Samstag, 5. November 2011

The New Spirit

War Micky das "Über-Ich" des ewigen Träumers Walt Disney, lässt sich der vom Pech verfolgte und cholerische Donald Duck als sein "Es" betrachten. Mit seiner unverwechselbaren Art trat er schnell aus dem Schatten der Maus. Diese Artikelserie präsentiert die Cartoons, die Donald auch aus Sicht der Academy of Motion Picture Arts &  Sciences in den Film-Olymp aufsteigen ließen. Dies sind die Kurzfilme, die ihm eine Oscar-Nominierung einbrachten. Dies ist Entengold.

Der dritte Teil dieser Reihe fällt ein wenig aus dem Rahmen, in dem wir uns zuvor bewegten. Dieser Kurzfilm mit Donald ist ein Produkt seiner Zeit - nicht nur aufgrund seiner Intention, sondern vor allem auch aufgrund seiner Produktionsgeschichte. Amerika befand sich mittlerweile im Krieg, und Vater Staat brauchte die Unterstützung seiner Bürger. Ausgerechnet Donald sollte ihm dabei unter die Arme greifen, das Volk zu mobilisieren und ihn zu erschaffen, The New Spirit.

Das offizielle Filmplakat kündigt The New Spirit als "Special Attraction" an

Der 7. Dezember 1941 veränderte den Alltag in den USA schlagartig. Der Angriff auf Pearl Harbor versetzte die ganze Nation in einen Schockzustand, und mittels weniger Stunden traten die USA in den Zweiten Weltkrieg. Außerdem wurde das neu gebaute Disney-Studiogelände von der Army in Beschlag genommen, um von dort aus in Erwartung eines Angriffs die kalifornische Küste verteidigen zu können. So kam es zu einer bizarren Ära, in der die Disney-Künstler mit speziellen Mitarbeiter-Ausweisen zur Arbeit gingen, während Männer in Uniform Waffen lagerten und Flugzeugteile reparierten.

Da sich auch zahlreiche Mitarbeiter zum Kriegsdienst meldeten oder eingezogen wurden, und sich die wirtschaftlichen Aussichten noch weiter verschlechterten, stand das Studio am Scheideweg. Viele andere Studios schlossen in diesen Zeiten ihre Pforten, doch Walt Disney konnte sich letztlich nicht zu dieser schweren Entscheidung hinreißen. So nahmen die Disney-Studios Auftragsarbeiten vom Staat und Militär an. Es war eine Form des Ausnutzens in beidseitigem Einvernehmen: Walt Disney benötigte Aufträge, und somit gesicherte Einnahmen, um sein geliebtes Studio am Laufen zu halten. Und sei es auch zu schlechteren Konditionen als zuvor: Der Staat zahlte pro Meter Film 12 Dollar, während dem Studio zu kommerziellen Zwecken jeder Meter 65 Dollar kostete. Der Staat wiederum brauchte dringend die Hilfe des Zeichentrickmediums. Der schlagartige Kriegseintritt und die Fülle an neuen, untrainierten Rekruten bedeuteten, dass schnelle und effektive sowie moderne Lernmethoden angewandt werden mussten. Per Film konnte man viele Menschen gleichzeitig in wichtige Dinge einführen - und das Medium Zeichentrick war fähig, Sachen zu erklären, die der Realfilm nicht konnte. Bis 1942 waren 80 Prozent des Studio-Outputs für militärische Zwecke gedacht, ein Jahr später sogar 94 Prozent.

Eine der ersten Propaganda-Auftragsarbeiten, und wohl auch die erfolgreichste, erfolgte im Namen des Finanzamtes. Und um ihren Sinn und Zweck zu verstehen, ist es wohl unumgänglich, einen kurzen Abstecher in die US-amerikanische Steuergeschichte abzuhalten.

Keine Sorge, ich halt's wirklich kurz!

Die Vereinigten Staaten von Amerika bilden sich ja groß etwas auf ihre freie Marktwirtschaft ein. Einst, da war die Marktwirtschaft sogar freier als heute. Denn es gab keine verpflichtende Einkommenssteuer. Seit Beginn des Jahrhunderts galt eine freiwillige Einkommenssteuer. Lediglich fünf (etwa im Jahr 1939) bis zehn Prozent aller Amerikaner waren verpflichtet, etwas von ihrem Einkommen an den Staat zurückzuzahlen. Angesichts des Weltkriegs erschien dies dem Staat Ende 1941 viel zu wenig.

