vergiftung zu heilen. Diese scheitern allerdings konstant, weshalb "Mr. Blue" Bruce auffordert, sich zu ihm in Behandlung zu begeben.

Eines Tages gerät ein Tropfen von Bruces Blut in eine der Limonadenflaschen. Als ihn den USA ein älterer Herr (CAMEO!) von diesem Getränk umgehauen wird, gelingt es dem Militär, seine Spur aufzunehmen. Als sie ihn in stellen wollen, gerät dieser in einen Kampf mit einigen aggressiven Mitarbeitern der Limo-Fabrik, weshalb er sich in den Hulk verwandelt. Der in die Jahre gekommene, kampfeslustige Soldat Emil Blonsky (Tim Roth) bestaunt Banners Verwandlung, die Stärke und Unbezwingbarkeit des grünen Monsters. Erpicht, ebenfalls so kraftvoll zu werden, fordert er seinen Vorgesetzten (William Hurt) auf, ihn in die unter Verschluss gehaltene Sache einzuweihen.

Derweil gibt Banner, von der Sehnsucht seine Geliebte Betty (Liv Tyler) wiederzusehen, dem Drängen Mr. Blues nach, und reist zurück zur Culver University in Virginia, um dort die Daten über das misslungene Experiment zu besorgen, das ihn in dieses zwiegespaltene Wesen verwandelte und von denen er sich erhofft, dass sie Mr. Blues Heilversuche vorantreiben kann. Das Militär hat selbstredend andere Pläne mit Bruces Zukunft und den in ihm schlummernden Mächten ...

Ein "Requel" der gelungenen Art
Der unglaubliche Hulk befand sich in der misslichen Lage, entweder einen vom Publikum gehassten Film fortzuführen, oder nur wenige Jahre nach der Origin-Story des Hulk alles nochmal zu erzählen. Selbstredend hätte Marvel seinen ersten komplett selbstproduzierten Hulk-Film nach hinten verschieben können, dies war allerdings kommerziell unklug, weil man seine Wegstrecke zu Die Avengers mit einigen der populäreren Helden pflastern wollte. Und da gehört Hulk nunmal dazu. Wie sich die Filmemacher letztlich aus dem Dilemma rauslawierten, ist gewiss nicht jeden Kinogängers Bier: Der unglaubliche Hulk geht in medias res der fiktiven Vita des Antihelden. Vor allem Nichtkenner des Hulks könnten Probleme haben, sich anhand dieses Films emotional an Bruce Banner/ den Hulk zu binden. Dahingehend hilft es, dass der selbst bei den finstersten Rollen ein gewisses Grundcharisma ausstrahlende Edward Norton die Hauptrolle übernahm. Die fertige Filmfassung nutzt Bruce Banners Wunsch, das in ihm schlummernde Böse loszuwerden, nicht als Startrampe für ein Superhelden-Charakterdrama, sondern schlicht als Handlungsmotor, der die Geschichte in Gang setzt. Dennoch schafft es Norton mit einer ansprechenden Mixtur aus Routine und Hingebung für die Rolle, das Duale seiner Figur zu betonen. Es ist zwar ein von der Action an den Rang gedrängter, dennoch ein gefallender Charakterbogen, dass Bruce Banner im Laufe des Films erkennen muss, dass er seinen inneren Hulk nicht zu bezwingen, sondern zu zähmen hat.

Regisseur Louis Leterrier, der mit dem zu keinem Zeitpunkt stoppenden Transporter II ein weniger meta-cineastisches, ironisches Vorläuermodell der Crank-Filme auf die Beine stellte, setzt bei Der unglaubliche Hulk ein hohes Tempo an, ohne unsinnig durch die Handlung zu hetzen. Mit einer sehr dynamischen Kameraführung, flottem Witz (vor allem über die Hulk-Mythologie) und zielgerichtetem Schnitt sorgt er dafür, dass der Film nie zähflüssig wird. Darunter leiden ein wenig die Handlungswendepunkte, die auf archetypische Bilder und Dialoge reduziert werden - nicht so sehr, dass es nervt, aber es lässt die Geschichte emotional abflachen. Dafür ist die Action super: Bombastisch, abwechslungsreich und vor allem übersichtlich. Das kann Michael Bay zum Beispiel nicht mehr ... Außerdem sind die Effekte überzeugend, Hulk und sein monströser Widersacher Abomination sehen nicht wie cartoonige Computerhelden aus, sondern fügen sich mit detaillierter Oberfläche und Ausdrucksstärke in das reale Umfeld ein.

Die Nebendarsteller sind durchwachsen: William Hurt ist cool, aber unterfordert, Liv Tyler überzeugt mich nur in ihren raren Comedyszenen, der Rest ist nicht weiter der Rede wert. Abgesehen von Tim Roth. Roth steigert sich mit verbissener Coolness in seine Rolle hinein. Natürlich ist es plakativ, wie er den tobenden Hulk neidisch angiert, selbstredend ist der übertrieben selbstbewusste Blick eindimensional ... Aber es ist eine beabsichtigte, dick aufgetragene und coole Performance.

Der unglaubliche Hulk ist durch sein emotionales Understatement und die nicht zündende Liebesgeschichte zwischen Betty und Bruce Banner "nichtssagender" als mein Marvel-Filmfavorit Captain America, aber die Action ist gelungen und weiß dank einer gelungenen Darbietung von Edward Norton sowie tollen Effekten sehr gut zu unterhalten. Nach der ersten Sichtung des "Marvel Cinematic Universe" hätte ich ihn über Thor gesetzt, mittlerweile wohl nur noch knapp unter ihn. Allerdings finde ich ihn noch immer besser als Iron Man 2 und finde, dass er etwas mehr Anerkennung verdient hat. Vielleicht kann sich der Hulk in The Avengers wieder etwas mehr Respekt erkloppen ...?

TV-Hinweis: Der unglaubliche Hulk ist heute, dem 15. April 2012,um 20.15 Uhr in der gekürzten FSK-Fassung ab 12 Jahren auf RTL zu sehen.

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