Ein von Jerry Bruckheimer produzierter Piratenfilm aus den Disney-Studios, der mit Orlando Bloom und Johnny Depp eine Freizeitparkwasserbahn adaptiert? Ob das gut gehen kann, überprüften im Sommer 2003 unzählige neugierige und zu einem nicht unwesentlichen Teil auch zweiflerische Kinogänger. Als es dann endlich so weit war, präfentierte sich ihnen zunächst einmal etwas Seefahrer-Geschwätz in Mitten einer Nebelbank. Die Gouverneurstochter singt ein Piratenlied und sorgt so für Missmütigkeit an Deck, ein brennendes Schiffswrack wird entdeckt, ein kleiner Junge gerettet. Der Junge wächst zu einem schüchternen und die Standesgrenzen achtenden Waffenschmied heran, auf den die wesentlich aufgeschlossenere Gouverneurstochter offensichtlich ein Auge geworfen hat. Aber die Förmlichkeit und ihm so aufdiktierte zurückhaltende Art verärgern die sich über ihr die Luft zuschnürende Korsetts beschwerende Gouverneurstochter. So weit lief Fluch der Karibik, so normal war Fluch der Karibik in seinen ersten Minuten.
Bis zu diesem Zeitpunkt weckt Fluch der Karibik Erinnerungen an klassische, genretypische Abenteuerfilme. Möglicherweise ist es Zufall, eventuell war es sogar Absicht, aber die Kostüme und Kulissen, ja, auch der Tonfall der ersten Filmminuten beschwört besonders stark den Geist früherer Abenteuerfilme der Disney-Studios herauf. Insbesondere die in Großbritannien gedrehten Produktionen wie Die Schatzinsel kommen in den Sinn, wenn man den Alltag von Port Royal erlebt. Die Farben sind nur kräftiger, und mit Elizabeths schnippischen Kommentar, dass die Frauen in der Korsett-Modestadt London wohl gelernt haben, nicht zu atmen, wird äußerst behutsam eine modernere Sensibilität in den Film eingefuhrt. Will Turners ungeschicktes Zerstören der Dekoration im Gouverneursanwesen hingegen könnte in seiner ruhigen Slapstick-Art auch 1: 1 aus einem Disney-Realfilmklassiker der 50er stammen.
Dies ändert sich schlagartig, nachdem Will Turner mit treuem Dackelblick und von schwelgenden Geigen begleitet der in einer Kutsche beleidigt davonfahrenden Gouvernerustochter hinterherrennt und sie mit einem befreiten Lächeln auf dem Gesicht erstmals, wenn auch ungehört, nicht mehr Ms. Swann, sondern Elizabeth nennt. Die Musik schwenkt um, militärische Trommeln kündigen einen imposanten Einmarsch an und die Szenerie wechselt zu einem in selbstbewusster, martialischer Pose auf dem Mast seines Schiffes stehenden Piratenkapitäns. Der Wind umschmeichelt sein Gesicht und fast könnte man schwören, dass er der schwelenden, kräftigen und dynamisch wummernden Musik zunickt, die dem Kinogänger entgegendröhnt. Er seilt sich schwungvoll vom Mast herunter und landet in Mitten einer durch ein Leck entstandenen Pfütze. Es ist der erste kleine Bruch dieses epochalen Auftritts, und der zweite folgt sogleich: Dieser so imposant auftretende Pirat befindet sich ganz allein auf einem winzigen, schnuckeligen kleinen Dingi. So viel zum sich anbahnenden Auftritt eines Legendenhaftigkeit ausstrahlenden, einvernehmenden und bei aller Coolness sicherlich auch bedrohlichen Piraten... Mit dieser Figur scheint