Visual Pun
Man könnte sagen, dass die ARD-Kultserie Türkisch für Anfänger über die Berliner Jugendlichen Cem (Elyas M’Barek) und Lena (Josefine Preuß), die sich allen Vorurteilen über Deutsche und Deutschtürken zum Trotz ineinander Verlieben, zurückkehrt. Treffender wäre es wohl, von einem Neuanfang zu sprechen. Denn statt die Geschichte fortzuführen, erzählt der Kinofilm alles nochmal von vorne. Das soll Nicht-Kenner der Serie ins Kino locken. Und damit sich die Serienfans nicht langweilen, wird alles auf den Kopf gestellt. Statt sich als Stiefgeschwister in der Migrationsmetropole Berlin kennen zu lernen, begegnen sich Cem und Lena in einem Touristenflieger, wo sie sich auf Anhieb unsympathisch sind. So, wie das Leben nunmal spielt, stürzt das Flugzeug ab, und beide stranden zusammen mit Cems Schwester und einem stotternden Griechen auf einer verlassenen Insel.
Die Idee eines "Elseworld"-Kinofilms finde ich ja noch ansprechend. Comicfilme setzen ja auch selten die (aktuelle) Comic-Kontinuität fort, sondern drehen mit ein paar größeren und vielen kleineren Freiheiten ihr eigenes Ding. Die Umsetzung ist jedoch vollkommen missglückt. Statt euch meine "offizielle" Kinokritik in anderen Worten wiederzukauen (ihr findet sie an dieser Stelle), möchte ich das hier im Blog übliche Kritiken-Format aufbrechen und Form einer kleinen Liste aufzählen, was die größten Schwächen des Films sind, und was mir an dieser insgesamt recht ärgerlichen und langwierigen Komödie gefiel.
Schwächen von Türkisch für Anfänger: Der Film
- Cem ist im Film ein vollkommener Unsympath, der vom Drehbuch jedoch in seiner Arroganz bestätigt wird, da das Inselabenteuer mit gefährlichen Einwohnern, knappem Proviant und Bedrohungen durch die Natur dem Mann die Rolle des Jäger und Sammlers zukommen lässt, während Lena das zickende Weibsbild spielen darf.
- Auch Lena ist in ihrer Kinoversion (nach dem Flugzeugabsturz) nicht weiter eine charmante, politisch-inkorrekte Persiflage, sondern eine neurotische Zicke, die alles besser weiß und stark tut, aber letztlich nicht aufhört, über die Situation rumzuflennen.
- Lenas Mutter Doris (Anna Stieblich) ist absolut unerträglich.
- Der Film mag sich nicht entscheiden, ob die Inselgefahren nun komisch oder bedrohlich sein sollen, so dass spannend gedachte Szenen unaufregend, und komisch gemeinte Szenen oft irritierend sind.
- Spätestens nach der 80-Minuten-Marke gibt es drei, vier Stellen, wo der Film perfekt zum Ende überleiten könnte, doch jedes Mal geht er immer abstrusere Wege, um Konflikte neu aufzurollen und zu dramatisieren.
- Die Gags kommen nach dem Absturz nur noch mit dem Holzhammer, aus der scharfsinnigen, manchmal frechen Serie wird eine deutsche Standardkomödie der Marke Resturlaub.
- Frederick Lau spielt Lenas suizidgefährdeten Alibi-Freund. Casting-Gag!
- Wenn der Film aus seinem Format ausbricht und die Figuren eher sketchartig in ganz andere, kurze Situationen wie ein sexistisches Rapvideo oder einen RAF-Sextraum steckt, veretzt er die Serienfiguren so lange in fremde Settings, wie die Ideen auch aufgehen. Der ganze Inselkram hätte ebenfalls nur eine Vignette sein sollen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen