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Samstag, 26. November 2011

Der Fuehrer's Face

War Micky das "Über-Ich" des ewigen Träumers Walt Disney, lässt sich der vom Pech verfolgte und cholerische Donald Duck als sein "Es" betrachten. Mit seiner unverwechselbaren Art trat er schnell aus dem Schatten der Maus. Diese Artikelserie präsentiert die Cartoons, die Donald auch aus Sicht der Academy of Motion Picture Arts &  Sciences in den Film-Olymp aufsteigen ließen. Dies sind die Kurzfilme, die ihm eine Oscar-Nominierung einbrachten. Dies ist Entengold.

Der vierte Teil dieser Reihe stellt euch den Höhepunkt von Donalds Oscar-Historie vor, sowie seinen wohl größten Erfolg als propagandierender Entertainer. In diesem aufgrund seiner Thematik nunmehr legendären Cartoon sieht Donald, von einem schmissigen sowie frechen Ohrwurm begleitet, direkt in Der Fuehrer's Face und fungierte somit als forsches und fideles Sprachrohr des amerikanischen Zeitgeistes.

Original-Kinoplakat aus dem Jahr 1943

Die für das National Film Board of Canada erstellten Kriegsanleihen-Werbefilme und der unter enormen Zeitdruck für das US-Finanzministerium erstellte Propaganda-Cartoon The New Spirit waren der große Startschuss für eine ganze Reihe an Kurzfilmen, in denen die klassischen Disney-Stars, allen voran Donald, zu Kriegszwecken eingespannt wurden. Und dies auf unterschiedlichste Art und Weise: Mal wiesen sie daraufhin, wie der Erwerb von Kriegsanleihen den Verlauf des Kriegs beschleunigen könnten (etwa in Donald's Decision), in anderen Filmen wurden sie zu Bildungszwecken genutzt. So erklärten Minnie und Pluto in Out of the Frying Pan Into the Firing Line, dass aus gebrauchtem Fett Sprengstoff erstellt werden kann. Andere Cartoons dienten weiterhin der Unterhaltung. Dieser Eskapismus wurde vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs jedoch häufig mit den neuen, alltäglichen Leiden junger Soldaten versetzt. Auch wenn Donald dieses Gebiet nicht für sich allein pachtete (Pluto wurde zu The Army Mascot und letztlich sogar zu Private Pluto, Goofy zeigte derweil in Victory Vehicles wie der Krieg den Komfort der Zivilisten beeinfluste und machte danach die Marine in How to be a Sailor unsicher), so baute er mit einer Fülle an militärischen Cartoons klar seinen Starstatus weiter aus.

Das klassische Duck-Team rund um Carl Barks, Jack Hannah und Jack King hielt sich aus der propagandistischeren Arbeit heraus. Stattdessen verantworteten sie eine Serie an Cartoons, in denen Donald als frisch eingezogener, planloser Soldat an seinen herrischen Ausbilder Kater Karlo gerät. Auch wenn diese Cartoons nicht völlig frei von Patriotismus und Feind-Diffamierung waren (in Jack Kings Commando Duck löscht Donald im Alleingang einen ganzen japanischen Stützpunkt aus), so überspitzen diese Kurzfilme hauptsächlich Situationen, in denen sich auch stürmische Durchschnittssoldaten befanden, die nicht direkt an der Front stationiert waren. Donald nimmt Befehle seiner Vorgsetzten zu wörtlich, würde gerne in die Fliegerstaffel befördert werden, statt Kartoffeln schälen zu müssen und schleicht sich nachts aus der Kaserne, um einen drauf zu machen. Diese Cartoons funktionierten größtenteils auch ohne den Hintergrund des Zweiten Weltkriegs.

Donald fungierte hier gestärkt als Identifikationsfigur von "Schütze Arsch". Der war eingeladen durch das Lachen über jene Cartoons seinem Frust mit dem gewöhnlicheren Armee-Alltag Luft zu machen. Und der das Militär verachtende Carl Barks nutzte sie, um seinen eigenen Frust über das patriotische und militärische Zeitgefühl auszudrücken. Der von ihm verfasste Liedtext zu The Army Is Not The Army Anymore aus Donald Gets Drafted ist ein einziger Angriff auf die leeren Versprechungen eines schöneren Lebens in Soldatenuniform. Abseits jener Cartoons schuf das Trio außerdem Home Defense, einen typischen "Donald und seine Neffen"-Kurzfilm. Bloß halt für Kriegs-Hintergrund. Des Weiteren arbeiteten Jack Hannah und Carl Barks an ihrem ersten Donald-Duck-Comic, Donald Duck Finds Pirate Gold. Die Resteverwertung der Grundidee zu einem abendfüllenden Kinofilm sollte ein gänzlich anderes Kapitel für den Matrosenhemdenträger starten ...

Das klassische Duck-Team erhielt unterdessen, wenn man es denn so ausdrücken möchte, innerhäusische Konkurrenz. Während des Weltkriegs wurde, nicht zuletzt aufgrund der hohen Resonanz die der Wüterich beim Publikum auslöste, der Prozentsatz an Donald-Produktionen hochgesetzt. Der erfahrene Donald-Zeichner Dick Lundy, der 1939 auch erstmals für den Erpel Regie führte, erhöhte während der Kriegsära seinen Produktionsausstoß und auch die "Good Will Tour" durch Mexiko und Südamerika inspirierte weitere Donald-Werke.

Für die denkwürdigsten, und inhaltlich tragendsten, Propagandafilme trug aber ein anderes Team die Verantwortung: Die Autoren Joe Grant und Dick Huemer.

Die zu einer einzelnen Person verschmolzene Karikatur von Dick Huemer und Joe Grant, ähem, argumentiert subtil über das Ziel der disneyschen Kriegsproduktionen (Quelle: Dispatch From Disney's)

Huemer und Grant waren bereits vital an der Verwirklichung von The New Spirit beteiligt und waren daraufhin auch für die Handlung der Cartoons Reason and Emotion, Chicken Little, Education For Death und nunmal Der Fuehrer's Face federführend. Während andere Teams innerhalb des Disney-Studios reine Lehrfilme verwirklichten, war es für Huemer und Grant unerlässlich, die intendierte Botschaft mit einer unterhaltenden Komponente zu versehen. Die von ihnen getragenen Filme, selbst der sehr ernsthafte und tragische Education For Death, wurden damals als Unterhaltungsfilme gehandelt und dem entsprechend einem Massenpublikum zugänglich gemacht. Zur Verwirklichung von satirischen und trotzdem tragenden Kurzfilmen besinnten sich Grant und Huemer bei der Stoffsuche auf die Grundstärken des Trickmediums. "Keine andere Propagandawaffe kann die Achsenmächte derart lächerlich machen, sie als absurd entblößen, als der Trickfilm", schrieben sie gemeinsam im Bezug auf ihre Propagandafilme.

