Montag, 29. August 2011
Midnight in Paris
Einer der besten Autorenfilmer der Kinogeschichte widmet der schönsten Stadt der Welt ein filmisches Liebesgedicht, welches zugleich auf originelle Weise den kreativen Schaffensprozess beleuchtet, indem es sich vor einigen der inspirierendsten Persönlichkeiten der Vergangenheit verneigt. Wie könnte ich besser meinen 50. Kinobesuch des Jahres begehen, was könnte bei einem solchen Film überhaupt enttäuschen?
Midnight in Paris wurde bereits von zahlreichen Kritikern als Woody Allens bester Film beschrieben. Mindestens seit den 80er Jahren, möglicherweise sogar seines gesamten Schaffens. Ein sehr weitreichendes Urteil, und es fällt mir schwer, dagegenzusteuern. So kurz nach meiner ersten Sichtung möchte ich mich nicht völlig festlegen, aber Midnight in Paris ist definitiv eine von Allens Glanzleistungen. Dass es sein kommerziell größter Erfolg geworden ist, freut mich daher sehr, jedoch bin ich schon ein klein wenig überrascht. Die ungewöhnliche Liebeserklärung an Paris ist zwar bei weitem nicht sein Nischenfilm schlechthin, da allein schon ihre unstreitbare Qualität und der schwer entkommbare Esprit einem eventuellen Randdasein entgegensteuern. Doch es ist auch nicht gerade der archetypische Durchbruchs- oder Comebackfilm, mit dem künstlerische Autorenfilmer (wieder) an Mainstreamaufmerksamkeit gelangen. Ich denke schon, dass man eine Künstlerader aufzeigen muss, eine nostalgische Veranlagung braucht oder parisverliebt sein sollte, um den meisten Genuss aus Midnight in Paris zu ziehen. Ein paar Vorkenntnisse über Literatur und Malerei können auch nicht schaden, aber das preisverdächtige Drehbuch geht auch ohne sie auf.
Welche Geschichte lockte Woody Allen denn dieses Mal aus seinem geliebten New York? Nun, Midnight in Paris handelt vom erfolgreichen Hollywood-Autor Gil (Owen Wilson), der seine oberflächlichen Komödien-Drehbücher gern zu einer Sache der Vergangenheit machen würde. Seit einiger Zeit arbeitet er an einem substantiellem Roman, mit dem er allerdings nicht zufrieden ist. Als seine stockkonservativen Schwiegereltern in spe (Mimi Kennedy & Kurt Fuller) eine Geschäftsreise nach Paris unternehmen, nutzen er und seine Verlobte Inez (Rachel McAdams) die Gelegenheit, um sich kostenfrei dranzuhängen. Inez freut sich auf ein gehobenes Touristen-Programm: Gemeinsam mit ihrem belesenen (soll heißen: besserwisserischen) Studienfreund Paul (Michael Sheen) und dessen Frau (Nina Arianda) unternimmt sie Museumsbesuche, kauft in Antiquitätenläden ein und besucht nachts Discos. Der in Paris vernarrte Gil möchte die Stadt aber auf andere Weise erkunden, ziellos herumschlendern und die Atmosphäre der Straßen atmen. Nach einer Weinprobe mit Geschäftsfreunden seines kündftigen Schwiegervaters seilt er sich von der Gruppe ab, um Paris nach Mitternacht zu erkundigen. Die Stadt der Liebe ist zwar zu jeder Tageszeit ein wundervoller Ort, aber wie sich zeigt, ist Paris zu dieser späten Stunde magischer und erfüllender, denn sonst...
Es entfaltet sich eine wunderschöne Geschichte über altmodische Romantik, Kreativität und die Kunst mit offenen Augen zu träumen. Es gibt viele Filme, die sich darum bemühen, die ewige Suche nach Inspiration auf Zelluloid zu bannen, allerdings wurde sie selten so bezaubernd eingefangen, wie in Midnight in Paris. Weshalb Woody Allen seine Künstlergeschichte nicht in irgendeiner Stadt angesiedelt hat, sondern im beseelten Paris, wird schnell ersichtlich, denn die Handlung profitiert ungemein vom zeitlosen Charme der französichen Hauptstadt. Mittels Allens entwaffnender Inszenierung und den atmosphärischen, wunderschön beleuchteten Postkartenmotiven seines Kamerateams Darius Khondji (Evita) & Johanne Debas (Kuss-Kuss in Paris) wird dies sicherlich auch für jene ersichtlich, die noch nicht das Glück hatten, Paris mit eigenen, offenen Augen zu erkunden.
Was in Anbetracht seiner letzten Filme vielleicht überrascht, ist dass Allen für seine sentimentale, nostalgische Künstlerkomödie den beißenden Zynismus wieder bei Seite lässt und zu einer erfrischenden, herzlichen Naivität zurückkehrt. Einen besseren Grundtenor könnte Midnight in Paris nicht finden.
Das Ensemble ist durch die Bank weg fantastisch. Der stets unterschätzte Owen Wilson erinnert hier wieder an seine Leistungen in den nachdenklichen Tragikomödien mit Wes Anderson und die vor Charme sprühende Rachel McAdams spielt mit Genuss Gils mit mehr Bodenhaftung ausgestattete (gestrafte? gesegnete?) Verlobte. Sie schafft es mit viel Witz und Unaufdringlichkeit, den Zuschauer auf Gils Seite zu manövrieren, ohne in die für Filme über Kreativität und Kunst so typische Falle zu tappen, und einen gegen die Realistin aufzubringen. Inez ist keine uncharmante, abscheuliche Figur, sie teilt einfach nicht Gils Künstlerader. Die Rolle der Witzfiguren übernehmen dafür Michael Sheen, dessen arroganter Pseudo-Intellektueller köstlich amüsant ist, und Kurt Fuller, als ultra-republikanischer Dickschädel. Auch alle anderen Rollen sind großartig besetzt, jede(r) Darsteller(in) bringt sichtbares Engagement und einen sprühenden Funken mit sich, ganz gleich, wie groß oder klein sein (oder ihr) Part auch ist. Ganz besonders gefiel mir Adrien Brody mit einem schier unvergesslichen, brüllend komischen Gastauftritt, über den man besser keine weiteren Worte verliert.
Midnight in Paris ist Woody Allen, wie ich ihn liebe. Greifbare zentrale Figuren, ein mit sprühenden Dialogen versehenes Drehbuch, feiner Witz und eine schöne, durchaus verschrobene Grundsituation.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
3 Kommentare:
Midnight in Paris wurde bereits von zahlreichen Kritikern als Woody Allens bester Film beschrieben. | Die haben alle anscheinend "Whatever works - Liebe sich wer kann" nicht gesehen. Denn das ist mit Abstand Woodys bisher bester Film. Midnight in Paris ist okay und ganz nett, aber an Whatever works kommt er nicht ran!
Ich war nach Pfingsten in Paris. Die an vielen Orten herumhängenden Filmplakate mit dem Van-Gogh'schen Hintergrund wirkten schon für sich als schlicht schön. Und es trifft die Stimmung, wenn man noch spätabends alleine zu Fuss unterwegs ist, ich stand jedenfalls vor dem ersten eine ganze Weile herum.
Und es ist doch völlig wurscht, ob es nun Allens bester Film ist oder nicht; wer Paris liebt, findet sich da wieder.
Gerade angeschaut und ich bin immer noch ganz verzaubert. Was für ein schöner Film! :-)
Kommentar veröffentlichen