Platz 4: Kim Possible
Nach der Jahrtausendwende hat Disneys Fernsehabteilung ja ordentlich an Ideenreichtum und Anspruch verloren, ein Prozess, in dessen Folge der Disney Channel zu einer wahren Lachnummer wurde, gelegentlich sogar zu einer Beleidigung gegenüber den reiferen Disney-Fans und dem kreativen Vermächtnis der Firmengründer ... *Dramatik aufbau* ... doch in dieser Qualitätswüste findet sich auch eine sprießende Oase, ein Quell des Vergnügens: Kim Possible!
Hach, war das nicht lyrisch? Ich habe es nunmal drauf, blumige Worte über gutaussehende Damen zu verlieren. Oder über nach ihnen benannten Fernsehserien, wenn man es genau nimmt. Womit ich mich, so viel Snobismus sei mir gegönnt, ja wohl deutlich besser schlage, als ein erschreckend auffälliger Teil der großen Kim Possible-Fanbase. Als ich nämlich das Internet nach einem Titelbild für diesen Artikel durchsuchte, erschlug mich Google beim Suchbegriff "Kim Possible" (ohne jeglichen Zusatz!) mit genügend Pornografie, um sämtliche Teilnehmer von mindestens 34 katholischen Schullandfahrten ausführlich zu beschäftigen. Und mein Jugendschutzfilter war nicht auf "ja, ich möchte, dass das Familienministerium auf mich aufmerksam wird" eingestellt.
Ähm, wie dem auch sei. Während wir nun alle versuchen, unser Gehirn sauber zu bleichen, können wir wohl alle ungeniert mit der Feststellung auftischen, dass Kim Possible eine Serie ist, die kreative Säfte anregt. Was sich auch im familientauglicheren Bereich auch in der Unzahl an Fanfictions widerspiegelt sowie, während die Show noch lief, an den ausgeklügelten Fantheorien, die online ausdiskutiert wurden. So, und nun bestaunet, wie ich endlich den Bogen zum relevanteren Inhalt dieses Artikels schlage: Dessen waren sich auch die Serienschöpfer Bob Schooley und Mark McCorkle bewusst, die einen engen Draht zu ihrer Zuschauerschaft pflegten und dem online diskutierendem Publikum hin und wieder einen Knochen zuwarfen. Etwa indem sie die Fanfavoriten für die anfangs geheim gehaltenen Namen von Kims Eltern als Kanon bestätigten.
Fanreaktionen waren es auch, die aus einem einmaligen Schurken-Duo die Erzrivalen Kims machten und im Gegenzug die in Trailern groß angekündigte, neue Schurkin Adrena Lynn zu einer Ein-Episoden-Figur degradierten.
Kim Possible ist insofern wohl Disneys erste Zeichentrickserie der "Generation Internet", und wenn man bedenkt, dass seither von allen Disney-Serien am meisten Phineas & Ferb vom Web beeinflusst wurde, so lässt sich die Kombination "Disney + Internet" wohl eindeutig als Erfolgsrezept bezeichnen.
Für all jene, die irgendwann während oder nach der Laufzeit des RTL-Disney Clubs beschlossen, jegliche neue Disney-Serie zu boykottieren und die obendrein keine jüngeren Geschwister haben, sollte ich wohl das Konzept von Kim Possible kurz erläutern:
Kim ist ein Multitalent sondersgleichen: Gut in der Schule, Cheerleader und Weltenretterin. Wann immer jemand dringend Hilfe benötigt, etwa weil das Wahrzeichen seiner Stadt oder sein im Geheimlabor entwickelter Killerlaser gestohlen wurde, kann er sich über ihre Webseite an Kim richten. Zusammen mit ihrem Technikgenie Wade und ihrem besten Freund Ron Stoppable (sowie seinem Haustier, dem Nacktmull Rufus) bringt sie alles wieder ins Lot.
