Montag, 30. Januar 2012

Prom


Als Rich Ross die Leitung der Disney-Filmstudios übernahm, versprach er eine in zwei Richtungen divergierende Entwicklung: Mehr Jugendliche und Erwachsene ansprechende Großproduktionen wie Fluch der Karibik auf der einen Seite (wenn möglich allesamt mit Fortsezungsmöglichkeiten), mehr ultrakleine Produktionen auf der anderen. Das Mittelfeld der cineastischen Größenordnung wollte Disney dagegen der Konkurrenz überlassen.

Das erste dieser kleinen Projekte sollte die Jugend-Dramödie Prom sein, die gerade einmal acht Millionen Dollar kostete und im Vorfeld als moderner John-Hughes-Film angepriesen wurde. Ganz im Stil von Der Frühstücksclub oder Das darf man nur als Erwachsener. Und nun haltet euch fest: Dieses Versprechen hält Prom ja mal sowas von nicht ein. Welche Überraschung! Doch es folgt auch eine gute Nachricht: Es ist auch nicht "High School Musical (3) ohne Musik". So würde die Selbstironie ja gar nicht mehr ankommen, und wir hätten einen einzigen Zuckerschock von einem Film. Nein, nein, Prom versucht ganz ehrlich, ein bittersüßes Stück High-School-Film zu sein. Bloß werden Regisseur Joe Nussbaum und Autorin Katie Wech ihren eigenen Ansprüchen bei weitem nicht gerecht.

Prom folgt nicht weniger als einem Dutzend an Figuren auf ihren jugendlich-dramatischen Wegen zum Abschlussball der High School. Nova (Aimee Teegarden) sitzt in so ziemlich jedem Komitee der Schule und stemmte den Löwenanteil der Vorbereitungsarbeiten für die wichtigste Nacht des kollektiven Schullebens, hat allerdings selbst kein in Aussicht stehendes Date. Tyler (De'Vaughn Nixon) und seine Freundin Jordan (Kylie Bunbury) haben beste Chancen, Ballkönigin und Ballkönig zu werden - wäre da nicht ein zunehmender Riss in ihrer Beziehung, die sich durch einen fremden Ohrring in Tylers Auto zur mittelschweren Krise wandelt. Mei (Yin Chang) hat eigentlich die perfekte Beziehung, würde ihr Freund Justin (Jared Kusnitz) nicht fest damit planen, dass beide auf die selbe Universität gehen werden. Denn Mei hat ein besseres Angebot bekommen ...
Der unauffällige Lloyd (Nicholas Braun) bekommt von seiner Stiefschwester Tess (Raini Rodriguez) derweil den Ratschlag, seine letzten Schultage einfach damit zu verbringen, aus seinem Schatten zu springen und jedes nette Mädel um eine Verabredung zu bitten. Was hat er schon zu verlieren? Und der Schulrebell Jesse Richter (Thomas McDonell) wiederum wird dazu verdonnert, die Prom-Vorbereitungen in die Hand zu nehmen ...

Und, und, und ... Das größte Problem an Prom ist, dass der Film unter der Last an Figuren zusammenbricht. Wäre es eine Teenieserie, so könnte man bei dieser Masse an Figuren aus jeglichen Schichten und Klassen des soziokulturellen Subsystems High School eine ganze Staffel an Storys spinnen, die in den wenigen Tagen spielen, die Prom abdecken möchte. In den 104 Minuten, die dieser Kinofilm letztlich in Anspruch nimmt, müssen sämtliche Figuren zu altbekannten, klischeehaften Charakterentwürfen degradiert werden, um für ihre vielen Geschichtchen Platz zu schaffen. Und selbst so steht noch immer zu wenig Zeit zur Verfügung, um den meisten der Handlungsfäden eine angebrachte dramaturgische Entfaltung zu ermöglichen. Viele der Storys bestehen nur aus den rudimentären Stationen einer stringenten Erzählung. Weshalb auf die stereotypischsten aller High-School-Missverständnisse zurückgegriffen werden muss, um alles unter einem Hut zu bringen. Man muss sich nur die Exposition aller Storys ansehen, und weiß schon, wie es weitergeht.

Dabei hätte Prom ein recht ansehnliches Teenagerdrama werden können. Ja, Drama. Hätte man die komödiantischeren Subplots rausgeschmissen und den generischen Disney-Fluff eingedämmt, so wäre es eigentlich möglich gewesen, aus den übrigen Geschichten mit etwas Vertiefung der Charaktere wirklich was annehmbares zu formen. Das meiste an Prom ist dastypische, humoristische Füllmaterial von thematisch verbundenen Episodenfilmen, wodurch die das High-School-Dasein (zumindest konzeptionell) realistisch einfangenden Plots erdrückt werden. Diese kleine Produktion scheut sich nämlich, für mich vollkommen unerwartet, nicht davor, manche der Handlungsfäden offen, in mausgrauen Tönen oder sogar ohne Happy End ausklingen zu lassen. Dadurch wäre Prom ein realistisches dennoch charmantes Abbild der ausklingenden Schulzeit.

Allerdings ist er dazu auf dem Weg dorthin viel zu überzeichnet. Wie hier Beziehungskrisen oder Balleinladungen (oder so vieles andere) abgehandelt werden, gehört eher ins High School Musical-Universum, als in die Dramödie, die Prom offenbar gern wäre. Diese (ohne jegliche Ironie) abgehandelten Übertreibungen führen dazu, dass Prom wie ein auf Kinolänge runtergestutzter Zusammenschnitt einer Teenie-Telenovela wirkt.

Prom ist aber keine absolute Katastrophe, weshalb ich ihn auch nicht in meine Kino-Flopliste 2011 aufnahm. Das Newcomer-Ensemble spielt so solide, wie es das Drehbuch halt zulässt, manche der Gags sitzen, und einige der kleineren Subplots sind trotz ihrer Vorhersehbarkeit immer noch süß. Es ist ein sehr schwacher Film, doch einer, in dem ganz tief verborgen ein recht guter Streifen steckt, den die Macher einfach nicht rausholen konnten. Genug andere Produktionen werden entweder mit voller Kraft gegen die Wand gefahren, oder sind von Anfang an zum Scheitern verdammt. Bei Prom hat's einfach nicht sollen sein. Eine unbeabsichtigte, tolle Lehre für alle Teenager: Auch ein verbockter Abschlussball ist nichts zum grämen. Einmal Kopfschütteln und mit was anderem weitermachen ...

Ähnliche Artikel:

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen