Samstag, 15. Oktober 2011

Truant Officer Donald

War Micky das "Über-Ich" des ewigen Träumers Walt Disney, lässt sich der vom Pech verfolgte und cholerische Donald Duck als sein "Es" betrachten. Mit seiner unverwechselbaren Art trat er schnell aus dem Schatten der Maus. Diese Artikelserie präsentiert die Cartoons, die Donald auch aus Sicht der Academy of Motion Picture Arts & Sciences in den Film-Olymp aufsteigen ließen. Dies sind die Filme, die ihm eine Oscar-Nominierung einbrachten. Dies ist Entengold.

Im zweiten Teil dieser Reihe tritt Donald erneut mit seinen Neffen Tick, Trick und Track auf. Außerdem übt der Erpel mit den tausend Berufen wieder einmal eine neue Tätigkeit aus. In diesem Oscar-nominierten Kurzfilm aus dem Jahre 1941 begegnet er uns als Truant Officer Donald.

Das offizielle Plakat zum Kurzfilm

Seit Donald für Good Scouts aus dem Jahre 1938 seine erste Oscar-Nominierung erhielt, hat sich innerhalb der Walt Disney Studios vieles verändert. Nachdem der im selben Jahr für den Oscar nominierte Micky-Maus-Kurzfilm Brave Little Tailor zwar Anerkennung erhielt, jedoch längst nicht den erträumten Profit machte, endete in den Disney-Studios die Ära überaus ambitionierter Kurzfilme. Die prestigeträchtige Reihe der Silly Symphonies fand 1939 mit dem (nur auf dem Plakat als Teil der Reihe gekennzeichneten) Remake The Ugly Duckling auf einem Höhepunkt sein Ende. Kostspielige, experimentelle Kurzfilme rentierten sich für die perfektionistisch veranlagten Disney-Studios nicht mehr, und so verlagerte man seine Konzentration zunehmend auf den Langfilm. 1940 gelang mit Fantasia eine abendfüllende Spielweise der Silly Symphonies in die Lichtspielhäuser - alles gegründet auf der Idee, Micky mit einem aufwändigen Kurzfilm erneut ans Publikum heranzuführen.

Walt Disney bemühte sich nicht, für Mickys einstige Co-Stars einen ähnlich triumphalen Leinwandauftritt in die Wege zu leiten. Nicht, dass sie es nötig gehabt hätten. Im März 1938 begann mit Goofy and Wilbur Goofys eigene Kurzfilm-Reihe, nebenher teilte er sich in einigen Cartoons noch das Rampenlicht mit dem ewigen Wüterich Donald. Und auch Plutos Kurzfilmreihe kam nach Good Scouts endlich ins Rollen. Ähnlich wie Micky seine neue Position in der Filmwelt finden musste, suchten jedoch auch Goofy und Pluto zunächst noch ihre Identität als Solo-Stars.

Außerdem begann am 24. Dezember 1939 der Umzug aus dem alten Studio an der 2719 Hyperion Avenue ins neue, auf Basis der Schneewittchen-Einnahmen erbaute Studio in Burbank. Während all dieser Änderungen im Filmkosmos der Disney-Cartoons waren die zahlreichen Künstler der Walt Disney Studios verbissen damit beschäftigt, sich um die Langfilm-Produktion zu kümmern. Nach dem umwerfenden, weltweiten Erfolg von Schneewittchen und die sieben Zwerge strebte Walt an, jährlich zwei neue abendfüllende Zeichentrickfilme in die Kinos zu bringen. Ein Ziel, dass sein Studio zu seinen Lebzeiten einmal erreichen sollte. 1940. In dem Jahr, in welchem die Walt Disney Studios auch bitter erfahren mussten, welche Auswirkungen der in Europa tobende Weltkrieg auf ihr Geschäft haben sollte. Da geschätzt 40% des ausländischen Marktes wegfielen und beispielweise die Einnahmen aus dem Vereinigten Königreich eingefroren wurden, waren Pinocchio und Fantasia ihrerzeit (finanziell gesehen) nur schmale Schatten "der schönsten, im ganzen Land."

