Donnerstag, 15. Dezember 2011

Alestorm: Back Through Time


Wie schnell man sich doch an Dinge gewöhnen kann: Als ich mir zu Beginn des Sommers dieses Jahres das neue Alestorm-Album kaufte, wollte ich es erst ein paar Mal durchhören, bevor ich es hier im Blog bespreche. Dann kamen einige Dinge dazwischen, und irgendwann war der Punkt erreicht, an dem ich beim Hören der neuen Songs der schottischen Metal-Piraten nicht mehr dachte "stimmt, das wollte ich ja noch besprechen!", sondern davon überzeugt war, die Songs schon so oft gehört zu haben, dass sie ja kaum neu sein können. Ich habe also schlicht vergessen, ein neues, im Blog unbesprochenes Album zu haben.

Jetzt wird es langsam kälter da draußen, und vielleicht braucht ihr gute Gründe, euch wieder richtig einzuheizen. Da sind scheppernde Piraten-Metalklänge doch ein großartiges Mittel, oder? Dann blicken wir doch mal auf Back Through Time, ein Album, das sich stilistisch zwischen den beiden Vorgängern einordnet.

Track 1) Back Through Time
You put your faith in Odin and Thor / We put ours in cannons and whores

Alestorm vermengte in den vergangenen Alben ja "ernst gemeinten" Metal vor dem Piratenhintergrung mit rein spaßig gemeintem Metal. Letzteres lässt sich vor der Piraten-Thematik ja beliebig fortsetzen, was die ernsteren, härteren Stücke anbelangt, gab es jedoch schon früh Unkenrufe, dass Alestorm sehr bald der Stoff ausgehen dürfte. Wieviel soll man denn schon über plündernde Piraten singen können, ohne sich zu wiederholen? Nun, Alestorms Antwort darauf ist der Titeltrack des dritten Albums, in dem eine Horde Piraten durch die Zeit reist und es dann mit Wikingern aufnimmt. Viking Metal ist immerhin ein deutlich bevölkerteres Genre, und da wird nicht so viel über "euch werden die Themen ausgehen" rumgeheult. Zudem ist der Song eine Antwort auf die Nummer Hunting Pirates der Kollegen von Turisas.

Das Lied selbst ist ein solides Standardstück von Alestorm. Für eines der epischeren Lieder, die eine "ernste" Story erzählen, sind die Instrumentenparts nicht tragend genug und das Lied rast dafür auch zu schnurstraks geradeaus. Der Text ist aber nicht ohne Witz, die Riffs sind eingängig und die Kampf ansagenden Bläser sind gut eingebaut. Bei weitem kein The Curse of Captain Morgan, aber es fetzt und setzt seine Grundidee süffig um.

Track 2) Shipwrecked
Hey! you're banjaxed! / Hey! you're screwed! / And death is coming for you! /Trapped on an island lost at sea! / Shipwrecked your destiny!

Mit Shipwrecked folgt sofort eine der simpleren Nummern: Extrem eingängiger, mitreißender und mitsingbarer Refrain, eine ansteckend leichtfüßige Melodie, hohes Tempo und ein spaßiger Einsatz des Akkordeons. Schlicht ein typischer, metalpartytauglicher Eintrag in Alestorms lange Liste des Power-Piraten-Metals. Mich packt's sofort und die Laune hebt's auch immer. Hoch die Tassen!

Track 3) The Sunk'n Norwegian
One more drink at the Sunk'n Norwegian / One more drink before we have to die

Etwas dunkler, etwas metalliger, wesentlich mitreißender: The Sunk'n Norwegian setzt die Spaß-Suff-Piratenmetal-Passage des Albums mit einer weiteren Ode an eine großartige Taverna fort. Das Stück ist martialischer und kraftvoller, als die anderen Kneipenstücke Alestorms, aber genauso mitsingbar und somit eine echte Stimmungsgranate.

Track 4) Midget Saw
Who's that short man what does he do? / He killed that monkey with his shoe!

Es bleibt spaßig albern: Midget Saw handelt davon, dass ein Winzling einen Affen tötet, und die Alestorm-Crew sich daraufhin aufmacht, den Tod des pelzigen Kerlchens zu rächen. Blutig. Der Text ist eigentlich sehr amüsant, allerdings ist Midget Saw mit Disharmonien überfrachtet, das Tempo von Gesang und Drum- sowie Schrammel-lastiger Huntergrundmusik passen kaum zusammen und das Gitarrengeschrammel sowie die treibenden Drums wollen hier überhaupt nicht mit dem Folk-Metal-Touch des Stücks zusammenpassen. Der Refrain ist zwar knallig, insgesamt ist es aber ein sehr lärmender Alestorm-Song.

Track 5) Buckfast Powersmash
We'll kill the monks, and get dead drunk / Come on lads, it's cloister burning time!

Der Thrash-Anteil der kuriosen Subgenremischung, die Alestorms True Pirate Metal ausmacht, bleibt auch in diesem Track bemerkbar. Der Track ist simpel, hat ein paar exzentrischere Momente (vor allem die zweite Strophe in der die Hintergrundmusik aus einem Zirkusfilm geplündert scheint), es lässt sich super dazu Headbangen und auch wenn kaum was hängen bleibt, macht's Laune. Oh, und unsere rauen Piraten weben die Titelmelodie der Kinderserie Chuckle Vision ins Stück ein. Weil ... darum!