offensichtlich längst nicht alles so zu laufen, wie wir es uns als erstmalige Betrachter so denken. Während sich der Piratenkapitän die Zähne ob dieser haarigen Situation fletschend an die Arbeit macht und mit einem Eimer das Wasser aus seinem Boot zu schaufeln versucht, lässt sich die Musik nicht beirren und behält ihren kraftvollen, sich im Rhythmus modernen Sensibilitäten bedienenden, Duktus bei. Erst als der Pirat in nicht zu weiter Ferne drei gehängte Skellette und einen freien Galgenstrick sieht, nimmt die Musik kurz einen besinnlicheren Ton an, jedoch ohne ihre ganz und gar ironisch-bombastische Stimmung runterzuschrauben. Als letzte Ehrerbietung gegenüber seinen verblichenenen Piratenkameraden zieht der Pirat seinen Hut. Es folgt ein Umschnitt auf Handelsschiffer und deren Belegschaft, die im Hafen Port Royals ihrem Tagewerk nachgehen... bis sie sich staunend und verwundert umdrehen. Der Pirat hat den Kampf gegen das Leck längst verloren, und als wäre es eine Selbstverständlichkeit, floh er mit stolzer Pose zurück auf den Mast. Mast und Segel befinden sich nahezu komplett unter Wasser, aber dem nicht mit der Wimper zuckenden Piraten gelingen auch die letzten Meter und er läuft auf einen großen Ausfallschritt genau am Pier ein.
Es war die erste Begegnung, die das Kinopublikum mit Captain Jack Sparrow hatte, und sofort wusste es alles, was es über diese Figur wissen musste. Und sämtliche Sympathien hatte er natürlich auch direkt auf seiner Seite, schließlich offenbart sich während dieser ikonischen Einführung, das Sparrow es zwar wirklich drauf hat, das Piraten-Dasein zu telebrieren, aber dennoch auch zwischenzeitlich zu den Verlierern gehört. Er ist also sowohl bewunderns-, wie bemitleidenswert, man kann sich in sein Leben hineinträumen und dennoch gebannt mit ihm mitfiebern. Es ist eine der Sachen, die selbst die größten Piraten-Allergiker Fluch der Karibik zuschreiben müssen: Jack Sparrow ist eine der populärsten und unvergesslichsten Kinofiguren der Gegenwart, und der Grundstein dazu wurde in dieser genial geschriebenen, ikonischen Einführungssequenz gelegt
Wie im Autoren-Audiokommentar zu Fluch der Karibik aufgezählt wird, wird Jack Sparrow dem Zuschauer im Verlauf seiner ersten Sequenz sogleich vier Mal vorgestellt. Das erste Mal lernt man die Figur des Jack Sparrow kennen, als er stolz auf dem Mast steht. Dann wird er einem vorgestellt, als er vor den gehängten Piratenskeletten salutiert, wodurch sich zeigt, dass er noch immer ein Pirat mit innerem moralischen Kompass ist und es für den Zuschauer vollkommen akzeptabel ist, sich in den kommenden Filmstunden auf seine Seite zu stellen. In diesem Moment wird also bereits der für solche Abenteuer-Blockbuster relativ komplexe moralsiche Horizont abgesteckt, der etwa Will Turner und Elizabeth als gute Vertreter des Rechts, Norrington als einen antagonistischen Verteter des Rechts, Jack Sparrow als guten Piraten, Barbossa und seine Mannen wiederum als ruchlosere Piraten und somit als Bösewichter darstellt. Wobei sich diese Parameter im Laufe der Fortsetzungen ja mehrfach verschieben sollten...