Wie Grant selbst in einem Interview gegenüber Disney-Historiker Leonard Maltin erklärte, wussten er und Huemer zu Beginn dieser Schaffenszeit im Dienste Uncle Sams nur sehr wenig über die Hintergründe der Militärarbeit und des Zweiten Weltkrieges. Im Rahmen der Recherchearbeiten zu Education For Death, der auf Grundlage eines US-amerikanischen Sachbuchs darüber berichtet, wie das Nazi-Regime die deutsche Bevölkerung mittels allgegenwärtiger Manipulation für sich einnehmen konnte, lernten sie mehr über die Zustände in Munitionsfabriken und in Deutschland allgemein. Dieses neu gewonnene Wissen inspirierte sie zu einem Cartoon, in dem Donald Duck widerwillig als Nazi leben und arbeiten muss. Der Grundgedanke dahinter war, mit diesem Cartoon der noch wenige Monate zuvor kriegsfaulen (und selbst nach Kriegseintritt mitunter zweiflerischen) US-Bevölkerung unmissverständlich klar zu machen, dass ein Eigreifen in den Zweiten Weltkrieg unerlässlich ist:
Wir haben das Gefühl, dass die Sache für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in diesem Land glasklar wird, sobald sich solch eine öffentliche Person wie Donald Duck vor Widerwillen krümmend in den Klauen der Nazis befindet. Donald ist für alle ein Teil der eigenen Familie, und wir garantieren, dass [die Zuschauer] Hitler zwanzig Mal mehr hassen werden, als hätten sie die selbe Tortur mit irgendeinem gelockten Helden durchgemacht, der letzten Endes doch nichts weiteres, als irgendein Schauspieler ist.
(sinngemäß übersetzt nach Laughter Knows How To Fight von Joe Grant und Dick Huemer in Dispatch From Disney's)


Der genaue Handlungsablauf von Der Fuehrer's Face änderte sich im Laufe der Vorproduktion mehrmals. Zwischenzeitlich sollte Donald Adolf Hitler, dem japanischen Kaiser Hirohito sowie Benito Mussolini persönlich gegenübertreten. Die drei Diktatoren wurden in mindestens einer Storyboardfassung des Cartoons schlussendlich zu einem Haufen Staub (plus übrig gebliebenen Chaplin-Bärtchen), einer Schüssel Pasta und einem nickelbebrillten, krummen Gebiss mit Goldzahn verarbeitet. Diese explizite Agression gegenüber den Achsenmächten passte allerdings nicht zum Grundtenor des Cartoons, und so wurden Hirohito und Mussolini zu kurz auftretenden Karikaturen während des Eröffnungssongs degradiert und Hitler, zumindest in persona, komplett aus dem Handlungsverlauf gestrichen.

Wie es bei der Entwicklung von Kurzfilmen und gerade in den perfektionistischen Disney-Studios unvermeintlich ist, selbst während der hektischeren und von Filmknappheit sowie Geldmangel geprägten Kriegsjahren, wurde auch an der Platzierung einzelner Gags geprobt. Donalds Zwangs-Körperertüchtigung, während der er sich hektisch in die Form eines Hakenkreuzes pressen muss, fand beispielsweise in einem Storyboard, das in der Fortune Ausgabe vom August 1942 abgedruckt wurde, noch während seiner Morgenroutine statt. In der am 2. November des selben Jahres veröffentlichten Ausgabe des LIFE Magazines wurde sie hingegen in die darauf folgende Fabriksequenz geschoben, wo sie auch im fertigen Film vorzufinden ist.

Solche Detailänderungen sind zwar mitunter interessant zu erfahren, jedoch sind sie, wie erwähnt, nichts besonderes. Etwas ungewöhnlicher sind dagegen die zahlreichen öffentlich gewordenen Umbenennungen des Kurzfilms. Einer der ersten Entwürfe hieß noch Donald in Axis Land. Das im Magazin Fortune abgedruckte Storyboard trug wiederum den spöttischeren Titel Donald Duck in Nutzy Land, ein Wortspiel auf "nuts" (ennglische Umgangssprache für "bescheuert") und "Nazi". Der Titel sollte also "Donald Duck im Land der Bescheuerten / der Nazis" lauten. Dieser Titel wurde in den unterschiedlichsten Schreibweisen durchprobiert (am bekanntesten wurde Donald Duck in Nutzi Land), ehe man letztlich Der Fuehrer's Face wählte. Eine vollkommen bewusste Entscheidung. Denn das vorab veröffentliche, von Oliver Wallace verfasste Eröffnungslied des Cartoons wurde vollkommen unverhofft zu einem nationalen Gassenhauer. Die direkte Assoziation mit diesem musikalischen Phänomen wollte man sich bei Disney nicht entgehen lassen.

Eine Karikatur von Oliver Wallace versucht einem wütenden Nazi klar zu machen, dass der Film ja eigentlich von zwei anderen Kerlen stammt ... (Quelle: Walt Disney Treasures - On The Front Line)

Die Entstehung des Songs ist erstaunlich gut dokumentiert. Grund dafür ist seine ausführliche Thematisierung in der Broschüre Dispatch From Disney's, die an zum Militärdienst eingezogene Mitarbeiter des Studios gesandt wurde, um sie über die jüngsten Ereignisse im Studio zu informieren. Obwohl geplant war, sie regelmäßig zu publizieren, wurde bloß eine Erstausgabe erstellt, deren Kopien unter Disney-Liebhabern und Animations-Historikern nunmehr für hohe dreistellige Summen gehandelt werden.

In eben jener raren Publikation erläutert Oliver Wallace, dass er an einem mauen Tag von Walt die eilige Order erhielt, ein "ernstes Lied, das aber lustig ist" zu komponieren. Es sei für einen Film über Donalds Abenteuer in Naziland. Völlig konfus musste Wallace nachhaken, um Walts Wunsch genauer zu verstehen "Stell dir vor, die Deutschen singen es", erläuterte Disney, "für sie ist es was ernstes. Für uns ist es witzig." Kaum gesagt, ging Walt wieder davon und ließ einen ratlosen wie mürrischen Wallace zurück. Nach Feierabend hatte Wallace keinen Nerv mehr, doch sowohl sein leises Gewissen, als auch seine Frau forderten ihn auf, wieder aufzustehen. Während der darauf folgenden, per Fahrrad bestrittenen Einkaufstour kam dann die Eingebung: Die Musik sollte sich an dem Stil einer deutschen Blaskapelle orientieren (letztlich wurde im Cartoon ein Intro gewählt, das sich sowohl an Wagners Der Meistersinger von Nürnberg, als auch an das Horst-Wessel-Lied anlehnt). Auch das erste Textfragment probte Wallace, zumindest der selbst erzählten Legende zu Folge, sofort an seiner Frau aus: "Ven Der Fuehrer says, 'Ve iss der Master Race,' / Ve Heil! Heil! / Right in Der Fuehrer's Face." Seine Frau lachte und erkundigte sich nach dem Verfasser dieser Zeilen. Wallace klärte sie auf, dass er es sich gerade selbst ausgedacht hatte und schrieb weiter. Für eine Passage des Liedes ließ er sich auch von so genannten "Schnitzelbank"-Liedern inspirieren (dazu weiter unten mehr), womit der Komposition eine weitere Dimension an deutschen Stereotypen hinzugefügt wurde.

Nach einer halben Stunde war der Entwurf fertig - und er überstand auch glorreich je einen Testlauf bei Wallaces beiden jugendlichen Töchtern, die üblicherweise seine schärfsten Kritiker waren.

Am nächsten Tag soll Wallace das Lied, höchst selbstzufrieden, laut im Studio gesungen haben, was Walt zu ihm lockte, der ihn aufforderte, es ihm vorzusingen. Da überkamen Wallace Bedenken an seiner musikalischen Schöpfung. Denn nach jedem "Heil!" folgte der so genannte "Bronx Cheer", ein als vulgär empfundenes Prusten, das ein wenig an Furzgeräusche erinnert. Wallace versuchte, Walt vorzuwarnen, doch dieser beharrte weiter darauf, das Lied hören zu wollen. Als Reaktion erntete Wallace ehrliches Lachen, und somit war das Lied Der Fuehrer's Face abgesegnet.

Wallace führt den "Bronx Cheer" vor (Quelle: LIFE Magazine, 2. November 1942)

Obwohl die Entstehungsgeschichte des Liedes Der Fuehrer's Face festgehalten wurde, scheint unbekannt zu sein, weshalb es rund ein halbes Jahr vor Kinoveröffentlichung des dazugehörigen Kurzfilms außenstehenden Künstlern übergeben wurde. Möglicherweise spielte der von James Petrillo, dem Gewerkschaftsvorsitzenden nordamerikanischer Musiker, initiierte Streik eine Rolle bei dieser Entscheidung. Petrillo vertrat die Ansicht, dass Plattenfirmen den Künstlern Tantiemen zahlen sollten und rief deswegen, entgegen großer Proteste seitens der Presse, Gewerkschaftsmitglieder dazu auf, ab dem 1. August 1942 keine zur kommerziellen Auswertung gedachten Platten aufzunehmen.

Laut Thomas S. Hischak und Mark A. Robinson, den Autoren von The Disney Song Encyclopedia, war es ursprünglich das John Scott Trotter Orchestra, welches Der Fuehrer's Face für eine Plattenauswertung einspielte. Percussionist Lindley Armstrong Jones, besser bekannt als Spike Jones, empfand diese Version allerdings als viel zu handzahm. Deswegen nahm er das Lied mit seiner eigenen Band, den City Slickers, wenige Tage vor der Sperrfrist in einem abgedrehteren Arrangement auf, welches mit verrückten Soundeffekten und eingestreuten Disharmonien auf sich aufmerksam machte. Auf Anfrage der Plattenfirma RCA Victor Records wurde auch eine Version mit einem Posaunen-Ton an Stelle des "Bronx Cheer" erstellt, doch es war schließlich die "riskante" Fassung, die im September 1942 veröffentlicht wurde.

Der Fuehrer's Face wurde mit seiner eingängigen Melodie, seinem spöttischen Humor und Jones wilden Einfällen über Nacht zum Hit, womit die Plattenfirma nicht rechnete und wodurch sie sich gezwungen sah, Eilbestellungen im Presswerk aufzugeben, so dass die ungeheure Nachfrage gestillt werden konnte. Der New Yorker Radiomoderator Martin Block nutzte die Engpässe, um aus der marktwirtschaftlichen Not eine patriotische Tugend zu machen: Er versprach jedem Zuhörer, der Kriegsanleihen für mindestens 50 Dollar erwarb, eine Gratiskopie der begehrten Scheibe. Bereits bis zum 28. September wurden durch Blocks einfallsreiches Angebot Kriegsanleihen im Wert von 60.000 Dollar verkauft, darunter 30.000 Dollar allein an einem einzelnen Abend.  Bis zum Ende des Jahres ging Der Fuehrer's Face eine Milllion Mal über die Ladentische, insgesamt verkauften sich über 1,5 Millionen Kopien der Aufnahme. Auch die Notenbätter zum Song wurden tausendfach verkauft und hielten sich wochenlang in den Verkaufscharts, und wie Variety Ende 1942 meldete, wurde Der Fuehrer's Face erstaunlich oft an den Jukeboxen Amerikas angewählt, erst recht für einen nahezu untanzbaren Song.

Vom Erfolg des Liedes inspiriert schlug der Autor und Illustrator Oskar Lebeck im Dezember 1942 den Disney-Studios vor, ein als Party-Aktivität nutzbares Buch zu veröffentlichen. Es sollte Donald Duck's Schnitzelbank heißen und lehnte sich an die Schnitzelbank-Passagen des Liedes Der Fuehrer's Face an. "Schnitzelbank", in Schweizer Gefilden auch "Bänkelsang", nannten sich simple Reime, mit denen Kindern Deutsch beigebracht wurde. Dazu zeigt jemand auf ein Bild eines Gegenstandes und fragt "Ist das nicht (eine Gabel, eine Kuckucksuhr, der Donald Duck, ... ) ?", woraufhin die anderen antworten "Ja, das ist (eine Gabel, eine Kuckucksuhr, der Donald Duck, ... ) !" Im Lied und Cartoon Der Fuehrer's Face wird dieser während der 40er auch zu spöttischen Zwecken gesungene Reim mit Zeilen wie "Are we not the supermen ? / ja we ist der supermen" verballhornt. Lebeck plante, ein Partybüchlein zu erstellen, in dem Donald auf Karikaturen von Politikern der Achsen-Mächte zeigen und passende Schnitzelbank-Reime abfragen sollte. Das Buch kam allerdings trotz Interesse Disneys nie über die Konzeptphase hinaus.