So theatralisch das nun auch klingen mag: Unter all diesem Tumult fand sich zu Beginn der 40er mit den Kreativen hinter den Donald-Kurzfilmen eine Konstante. Jack King führte, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Regie bei allen Cartoons der Donald-Reihe und Carl Barks steuerte für den Großteil des Donald-Outputs die Handlung beziehungsweise die zentralen Gags bei. Jack Hannah, der seine Karriere bei Disney 1936 als Zeichner begann und bei Donald's Nephews erstmals an der Story beteiligt war, bestätigte sein Talent als Gagschreiber 1939 mit Donald's Lucky Day, und bildete daraufhin mit Carl Barks ein Autoren-Duo. King, Barks und Hannah wurden ein eingespieltes Team, und so schleifte sich ein gemeinsamer Stil ein.

Donald blieb dennoch einer der vielseitigeren Cartoon-Helden, denn Ende der 30er/ Anfang der 40er fanden sich zwei archetypische Donald-Filme, die von gelegentlichen Ausbrüchen aus diesen Schemata aufgelockert wurden. Zunächst gab es Cartoons der Marke "Donald gegen den Rest der Welt", in denen Donalds sprichwörtliches Pech und sein Temperament aus einer harmlosen Situation eine mittlere Katastrophe schufen (siehe etwa den ebenfalls 1941 gestarteten Early to Bed). Und dann gab es die im Geiste des prototypischen Good Scouts geschaffenen "Möchtegern-Autorität Donald und seine Neffen"-Filme. Die Dynamik zwischen Donald und Tick, Trick und Track lief wie frisch geölt, und ganz offensichtlich war das zeitgenössische Publikum und Fachpublikum davon begeistert. Ist es doch erneut ein Neffen-Cartoon, der Donald seine zweite Oscar-Nominierung einbrachte.

Von 1934 bis in die späten 40er hinein druckte das Magazin Good Housekeeping regelmäßig ganzseitige Ausblicke auf die neusten Disney-Kurzfilme ab. Auch Truant Officer Donald erhielt solch eine ansprechend gestaltete Anzeige. (Bildquelle: Michael Sporn Animation)

Erneut füllt Donald eine autoritäre Position aus, was ihm nach Auftritten als Fähnleinführer, Commodore, Polizist und Feuerwehrmann mittlerweile nicht mehr fremd sein sollte. Nun versucht er sich als "Truant Officer", was man gewissermaßen als Schulschwänzer-Fänger beschreiben könnte. Somit ist auch die Konstellation zwischen ihm und seinen Neffen auf Anhieb geklärt: Zog die Entenfamilie in Good Scouts, Sea Scouts oder The Fire Chief (prinzipiell) am selben Strang, so sind Onkel und Neffen in diesem Cartoon wieder Antagonisten. Dabei ist es erneut faszinierend festzuhalten, wie schnell Donald, ähnlich wie zuvor Micky, aus seiner juvenilen Rolle gedrängt wurde. Noch 1938 war es der Matrosenblusenträger selbst, der in Donald's Better Self die Schule schwänzte. Wie sich anhand der fragwürdigen Methoden zeigt, die Donald anwendet um die Schulschwänzer zu fangen, hat sich an seiner Kernigkeit jedoch nichts geändert. Mit einem erwachsenen Micky an Donalds Stelle wäre dieser Cartoon deshalb wohl undenkbar.