Wie es sich für einen grandiosen Disney-Verbrechensbekämpfer so gehört, trumpft auch Kim Possible mit einer fantastischen Schurkengallerie auf. Ganz vorne dabei ist Kims Erzfeind Dr. Drakken, ein bläulicher, verrückter Wissenschaftler. Er ist zwar dumm, aber gefährlich. Nicht zuletzt aufgrund seiner Assistentin Shego, deren Sarkasmus genauso brennend ist, wie ihre Superfähigkeit.
Dann wären noch Señor Senior, Senior und Señor Senior, Junior zu nennen. Senior ist ein wohlhabender, alter und bequemlicher Herr, der sich auf seine späten Tage das Schurkensein als Hobby anlachte, Junior ist sein oberflächlicher und weichlicher Sohn, der die Schurkensache noch weniger ernst nimmt. Außerdem begegnen Ron und Kim mehrfach dem Edelmann und Affenninja Monkey Fist, der sich sogar eher als Rons Erzfeind bezeichnen lässt. Aus der Kategorie "Wer hat sich nur sowas ausgedacht?" gibt es obendrein den Schotten Duff Killigan, der stets explosives Golfequipment mit sich herumträgt. In späteren Episoden trifft auch der laute Professor Dementor hinzu, der im Grunde ein kompetenterer Dr. Drakken ist.
Kim Possible ist eine dieser Serien, bei denen die Regisseure und Autoren genau wissen, was sie wollen, und dies dann perfektionieren. Sie brachten eine Rasanz in die Welt der Disney-Fernsehserien, die zusammen mit dem dynamischen Figurendesign von Stephen Silver (Clerks - The Animated Series, Cosmo & Wanda) für gehörigen Pepp und sehr viel Schwung sorgte. Auch die Musik von Adam Berry ist stimmig, abwechslungsreich und weiß im Gegensatz zu der musikalischen Begleitung früherer Disney-Serien auch, wann sie besser die Klappe halten sollte.
Womit Kim Possible besticht, ist dass die einzelnen Episoden von Anfang bis Ende einfach Non-Stop-Spaß bringen. Die Sprüche der Figuren, temporeiche Actionsequenzen, gelungener Slapstick und schrille Einfälle geben kaum Verschnaufpausen. Auf Dramatik wird eher selten gesetzt, dafür gab es Mehrteiler/Fernsehfilme zur Reihe, allerdings ist dies aufgrund des bestechenden Humors und der Spannung (dass es gut ausgehen wird ist zwar klar, aber wie kommt es dazu?) überhaupt nicht nötig. Das Kim Possible-Team fand ununterbrochen neue Wege, die Verbrecherjagd mit neuen Schauplätzen, Schurkenplänen und Erfindungen abwechslungsreich zu gestalten. Und mit genügend Selbstironie wird auch das letzte bisschen Formelhaftigkeit gekonnt auf die Schippe genommen.
Die Fans wussten es zu entlohnen: Nach Serienschluss (klar waren es 65 Episoden, wieso fragt ihr?) war der Ansturm auf den Disney Channel gewaltig. Letztlich gab man nach und gestattete eine abschließende, vierte Staffel. Diese spielte noch mehr mit dem Format, verballhornte Auflagen des Senders (man wollte nur dann eine vierte Staffel genehmigen, wenn die Autoren eine Folge über gesunde Ernährung verfassen - und die lief nicht gerade so ab, wie man es erwarten würde) und achtet mehr auf Kontinuität, als die ersten Episoden der Serie. Das kennt man sonst nur umgekehrt - von allen "Post Script Seasons" der TV-Geschichte gehört die von Kim Possible nach ganz oben.
Ok, gleich mal Kim Possible Bilder googeln...
AntwortenLöschenAlso die Serie ist zu neu und ich kenn sie kaum. PLatz 4 ist natürlich viel zu hoch. Besser als Chip und Chap oder Käptn Balu?? Ich mein, die Hauptrolle spielt ein Mädchen und Mädchen sind blöd. Hihihi.