Das dritte Mal dass das Kinopublikum Jack Sparrow kennenlernt, ist, wenn er mit einem großen Schritt auf's Dock tritt und somit die Verlierer-Mentalität wieder etwas relativiert wird, die der Anblick von Jack in seinem kleinen, untergehenden Schiff auslöste. Und zum vierten Mal wird dem Zuschauer Jack Sparrow vorgestellt, wenn er den Schiffsmeister über's Ohr haut: Erst bietet er ihm mehr Geld an, wenn er seine Pflichten vernachlässigt und keinen echten Namen für den Neuankömmling in Port Royal einträgt, aber dann stiehlt er das Geldsäckchen des frisch gewonnenen Komplizen. In diesem Moment offenbart sich der, insbesondere in den Fortsetzungen an Wert gewinnende, Charakterzug Sparrows, dass er stets davon ausgeht, dass sich das Schicksalsrad irgendwann wieder zu seinen Gunsten drehen wird. Egal wie grauenvoll die Situation für ihn aussieht, hält er nur lange genug durch, kommt er wieder mit Profit aus der Situation. So jedenfalls Jacks Weltsicht - und drei Filme später können wir dem nicht mit voller Überzeugung widersprechen.
Mit Jack Sparrows Einführungssequenz ist aber nicht nur die beliebteste Figur von Fluch der Karibik im Film angelangt, es offenbart sich auch das wahre Naturell der Bruckheimer-Produktion. Nach dem eher klassisch gehaltenen Anfang zeigt sich nun eindrucksvoll die in sich mehrfach gebrochene, teils postmoderne Art von Fluch der Karibik. Eine solche Sequenz wie Jack Sparrows Einfahrt in Port Royal käme in einem ganz nüchternen, trockenen Piraten-Abenteuer niemals vor, aber so tickt dieser Film nunmal nicht, er geht an das totgesagte Genre mit einem augenzwinkernden, frechen Vorhaben heran, ohne diese Anarchie aber vollkommen zu überziehen. Fluch der Karibik will schneller und verrückter als der klassische Piratenfilm sein, hat aber dennoch beide Beine fest im Boot. Oder dem, was vom Boot noch übrig ist...
Insofern spiegelt Jack Sparrows Intro in jedem Teil der Pirates of the Caribbean-Saga auch die Stimmung des jeweiligen Films wider. In Fluch der Karibik ist Jacks Einmarsch der eines legendären, stolzen Piraten, die Musik ist größer und bombastischer als die eines klassischen Piratenstreifens, zugleich ist Jacks erster Auftritt ironisch gebrochen. Es ist ein witziges Spiel mit den Erwartungen, jedoch weiterhin an bodenständigen Korsarenabenteuern orientiert.
Konsequenterweise lassen sich die Unterschiede zwischen Fluch der Karibik und seiner Fortsetzung Die Truhe des Todes schon anhand Jack Sparrows erstem Auftritt in seinem neusten Kinoabenteuer ablesen. In tiefster Nacht ruht die Black Pearl in sicherem Abstand zu einem türkischen Gefängnis, welches sich an einer unheilvollen Klippe befindet. Dunkle Schatten werfen einen Sarg nach dem anderen ins Wasser und auf einem dieser Särge findet eine Krähe ihre Rast. Sie pickt auf dem Sargdeckel herum und mit einem lauten Knall wird sie ins Jenseits befördert. Jack Sparrows Einmarschmelodie ertönt und nachdem Sparrow seine Feuerbüchse aus dem Schussloch ragt und in Erwartung weiteres Gewehrkugelfutters umherschwenkt, baut sich der Kapitän auf, macht sich fein, reißt der in seinem Sarg liegenden Leiche ein Bein aus und scherzt mit ihr sogar ein wenig. Er bittet seinen Kumpanen um Verzeihung, fragt ob er nichts gegen einen kleinen Abstecher hätte. Mangels Erwiderung rudert Sparrow in seinem improvisiertem Boot mit seinem improvisierten Paddel in Richtung Pearl...