Der Kurzfilm unterscheidet sich übrigens drastisch von der Vorschau in Good Housekeeping: Irreführende Hinweisschilder (ein Cartoon-Standardgag) kommen in Donalds Arbeitsweise nicht vor. Stattdessen lauert er den Schulschwänzern am See auf und fängt sie mittels unterschiedlicher Gerätschaften (darunter einer Saugglocken-Knarre) ein. Allerdings können Tick, Trick und Track fliehen, woraufhin sie sich in ihrer Holzhütte verschanzen. Da Donald weder durch wildes anklopfen, noch durch Gewaltanwendung zum Ziel kommt, beschließt er letztlich, seine Neffen auszuräuchern. Die drehen daraufhin den Spieß um, und spielen Donald einen morbiden Streich. Ganz wie ihr Onkel treiben sie diesen jedoch zu weit...


Anders als bei Good Scouts, der meines Erachtens nach zu den besten Donald-Cartoons gehört und somit auch redlich eine Oscar-Nominierung verdiente, scheint es mir bei Truant Officer Donald so, dass die Academy die grundlegende Idee mehr entlohnte, als ihre Ausführung. Es ist keinesfalls ein schwacher Cartoon, aber einige der visuellen Gags wurden zuvor, und auch in Folgejahren, mit deutlich mehr Pepp und Tempo umgesetzt. Donald als Schulschwänzer-Schreck zündet kein großes Gag-Feuerwerk ab, in der ersten Cartoon-Hälfte gibt es eigentlich nur vereinzelte Lacher. Diese sind zwar gut umgesetzt (etwa die in ihrer Übertriebenheit erstaunlich amüsante Flucht der Neffen aus Donalds "Polizeiwagen"), trotzdem kommt der Film erst in Fahrt, wenn sich die Neffen in ihrer kleinen Hütte verschanzen und Donald zu extremen Mitteln greift. Zuvor fährt er im Vergleich mit den absoluten Highlights der Donald-Filmografie mit angezogener Handbremse. Und auch die Hintergründe sind zwar gelungen und über dem Standard der meisten anderen Studios, doch im Vergleich zu manchen früheren Donald-Cartoons bemerkt man gerade während sich bewegender Nahaufnahmen kleinere Sparmaßnahmen abseits der Figurenanimation.

Um aber zum gelunegen Finale des Cartoons zu kommen... Die Idee, dass Donald seine Neffen ausräuchern will, ist bereits stark und für damalige Disney-Verhältnisse mutig, doch womit der Cartoon seinen Höhepunkt erreicht, ist der Konter von Tick, Trick und Track: Sie täuschen ihren Tod vor. Es ist gut vorstellbar, dass es dieser köstlich-morbide Twist ist, der für die Oscar-Nominierung ausschlaggebend war. Denn daraufhin haben die Verantwortlichen dieses Kurzfilms die Gelegenheit, die komödiantischen Stärken Donald Ducks auszuschröpfen. Sie reizen die Möglichkeiten nicht bis zum äußersten aus, aber weit genug, um mit dem letzten Akt des Cartoons den verhaltenen Anfang wieder wett zu machen. Donalds erschrockene, beschämte und in Selbsthass zerfließende Reaktion beim Anblick der (urkomisch banalen) "Leichen" seiner Neffen ist sehr pointiert umgesetzt, mit expressiver Körperhaltung und einer zerknautschten Mimik. Und, typisch Donald, bei all dem Schock überkommt ihn auch Neugier, so dass er sich zwar zunächst von den verkokelten Entlein abwendet, dann aber doch mit großen Augen hinsieht, nur um sich darauf wieder selbststrafend abzuwenden. Aber nicht nur die Figurenanimation ist ein Bündel komisch überspitzter Emotionen, sondern ausgerechnet auch der Dialog.

