Samstag, 8. Oktober 2011
Goodbye, Thommy: Piratensender Powerplay
Heute Abend läuft die drittletzte Wetten, dass..?-Ausgabe mit dem Unterhaltungs-Urgestein Thomas Gottschalk. Der Herr mit den goldenen Löckchen und den kultig-dämlichen Sprüchen war in meiner Kindheit für meine Begeisterung zu Samstagabendshows mitverantwortlich und ist bis heute ein fester Bestandteil meines Fernsehverhaltens. Gottschalk beweist, dass man sich als Moderator nicht ans Regelbuch halten muss - wenn man es nunmal auf seine eigene Weise besser drauf hat. Ich ließ mich hier im Blog ja schonmal darüber aus, wie bedauerlich ich Gottschalks Weggang finde, aber da sich Gottschalks Pläne nicht mehr ändern lassen, ist es nun an der Zeit, sich damit abzufinden. Deshalb werde ich als Abschiedstribut am Sendetag von Gottschalks letzten Wetten, dass..?-Auftritten einen seiner Kinofilme besprechen. Damit ich auch mal was schlechtes über ihn zu sagen habe. Was ja früher Feuilleton-Pflicht war und seit seiner Ankündigung, den Showdino vom ZDF zu verlassen ziemlich verpöhnt ist.
Die Story
Jeden Montag mischen die Freunde Thommy und Mike den sonst so drögen Äther auf: Ihr Piratensender Powerplay bringt flotte Sprüche und aufgeweckte Musik aus den Sparten Soul, Classic Rock, Rhythm and Blues, Hardrock und Progressive Rock, die von öffentlich-rechtlichen Radiosendern mit ihrer stocksteifen Senderfarbe ignoriert werden. Da der Piratensender Powerplay die Bevölkerung im Großraum München vom sonstigen Radioprogramm weglockt, hat es sich Dr. Müller-Hammeldorf, der Unterhaltungschef des Bayerischen Rundfunks, zum Ziel gesetzt, die illegale Konkurrenz auszuschalten. Doch das Piraten-Moderatorenduo erhält unerwartete Hilfe von Mikes Schwester Irmgard. Die Religionslehrerin ist nicht nur Stammhöhrerin des Piratensenders, sondern auch eine ausgefuchste Geschäftsfrau. Sie organisierte Mike und Thommy ein Wohnmobil, der als Übertragungswagen für Mikes und Thommys Sendung dienen soll. Dank seiner Mobilität würde es der Polizei schwerer fallen, den Ursprung des Piratensenders zu orten. Powerplay wird nun auch von Werbepartnern mitgetragen, hat dank der in den Wagen eingebauten Sendeanlage eine größere Reichweite und soll täglich auf Sendung gehen. Es beginnt ein ewiges Versteckspiel vor dem Peilwagen der festen Hand des Gesetzes. Was für ein Glück für Thommy und Mike, dass die Polizei ziemlich dusselig ist...
Versteckte "Tiefe"
Bemerkenswert an Piratensender Powerplay ist, dass diese Klamotte aus dem Jahr 1982 beweist, dass auch durch und durch flache Filme kulturelle Zeugnisse sein können, die auf gesellschaftliche Phänomene hinweisen. Es klingt vielleicht vollkommen übertrieben, aber Piratensender Powerplay ist so etwas wie ein Stück deutscher Medienhistorie, nicht allein aufgrund seines eigenen Kinoerfolgs (ca. 1,3 Mio. Besucher), sondern auch da er Rückschüsse auf eine andere Ära des deutschen Rundfunks zulässt. 1982 existierte noch kein privater Rundfunk, und trotz all seiner Flachheit ist Piratensender Powerplay durchaus als Aufforderung zu verstehen, die gesetzliche Grundlage für den Privatfunk zu schaffen. Natürlich reflektiert Piratensender Powerplay auch, wenngleich unbeholfen, die Subkultur der Piratensender, welche heutzutage keine nennenswerte Rolle mehr spielt. Sowohl die Einführung des Privatfunks, als auch die Vergabe von Funklizenzen an nichtkomerzielle, lokale Sendestationen, als auch die Existenz "junger Wellen" der öffentlich-rechtlichen Sender machten die Rebellion gegen staubtrockenes Radioprogramm obsolet. Nicht zu vergessen, dass sich durch die Digitalisierung mittlerweile jeder selbst ein riesiges Musikarchiv aufbauen kann, was ebenfalls den Reiz eines Piratensenders schmälert.