Um die zu erwartenden Kriegsausgaben zu decken, beschloss der Kongress mit Rückendeckung von Präsident Roosevelt den so genannten "Victory Tax Act of 1942". Diese Erneuerung der Steuergesetze sollte bewirken, dass 75 Prozent der Amerikaner steuerpflichtig werden. Um dem Staat einen ständigen Geldzufluss zu ermöglichen, sollte außerdem aus der einmal jährlichen Steuerzahlung im März eine konstante Abgabe werden. Jedoch widersprach sich dieser Kongress-Beschluss, der durch das Finanzamt umgesetzt werden sollte, mit der in der Konstitution festgelegten Trennung der drei Staatsmächte (Exekutive, Legislative und Juriskative). Bis Oktober 1942 konnte dieser Beschluss letztlich doch noch durchgedrückt werden, aber für Frühjahr 1942 musste eine Notlösung her.

Deswegen beorderte der damalige Finanzminister Henry Morgenthau jr. noch im Dezember 1941 Walt Disney nach Washington D.C.. Zunächst widerwillig, kam Disney auf Nachdruck eines weiteren Mitglieds des Finanzministeriums der Einladung nach. Morgenthaus Idee: Walt Disney solle dem Staat dabei helfen, dem Volk klar zu machen, dass das freiwillige Zahlen der Steuern in Kriegszeiten eine patriotische Pflicht sei.
Eine Anekdote besagt, dass der wirtschaftlich nicht sonderlich firme Träumer Walt Disney wohl ziemlich verwirrt reagierte. Der Staat könne doch mit Haftstrafen für Steuersünder drohen, so angeblich seine Antwort. Disney wusste demnach nicht, dass die Steuern freiwillig waren und man in Folge dessen auch niemanden wegen eines Steuersäumnis verhaften könne. Eine typisch blumige Anekdote, angesichts Walts Desinteresse an der wirtschaftlichen Seite seines Studios jedoch auch durchaus glaubwürdig.


Aber weiter im Text: Ein Kurzfilm solle in den Bürgern Enthusiasmus entfachen, und damit dieser Cartoon es rechtzeitig in die Kinos schafft, wurde ihm eine Deadline von sechs Wochen gesetzt. Einige Tage später kehrte Walt Disney mit dem Storyboard-Entwurf nach Washington zurück und erntete ungeahnten Widerstand. Statt eines Donald-Duck-Kurzfilms erwartete das Finanzministerium einen Kurzfilm mit einer neuen Figur, einem "Herr Otto-Normalsteuerzahler". Die Sekretärin von Henry Morgenthau soll auf Disneys Vorschlag mit einem abfälligen "Ich hasse Donald Duck" geantwortet haben.

Und nun kommt der Teil an der Produktionsgeschichte von The New Spirit, den ich als Donald-Liebhaber besonders gerne nacherzähle. Walt Disney, der Mann, der seiner quieksenden Schöpfung Micky Maus ein Comeback nach dem anderen verschaffte ... Walt Disney, der seine Mitarbeiter stets daran erinnerte, das alles mit einer Maus angefangen habe ... Walt Disney, über dessen Frau manche Disney-Historiker behaupten, sie habe Donald verabscheut, da er dem künstlerischen Augapfel ihres Gattens die Schau stehlte ... Dieser Walt Disney soll sich fuchsteufelswild hinter Donald gestellt haben. Nicht nur, dass er die Botschaft von The New Spirit am eindringlichsten und unterhaltsamsten rüberbringen könne, er sei auch der mit Abstand wertvollste Star in seinem Hause. Dass er Donald für dieses Vorhaben zur Verfügung stellt, sei so, als leihe MGM dem Finanzministerium den überaus talentierten und beliebten Clark Gable aus. Und nun erdreiste man sich, dieses Geschenk abzulehnen!

Morgenthau ließ sich letztlich umstimmen, und so gab Walt Disney telefonisch das Startzeichen für die eigentliche Produktion an The New Spirit. Mit Donald Duck als Star.


