Montag, 19. März 2012
Der Michelangelo der Animationskunst ...
... verstarb heute vor 25 Jahren. Milt Kahl, geboren am 22. März 1909 in San Francisco, war einer von Walt Disneys vertrauten Nine Old Men und bestach mit seinem Intellekt, seiner großen Passion für das Zeichenhandwerk, einer vorbildlichen Arbeitsmoral, mühevollen wie auch erkenntnisreichen Analysen seiner Zeichenobjekte sowie mit dem ungehobeltsten Mundwerk in den ganzen Disney-Studios. "Als ich Milt zum ersten Mal traf, war sein Wortschatz derart mit Schimpfwörtern gepfeffert, dass man niemals geahnt hätte, welch hohen IQ er hat", merkte zum Beispiel Disney-Legende Ken Anderson bezüglich Milt Kahl an. Dieser bezeichnete sich selbst als perfekt für die Kunstform des Zeichentricks, und was nach schierer Arroganz klingt, ist eine treffende Selbsteinschätzung eines seinen Kollegen stets eine hilfreiche Hand anbietenden Genies, das von seinen zahlreichen Schülern wie Andreas Deja und Brad Bird als einer der besten seines Fachs geschätzt wird.
Milt Kahls Durchbruch kam mit dem zweiten abendfüllenden Disney Meisterwerk, Pinocchio. Da sich die Geschichte in den USA Ende der 30er größerer Bekannt- und Beliebtheit erfreute, als die von Schneewittchen und die sieben Zwerge, zugleich aber Pinocchio als unsympathische Figur empfunden wurde, sorgte die Planung von Pinocchio bereits für arges Kopfzerbrechen. Die größte Herausforderung war aber das Design der Disney-Variante von Pinocchio, da sie sowohl kindlich und echt, aber auch marionettenhaft und künstlich aussehen musste. Milt Kahl fand das (vermeintlich) finale Design von Ollie Johnston und Frank Thomas abstoßend und trug seine Beschwerde dem Regisseur Ham Luske vor, der ihm vorschlug, sich an einer Alternative zu versuchen. Kahls Vorschlag wurde angenommen und ihm wurde die Animation der meisten Szenen mit Pinocchio zugeteilt.
In den 50ern und 60ern erhielt Kahl mit Alice, Peter Pan, Wendy und dem Prinzen aus Dornröschen eine menschliche, ernste Figur nach der anderen. Kahl beschwerte sich über diese Eintönigkeit und diese Schubladenbesetzung, fühlte sich allerdings auch geschmeichelt, da ihm diese herausfordernden Aufgaben nur aufgrund seiner Expertise zugetragen wurden. Kahl konnte aus diesem Rollenschema wieder ausbrechen, als er für Walt Disney's Wonderful World of Color Donalds Gelehrten jedoch auch wirren, aus Wien stammenden Großonkel Primus von Quack erfand und den majestätischen, dennoch auch ab und an leise scherzenden Shir Khan in Das Dschungelbuch zeichnete.
Kahl lehrte seinen Kollegen und Schülern den Wert von charaktertypischen Posen und genauer Beobachtung dessen, was man Zeichnen möchte. Für ihn war die Zeichenkunst nichts, was aus dem Bauch heraus entschieden wird, sondern von handwerklichen Fähigkeiten und dem Intellekt abhängt. Für ihn war der Schaffensprozess das Entscheidende, weshalb er auch die Wiederverwendung alter Animation, etwa das Umwandeln von Schneewittchens Tanz mit den Zwegen zur tanzenden Marian in Robin Hood, geradezu verabscheute. Kahl mag zwar stets Hilfe angeboten haben, doch ebenso ehrlich war er auch, wenn ihn etwas störte, weshalb er zu professionellen, nicht aber freundschaftlichen Kontakten mit anderen Disney-Künstlern tendierte. Für Milt Kahl zählte allein die durchdachte Zeichenarbeit, Wolfgang Reithermans spätere Filme wie Bernard und Bianca sieht er als bestenfalls mittelmäßige Ergebnisse absoluter Faulheit an, in der seine eigenen oder Frank Thomas mühevolle Zeichnungen versinken.
Im Rahmen von Im Schatten der Maus folgt nächsten Monat hier im Blog ein Tribut an Milt Kahls Schaffen.
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