Track 6) Scraping the Barrel
Now it seems our journey has come to an end / We are scraping the barrel my friend

Es ist wieder raubeinige Schunkelstimmung auf den sieben Weltmeeren, und das aus einem äußerst selbstreflexiven Anlass: Die Melodie und Struktur dieser so epochal wirkenden Piratenballade lässt ein dramatisches Stück über eine alternde, scheiternde Piratenbande vermuten. Doch sie ist, vollkommen unverschlüsselt, eine Reaktion auf die Kritiker der Band, und somit eine ehrlichere Fortführung von Track 1. Dass dieser ganzen Piratenkram schonmal da war, und nicht ewig fortgeführt werden könne, dass das Piraten-Thema ein dummes Gimmick sei, und Alestorm nicht so wirkt, als könne sich die Band weiterentwickeln. Und dass sie ja eh schon am Bodensatz des Fasses mit Piratengeschichten rumkratzen - und dann trotzdem noch genug für ein viertes Album haben werden.

Schunkelbar, ja, sogar rührend. Und bei aller Melancholie dennoch mit angenehmer Härte. Tolle Antwort auf die Kritiker!

Track 7) Rum
Rum is the power, Rum is the key / Rum is the thing that will set us free

Oh, so viele Alestorm-Songs, und bislang keiner über das Piratengetränk vor dem Herren? Tavernen wurden besungen, Dirnen, Met, Wein, Bier, aber noch nicht der Rum?! Pfaah, und da sagen manche, Alestorm hätte längst alle Piratenthemen abgegrast?! Und exakt so klingt Rum auch: Als wäre es den Bandmitgliedern urplötzlich aufgefallen, dass sie bislang den Rum vergessen haben, weshalb sie sich nun völlig aufgelöst draufstürzen und das Gesöff einfach nur feiern. Kein Schnickschnack, weder textlisch, noch melodisch. Einfach Rum! Rum! Rum!

Track 8) Swashbuckled
I'll tell ye now of Redrum/ The ginger commodore / He got a case of scurvy rot /And then that bastard was no more

Mittleres Tempo und in der Skala der Metal-Härte ebenfalls eher mittig angesiedelt: Besungen werden mit der altbekannten, rau-coolen Piratenstimme die sonderbaren Todesfälle dreier berüchtigter Seefahrer. Stringenter, aber auch entspannter Rhythmus in den Drum-lastigen Strophen, etwas Folk-mäßigere instrumentale Zwischenspiele und ein befreiter, Seemannsgesang im Refrain. Einfach eine rundum coole Nummer.
Vom Sound her genau die Art Song, die für mich Alestorm ausmacht, obwohl die Band diesen Stil gar nicht mal so häufig verwendet. Sollte sich aber mal ändern!

Track 9) Rumpelkombo
Rumpelkombo!

Einmal kurz geniest, und schon hat man den Song verpasst!

Track 10) Barrett's Privateers
God damn them all!

Vom "ungesäuberter, dumpfer Sound"-Faktor her erinnert diese Interpretation eines alten Folk Chantys mehr an das Album Black Sails at Midnight, aber dieses die Piratenrolle spaßig ausfüllende, hörbare Grinsen in Christopher Bowes Stimme erinnert mehr an das Debütalbum. Eine tolle Mischung, die dem Song zu neuem Leben verhilft und tüchtig den Staub wegpustet, der auf der Melodie liegt. Heri Joensen der Viking-Metal-Kombo Týr darf obendrein ein Gast-Gitarrensolo einbringen, was auch den ins Koma gesoffenen Zuhörern des Albums klar machen sollte, dass die ganze "Piraten vs. Wikinger"-Masche nur spaßig gemeint ist.

Track 11) Death Throes of the Terrorsquid
Revenge is a dish best served fried

Ein mega-epochales Stück Seemannsgarn ist Pflicht auf Alestorm-Langspielern, und nach dem Leviathan steigt Alestorm nun auf (oder ab?) zu einem Kampf gegen den Terrortintenfisch. Das Stück ist schwerer, langsamer und dunkler, als der übliche Alestorm-Sound und segelt quer durch unterschiedliche Subgenres. Wie es sich für eine epische Reise wohl auch so gehört. Tonarten- und Tempiwechsel sind hier an der Tagesordnung und als das böse Monster im 7-Minuten-Song endlich erwacht, landet Alestorm erstmals in Black-Metal-Klanggebieten. Als Abwechslung cool, insgesamt bin ich aber mehr "geht ins Ohr, wackelt im Kopf, hab noch Luft für'n Bier"-Hörer. Sonst wären die bisherigen Alestorm-Titel auch nicht so sehr mein Geschmack, nicht wahr?

Track 12) I am a Cider Drinker
I am a cider drinker / I drinks it all of the day / I am a cider drinker /It soothes all me troubles away

Muss Alestorm von allen möglichen Songs ausgerechnet Paloma Blanca plündern und diese Ohrwurmmelodie zum Spaß-Sauflied umtexten? Mit Power-Schluss? Und wieso kriege ich das Teil nicht mehr aus dem Kopf? Gibt's kein Gegenmittel?

Track 13) You are a Pirate
Yar har, fiddle di dee/ Being a pirate is alright to be /  Do what you want 'cause a pirate is free

Was muss ich auch mein vorlautes Maul aufmachen? Jetzt rauben die Kerle bei Lazy Town ... und es klingt geil! Nur ist es ein noch hartknäckigerer Ohrwurm. Seufz. Kommt, auf dem nächsten Album dann Shiver My Timbers aus der Muppets-Schatzinsel, okay?

Fazit: Was soll ich noch groß hinzufügen? Das Album findet einen Kompromiss zwischen den varrierenden Spaß- und der Härtefaktoren der ersten beiden Alben und fügt süffige Angriffe auf Kritiker und Neckereien mit Kollegen hinzu. Eingängig und sauflastig wie eh und je. Aber das Super Nintendo-Keyboard ist endlich weg!

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