Dessen ungeachtet war die Titeländerung des Kurzfilms bereits im Oktober 1942 eine beschlossene Sache, und am 1. Januar 1943 wurde er in die US-amerikanischen Kinos entlassen. Inklusive Poster, das auf seine Verbindung mit dem Song aufmerksam machte, sowie angeblich auch einem Hitler-Pappkameraden in einigen Lichtspieltheatern, den die Besucher mit einem "Bronx Cheer" begrüßen konnten.

Nein, so sah der Papp-Hitler gewiss nicht aus!

Auch wenn es bereits sehr früh in der Gestaltung des Films so geplant war, so kam es seinem Publikumserfolg sicherlich entgegen, dass er den Kinogängern gleich zu Beginn mehr von dem gab, was sie verlangten: Der Fuehrer's Face eröffnet mit einer deutschen Blaskapelle, die quer durch das Land zieht und voller Patriotismus Der Fuehrer's Face singt. Mit diesem Lied drücken die Musiker ihren Gehorsam gegenüber dem Regime aus, dass sie der Welt eine neue Ordnung schenken und wie "super-duper-super" die arische Rasse sei. In Mitten des von Hakenkreuzen übersäten Landes schlummert Donald in einer kleinen Adolf-Hitler-Bruchbude. (Es sollte wohl angemerkt werden, dass die "Bronx Cheers" aufgrund des Kontextes letztlich doch in schräge Tuba-Klänge umgewandelt wurden, auch wenn die Wirkung die gleiche bleibt).

Donald überhört geflissentlich seinen Wecker, den nachbarschaftlichen Hahn und seine Kuckucksuhr (die ihn allesamt mit "Heil Hitler!" zu wecken versuchen), doch dann wird der faule "Schweinehund" von der Blaskapelle aus seinem Bett geworfen. Er schmeißt sich in seine Uniform und holt in einem unbeobachteten Moment seine wertvollen Schätze aus seinem Safe: Eine Kaffebohne und eine Flasche voller Rühreier-und-Speck-Aroma. Nach seinem armseligen Frühstück mit trockenem Brot folgt die vorgeschriebene Morgenlektüre von Mein Kampf, bevor Donald von der weiterhin herumwandernden Kapelle in eine Munitionsfabrik geschleppt wird, wo er die glorreiche Ehre hat, für den Führer wie ein Sklave zu arbeiten.

Während der von den Disney-Autoren bewusst an die Chaplin-Klassiker Moderne Zeiten und Der große Diktator angelehnten Fließbandarbeit wird Donald immer wieder von Hitler-Porträts unterbrochen, vor denen es selbstredend zu salutieren gilt. Dadurch fällt es Donald aber noch schwerer, mit der Arbeit nachzukommen, so dass er, ganz er selbst, zu murren beginnt. Doch schon die leiseste, in den nicht vorhandenen Bart genuschelte Beschwerde bringt ihn in Bedrängnis. Glücklicherweise darf Donald seiner Aufmüpfigkeit zum Trotz Urlaub vor einem schäbigen Gemälde der wunderschönen Alpen machen. Danach warten auf Donald allerdings Überstunden, die ihn in den Wahnsinn treiben. Und allerspätestens in der somit eingeläuteten Sequenz macht sich bemerkbar, dass keiner der üblichen Donald-Regisseure diesen Cartoon leitete.

Diese Skizze repräsentiert die Verrücktheit von Donalds Wahnvorstellungen nicht im Ansatz! (Quelle: Walt Disney Treasures - On The Front Line)

Jack King und Dick Lundy vertraten einen bodenständigeren Humor und bevorzugten es zudem, weniger von einer Botschaft belastete Filme zu verwirklichen, weshalb Jack Kinney die Regie übernahm. Kinney stemmte in seiner Disney-Laufbahn zahlreiche How to ...-Cartoons mit Goofy (eine Reihe, die kurz vor dem Krieg etabliert wurde) und gehörte zu den schrulligsten Regisseuren im Studio. Dies zeichnete sich vor Der Fuehrer's Face schon unter anderem im Pluto-Kurzfilm Bone Trouble ab, der zu großen Teilen in einem Spiegelkabinett spielte, und sollte durch Kinneys Beteiligung an Saludos Amigos und Drei Caballeros noch deutlicher unterstrichen werden. Auch wenn Kinney insgesamt wenige Donald-Projekte umsetzte, so zeigt Der Fuehrer's Face, dass er sich mit ihm richtig austobte. Donalds Halluzinationen in der Waffenfabrik können sich mit ihrem Tempo und Wahnwitz direkt neben den Rosa Elefanten aus Dumbo, den abgedrehtesten Passagen aus Drei Caballeros und den besten Szenen von Alice im Wunderland (die Version von 1951, selbstredend) ins Kabinett der surrealistischen Höhepunkte der Disney- und Zeichentrickgeschichte einreihen.

Schlussendlich implodieren Donalds Wahnvorstellungen und das Ganze stellt sich als Albtraum heraus. Schlaftrunken sieht Donald einen Schatten, vor dem er erneut reflexartig den Hitlergruß macht. Er realisiert aber, dass er in seinem geliebten Heim ist, und der Schatten seiner Miniatur der Freihheitsstaute gehört, die er küssend umarmt: "Oh Junge, bin ich glücklich, dass ich Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika bin!" Der Cartoon endet mit einer letzten Reprise des sich über die Nazis mokierenden Ohrwurms, zu dessen Klängen eine Hitler-Karikatur mit einer überreifen Tomate beschmissen wird.


Die am 4. März 1942 abgehaltene, 15. Verleihung der Academy Awards stand, kaum überraschend, vor allem im Zeichen des Zweiten Weltkriegs. Die Kategorie der besten Dokumentationsfilme wurde von kriegsthematischen Filmen dominiert (unter den mehr als zwei Dutzend Produktionen befand sich auch The New Spirit) und auch in den anderen Kategorien, inklusive der für den besten Film, befanden sich zahlreiche den Weltkrieg ansprechende Werke. Dies griff, wie bereits in den Jahren zuvor, auch auf die Trickfilmsparte über. Cartoons mit anderweitigem thematischen Fokus lagen bei diesen Oscars in der Unterzahl.