Jack Sparrows Einführungssequenz in Die Truhe des Todes ist von einem vehement schwärzeren Humor geprägt als ihr Pendant aus Fluch der Karibik, und somit fungiert sie als Vorzeichen dessen, welchen tonalen Pfad der zweite Part der Pirates of the Caribbean-Saga einschlagen wird. Visuell und inhaltlich ist diese Sequenz düsterer und morbider, was auch auf die Kernprobleme verweist, denen die Hauptfiguren entgegenstehen. Jack Sparrow wollte in Fluch der Karibik einfach nur sein Schiff wiederhaben (und im Idealfall Blutrache an seinem meuternden ersten Maat Barbossa üben), in Die Truhe des Todes hingegen versucht er, dem beinahe sicheren Tod durch den übermächtigen und herzlosen Davy Jones zu entkommen. Nicht nur Sparrows Problem, auch sein Widersacher ist gefährlicher: Barbossa und seine Crew hatten noch Humor sowie Geduld, Davy Jones hingegen kennt kein Erbarmen. Und auch für Will Turner und Elizabeth steht bedeutsam mehr auf dem Spiel, als in Fluch der Karibik. Jack Sparrows erste Szene in Die Truhe des Todes verweist auf Tod, Verderben und aussichtslos scheinende Situationen. In Fluch der Karibik ließ Jack Sparrow ein peinliches Missgeschick wie einen stolzen Moment im Leben eines Piraten aussehen, in Die Truhe des Todes hingegen nimmt er den letzten denkbar Ausweg und trügt mit Galgenhumor darüber hinweg. Es ist ein Vorbote dessen, was für ihn noch alles folgen wird.
Gleichzeitig setzt Jack Sparrows erste Sequenz in Die Truhe des Todes auch auf Slapstick (die ganze Geschichte mit der "weggesprengten" Krähe), wo in Fluch der Karibik noch ironische Brechungen vorherrschten. Auch diese Tendenz zum Slapstick lässt sich im restlichen Film wiederfinden, insbesondere in der ausführlichen Sequenz auf der Kannibaleninsel sowie später auf der Isla Cruces, wo sich ein erbitterter Schwertkampf zwischen Jack Sparrow, Will Turner und James Norrington zu einem abgedrehten Spektakel entwickelt. Ein düsterer Grundton, prekärere Situationen und mehr Slapstick - das was Die Truhe des Todes von Fluch der Karibik abhebt, ist allesamt schon in Jack Sparrows Auftritt enthalten.
Aufgrund der zwei originellen Auftritte Jack Sparrows in den ersten beiden Pirates of the Caribbean-Teilen (und der spannenden Frage darüber, wie es nach Die Truhe des Todes denn generell so weitergeht), war die Wartezeit auf Am Ende der Welt natürlich mit Fan-Spekulationen überfüllt. Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen, wie ich mit meinem engeren und auch meinem erweiterten Piraten-Fanzirkel munter und trotzdem engagiert-tiefsinnig darüber nachgrübelte, wie Jack Sparrow in Am Ende der Welt auftreten wird. Dass die Tradition ungebrochen weiterläuft, war uns allen stillschweigend klar. Nach Die Truhe des Todes wird Jack nicht einfach während einer laufenden Dialogsequenz von hinten heran ins Bild treten, und alle tun so, als sei nichts besonderes geschehen. Nein, Jack Sparrows Auftritt wird auch in Am Ende der Welt besonders zelebriert, das war keine Frage. Und für uns war auch irgendwie sofort klar, dass es wohl "größer, schneller, lauter, wilder" sein muss. Es ist das Finale der Trilogie, verdammt, da muss was bombastisches her. Vielleicht ein martialisches Bild, wie sich Captain Jack Sparrow brutal durch seinen bislang größten und erbittertsten Feind schlachtet? Disney scheint bei den Piraten eh Narrenfreiheit gelten zu lassen und in Die Truhe des Todes hat man wahrlich gespürt, wie Depp, Verbinski, Bruckheimer und das Autoren-Duo Ted Elliott & Terry Rossio diese Freiheiten genossen... Wir trauten es ihnen zu, Jack für den Abschluss der Trilogie einen wahrhaft mörderischen ersten Eindruck zu gönnen.