Viele Menschen haben ja große Probleme, Donalds Geschnatter zu dekodieren. Ich kann jedoch jeden nur ermutigen, an seinem Donald-Hörverständnis zu arbeiten, denn Carl Barks, Jack Hannah und Co. haben Donald einige tolle Sprüche in den Schnabel gelegt, die sein Sprecher Clarence "Ducky" Nash sehr spritzig umgesetzt hat. So auch in Truant Officer Donald, als der Titelheld des Cartoons denkt, den Geist eines seiner durch ihn getöteten Neffen zu sehen. Donalds Reaktion darauf ist ein forciert beiläufiges "Guten Morgen", was nicht nur eine runde Charakterisierung des Erpels abgibt, sondern in seiner bemühten Alltäglichkeit zumindest mein Komikzentrum genau an der Schwachstelle trifft - ebenso wie die gesamte folgende Konversation zwischen Donald und dem "Geist"

Überhaupt ist auffällig, dass die Entenzeichner und -autoren in den Walt Disney Studios auf eine recht glaubwürdige, konstante Charakterdarstellung achteten. Es sind nur kurze Gag-Kurzfilme, die keine nachdenkliche Geschichte erzählen wollen oder zwischenmenschlich komplexe Situationen abbilden. Aber wenn man mal darauf achtet, wird man merken, dass Donald im Regelfall eine menschlichere, facettenreichere Persönlichkeit verliehen bekam, als seine Disney-Kollegen oder auch die "One Trick Ponies" der Konkurrenz. Und auch bei der Darstellung der Neffen "klaute" das Autorenteam ganz clever bei Donald. In Truant Officer Donald fallen sie mit ihrem Streich auf den Schnabel, weil sie zu viel wollen und unnötig einen draufzusetzen versuchen. Eigentlich typisch Donald. Aber, was wäre passender, als den Schülern auch die Makel des Meisters zu verleihen? Ob ihr es nun als einfallslos betrachtet, oder als Versuch, den Donald-Cartoons einen homogenen Witz zu verleihen - schlüssig ist es auf jeden Fall.

Ähnlichkeiten mit anderen wütenden Disney-Figuren, die an eine Hütte klopfen, um drei sehr ähnlich aussehende Cartoonhelden schnappen zu können, sind rein zufällig

Die 14. Verleihung der Academy Awards gehört zu den denkwürdigsten der Oscar-Geschichte. Den meisten Filmliebhabern sollte sie als die Verleihung bekannt sein, bei der die Meisterwerke Citizen Kane und Die Spur des Falken in der Kategorie "Bester Film" gegen So grün war mein Tal antraten. Und verloren. Aber Hollywoods Ehrung der besten Filme des Jahres 1941 ist auch aus anderen Gründen bemerkenswert. Die Oscar-Verleihung fand am 26.Februar 1942 statt, nur wenige Monate nach dem Angriff auf Peal Harbor - und somit nur kurz nach dem Kriegseintritt der USA. Die Stimmung in der Nation hat sich seit Kinostart von Truant Officer Donald also erneut radikal geändert, und so auch die Filmwelt. Die 14. Oscars waren die ersten, in der Dokumentationen berücksichtigt wurden, eine Änderung die für Donald noch von Relevanz sein sollte, und mit zehn Nominierungen für den besten animierten Kurzfilm wurde ein neuer Rekord aufgestellt. Erst bei den 19. Academy Awardsm also im Jahr 1946, sollte das Feld wieder auf fünf Nominierungen zurückgedrängt werden.

Neben Truant Officer Donald wurde mit Lend a Paw eine zweite Disney-Produktion als bester Trickfilm nominiert. Regie bei diesem Pluto-Cartoon führte Clyde Geronimi, der später noch weitere gelungene Pluto-Kurzfilme verantwortete und auch eine Sequenz des Donald-Meisterwerks Drei Caballeros leitete. Lend a Paw kam als Micky-Maus-Cartoon in die Kinos, konzentriert sich aber viel stärker auf Mickys treues Haustier Pluto. Der Kurzfilm basiert auf dem Schwarz-Weiß-Cartoon Mickey's Pal Pluto und zeigt, wie der schlacksige Hund ein Kätzchen vor dem Ertrinken rettet. Eine Heldentat, die er daraufhin bereut, weil Micky das gerettete Waisenkätzchen bevorzugt behandelt. Pluto erhält deswegen Besuch von seinem sprechenden, personifizierten Engelchen und seinem inneren Teufel. Lend a Paw wurde, als einziger Kurzfilm der Micky-Maus-Serie, mit dem Oscar ausgezeichnet.