Neben Der Fuehrer's Face wurde auch Blitz Wolf als bester animierter Kurzfilm nominiert. Unter der Regie der Trickikone Tex Avery wird die Geschichte von den drei kleinen Schweinchen (gesprochen von Pinto Colvig, auch bekannt als Goofys Ur-Stimme) vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs neu erzählt. Der MGM-Cartoon zeigt den Großen, Bösen Wolf als Adolf-Hitler-Parodie, die das Land Pigmania einnimmt. Die ersten zwei Schweinchen werden in dieser Version als Naivlinge dargestellt, die keine Sicherheitsvorkehrungen gegen das Raubtier treffen, weil sie sich auf ihren Nichtangriffspakt mit dem Wolf verlassen. Das dritte Schweinchen hingegen stattet sein Haus vorausschauend mit militärischer Maschinerie aus. Angesichts dessen, dass man in den Disney-Studios gewillt war, Donald Duck von einem Nazi-Dasein (alb)träumen zu lassen und auch Kurzfilme entwickelte, in denen Donald sogar an vorderster Front gegen die Nazis kämpft, ist es eine kleine Überraschung, dass Disney das Konzept von Blitz Wolf nicht selbst in die Tat umsetzte. Mit seinen eigenen, beliebten Schweinchenfiguren. In dieser Version hätte man wohl wahrscheinlich auf Averys phallische Symbolik und seine typischen Texttafeln (nachdem das erste Haus umgepustet wird, kommentieren zwei Schilder das Geschehen mit "Vom Winde verweht" und "Abgedroschener Gag, oder?") verzichten müssen.

Mit Pigs in Polka wurde eine zweite Abwandlung von Die drei kleinen Schweinchen nominiert, was wohl auch als Testament verstanden werden kann, welchen Eindruck der Disney-Klassiker von 1933 in der Filmwelt hinterließ. Der von Leon Schlesinger produzierte Cartoon parodiert sowohl den Disney-Cartoon, als auch den Animations-Meilenstein Fantasia. Regisseur Fritz Frelengs zweite in Folge für einen Oscar-nominierte Fantasia-Parodie unterlegt die Schweinchen-Parodie mit Passagen aus Brahms Ungarische Tänze. Die Abstimmung von Bild und Ton ist zwar durchaus gelungen (wenngleich natürlich weitab vom Niveau Fantasias), die uneinheitliche Animation und die sehr grobe visuelle Gestaltung lassen mich aber mutmaßen, dass sich die Academy in diesem Fall schlicht von der Ausgangsidee hat blenden lassen. Die zehn Jahre ältere Disney-Vorlage stiehlt seiner Parodie in jeder handwerklichen und künstlerischen Hinsicht die Schau. Dass Parodien im Vergleich zum Original üblicherweise billig aussehen, ist also kein Phänomen der Neuzeit.

Auch der zweite und letzte Cartoon, der den Zweiten Weltkrieg außen vorlässt, beschäftigt sich mit Musik: Von Walts altem "Bekannten" Walter Lantz produziert und von Universal unter der Dachmarke Swing Symphony (was selbstredend keinerlei Erinnerungen an eine bei den Oscars äußerst erfolgreiche Cartoon-Serie weckt) veröffentlicht, erzählt Juke Box Jamboree die Geschichte einer Maus, die von einer Jukebox im benachbarten Café um den Schlaf gebracht wird. Beim Versuch, die Musik zum Schweigen zu bringen, landet sie in einem Cocktail, den sie prompt austrinkt. Vom Zowie (Bananenlikör, Rum und Irish Cream zu je gleichen Teilen, wer würde das nicht in sich reinkippen?) berauscht, befreit sie unwillens die örtlichen, Schabernack treibenden Weingeister.
Es steckt weitaus weniger Dumbo im Kurzfilm, als man nun gewiss vermuten könnte und erinnert eher an weniger storylastige Silly Symphonies, nur mit lateinamerikanisch angehauchter Musik.

In einem zu jener Zeit raren Ausbruch aus dem Zeichentrick-Medium wurde mit Tulips Shall Grow auch ein Stop-Motion-Film nominiert. Die in den Niederlanden angesiedelte Fabel über ein Liebespaar, das durch eine Armee feindlich gesinnter Maschinen in seinem Glück bedroht wird, war mit ihrem Happy End vom ungarisch-stämmigen Trickkünstler George Pal als Durchhaltebotschaft für Europa intendiert. Der Pionier unter den Stop-Motion-Effektkünstlern, Ray Harryhausen, war an Tulips Shall Grow beteiligt  und seit 1997 wird der Film im Rahmen der United States National Film Registry als signifikantes Stück Filmgeschichte präserviert.

All Out for 'V', letztlich, zeigt eine Gruppe von Waldbewohnern, die ihr Scherflein zum Sieg der Alliierten beitragen wollen. Dieser Cartoon ist vor allem deshalb erwähnenswert, da er dem 1929 gegründeten Trickstudio Terrytoons seine erste von vier Oscar-Nominierungen einbrachte. Der unter einem knappen Budget operierende Studio-Gründer Paul Terry selbst bezeichnete Terrytoons als das Woolworth im Trickfilm-Geschäft, während Disney Tiffany's repräsentieren würde.

Selbst wenn ich versuche, alle Donald-Verehrung bei Seite zu legen, ist mein Urteil eindeutig. Trat Good Scouts noch unglücklicherweise gegen den hervorragenden Ferdinand the Bull an, zog Truant Officer Donald zu recht gegen Lend a Paw mit Micky und Pluto den Kürzeren und hatte The New Spirit bei seiner Konkurrenz kaum eine Chance, so kann ich die Academy für ihre Entscheidung bezüglich Der Fuehrer's Face nur gratulieren.

Eine Skizze und ein koloriertes Einzelbild zeigen, wie Donald seine gehütete Kaffeebohne aus der Dose nimmt, um sie kurz ins Wasser zu tunken (Quelle: Milt-Neil-Tribut von yensidtun)

Der Fuehrer's Face hat zahlreiche Argumente, die für ihn sprechen. So ist er auch aus einem rein tricktechnischen Standpunkt einer der stärksten Donald-Cartoons. Obschon das Enten-Trio rund um Barks, Hannah und King abwesend ist und mit Jack Kinney ein Goofy-Regisseur das Sagen übernahm, waren an diesem Kurzfilm sehr viele talentierte und auch erfahrene Donald-Zeichner beteiligt. Darunter befanden sich unter anderem Bob Carlson und Bill Justice, der seinen Einstand im Studio mit Fantasia feierte, die Leitung an Klopfer aus Bambi übernahm und nach Der Fuehrer's Face zu einem der führenden Zeichnern an Donald-Cartoons wurde. Außerdem wirkte einer der unterschätzesten Disney-Künstler, nämlich Milt Neil, am Kurzfilm mit. Neil wird in einiger Disney-Sekundärliteratur übergangen, aber von seinen späteren Schülern groß geschätzt und galt als "The Duck Man", da er trotz Mitarbeit an Schneewittchen und die sieben Zwerge, Pinocchio, Fantasia und Dumbo Donald von seinen Anfangsjahren an treu blieb und im Laufe dieser Zeit einige große Momente des Trickheldens verwirklichte.