Die daraufhin umgesetzte Handlung des Kurzfilms ist simpel und effektiv: Donald tanzt heiter vor seinem Spiegel zum im Radio laufenden Lied Yankee Doodle Spirit herum. Im Anschluss an das Lied spricht der Radiosprecher (der Donald direkt anzusprechen scheint) davon, dass im Land eine neue Stimmung herrscht. Seit es angegriffen wurde, rückt es sich wieder enger zusammen, bereitet sich aber auch auf den Krieg vor. Und deshalb brauche der Staat jeden einzelnen. Donald reagiert darauf, indem er sich kampfesbereit mit Axt, Säbel, Schrotflinte, Boxhandschuhen, Bärenfalle und Kochtopf ausstattet. Wie der Radiosprecher erklärt, kann der patriotische Amerikaner aber mit einem kleinen, allerdings vitalen Verzicht im Krieg helfen: Er muss nur seine Steuern zahlen. Donald ist darüber gar nicht glücklich, ist richtiggehend genervt von der Radiopredigt. Der Radiosprecher erklärt aber, dass die Steuern für die Produktion von Waffen, Munition undSchiffen verwendet werden, um so schnell den Krieg beenden zu können. "Taxes of beat the axis!" propagiert er, und weckt damit den Kampftiger im streitlüstigen Erpel, der sofort enthusiastisch zu Schattenboxen beginnt.


Donald ist nun zwar zahlungswillig, deckt sich jedoch in Erwartung eines reinen Papierkriegs vorsorglich mit Aspirin, Mathe-Lehrbüchern, Gesetzestexten, einem Globus, einem Zirkel und jede Menge Zetteln ein. So eine Steuererklärung ist doch gewiss saukompliziert ... Denkt zumindest Donald. Aber der überzeugende Radiosprecher erklärt, dass für Bürger mit einem Einkommen unter 3.000 Dollar ein neues Formular eingeführt wurde. Dieses sei sehr simpel auszufüllen - zur Sicherheit geht der Sprecher trotzdem mit Donald die wenigen, einfachen Schritte durch. Donald erhält sogar zusätzliche Hilfe durch sprechendes Büromaterial. Nachdem sie gemeinsam ausrechneten, wieviel Donald zahlen muss, rennt er quer durch's Land, um seine Steuern abzugeben. Derweil führt der Sprecher fort, wofür die Steuern verwendet werden. Zunehmend abstraktere und martialischere Bilder zeigen die Produktion von Kriegsmaschinerie und ihrem Einsatz. Begleitet wird dies von dramatischer Musik aus der Feder von Oliver Wallace, der auch sehr markant Beethovens Fünfte in die Musik einwebte.

Der Film endet mit der Zerschlagung der Achsenmächte und einem Sieg der Demokratie.
Dick aufgetragen, zweifelsohne - aber man muss den Abschluss des Films aus einer zeitgenössischen Sicht betrachten. Und für das, was The New Spirit sein sollte, ist er in den Segmenten mit Donald tatsächlich sehr kurzweilig geraten, mit einem ausdrucksstarken Donald, der zur Identifikation einlädt, und ein paar sehr netten, in die Steuerlektion eingestreuten Gags.



Direkt nach Genehmigung der Handlung wurden zahlreiche andere Projekte im Disney-Studio eingefroren, um sich stattdessen The New Spirit zu widmen. Um die Lieferfrist einhalten zu können, mussten zudem haufenweise Überstunden eingelegt werden. Zwischen Produktionsbeginn, Abfertigung und Herstellung der Kopien vergingen lediglich vier Wochen. Wie Walt Disney später dem Finanzministerium mitteilte, sei dies in seinem Studio "die schnellste Produktion eines Cartoons" und auch die kürzeste Zeit, die Technicolor jemals für die Farbkopien benötigte. Nach dieser eiligen Produktion lief The New Spirit am 23. Januar 1942 mit 1.000 Kopien in den US-Kinos an. Um eine möglichst hohe Deckweite zu garantieren, spornte man die Filmvorführer-Fewerkschaften an, die Kopien weit zirkulieren zu lassen. Laut dem LIFE-Magazin wurde The New Spirit in insgesamt 12.000 Kinos gezeigt.