Da mich diese Liste nicht in meiner Meinung zu bestätigen scheint, ist sie falsch.
Mal schauen was noch so alles folgt.
Zum Kim-Possible-Fan bin ich 2010 durch die von Dir erwähnte Folge zur Ernährung geworden: Die "Super Size Me"-Parodie hat bei mir innerlich einen Schalter umgelegt, sodass aus "Habe Ausschnitte einzelner Folgen ein oder zwei Mal mit meinen Geschwistern gesehen" ein "Ich liebe diese Serie und könnte mich bei jeder Folge totlachen" wurde. (Ob Dein Artikel über Dr. Drakkens Rap und das Titelthema im Rahmen der 333 liebsten Disney-Songs einen Beitrag geleistet hat, die Serie im Bewusstsein zu verankern, ist ebenfalls durchaus möglich, sicher bin ich mir allerdings nicht.) Dass ich genug Zeit hatte, die damals laufende Ausstrahlung der Serie auf SF2 zu verfolgen, lag auch an meinem gerade abgeschlossenen Studium und der daraus resultierenden Freizeit, die mir durch die Serie versüßt wurde.
AntwortenLöschenEin Faktor, zum Fan zu werden, war für mich auch die m.E. ausgezeichnete und lebendige deutsche Synchro. Zudem mag ich die Charaktere - und weitere Gründe für mich, die Serie zu mögen, hast Du bereits erwähnt.
Einziger Wermutstropfen bleibt, dass bis jetzt nur Staffel 1 und 2 auf DVD erschienen sind, wobei Deutschland den USA darin erstaunlicherweise etwa zwei Jahre (!) voraus war. Nun warte ich immer noch auf Staffel 3 und 4.
@Anonym: Ganz schlau werde ich aus Deinem Kommentar nicht.
Lange war ich nicht mehr hier (Wochen? Monate?) und dann einen relativ kurzen, umfassenden und herzhaften Beitrag zu einer Serie, für die mir einfach die Zeit fehlte? Ich spreche dir meinen Dank aus.
AntwortenLöschenDas Google-Experiment von Anonymus verlief ja ohne nennenswertes Ergebnis.
Angeregt durch den richtig tolen Artikeleinstieg sowie des wahlich gelungenen Brückenschlages zu Kim Possible machte auch ich mich auf die Suche.
Welch Wunder, dass sich meine Suchergebnisse nicht mit den von dir erwähnten Materialien zu decken scheinen. Allerdings habe ich zwei Bilder gefunden, die ich doch für sehenswert halte...
1. Ich kannte Dr. Drakken ja nict, da mir die Serie framd ist was die Namen und zugehörigen Schurken betrifft. So staunte ich ob einer sicherlich völlig non-disney-like gefertigten Arbeit auch nicht schlecht. Die Figur "Shego" habe ich erst hinterher über die große Suchmaschine in deren Bildersuche befragt. Vorher jedoch erhielt ich dies hier und war nicht wenig erstaunt - das kannst du un deine Leserschaft mir gerne glauben:
http://lltoon.deviantart.com/art/R-I-P-Dr-Drakken-117869120
Nach soviel geballter Erotik zu einer Disney-Figur brauchte ich dann doch etwas Abstand. So fand ich denn auch eine im japanischen Anime-/Manga-Stil gezeichnete Paarung von Kim und Shego die mir in ihrem realistischeren Stil wirklich nicht weniger überzeugte und ich gerne als eine Neuauflage oder Fortführung sehen würde (natürlich nachdem ich ausreichend Zeit hatte, um mit einer Kim Possible Überdosierung die Liebe zum Original zu erwerben!