Somit fiel Neil auch in Der Fuehrer's Face eine der darstellerisch herausforderndsten Zeichensequenzen zu. Er betreute die in zahllosen Materialien zu diesem Cartoon abgebildete Kaffee-Szene. In dieser werden, nur durch Mimik und Gestik, Donalds Begierde nach vernünftigen Lebensmitteln, seine Ausgehungertheit und seine Sorge um seinen wertvollen Besitz (die einzelne Kaffeebohne) vermittelt, sowie seine Angst davor, vom despotischen Regime erwischt zu werden. Es ist ein kurzer Moment, doch es ist ein Beispiel für die aussdrucksstarke Charakterzeichnung, die mit Donald möglich ist, und zudem erhält der insgesamt sehr aufgedrehte und durchgeknallte Cartoon durch solche Vignetten auch richtiges Gewicht.

Im Fabriksegment wiederum sind insbesondere das perfekte komödiantische Timing sowie die zahlreichen Einfälle prägend. Und dennoch: Die Zustände, unter denen Donald unmenschliche Fließbandarbeit verrichten muss, werden zwar mit einem spritzigen und haarsträubenden Humor gezeigt, ohne dass dahinter der Schrecken seiner Situation verloren geht. Die anschließende Albtraumsequenz ist wiederum vollkommen grotesk und genial. Mehr, als bei den meisten anderen Cartoons mit den klassischen Disney-Figuren, zeigt sich auch die visuelle Gestaltung als überaus einflussreich. Don da Gradis und Andy Engmans Land der unausweichlichen Hakenkreuze ist unangenehm, abstrus und (erst recht aus heutiger Sicht) zum Auflachen zynisch.


Oben: Bleistiftentwurf zum Kurzfilm aus einer zeitgenössischen Publikation über die Musik in Disneys Kriegsproduktionem (Quelle: Toons at War), unten: Hintergrundbild aus dem fertigen Cartoon

Erstaunlich ist allerdings auch, wie verhältnismäßig komplex Der Fuehrer's Face sein zeitgenössisches Publikum mobilisiert; den in blau-weiß-rot getauchten Schlusspatriotismus hin oder her.

Offensichtlich ist es das oberste Ziel von Der Fuehrer's Face, sich über den Feind lustig zu machen. Dies beginnt schon in den ersten Sekunden des Films, immerhin schröpft das Titellied mit beiden Händen aus dem Quell stereotypischer, deutscher Musik. Der lächerliche Akzent, in der Filmfassung des Liedes von Jiminy-Grille-Sprecher Cliff Edwards rübergebracht, trägt ebenfalls sein kaum zu verachtendes Scherflein dazu bei, die Nazis als dämlich darzustellen. Selbiges gilt für die unkontrollierten Marschiererei der Blaskapelle: Kaum in ihre Uniformen passend (entweder sind sie zu groß oder zu klein) rennen sie wiederholt ineinander rein, statt geregelt im Gleichschritt zu marschieren. Am stärksten wird aber Adolf Hitler lächerlich gemacht, dessen Porträt schlichtweg überall auftaucht, selbst als Vogel einer Kuckucksuhr.

Somit wird der Feind in diesem Cartoon greifbarer gemacht, was ihn wiederum besiegbar erscheinen lässt. Der Fuehrer's Face nimmt den Schrecken vor Hitler, jedoch lässt sich aufgrund der diesen Cartoon komplett durchziehenden Elemente des Unangenehmen keinesfalls behaupten, dass Hitler und seine Taten verharmlost werden. Ein gedanklicher Spagat, den die im Jahrestakt aufkreuzenden, "Über Hitler spaßt man nicht!" wimmernden Kulturhüter wohl nie so ganz bewältigen können. Gut gemachter Humor ist fähig, so eine Balance zu halten - sie ist eines der Kernziele dieses Cartoons, schließlich will er die Moral der US-Bürger und -Soldaten stärken. Eine Verharmlosung wäre dazu ebenso ungeeignet, wie eine Porträtierung Hitlers als über- und unmenschliches Monster, gegen das kein Kraut gewachsen ist.

Worin sich Der Fuehrer's Face noch weiter von platterer US-Propaganda der Kriegsjahre abhebt, ist sein satirischer Umgang mit der Doppelzüngigkeit der Achsen-Mächte. So bestätigt ausgerechnet die Karikatur von Hirohito, sie seien alle "aryan pure supermen". Im Text finden sich auch Widersprüche wie die Aussage, das Naziland sei "so gut", dass sie es alle sofort verlassen würden, wenn sie bloß könnten. Des Weiteren schwingt eine offenbar Göring nachempfundende Karikatur sehr feminin ihre breiten Hüften (die der Posaunist an einer Stelle offenbar bewusst mit seinem Instrument anstupst), während sie damenhaft mit den Wimpern klimpert. Was keineswegs den nationalsozialistischen Vorstellungen der männlichen, starken Herrenrasse entsprechen dürfte.


Wie vorhergehend angedeutet, sticht Der Fuehrer's Face zudem durch seine, zumindest für seinen zeitgeschichtlichen Kontext, differenzierte Darstellung von Nazi-Deutschland aus anderen Propagandafilmen hervor. Natürlich lebt er als Satire von Überspitzung, dennoch hat er mit den ebenfalls von Grant & Huemer verfassten Reason and Emotion und Education For Death gemein, dass er zwischen der von der Ideologie überzeugten Parteispitze und dem manipulierten (siehe Education For Death) oder unterdrückten und verängstigten Normalvolk (hier repräsentiert durch Donald) unterscheidet.

Es muss wohl nicht gesondert erwähnt werden, dass jüngere Filme, die einen größeren geschichtlichen Abstand sowie einen besseren Überblick über das Geschehen haben, mitunter eine facettenreichere Skizzierung des Lebens in Nazi-Deutschland erreichen. Vor allem, wenn sie einen weniger humoristischen Anspruch verfolgen und obendrein eine längere Laufzeit aufweisen, und somit breiteren Raum zur Abbildung unterschiedlicher Menschengruppen und Einstellungen haben.Trotzdem weist Der Fuehrer's Face mit Donalds Misslage, etwa seiner berechtigten ständigen Angst oder der Lebensmittelknappheit, auf die Misere hin, in der sich Normalbürger in den von Nazis beherrschten Ländern befanden. 