Was die Macher von Am Ende der Welt stattdessen auf die Kinowelt losließen, war jenseits wohl sämtlicher Fan-Spekulationen. Man trieb fröhliches Schindluder mit den Erwartungen - was sinnbildlich für den kompletten Film steht. Und wie es nunmal so ist, wenn ein Film jenseits der Erwartungen wildert: Das unerwartete wird nicht ausschließlich entlohnt, sondern scheidet auch die Geister. Nun, mit einem IMDb-Wert von 7,0 und einem weltweiten Einspielergebnis von über 900 Millionen Dollar, muss Am Ende der Welt wohl viel mehr Leuten gefallen haben, als der Status "kontrovers diskutiert" vermuten lässt, aber dennoch lässt es sich wohl nicht ausblenden, dass die mutige Anderartigkeit von Am Ende der Welt nicht nur Freunde fand. Schließlich kraxelte das Franchise mit dem Film auf eine gewisse Meta-Ebene des Piratenfilms: Fluch der Karibik war anders und verschrobener, als der normale Piratenfilm, ohne sich den Stempel der Parodie aufzudrücken. Am Ende der Welt war die verschrobene Version von Fluch der Karibik, aber weiterhin keine Parodie. Da soll mal einer mitziehen... Und so kam es, dass sich manche Am Ende der Welt als ihren Lieblingsteil der Reihe aussuchten, und wieder andere nicht. Generell ist Am Ende der Welt vom Herzen aus ein Produkt für die Fans: Man wollte ihnen etwas zum weiterspekulieren geben, sie überraschen und trotzdem in manchen Hoffnungen und Wünschen glücklich stellen. Den normalen Kinogänger hatte man, wie mir scheint, eher als sekundäre Zielgruppe im Blick. Nicht, dass dies in ein Desaster mündete, mir sind Nicht-Fans bekannt, die trotzdem den dritten Teil am besten fanden, aber selbst ich komme nicht umher zu bemerken, dass es auch Leute wie Filmbrain gibt. Ich könnte jetzt darüber meckern, dass jemand, der sich darüber aufregt, dass sich ein Disney-Film mal etwas wagemutiges und blutiges traut, eh nichts zu melden hat, weil es eben diese Leute sind, die sich dann über Disneys Familienimage mokieren, aber schweifen wir nicht ab... Am Ende der Welt wollte neue Seewege auftun, Erwartungen zerbersten und mit dem Publikum spielen, und das ist ihm gelungen, wie sich halt schon allein an Jacks Einführung zeigte. Etwas Schwund ist immer, aber die Faustregel zeigte, dass jemand, der sich auch vermehrt um die zwei Vorgängerfilme kümmerte, auch stärker entlohnt wurde.
Bereits die ersten Sekunden boten gewaltigen Grund zur Überraschung. Statt der typischen Jack-Sparrow-Einmarschmelodie erklingt ein desorientiertes, ungestimmtes Gitarrengezupfe, begleitet von ungebügeltem atmospährischem Gesumme, so als sei die Soundanlage nicht richtig gestimmt worden. Das gleißend weiße Bild wird plötzlich von Jack Sparrows überdimensional erscheinenden Nase erfüllt, die sich entlangs des Bildes schiebt und vor einer einzelnen Erdnuss Halt macht. Bereits über Fluch der Karibik sagten die Filmemacher, dass sie mit ihrem Werk (stellenweise) einen Monty-Python-Piratenfilm entwarfen, aber erst mit dieser Sequenz ist es ihnen überdeutlich gelungen. Die Impression einer leinwandfüllend eingefangenen Nase, die sich auf eine winzige Erdnuss zubewegt könnte genauso gut aus Terry Gilliams berühmt-berüchtigten, surrealistischen Tricksequenzen stammen, die einzelne Segmente des Flying Circus überbrückte. Es ist ein verrückter, unwirklicher Filmmoment und es ist die erste von vier Vorstellungsritualen, die der Kinozuschauer und Jack Sparrow in Am Ende der Welt gemeinsam durchmachen. Denn im Finale der originalen Pirates of the Caribbean-Trilogie griffen die Autoren auf den Beginn der Saga zurück und setzten die Idee der vierfachen Einführung der Figur des Jack Sparrows mit einem lauteren Paukenschlag neu um. Auf fast schon wortwörtliche Art und Weise.