Piratensender Powerplay spiegelt zugleich Gottschalks damalige Karriere wider: Zusammen mit Günther Jauch war er eines der letzten "enfants terrible" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Freche Anmoderationen, gekonnte Blödelei und eine aus dem sonstigen Schema ausbrechende, jugendliche Musikwahl (jaja, Thomas Gottschalk lag mit seinem Musikgeschmack genau auf der Höhe der Zeit) machten seine Sendungen zum Feindbild seiner Vorgesetzten. Sein Erfolg gab ihm jedoch einen Stand der Unantastbarkeit. Somit konnte sich Gottschalk schon damals an seine Narrenfreiheit gewöhnen, ohne die er nur halb so gut ist. Je anarchischer eine Wetten, dass..?-Sendung, desto besser.
Füße hoch, der kommt flach
Ich muss ja zugeben, Piratensender Powerplay vor dem Hintergrund der oben genannten Aspekte recht interessant finde. Trotzdem sind die Mängel unübersichtlich. Wer zum Beispiel über Gottschalks Moderationsleistung bei Wetten, dass..? lästert, seine Witze wären oberflächlich, der dürfte bei dieser 80er-Jahre-Klamotte irrsinnig werden. Die Sprüche von Mike Krüger und Gottschalk sind sensationell flach ("Zeig mir Deine Uhr und ich sage Dir, wie spät es ist") und von Feinsinn kann man in diesem Film zu keinem Zeitpunkt sprechen. Typisch für deutsche Blödelkomödien sind auch die ständigen Verkleidungsspielchen, die niemand durchschaut. Der letzte Akt spielt dann letztlich in einem Mädcheninternat, in dem sich Mike und Thommy als neue Lehrerinnen ausgeben. Sie nutzen ihre Verkleidung aus, um in die Umkleidekabine der Oberstuflerinnen zu kommen und natürlich verknallt sich der Rektor in einen der beiden, da die Maskerade ja so umwerfend gut ist... Und ja, Parallelen zu Manche mögen's heiß sind nicht gerade zufällig.
Sehr viel des "Witzes" von Piratensender Powerplay generiert sich auch aus der Idotie der Behörden. Diese Gags sind es auch, die für mich am schlechtesten sind: Wenn ein Polizeiwagen im Schneckentempo in einen kleinen Tümpel fährt und sich die Insassen des Wagens so anstellen, als wäre eine mittelschwere Katastrophe geschehen, kann die Szene nicht schnell genug vorrübergehen. Klar auch, dass auf Figurenmotivation gepfiffen wird: Wie helle oder dumm eine Figur ist, und welche Position sie einnimmt, wechselt so, wie der Autor Laune hat.
Der Kultfaktor
An objektiven Standards gemessen hat Piratensender Powerplay einen recht miesen Stand. Neben den genannten Drehbuch-Problemen ist die Inszenierung sehr steif und der Schnitt erlaubt sich ebenfalls einige haarsträubende Patzer, die mich an die ersten Minuten von Death Proof erinnern. Nur dass Tarantino ganz bewusst Autos urplötzlich verschwinden ließ. Und jetzt kommt das große "Aber": Über manches kann man, wenn man mit der richtigen Geisteshaltung an Piratensender Powerplay rangeht, geflissentlich hinwegsehen. Nun, selbst in geselliger Runde und bei einigen kühlen Bierchen sind die Verfolgungsszenen hanebüschen und öde, aber gerade die Schenkelklopfer und Kalauer haben ihre Berechtigung. Vor allem, wenn man Gottschalks launigen Moderationsstil mag, sind die herrlich dämlichen Radiomoderationen von Mike und Thommy zum wegschmeißen komisch. Einiges "ernsthaft", anderes aus nostalgischen oder ironischen Gründen. "So schlecht, dass es wieder gut ist" könnte man sagen, aber mir liegt "so konsequent flach, dass man es lieb haben muss" näher. Krüger und Gottschalk harmonieren sehr gut miteinander, und ihre kumpelhaften Neckereien untereinander sind sehr vergnüglich. Trotzdem wäre der Film deutlich besser, wäre das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Piratensender und Behörden nicht so ausschweifend. Die Idiotie von Rundfunk und Polizei ist eher lästig, denn unterhaltsam. Ebenso ist die Schürzenjägerei der beiden Helden eher aus einem ironischen Standpunkt vergnüglich, als so, wie von den Machern gedacht.