Der Fuehrer's Face sollte nicht nur die Nazis lächerlich machen, sowie weiteren Hass auf Hitler schüren, sondern mittels der Identifikationsfigur Donald tatsächlich auch ein Pflichtgefühl gegenüber den von Nazis unterdrückten Menschen in Europa wecken. Für einen Propagandafilm der frühen 40er-Jahre durchaus bemerkenswert. Dies ist laut Disney-Historiker Paul F. Anderson auch Mitgrund, weshalb der Cartoon in nahezu sämtliche europäischen Sprachen übersetzt wurde: Er sollte die noch unbesetzten Länder im Kampf gegen Hitler einen. 

Wie Richard J. Leskosky in einem Essay über Disneys Propaganda-Kurzfilme aus dem Zweiten Weltkrieg entschlüsselt, motivierte Der Fuehrer's Face sein Publikum zu guter Letzt noch auf einer anderen Ebene: Mittlerweile mussten sich auch US-Bürger angesichts des Krieges mit Lebensmittelrationen begnügen und insbesondere in der Industrie an Überstunden gewöhnen. Mit einer Prise Ironie (vielleicht sogar Selbstkritik?) wurde dies verarbeitet und unmissverständlich in ein anderes Verhältnis gesetzt. Als Amerikaner hatten sie es noch immer besser und waren weiterhin frei, weshalb sie sich, wie Donald zum Schluss des Cartoons, in ihrer Haut glücklich schätzen sollten. Sie sollten Vater Staat weiter unterstützen, selbst wenn sich mit Kriegseintritt der Lebensstandard verschlechterte.

Damit mögen wir die Analyse der Botschaft von Der Fuehrer's Face an dieser Stelle auch beenden, denn eine vollständige Entschlüsselung dieses Propaganda-Kurzfilms dürfte ausreichend Material für Abschlussarbeiten in allerlei Fachgebieten liefern.

Das an Pressholz erinnernde Weißbrot ist nicht bloß ein cartoonhafter Gag über schlechte Lebensmittel, sondern auch eine Anspielung darauf, dass bei knapper Mehlversorgung Brot mit Sägespänen gestreckt wurde

Der Öffentlichkeit wurden nie genaue Zahlen genannt, wahrscheinlich existieren nicht einmal grobe Daten, also muss folgendes mit Vorsicht genossen werden: Einige Animationshistoriker und ehemalige Disney-Mitarbeiter bezeichnen den Cartoon Der Fuehrer's Face als Disneys erfolgreichste Produktion aus den Kriegsjahren. Nicht bloß künstlerisch, sondern auch kommerziell. So sagte beispielsweise Dick Huemer über The New Spirit, dass er mit Der Fuehrer's Face von einem "echten Blockbuster" gefolgt wurde.

Vollkommen gleich, ob Donalds Oscar-Erfolg nun von ein paar Millionen US-Kinobesuchern mehr oder weniger gesehen wurde, als sein Aufruf zum pünktlichen Steuernzahlen: Der ihn nach Deutschland verfrachtende Albtraum zog definitiv weite Kreise. Viele Historiker sagen, dieser und ähnliche Filme hätten einen unverzichtbaren Teil dazu beigetragen, die Moral im Land und unter den Truppen zu stärken. Es ist sogar verbrieft, dass sich die Soldaten im Radio mehr Der Fuehrer's Face und vergleichbare Musik wünschten, und weniger der von einigen Vorgesetzten bevorzugten, romantisierten und patriostischen "sirupartigen Symphonien". Der in den 40ern zweifach mit dem Oscar für den Besten Song ausgezeichnete Texter und Theater-Regisseur Oscar Hammerstein II nannte ihn "den großen, psychologischen Song des Krieges" und unzählige Texter betätigten sich in der höchsten Form der Verehrung: Sie imitierten Oliver Wallaces Komposition und Spike Jones' Aufnahme schamlos. Andere Künstler, darunter auch der Brite Tommy Trinder, nahmen dagegen Coverversionen auf.

Disneyintern erhielt Der Fuehrer's Face die Ehre, das Titelmotiv für die 1943 gedruckte, erste (und letztlich auch letzte) Ausgabe von Dispatch From Disney's zu zieren. Außerdem wurde der Cartoon in gleich zwei Artikeln behandelt. Wer trotz des mangelnden Kleingeldes Interesse an diesem Stück Disney-Geschichte hat, in welchem außerdem Briefe dienender Disney-Mitarbeiter, Artikel über Victory Through Air Power und Saludos Amigos, sowie Aktzeichnungen aus der Feder Fred Moores und auch etwas studiointerner Tratsch abgedruckt wurden, findet im Animation Archive Scans des hoch interessanten Zeitdokuments.

Ebenfalls 1943 erschien ein Zeitungscomic, der zugleich für Kriegsanleihen, als auch für Der Fuehrer's Face die Werbetrommel rührte: Im Comic Right In Der Fuehrer's Face erwirbt Donald, sehr zum Schrecken seiner Neffen, ein Hitler-Porträt. Donalds Vorhaben mit dem Bild: Je schneller Familie Duck Kriegsanleihen kauft und sie über das Bild klebt, desto eher sind sie von diesem Anblick befreit (ein Scan des Comics findet sich bei Toons at War). Beachtlich, dass der Strip noch im November 1943 Werbung für den Cartoon und den gleichnamigen Song machte.

Donald stieg nach der Veröffentlichung von Der Fuehrer's Face zu einem nationalen Sprachrohr auf. Am 7. Februar 1943 schrieb der Journalist, Filmkritiker und Drehbuchautor Theodore Strauss in der New York Times in einem Aufsatz namens "Donald Duck's Disney":
Wer hätte gedacht, dass Donald Duck eines Tages Herrn Doktor Goebbels perfekt Kontra geben würde? [...] Donald, der zuvor schlicht ein lärmender Jedermann war, wurde durch irgendeine kuriose Schicksalswende zu einer Art Höchsten Botschafters, zu einem Vertreter für den American Way. [...] Er wurde einer der Nummer-Eins-Propagandisten dieses Landes.
Nur konsequent erscheinen dadurch Walt Disneys Pläne, Donald in seinen aufwändigsten Propaganda-Film einzuarbeiten: Victory Through Air Power. Noch konsequenter war nur, diesen Gedanken wieder fallen zu lassen, sollte dieser gewichtige Langfilm doch dazu dienen, Politiker und die Massen mittels der präsentierten Fakten vom Kriegseinsatz von Langstreckenflugzeugen zu überzeugen.


Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nahm Walt Disney zunehmend Abstand von den meisten seiner Militärs- und Propagandafilmen. Die Distanzierung von diesen Cartoons geschah jedoch nicht über Nacht:

Kurz nach Kriegsende suchte das Disney-Studio eine bessere Beziehung zur Sowjetunion. Roy und Walt konnten einen Vertrag über den Vertrieb von Bambi sowie mehreren Kurzfilmen abschließen, worunter sogar Der Fuehrer's Face gehörte. Ein russischer Repräsentant flog nach Burbank, um das Geschäft abzuklären, und forderte bei der Synchronisierung des Cartoons, dass die Verballhornungen Mussolinis und Hirohitos geschnitten werden, weil sich Russland derzeit mit Japan und Italien gut stellen wollte. Da sich die sowjetischen Vertragspartner des Disney-Studios nicht an die üblichen Vereinbarungen hielten und die Filmkopien nach Ablauf der abgemachten Nutzungszeit zurückschickten, blieben Bambi, Der Fuehrer's Face und eine Riege weiterer Cartoons vorerst die letzten offiziell in die Sowjetunion exportierten Disney-Produktionen.

Mit der Zeit kehrte Disney Der Fuehrer's Face aber unter den Teppich. In der Disneyland-Fernsehfolge A Day in the Life of Donald Duck feierte die "Schnitzelbank-Melodie" aus Oliver Wallaces Gassenhauer noch einen musikalischen Gastauftritt im Lied Quack Quack Quack, Donald Duck,  Jimmie Dodds internationaler Liebeserklärung an Donald. Ja, selbstredend wurde sie für das deutsche Segment verwendet, der Ursprung dieser Melodie wurde jedoch verschwiegen.

Ansonsten lebte Der Fuehrer's Face für viele Jahrzehnte nur noch in Krieg thematisierenden Medien weiter. Der Historiker und Autor von Fantasy- und "Alternate History"-Romanen Harry Turtledove wandelte das Titellied in einem seiner Romane ab, es wird in einer Episode von M*A*S*H gesungen, es kommt im Bruce-Willis-Film Das Tribunal vor und spielt sogar eine größere Rolle im literarischen Kriegsschinken War and Remembrance, während es nach der Jahrtausendwende einer völlig neuen Generation im Buffy-Comic Spike vs. Dracula # 3 vorgestellt wurde. Die Disney Company selbst erkannte die Existenz von Der Fuehrer's Face lange Zeit nur noch in Fachbüchern an. Die Fernsehspecials Donald Duck's 50th Birthday und Zoff in Entenhausen zeigten ebenfalls kurze Clips, in letzterem brauchte es aber die Pausenfunktion und einen guten Fernseher, um auf den herunter regendenden Donalds aus der Albtraumsequenz das (nicht wegretuschierte) Hakenkreuz zu erkennen. Viel direkter war da der von Jerry Bruckheimer produzierte und unter Touchstone Pictures veröffentlichte Pearl Harbor, in dem sich die Hauptfiguren Der Fuehrer's Face im Kino ansehen.

Die Scheu gegenüber Der Fuehrer's Face sollte niemanden verwundern. Die Thematik ist zu sehr an ihre Zeit gebunden, und die (zeitweise) Darstellung Donalds als Nazi muss im gesamten Kontext betrachtet werden, um Fehlschlüssen vorzubeugen. Deswegen wundert es durchaus, dass Disney gegenüber Internetvideos über "Nazi Donald!" nicht rigoroser durchgeht.

Die restlichen Cartoons aus Donalds Militärjahren hatten es mit ihrer etwas unbelasteteren Natur besser: Wenn auch nicht allgegenwärtig, so wurden sie gelegentlich in Fernsehspecials aufgegriffen (brenzligere Szenen konnten bei dieser Gelegenheit ja ohne größere Umstände entfernt werden). Und mysteriöserweise schaffte es Commando Duck sogar ungeschnitten auf eine deutsche Video-Veröffentlichung.

Der viele Jahre nur als Raubkopie erhältliche Der Fuehrer's Face hingegen wurde erst 2004 legal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (Interessierte konnten zuvor bereits offizielle Nachdrucke des Kinoposters kaufen). Obwohl auf der DVD-Box Walt Disney Treasures: On The Front Lines der zum Verständnis notwendige Kontext gegeben wird und Leonard Maltin in einem unüberspringbarem Vorwort die Absichten hinter Der Fuehrer's Face einordnet, wurden in der Planungsphase der Veröffentlichung deutsche sowie japanische Stellvertreter eingeladen, um ihren Segen einzuholen. Diese bestätigten geschlossen, dass die enthaltenen Vorstellungen Deutscher und Japaner eine Geschichtsfrage und somit unbedenklich seien.

Donald als Anführer der Freiwilligenarmee

Historiker haben Donald seinen "Dienst" an Kunst und Vaterland keineswegs vergessen. Das TIME Magazine wählte Spike Jonzes Platte im Oktober dieses Jahres zu einem der 100 großartigsten und bedeutungvollsten Pop-Songs. Der Fuehrer's Face wurde 1994 von 1.000 Animations-Experten auf Platz 22 der 50 besten Cartoons aller Zeiten gewählt. Und bereits 1984 wurde Donald, während der Feierlichkeiten seines 50. Geburtstages, von der US Army für seine Verdienste zum Buck Sergeant ernannt. Während der selben, groß aufgezogenen Zeremonie wurde Donald auch in den ehrevollen Militärruhestand versetzt. Naja, fast. Wie Jim Hill dieses Jahr erfuhr, wurde Donalds Militärstatus damals lediglich von "aktiv" auf "inaktiv" gesetzt, so dass er im Notfall wieder in den Dienst berufen werden kann. Was hoffentlich niemals nötig wird.

Wenngleich Donalds Militärzeit offiziell erst 43 Jahre nach seinem Einzug in die Armee beendet wurde, endeten seine Kriegsbemühungen schon am 2. Juni 1944. Mit der Premiere von Commando Duck hat Donald sein Größtmögliches getan. Daraufhin hatte er zwar noch mit der kriegsbedingten Metallknappheit zu kämpfen, ansonsten kehrte aber wieder Alltag für ihn ein. Dazu gehört auch die für ihn so kennzeichnende Flaute im Geldbeutel. Wie sich ein kühner Kriegsveteran dennoch eine spaßige Nacht ermöglicht, und welche Folgen dies haben kann, erfahrt ihr in der nächsten Ausgabe von Entengold.

1 Kommentar:

  1. Danke für diesen Beitrag, der mich mal wieder dazu verleitet hat, in fremde Galaxien des www vorzudringen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat...
    Dabei "Der Fuehrer's Face by Spike Jones" von 1942 gefunden, welches selbst wieder ein Propagandafilm ist, mit der Aufforderung am Schluss, Kriegsanleihen zu zeichnen.
    Wer's noch nicht kennt:
    http://www.youtube.com/watch?v=I1583adUqSg&feature=related

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