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Freitag, 15. April 2011

World's Greatest Dad


Robin Williams fiel (spätestens) nach der Jahrtausendwende vom talentierten und aneckenden Komiker zum enttäuschenden Kinder-Bespaßer mit Teilzeitengagements in mies getimten Komödien für ältere Zuschauer. Trotzdem flammt immer wieder etwas von seinem alten Genius auf - das bemerkten die US-Kritiker unter anderem in World's Greatest Dad, einer rabenschwarzen Komödie, die unter dem öffentlichen Radar vorbeigeschleust wurde und deren Trailer sich hübsch nichtssagend aus der Affäre zog. Und das durchaus mit Methode, während das ideenlose Poster schon eher vermuten lässt, dass dem Marketingteam nichts passendes einfiel, weshalb es letztlich gar keine Mühe mehr in die Arbeit steckte.

World's Greatest Dad ist aber auch ein Film, der es seinem Marketingteam und dem Filmkritiker nicht leicht macht. Um der Wirkung des Films gerecht zu werden, dürfte man eigentlich kaum Worte über ihn verlieren. Bloß wird das kaum seiner Klasse gerecht. Trotzdem möchte ich euch dieses unbekannte Juwel modernen, bitterbösen Humors vorstellen. Verzeiht mir also, wenn ich stellenweise ungewohnt vage bleibe.

Die Regiearbeit von Bobcat Goldthwait (Zed in Police Academy 2 - 4 und Mr. Floppy in Auf schlimmer und ewig) beginnt recht ähnlich, wie man es aus vielen Versager-Geschichten kennt. Unsere Hauptfigur Lance Clayton ist ein alleinerziehender Vater, dem die Sonne in seinem Leben nicht gerade entgegenlacht. Seine Schriftstellerambitionen finden keine Gegenliebe, in seinem Lehrerberuf findet er kaum Anerkennung von den Schülern und sein pubertierender Sohn ist ein aufbrausendes, in jeder freien Minute masturbierendes, sozial isoliertes und wild fluchendes Problemkind. Allein seine Kollegin Claire scheint ihm Freude im Leben zu spenden - bis im Lehrerzimmer bekannt wird, dass der durchtrainierte, smarte und bei Schülern beliebte Junglehrer Mike eine Trennung durchmacht. Seither ist Claire beunruhigend oft in der Nähe dieses mit seinem hochbegabten Sohn angebenden Kollegen zu sehen...

So weit, so bekannt. Ob diese Familiarität bloß erzählerisch bedingt, oder sogar reinste Methode ist, vermag ich nicht einzuschätzen. Aber ich halte es durchaus für denkbar, dass Autorenregisseur Bobcat Goldthwait bei aller belustigenden Deprimiertheit von Lances Leben dem Zuschauer auch ein minimales Gefühl von Geborgenheit geben wollte. Solch ein niederschmetterndes Alltagsleben kennt man aus vielen anderen mehr oder weniger schwarzen Komödien und so stellt sich automatisch für den restlichen Verlauf des Films eine gewisse Erwartungshaltung ein. Die erste knappe halbe Stunde von World's Greatest Dad ist unspektakulär, jedoch auch sehr direkt, relativ abgeschmackt und offensiv und somit bei entsprechendem Gemüt kurzweilig. Trotzdem wartet man natürlich darauf, dass der Knoten platzt und das wahre, das erzählenswerte Geschehen von Statten geht. Man kennt es ja: Es wird eine Figur gezeichnet, die ohnmächtig daliegt und beraubt sie dann noch des Grund und Bodens, auf dem sie ruht. Der Fall ins Bodenlose (und in fast allen Fällen der konsequent ungewöhnliche Aufstiegskampf) machen dann die wahre Komödie aus.

Dieser Wendepunkt ist es, an dem World's Greatest Dad letztlich seine eh schon harschere Natur nimmt und einen gänzlich unerwarteten Weg einschlägt. In (vermutlich) guter Absicht tut Lance etwas vollkommen abgebrühtes, dessen abstrus gutartigen Folgen den Zuschauer und Lance in ein moralisches Dilemma drängen. Und gerade dieses Wissen und diese Emotionen, die man als Rezipient mit Lance teilt, sorgen für den rabenschwarzen Humor von World's Greatest Dad. Es ist politisch inkorrekter, bitterböser und in seinen Konsequenzen auch teils geschmackloser Humor, doch wo andere Komödien mit Kotze, Sperma und Schamhaar geschmacklos werden, sind es in World's Greatest Dad die moralisch-ethischen Fragen, die er auf süffisant-spaßige Weise aufwirft, die ihn zu einer extremen, wahnsinnig zynischen Komödie machen.