Und diese Aktion war ein voller Erfolg: Bereits in den ersten Wochen sahen 32 Millionen Amerikaner den Cartoon. In seiner gesamten Kinolaufzeit wurde The New Spirit den Schätzungen nach von über 60 Millionen Menschen gesehen. Eine erstaunliche Ziffer, nach der viele heutige Blockbuster lechzen würden. Zum Vergleich: Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2, der erfolgreichste Kinofilm dieses Jahres, verkaufte in den USA bislang aufgerundet 48 Millionen Eintrittskarten.

Auch an damaligen Verhältnissen gemessen sind 60 Millionen Zuschauer eine unglaubliche Summe. Dass Micky, Donald, Goofy und Co. in ihrer Blütezeit populärer waren als Schneewittchen, Pinocchio oder die anderen Helden aus den großen Walt Disney Meisterwerken mag heutzutage nicht mehr jeder glauben. Sieht man auf Disneys Veröffentlichungspolitik, erscheint dies auch nicht schwer - schließlich werden die klassischen Cartoons entweder als teure Sammlerprodukte vom Massenpublikum ferngehalten, oder als Ramsch-Filmsammlung im Kinderregal verhökert. In den 40ern hingegen, da sah das vollkommen anders aus: Während Donald Ducks Aufforderung, pünktlich Steuern zu zahlen, 1942 von 60 Millionen Menschen betrachtet wurden, kommt Pinocchio inklusive der Wiederaufführungen in den Jahren 1948, 1954, 1962, 1971, 1979, 1984 und 1992 auf geschätzt 50,8 Millionen US-Kinogänger. Und auch der erfolgreichere Bambi kommt erst mittels sechs Wiederaufführungen auf eine Augenhöhe mit dem frisch zum Patrioten gewandelten Donald Duck. Gewiss - Kurzfilme konnten vor mehrere Langfilme kopiert werden, trotzdem sollte man sich solche Erfolge vor Augen halten, um zu verstehen, weshalb "diese Disney-Maskottchen" lange weit vor sprechendem Disney-Getier aus den Meisterwerken und den Prinzessinnen rangierten.


Die kurze Produktionszeit macht sich unter anderem darin bemerkbar, dass Donalds Pupillen in manchen Aufnahmen herumeiern und auch seine Wangen manchmal schlecht getroffen sind. Insgesamt ist die Qualität allerdings hinsichtlich der Bedingungen erstaunlich
 
The New Spirit wurde aber nicht bloß von sehr vielen US-Bürgern konsumiert, er war auch äußerst effektiv.  Gemäß einer repräsentativen Gallup-Umfrage unter dem The New Spirit-Publikum ergab, dass sich immerhin 37 Prozent der Zuschauer durch den Film darin bestärkt fühlten, ihre Steuern zu zahlen. Und tatsächlich wurden am 15. März 1942 siginifikant mehr Steuern pünktlich gezahlt, als in den Jahren zuvor.

Für die Disney-Studios war das Unterfangen The New Spirit allerdings weniger erfreulich: Walt Disney sagte zu, den Cartoon ohne Profitabsichten zu produzieren (wie auch bei den Projekten zu militärischen Zwecken), weshalb ihm lediglich die Kosten erstattet werden sollten. Die Rechnung, die er dem Finanzministerium zutragen ließ, belief sich auf 40.000 Dollar für die Produktion sowie weitere 40.000 Dollar für die Filmkopien. Diese Forderungen, die sogar weit unter den tatsächlichen Kosten des durch Überstunden ermöglichten Films lagen, überstiegen das Budget des Finanzministeriums, weshalb es eine Zuschussanfrage an den Kongress stellen musste.

Diese Anfrage kam jedoch zur falschen Zeit: Die republikanischen Abgeordneten suchten zu jener Zeit akribisch nach Leichen im Schrank der Demokraten, genauer gesagt nach Fällen überflüssiger Ausgaben. Die Produktion eines 80.000-Dollar teuren Cartoons war in dieser Situation ein gefundenes Fressen. "Können Sie sich irgendetwas vorstellen, das Leute mehr gegen das Zahlen ihrer Steuern aufbringt, als das Wissen, dass 80.000 Dollar dieser Steuern, die in einen Bomber investiert werden sollten, stattdessen für einen Unterhaltungsfilm ausgegeben wurden?", verkündete ein Repräsentant der republikanischen Abgenordneten. Obwohl sich einige der Demokraten für Walt Disney einsetzten und verkündeten, dass der Film ein effektives Werkzeug in der Steueraufklärung war und zudem sehr preisgünstig produziert wurde, votierte der Kongress gegen eine Auszahlung. Diese poltische Debatte wurde von den Medien ausgewalzt, zwischenzeitlich wurde Walt Disney als Kriegsprofiteur und unpatriotischer Geschäftshai dargestellt.

