Dienstag, 28. Februar 2012
(500) Days of Summer
Geschichten, in denen ein Junge einem Mädchen begegnet, kennen wir zu genüge. Sie alle sind Liebesgeschichten. Bis auf diese. In (500) Days of Summer lernt ein an die Liebe glaubender, junger Mann eine quirlige, süße junge Frau ... Und erlebt den reinsten Beziehungsalbtraum. Klingt nicht sonderlich ungewöhnlich? Ist es aber, denn Regisseur Marc Webb inszeniert Scott Neustadters unter Hilfestellung von Michael H. Weber verfasste, semi-autobiografische Antiromanze mit schrägem Einfallsreichtum und emotional verkaterter Nachdenklichkeit. (500) Days of Summer gibt vor, eine dieser Garden State imitierenden Indie-Romanzen zu sein, nur um dann den Traum der schrägen, selbsttherapeutischen Liebe zu dekonstruieren. Nicht, dass Garden State von einem Sockel gestoßen werden muss, Zach Braffs Regiedebüt ist ein Meisterwerk. Aber die in seinem Fahrwasser entstandenen Coming-of-Age-Indie-Romcoms für "Ich bin nicht Mainstream!"-Kids? Nun, die schon eher, denn sie sind emotional viel eindimensionaler, als sie sich geben. (500) Days of Summer dagegen könnte auch im Scrubs-Universum spielen, ist aber, wie auch Garden State, weniger schrill. Und nunmal längst nicht so optimistisch. Dass er einen trotzdem mit positivem Lebensgefühl zurücklässt, gehört zu seinen größten Stärken. Aber schön der Reihe nach ...
Der junge Grußkartendesigner Tom (Joseph Gordon-Levitt) wäre lieber ein Architekt, der das Erscheinungsbild von Los Angeles perfektioniert. Aber Tom ist keiner, der groß die Initiative ergreift. Deshalb hält er sich auch zurück, als er erstmals seine neue Kollegin Summer (Zooey Deschanel) erblickt, in die er sich Hals über Kopf verliebt. Eine Reihe von Zufällen führt die beiden aber etwas näher, selbst wenn es nicht zur großen, überglücklichen Beziehung reicht. Denn Summer ist felsenfest davon überzeugt, dass es die Liebe nicht gibt, weshalb sie mit Tom nur befreundet sein möchte. Und dennoch führen sich die beiden wie ein junges Pärchen auf. Mit den unvermeidlichen Höhen und Tiefen. Am absoluten Tiefpunkt angelangt, überdenkt Tom nochmal seine Beziehung mit Summer: War sie stets ehrlich und er war es, der sich unentwegt schön redete? Oder ist Summer tatsächlich eine eiskalt berechnende Schlampe, die Tom in ihre Falle lockte?
Eine Antwort ist so leicht nicht zu finden. (500) Days of Summer erzählt in unchronologischer Reihenfolge (leicht goutierbar durch einen Countdown gekennzeichnet) von unterschiedlichen Punkten in Toms 500 Tagen Gefühlschaos. Berichtet wird zweifelsohne aus der stark eingefärbten Perspektive Toms - was ihn zu einem unzuverlässigen Erzähler macht und dem Film viel seines genüsslichen Humors verleiht. Dieser dient wiederum dazu, um die sehr lebensnahen Beobachtungen über das Liebesleben junger Heranwachsender dieser Generation leichtfüßig distanziert darzustellen. (500) Days of Summer weiß nämlich wo es wehtut, und drück auch sehr gerne auf diese wunden Punkte - umso erheiternder sind dann aber auch die sonnigen Momente dieser ungewöhnlichen "Romantikkomödie ohne Liebe".
Die eingefärbte Erzählweise beeinflusst insbesondere Zooey Deschanels Darstellung der Summer, die in sich schlüssig, aber auch verteufelt ambivalent ist. Nicht umsonst beschrieben die Filmemacher Summer nicht als eine Figur, sondern "eine Phase": Mal gibt Deschanel ihre typische "Manic Pixie Dream Girl"-Masche zum Besten, die sie auch in Der Ja-Sager und New Girl abspulte, dann ist sie plötzlich distanziert, emotionslos, fast schon boshaft. Denn in der Erinnerung überzieht Tom Summers Art je nachdem, wie er die jeweilige Situation empfand. Wodurch Summer zur Meisterin der widersprüchlichen Signale macht. Sie sagt, sie wolle keine Beziehung, und gibt ihm dann nonverbal das Zeichen, sie nicht aufzugeben, dass seine Gefühle erwidert werden. Auch wenn Tom zum Ende des Films wohl seine Antwort gefunden hat, wie Summer so tickt, überlässt Marc Webb die Wertung dem einzelnen Betrachter.
Die meisten Punkte sammelt (500) Days of Summer mit den einfallsreichen Kernsegmenten, die fröhlich mit der Form dieses Films und den Genrekonventionen spielen. So unterstreicht eine liebevolle Parodie fröhlicher Musical-Tanzeinlagen in sonnenumschmeichelten Parks einen von Toms Höhepunkten in diesen 500 verqueren Tagen emotionaler Bindung, während der Tiefpunkt europäische Kunstfilme (unter anderem der Marke Ingmar Bergman) imitiert. Eine der handwerklich beeindruckendsten und die wohl emotional mitreißendste Szene stellt die herbe Divergenz zwischen Erwartungshaltung und Realität via Splitscreen dar - wohl jeder hat einen solchen eigentlich hinnehmbaren Abend durchgemacht, der aufgrund der träumerischen Hoffnungen zur Tortur wurde und (500) Days of Summer macht diese Qualen sichtbar.
Wenn mich etwas an (500) Days of Summer stört, dann dass Gordon-Levitts Rolle zu sehr davon lebt, dass der (männliche?) Betrachter unentwegt seine eigenen schlechten Erfahrungen in ihre Leidensgeschichte hinein projiziert. Auf dem Papier ist Toms Handeln nur bedingt nachvollziehbar, und es sind allein die Lücken in der Charakterisierung von Toms und Summers Beziehung, die es dem Publikum ermöglichen, sich einfach selbst in diese Handlung einzufügen - und so mitzuleiden. Selbstverständlich ist es für eine künstlerisch einfallsreiche, vor allem aber unterhaltsame Romantikkomödie eine große Leistung, dass man beim Betrachten als Zuschauer seine eigene Vergangenheit einhergehend reflektiert, jedoch verlässt sich diese ein Stück zu sehr darauf. Mehr eigene Persönlichkeit hätte Tom in meinen Augen nicht geschadet.
Dennoch: Viele geniale Einfälle, ein bewegender Soundtrack und eine leichtfüßige, wie ambivalente Gesamtstimmung. Die Indie-Antiromanze für jeden, der endlich Sommer haben will. (*10 Euro in die Wortspielkasse*)
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