Neben der sarkastischen Natur von World's Greatest Dad und Goldthwaits freche, allerdings auch zutreffende und die Wahrheit satirisch entlarvende Gesellschaftskommentare ist es auch Robin Williams, der diese Ausnahmekomödie zu einem wahren Geheimtipp für Freunde des nachdenklich-provokanten Humors macht. Williams lässt seine zu einer Karikatur seiner Selbst verkommene Seite als gummigeschichtges Quasselfeuerwerk hinten anstehen und erinnert einvernehmend an seine tragikomischen Wurzeln aus Zeiten von Der Club der toten Dichter oder seiner Oscar-Performance in Good Will Hunting. Er gibt der bösartigen Situationskomik von World's Greatest Dad eine menschliche Bodenständigkeit sowie dank des unaufdringlichen Spiels auch zusätzlichen Witz. So abgenutzt dieses Lob hinsichtlich der US-Kritiken zu diesem Film sein mag, Robin Williams bringt hier tatsächlich seine mit Abstand beste Leistung seit mehreren Jahren, vielleicht sogar seit über einem Jahrzehnt! Traurig, dass er in Old Dogs und ähnlichem Schrott verbraten wird, statt öfter solche Herausforderungen anzunehmen...

Ebenfalls lobenswert sind Alexie Gilmore als die süße, herzliche und nie zwischen Naivität und Hinterlistigkeit einzuordnende Claire und natürlich der Mann, mit dem die Exposition steht und fällt: Daryl Sabara als Lances Arschloch-Sohn. Der hauptsächlich als der kleine Bub' aus Spy Kids 1 - 3 bekannte Jungdarsteller spielt mit einer Inbrunst genau die Art abstoßendes Arschloch, der man sich bei allem Schrecken über seinen Charakter nicht abwenden kann und der man glaubt, dass mit etwas Nachhilfe vielleicht was drin wäre. Vielleicht muss er halt mal bei der holden Weiblichkeit zum Schuss kommen oder gehörig verprügelt werden, um seine Dämonen in den Griff zu kriegen... Tja, in World's Greatest Dad findet der Zuschauer schon seine Antworten. Antworten auf ungestellte Fragen.

Was World's Greatest Dad vom Einzug in den Olymp der tefschwarzen Komödien abhält, ist die im Mittelteil sporadisch zu locker lassende Inszenierung. Zwei Montagen raffen nur etwas die Geschenisse zusammen, schaffen es allerdings nicht, die Schärfe ihres unmittelbaren Kontext beizubehalten. An diesen Stellen hätte es mehr Mut zu schnellen, dreckigen Pointen gebraucht - oder, wenn Goldthwait es mehr darauf abgesehen hat, zu mehr Tragik. Ähnliches gilt für den Schluss. Der mag keineswegs konventionell sein, doch es ist schon recht inkonsequent, wenn ein Film der gesellschaftlich-moralischen und filmischen Norm ein Bein stellt, sie grün und blau schlägt, ihr ein Messer in den Bauch rammt... und ihr zum Schluss eine Ohrfeige verpasst. Ich zumindest hätte es mir gewünscht, dass Goldthwait im Finale noch das Messer umdreht und somit dem guten Geschmack im Namen des bösen Witzes und der Nachdenklichkeit den Rest gibt.

Dennoch ist World's Greatest Dad, den entsprechenden Nerv für stillen Zynismus vorausgesetzt, ein brüllend komisches, abstrus pechschwarzes Stück über intime Ängste, gesellschaftliche (In-)Akzeptanz und die Wankelmütigkeit sozialer Netze. Für Fans des früheren Robin Williams und sowohl menschlichem, wie provokantem Humor, der ohne zu großem Tamtam seinen Finger in öffentliche Wunden legt, ohne Einschränkungen empfehlenswert.

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