Die Fleischer-Studios dagegen wurden für den ersten Eintrag in ihre Reihe rund um Superman nominiert, der kurz Supermans Herkunftsgeschichte erläuterte und den Mann aus Stahl gegen einen verrückten Wissenschaftler antreten ließ. Der teilweise rotoskopierte Kurzfilm beeinflusste mit seinem Art-Deco-Design die Batman- und Superman-Zeichentrickserien der 90er sowie Brad Birds Kleinjuwel Der Gigant aus dem All.

Hintergrundmalerei zu Truant Officer Donald (Bildquelle: Live Auctioneers)

Trickproduzent Leon Schleisinger wurde gleich zweifach nominiert. Zum einen für Rhapsody in Rivets, eine zweifelsfrei von Fantasia inspirierte, tricktechnische Visualisierung der Ungarischen Rhapsody Nr. 2, wobei der von Fritz Freleng geleitete Kurzfilme einen Wolkenkratzer erbauende, antropomorphe Tiere nutzte, um das Musikstück umzusetzen. Zum anderen wurde Freleng für Hiawatha's Rabbit Hunt nominiert, einen Bugs-Bunny-Cartoon, in welchem der Hase vom legendären Indianer Hiawatha gejagt wird.

Außerdem nominiert waren der nunmehr von der Zeit vergessene How War Came von Paul Fennell, sowie der sich ebenfalls der Kriegsthematik annehmende Boogie Woogie Bugle Boy of Company "B" von Disneys Rivalen Walter Lantz. In diesem Kurzfilm wird ein afro-amerikanischer Jazztrompeter in die Armee eingezogen, wo er erst wegen seines steten Musizierens verhasst, dann aber letztlich gefeiert wird. Auch Fred Quimby & Rudolph Ising von MGM wurden für einen Militär-Cartoon nominiert. In The Rookie Bear wird der Cartoon-Star Barney Bear eingezogen, der sich durch die Grundausbildung schindet.
 George Pal von Paramount dagegen füllte mit Rhythm in the Ranks die Lücke, die die Silly Symphonies hinterließen, indem er die bittersüße Geschichte eines Spielzeugsoldaten erzählt, der sich in eine Spielzeug-Eiskunstläuferin verliebt, jedoch in den Krieg ziehen muss, bevor er ein Missverständnis zwischen ihnen aufklären kann.

MGMs Produzent Fred Quimby wiederum wurde für Joseph Barberas und William Hannas dritten Tom & Jerry-Cartoon nominiert. The Night before Christmas lässt, wie der Titel erahnen lässt, Katz und Maus an Weihnachten aufeinanderlosgehen und gilt aufgrund der zahlreichen originellen Einfälle, wie das Weihnachtssetting bei der ewigen Jagd Tom und Jerrys eingesetzt wird, als einer der besten Cartoons dieses Gespanns, das in Zukunft die Trickfilm-Kategorie an sich reißen sollte.

Während die Neffen Fünfzehn Mann auf des Toten Truh' aus dem Roman Die Schatzinsel singen, legt ihr Onkel ein kleines Feuer

Good Scouts wurde zu einem Maßstab, an dem sich viele weitere Donald-Cartoons grob orientierten. Die Nachwirkung von Truant Officer Donald fiel hingegen eher gering aus. Carl Barks wandelte 1946 und 1949 für seine Comics ein paar kleinere Ideen aus diesem Kurzfilm ab, ansonsten zog der Cartoon kein wirkliches Vermächtnis nach sich. Dafür waren die Umstände um ihn herum viel zu weitreichend.