Dass die gigantische Nase wohl Jack Sparrow gehört, wurde wohl jedem fix klar, und wenige Sekunden später macht sich eben dieser bereit, das winzige Nüsslein wie ein Festmahl zu verspeisen. Bevor er die Erdnuss aber genießen kann, zerschneidet ein Schuss die verstimmte Beinahestille in Davy Jones' Reich und der sich auf den Genuss einer Erdnuss freuende Jack Sparrow fällt zu Boden. Umschnitt auf Jack Sparrow. Mitsamt Hund, Mantel, ernstem Blick und frisch abgefeuertem Eisen. Das war seine Nuss!
In diesen Sekunden offenbart sich dem erstmaligen Betrachter der absurden Szene, dass wohl noch mehr seltsam läuft, als er es sich zunächst dachte. Wie sich rasch zeigt, befinden sich an Bord der mitten im absoluten Nirgendwo eines Jenseits Dutzende Jack Sparrows befinden - und der schießfreudige in Mantel und Hut ist das Original, der einzig wahre, einmalige Captain Jack Sparrow. Dies wird allerspätestens nach einem Umschnitt klar, der enthüllt, dass sich Jack in Wahrheit vollkommen allein auf seinem geliebten Schiff befindet. Dies ist die dritte Einführung Jack Sparrows in Am Ende der Welt, die Sekunde, die verdeutlicht, dass Jack in Davy Jones teuflischem Reich nicht dazu verdammt ist, mit nervigen, übernatürlich erschaffenen Kopien seiner Selbst die Ewigkeit zu verbringen, sondern ein Schicksal erleiden muss, dass wohl noch viel schlimmer ist. Die Strafe, die härter sein soll, als der Tod, ist es, ewig mit sich selbst leben zu müssen, obwohl er (momentan?) nicht dazu fähig ist. Seine inneren Dämonen sind dafür zu mächtig, selbst wenn er beschließt, sich von dererlei Merkwürdigkeiten reinzuwaschen.
Letztlich kann Jack Sparrow, mit etwas Hilfe von Tia Dalma, der die Sinne zerfressenden Wüste von Davy Jones entkommen. Und somit kann sich Jack Sparrow ein viertes Mal im Laufe von Am Ende der Welt präsentieren, nun während er mit Schwung die wüste Hölle hinter sich lässt und auf den Strand von Davy Jones' Reich zusteuert, wo sich einige geduldete und weniger erduldete Weggefährten seines Lebens aufhalten. Es ist die einmalige Gelegenheit für Jack Sparrow, aus der teuflischen Situation eine Tugend zu machen und weiter an seinem Status als wandelnde Legende zu arbeiten.
Jack Sparrow steht ganz oben am Mast seiner geliebten Black Pearl, mit stolz durchgedrücktem Körper und selbstverständlichem, siegessicherem Blick in die Ferne. Genau so muss sich Jack in seinem Kopf die Ankunft in Port Royal vorgestellt haben, beeindruckend und stolz. Es ertönt auch wieder die bereits aus Fluch der Karibik bekannte Melodie, nur mit einem viel wuchtigeren, epochaleren Sound. Mehr Streicher, kräftigere Trommeln, ein lauterer, erhabener Chor... Und obendrein segelt Jacks geliebte Pearl nicht einfach so durch die Gegend, sie fährt eine verfluchte Sanddüne hinab! Dies ist ein übermenschlicher Auftritt ganz so, wie ihn sich der selbstüberschätzende Captain Jack Sparrow wünscht - natürlich ohne auch nur ein sein ungeheures Glück anlachende Miene zu verziehen.