Obendrein bewahrheitete sich das, wovor Roy Disney seinen Bruder vor Produktionsbeginn von The New Spirit warnte: Da der Staat den Kinobetreibern The New Spirit gratis anbot, verloren die Studios geschätzt weitere 40.000 Dollar, da die Buchungen für andere Disney-Kurzfilme dem Erfolg des Propagandafilms entsprechend drastisch zurückgingen. Somit wurde The New Spirit für die USA zu einem großen Erfolg, während Disney ihn als gewaltiges Verlustgeschäft abschreiben musste.


Der von den Regisseuren Wilfried Jackson und Ben Sharpsteen nach einer Story von Joe Grant und Dick Huemer verantwortete Cartoon trat am 4. März 1943 bei den 15. Academy Awards an. Allerdings erhielt er keine Nominierung als "Bester animierter Kurzfilm", sondern in der Kategorie "Beste Dokumentation". Die im Vorjahr eingeführte Kategorie "Beste Kurzdokumentation" wurde durch diese sowohl Lang- als auch Kurzfilme umfassende Kategorie ersetzt, bloß um im Folgejahr zweigeteilt zu werden.

Insgesamt wurde in diesem Jahr die Rekordsumme von 25 Filmen für den Dokumentations-Oscar nominiert. Neben The New Spirit erhielt mit dem elfminütigen Animationsfilm The Grain That Built a Hemisphere eine weitere Disney-Produktion eine Nominierung. Dieser Cartoon informierte über die Herkunft und historische Bedeutung von Mais. Ansonsten behandelten die nominierten Dokumentationen das zentrale Thema jener Zeit: Den Zweiten Weltkrieg. Sogar Dokumentationen aus Großbritannien, Belgien, den Niederlanden und ja, auch aus der Sowjetunion wurden nominiert. Mit dem Oscar ausgezeichnet wurden letztlich gleich vier Dokumentationen: Die Kriegsaufnahmen Schlacht um Midway, die australische Produktion Kodaka Front Line! über den Kampf in Neu Guinea, Moscow Strikes Back aus der Sowjetunion und Vorspiel zum Krieg, eine amerikanische Zusammenfassung darüber, weshalb die USA dem Krieg beitraten. Interessierte finden ausführlichere Begründungen für die Gewinnerauswahl auf der offiziellen Seite der Academy.



Ausschnitt aus dem Storyboard (Quelle: LIFE Magazine, 16. März 1942)

Welchen Beitrag leistete The New Spirit eigentlich in der Entwicklung von Donalds Filmkarriere? Leichfertig mag mancher abwinken, dass dieser kleine Propagandastreifen kaum einen Einfluss auf Donald haben konnte. Doch das ist ein klarer Irrtum. Keine zwei Monate nach den Angriffen auf Pearl Harbor präsentierten The New Spirit und seine Comic-Adaption für das Look Magazin Millionen US-Bürgern Disneys größten Star als patriotisches Sprachrohr. Donald wurde somit als Disneys erste Wahl für militärische Themen festzementiert. Das passte vom Charakter her viel besser, als zur optimistischen Maus oder zum trotteligen Goofy, und obendrein gab es Donald einen weiteren Popularitätsschub. Donald sagte und dachte, was das Volk dachte. Er war widerwillig, seine Steuern zu zahlen, er ärgerte sich mit seinem Ausbilder herum... Aber zugleich war er auch ein Vorbild, tat Donald letztlich ja doch seine patriotische Pflicht.