Der am 1. August 1941 gestartete Truant Officer Donald gehörte zu den ersten Disney-Projekten, die nach dem großen Streik der Disney-Animatoren das Licht der Öffentlichkeit erblickten. Der im Mai entbrannte Streik sollte das Gesicht der Trickfilmgeschichte und der Disney-Studios für immer verändern. Die Donald-Cartoons sollten jedoch weitgehend unberührt von diesem Ereignis bleiben. Zu den Künstlern, die entlassen wurden oder im Zuge des Streiks kündigten, gehörten vor allem Leute, die an zukünftigen Langfilmen wie Bambi arbeiteten. Auch Micky und die Pluto-Reihe waren betroffen, sowie ganz besonders Goofy - sein Charakter als alleine funktionierender Leinwand-Star wurde entscheidend von Art Babbitt mitgeprägt. Babbitt, dem Mann, dem ein eigenes Kapitel in der Geschichte Disneys zusteht und dessen Entlassung den Streik erst losgehen ließ. Aus der Donald-Abteilung hingegen waren keine Schlüsselpersonen betroffen. Der schwerwiegendste Verlust für die Entenmannschaft war Phil Klein, ein sich im Streik stark engagierender Reinzeichner, der für den bereits genannten Cartoon Early to Bed auch die Titelkarte entwarf.

Es wäre vermessen, an dieser Stelle zu mutmaßen, weshalb Donald den Streik so (vergleichsweise) lässig abschütteln konnte. Ob es nun am Charakter der Leute im Team von Barks, King & Hannah lag, oder vielleicht die im ersten Beitrag dieser Artikelreihe erwähnte Flexibilität Donalds und die damit verbundene Attraktivität der Arbeit im Donald-Team damit zu tun hatte, oder ob es nur ein riesiger Zufall ist - aus heutiger Sicht kann man keine abgesicherten Kausalzusammenhänge festmachen.

Der Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 hingegen ging auch an dieser Mannschaft nicht unbemerkt vorüber. Andere Studios berücksichtigten schon vorher das Thema Krieg, aber mit dem US-Kriegseintritt wurde es auch für Disney zu einer zentralen Sache. Künstler wurden eingezogen, und um das Studio in diesen finanziell wie moralisch instabilen Zeiten aufrecht zu erhalten, musste sich Walt Disney dem Militärdienst öffnen. Es wurden zahlreiche Auftragsarbeiten vom Staat angenommen, das Disney-Gelände wurde vom Militär zusätzlich als Lagerstation und Reparaturwerkstatt genutzt. Und da der Zweite Weltkrieg nun auch die Menschen in den USA sehr beschäftigte, wurde er auch abseits der Werbe-, Fortbildungs- und Propaganda-Filme der Disney-Studios behandelt. Die Disney-Helden dienten dem erwachsenen Normalbürger nunmal als Identifikationsfigur - die Show konnte nicht mehr unbeirrt fortfahren.

Ganz besonders Donald, der gefragteste Star des Studios, wurde in die Militärsthematik eingebunden. Wie sich der Zweite Weltkrieg auf die Kurzfilm-Vita Donalds auswirkte, erfahrt in den kommenden Ausgaben von Entengold.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hier muss ich einfach einmal ein Lob hinterlassen: Großartiger Beitrag! Toll, wie du die leise Ironie herausstellst, dass ausgerechnet der launigste Disney-Character damals die beständigsten Verantwortlichen hatte. Sowohl was Qualität & Stil, als auch Treue zum Arbeitgeber anbelangt. Finde es auch super, dass du deiner Reihe einen richtigen roten Faden gibst. Dass Donald, wie in der ersten Ausgabe geschrieben, die begehrteste Cartoon-Abteilung hatte, spielte garantiert in die Beständigkeit seines Teams hinein. Freue mich schon sehr auf den dritten Teil. Weiter so!

Stefan Kraft hat gesagt…

Ich kann mich meinem Vorredner nur anschließen. Auch der gute Schreibstil mit gehobenen Wortwahl gefällt mir.

Drei kleine Fehler habe ich dann entdeckt: "erschrockende", "woe" und "Reperaturwerkstatt" - aber das mindert die Qualität des Artikels glücklicherweise nicht.

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