Dieser Auftritt Jacks in Am Ende der Welt ist höchst angemessen, nicht nur dafür, dass dieser Film das große Finale der Trilogie darstellt und somit absolute Superlativen und Rückgriffe auf den Anfang der Saga einfach dazugehören, sondern auch, weil wir uns noch wenige Minuten vorher in Sparrows durchdrehenden Verstand befanden. Es ist nur passend, dass wir dann endlich einmal einen Einblick erhalten, wie die Realität nach seinen Wünschen auszusehen hat.
Wie Jack Sparrows Einführung in Am Ende der Welt den Tonfall des Films widerspiegelt, muss ich höchst wahrscheinlich gar nicht mehr ausführen: Das gesamte Kapitel um Jack Sparrow in Davy Jones' Reich ist überdrehter, unwirklicher, fantastischer und gigantischer, als das, was man in Fluch der Karibik und Die Truhe des Todes zu sehen bekam. Genauso, wie auch Am Ende der Welt imposanter, durchgeknallter und selbstbewusst-wagemutiger als seine Vorgängerfilme ist. Die übernatürlichen Elemente nehmen größeren Raum in der Geschichte ein, die anstehenden Schicksalsschläge sind verheerender - schließlich sind auch die Bedrohungen ernster und globaler als bisher. Und atmosphärisch werfen Regisseur Gore Verbinski und die Autoren Elliott & Rossio zur übersteigerten Dramatik auch verschrobeneren, teils surrealeren Humor in die Waagschale. Am Ende der Welt ist komplexer - narrativ, wie atmosphärisch. Die Fallhöhe für die Figuren sowie das Werk als solches nimmt durch die stark vergrößerte Divergenz drastisch zu. Wahrlich überwältigend - aber das Spiel kann man nicht ewig weiterspielen.
Würde die Pirates of the Caribbean-Saga mit einer solchen Rasanz weiter an Bombast gewinnen, so müsste man beim vierten Teil nicht nur um die finanzielle Stabilität der Walt Disney Company fürchten (Fluch der Karibik kostete noch ca. 140 Millionen Dollar, Am Ende der Welt verschlangen die Piraten 300 Millionen), sondern auch um die Sicherheit der Kinogänger auf diesem Globus. Im 3D-Zeitalter einen vierten Film mit Jack Sparrow zu veröffentlichen, der um das x-fache pompöser ist als Am Ende der Welt könnte, so einige streng wissenschaftliche und garantiert ernstzunehmenden Forschungen, zu explodierenden Kinoleinwänden führen. Und wenn nicht das, so dürfte das gleichzeitige Wachstum von Komplexizität der Geschichte und ablenkenden Explosionen und hämmernder Filmmusik zu explodierenden Köpfen beim Durchschnittskinobesucher sorgen. Auch keine appettitliche Vorstellung.
Das drang wohl auch bis in die Geschäftsführung des Disney-Konzerns vor. Als klar wurde, dass Jack Sparrow auch ein viertes Mal in See stechen wird, machte man sehr schnell klar, dass der vierte Teil der Saga simpler und bodenständiger wird. Nun, was "simpler" für Ted Elliott und Terry Rossio bedeutet, lässt sich bislang nur spekulieren, aber was "bodenständiger" heißt, das wissen wir schon: Fremde Gezeiten kostete geschätzt 200 Millionen Dollar. Die Truhe des Todes kostete vermutete 25 Millionen Dollar mehr, also ist der vierte Teil der zweitkleinste der Kinoreihe. Jedoch dürfte man ihn wohl noch immer als Abenteuerepos einschätzen...