Was diese Blödelkomödie vor neueren Genrevertretern wie etwa Til Schweigers 1 1/2 Ritter (ebenfalls mit Gottschalk) abhebt, ist der Faktor des Charismas. 1 1/2 Ritter ist runtergespulte Ulknudelei mit manch fragwürdigen Implikationen, die Tom-Gerhardt-Filme sind für mich in ihrer Niveaulosigkeit schon richtiggehend aggressiv, aber Piratensender Powerplay ist eine anspruchslose, naive und kalauernde Klamotte, die niemandem wehtut und der man ansieht, wie viel Spaß die Verantwortlichen miteinander haben. Krüger und Gottschalk sind ein eingespieltes Duo und auch Evelyn Hamann, Loriots Stammpartnerin, hat als verschrobene Religionslehrerin sichtlichen Spaß. Die als schmückendes Beiwerk gedachten Jungschauspielerinnen sind mal untalentiert, und mal ansteckend begeistert von ihrem Zusammenspiel mit Krüger/Gottschalk. Rainer Basedow (die deutsche Stimme von Pumbaa) macht zwar nicht viel, doch irgendwie bringt er mich schon durch seine Anwesenheit zum Lächeln.
Bei allem Kultfaktor - die Dramaturgie von Piratensender Powerplay ist so mies durchdacht, dass selbst bei entsprechender Laune einige Längen aufkommen. Es gibt halt richtige Durststrecken und Momente, die ins Nirgendwo führen. Manche davon haben durch ihren Spaßfaktor eine Daseinsberechtigung (wie Mike Krügers Song M-M-M-Mädel), andere sind dagegen einfach dröge. Und das aus dme Hut gezauberte Ende kommt mir auch viel zu plötzlich.
Fazit
Filme wie Piratensender Powerplay kann man nicht mit normalen Maßstäben messen. Klar ist: Wer mit dem Duo Krüger/Gottschalk generell nichts anfangen kann, sollte keinesfalls einen Blick auf diese Komödie werfen. Wer aber wenigsten einen der beiden leiden kann, und im Idealfall auch für die Dauer des Films das Interesse an der Idee (Gottschalk und Krüger sind clevere Typen, die mit ihrem Piratensender dem Staat eins auswischen) vor die Ansprüche an eine funktionierende Geschichte sowie durchdachte Gags stellen kann... tja, der bekommt schon einiges zu Schmunzeln. Hinzu kommen ein paar "ich kann nicht fassen, dass ich jetzt darüber lache"-Momente, ein unbeholfener 80er-Charme sowie ein fantastischer Old-School-Soundtrack (in der Original-Kinofassung auf der DVD von MCP Sound & Media), und man hat recht süffiges Berieselungs-Entertainment. Es ist dumm, es ist kaum durchdacht (das Drehbuch entstand garantiert zu großen Teilen am Set), aber es ist schon zu recht großer Kult. Wenn man aber bedenkt, dass dies noch der intelligenteste Film des Gespanns Krüger/Gottschalk ist...
Nächsten Monat geht's dann mit Die Supernasen weiter...
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1 Kommentare:
Dieser Film war der erste, den ich auf einer Videokassette gesehen habe! Mein Vater hatte damals das Gerät angeschafft und sich den Film ausgeliehen. War damals natürlich DER HIT!! Deswegen denke ich auch so gerne an den Film zurück, obwohl ich ihn eigentlich recht gruselig finde. ;)
LG
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