2.
http://soap-committee.deviantart.com/art/Comm-Kim-and-Shego-106538846
Zwar geht einiges vom eigenständigen Aussehen der Serie und der Figuren durch die Adaption verloren - zeitgleich empfinde ich den Stil jedoch als Chance für eine reifere Adaption dieser Serie mit mehr Tiefgang - die zu sehr viel Sarkasmus imstande sein könnte - bei allem dazugedachten Ernst.
Soo - damit entschwinde ich mit lieben sowie späten Weihnachtsgrüßen an dich und deine Co-Autoren dieses wunderbaren Blogs in meine Ruhestatt und verspreche öfter vorbeizuschauen (nachdem ich meinen Rückstand der letzten Zeit aufgearbeitet habe). ^___^
Freundlichste Grüße, Cooper (Ja, der, der immer soviel Text zu tippen versteht - selbst bei Serien, die er nicht mal gesehen hat! *ggg*)
@ Stefan: Dabei finde ich die "Super Size Me"-Parodie nicht einmal soooo genial. Da ist Dr. Drakkens Rap doch mal deutlich witziger. *g*
AntwortenLöschenAber es ist immer wieder interessant, wie unterschiedliche Leute zu unterschiedlichen Serien finden. Dieses stückchenweise in die Serie finden hatte ich ja eher z.B. bei "Phineas & Ferb", während ich "Kim Possible" einfach von Anfang an seit der Pro7-Zeit gesehen habe. Wobei Staffel 2 mir irgendwie noch einen zusätzlichen Kick gab.
@ Cooper: Welcome back!
@Sir Donnerbold: Ob ich die "Super Size Me"-Parodie jetzt immer noch so hoch einschätzen würde, kann ich nicht sagen. Jedenfalls überraschte mich "Kim Possible" damit wirklich: Mir wurde schlagartig bewusst, dass die Serie nicht nur einen guten Kleinkinder-Humor bietet (und ich habe nichts gegen guten, naiven Kleinkinder-Humor), sondern auch Witze hat, die sich vor allem an erwachsenere Personen richten.
AntwortenLöschenIch muss allerdings präzisieren: Vor der "Super/Grande Size Me"-Folge habe ich mich (soweit ich mich erinnern kann) kaum mit "Kim Possible" beschäftigt. Ich habe hin und wieder einen Ausschnitt gesehen, als meine Geschwister sie ansahen - wenn ich die Serie von Anfang an vollständig gesehen hätte, wäre ich wohl deutlich früher Fan geworden. Aber das ist eine Überlegung im Stil von "Hätte, hätte, Fahrradkette..." (Interessanterweise haben meine Geschwister "Kim Possible" nie so toll gefunden und sind doch - gelinde gesagt - überrascht, dass eine Person meines Alters für die Serie schwärmt. Aber ich denke, dass Du, Sir D., diese Erfahrung angesichts zahlloser "Animation ist nur was für Kinder"-Kommentare durchaus nachvollziehen kannst.)
Habe nicht viel von der Serie gesehen, aber was ich gesehen habe gefiel mir aus ähnlichen Gründen wie Buzz Lightyear. Nämlich wie sie Genres Klischees, im speziellen Superschurken, auf den Arm nehmen.
AntwortenLöschenAh! Trotz aller Liebe zu den "Dinos" wäre das hier wohl meine liebste Disney-Serie. Und sei es nur, weil sie gewissermaßen meinen Wiedereinstieg bedeutete: Vorher hatte ich Disney etwas den Rücken gewandt und mich dem "Ist doch heile-Welt-Kinderkram"-Klischee angeschlossen, bis ich der Empfehlung eines Freundes folgte und gleich mit der ersten Folge (keine Ahnung, welche es war) angefixt wurde.
AntwortenLöschenDas Serienende ist für mich aber doch eine ambivalente Angelegenheit. So sehr mir vieles gefiel, so störte mich doch, dass man Ron nun so aufpeppte - vorher war er eine der wenigen männlichen Figuren im Fernsehen gewesen, die schwach sein durften, jetzt wurde er auf einmal doch Quarterback und Macher. Das fand ich schade.