Donalds Beliebtheit äußerte sich zum Beispiel darin, dass er die meistgefragte Figur für Militärinsignien war - ein Bereich, in dem Disney während des Kriegs sehr aktiv war. Außerdem trat er in mehren Kurzfilmen als junger, frisch eingezogener Soldat auf. Und aufgrund des Erfolges von The New Spirit wurde für das Folgejahr vom Finanzministerium eine Fortsetzung in Auftrag gegeben. The Spirit of '43 wiederholte aus Gründen der Kostenersparnis Clips aus der zweiten Hälfte des Vorgängerfilms, die Hinleitung mit Donald war jedoch komplett neu: Donald möchte sich in Nachtclubs vergnügen, als sich sein Gutes Ich in Form eines schottischen, backenbärtigen Erpel meldet. Er solle nicht so verschwenderisch sein und lieber pünktlich Steuern zahlen. Donalds böses Ich, ein gelackter Lebemann, versucht derweil, ihn in die Clubs zu ziehen. Ihr könnt euch denken, wie es ausgeht...

So am Rande sei erwähnt, dass der Film dem wissbegierigen Donald-Fan "verriet", wieviel Donald 1941 verdiente: Sein Einkommen als Schauspieler (eine Profession, die ihm der sprechende Füllfederhalter nicht zutraut) brachte ihm 2.501 Dollar ein, weshalb er als Alleinstehender Vormund 13 Dollar Steuern zu zahlen hatte. Wenige Monate nach The New Spirit sollte dann Donald Gets Drafted verraten, wie der zweite Vorname von Disneys Clark Gable lautet.

Andy Warhols Geburtstagsgeschenk an Donald (Quelle: WikiPaintings)
Zu Donalds 50. Geburtstag wurde The New Spirit dann nochmal hervorgekramt: Pop-Künstler Andy Warhol nutzte den Cartoon (genauer gesagt die Eröffnungsszenene vor seinem Spiegel) als Inspiration für ein Gemälde zu Donalds Ehren. Dieses Bild existiert, wie sollte es bei Warhol auch anders sein, in vielen, mitunter knalligen, Farben. Und der Disney-Konzern wäre nicht der Disney-Konzern, würde er nicht irgendwelche Wege finden, aus wirklich allem Profit zu schlagen: Im Zuge des Trends, Retro-Cartoon-Motive auf Kleidung zu drucken, wurde mittlerweile ein The New Spirit-T-Shirt auf den Markt geworfen. Ob dadurch mittlerweile die 80.000 Dollar in Disneys Kassen gespült wurden, die der Kongress für die Produktion des Kurzfilms zurückhielt, ist mir leider nicht bekannt.

Aber nun haben wir uns zu sehr in die Gegenwart begeben. Denn Donald erhielt bei den 15. Academy Awards nicht nur eine Oscar-Nominierung, sondern zudem auch einen Oscar. Diesen erhielt er für einen Film, indem er seine neue Patriotenrolle denkwürdig ausspielen konnte. Dazu mehr in der nächsten Ausgabe von Entengold.

3 Kommentare:

Stefan Kraft hat gesagt…

Interessant! Danke für den schönen Artikel.

Eine Ergänzung noch: Laut Wolfgang J. Fuchs erfährt man in "The New Spirit" auch, dass Donald seine drei Neffen mittlerweile adoptiert hat.

Sir Donnerbold hat gesagt…

Jau, das ist richtig. Dadurch gilt Donald als Vormund. Wenn man will, kann man in diesen Entschluss der Disney-Autoren auch hineinlesen, dass sie das Quartett mittlerweile als zusammengewachsen sehen. Anfangs waren sie ja "nur zu Besuch".

Ich schätze, ich sollte dass mit der Vormundschaft und der Steuerklasse noch explizit hinzufügen. So auf Anregung. :-)

Und vielen Dank für's Lob. Freut mich, dass diese lange Ausführung über einen so kurzen Film auf Interesse stößt. :-)

Der Mann ohne Namen hat gesagt…

Sehr lehrreich und dabei unterhaltsam zu lesen. Faszinierend, was man alles über einen Siebenminüter berichten kann. Ich denke nun zu verstehen, weshalb du dich um ausführliche Kritiken zu den PotC-Filmen rumdrückst. Mit den Artikeln könnte man sicher Leute erschlagen.

Deshalb frage ich nicht nach dem Verbleib der von deiner werten Gastautorin angekündigten Soundtrack-Analyse der fremden Gezeiten, sondern worauf wir uns Samstag freuen dürfen. Das Fantasia-Bilderbuch oder Kevins "Another Nine"?

Ja, ich habe bemerkt, dass zwischendurch ein kleiner Tausch stattfand. *zwinker*

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