Trotzdem: Kleiner, feiner, geerdeter soll es sein, auf den fremden Gezeiten. Das wird uns seit Monaten in Interviews gepredigt und auch die Trailer versprühen weniger von diesem Gefühl des ultimativen und gigantomagischen, den Die Truhe des Todes und insbesondere Am Ende der Welt dem Zuschauer entgegenschleuderten. Und so wird wohl auch Jack Sparrows erster Auftritt nicht ganz so verrückt oder morbide, wie es in den letzten beiden Filmen der Fall war. Wir dürfen aber sicher sein, dass die engen Kontakt zur Fanbase haltenden Autoren die Tradition eines ikonischen Jack-Sparrow-Einmarsches nicht vergessen werden. Und ich bin mir ebenfalls ziemlich sicher, dass sie auch in Jacks ersten Minuten während Fremde Gezeiten wieder ein atmospährisches Spiegelbild des restlichen Films gestalten werden. Oder geht dieser rote Faden, der sich durch die Trilogie zog, mit Regisseur Gore Verbinski von Bord? Wohl kaum... und deswegen werde ich nächsten Monat am Rande meines Kinosessels sitzen und fiebernd abwarten, was mir Jacks erster Auftritt dieses Mal so verspricht. Wir haben schon den "normalen", den "düsteren, aber humoristisch gekonnt albernen" und den "verrückten und gigantischen" Slot für die Saga bereits besetzt... was kann da eigentlich noch folgen?
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Ein wohlfeines POTC-Geschwurbel in Novellenlänge.
AntwortenLöschenNa Halleluljah. Dann weiß ich jetzt auch warum in letzter Zeit kaum was los war hier, in Sachen lesenswerter Posts.
Obs das jetzt wert war.
I hardly think so.
Aber Captain jack ist ja bald back, da kann man auch mal eine Blogpage über Disneys Piraten Romantik fabulieren.
Not.
Ich muss zwar gestehen, dass die letzten Monate die Quantität meines Outputs nachließ, aber das liegt wirklich nicht an den Piraten und noch viel weniger allein an diesem einen Artikel.
AntwortenLöschenGerade die vergangenen Tage hat aber die Zahl der ausführlicheren Artikel wieder ziemlich zugenommen, du hättest also gerne einen Blick nach links werfen dürfen, bevor du über zu viel Piraten schimpfst. Die Kritiken zu "Himmel und Huhn", "Rango" und "World's Greatest Dad" sind meiner Ansicht nach nun nicht gerade nichts.
Und ja, die Rapunzel-Liste steht auch noch an. Bitte keine Hetze, "Duke Nukem Forever" wurde auch nicht an einem einzigen Tag programmiert. :-p
Also mich stört das Philosophieren über die Piraten nicht, liegt wohl daran, dass ich auch ein absoluter PotC-Fanboy bin.
AntwortenLöschenAchja, Sir Donnerbold: Ich wollte mir Fluch der Karibik im iTunes Store runterladen, aber in den Kommentaren dazu steht, dass die Figuren im Film plötzlich andere Stimmen hätten, die Black Pearl die "Schwarze Perle" genannt wird und es amateurhaft wirkt (Übersetzung nicht lippensynchron). Reden die nur Unsinn oder gibt es wirklich eine zweite Synchronfassung speziell für den iTunes Store? o_O
Höre ich zum ersten Mal. Es ist zwar so, dass im ersten deutschen Langtrailer noch David Nathan auf Depp zu hören war, Gudo Hoegel für Rush sprach, Phillip Moog den Orlando Bloom mimte und Ranja Bonalana Keira Knightley sprach (es stimmt also nichts mit dem Film überein) und die Black Pearl noch "Schwarze Perle" genannt wurde, aber dass es den kompletten Film in dieser Fassung gibt, ist mir neu. Meines Wissens nach wurde ja die unveröffentlichte "Erstsynchro" nur um Nathan erleichtert und um Off bereichert.
AntwortenLöschenInsofern ist entweder nur die Rede vom Trailer oder die Leute reden Unsinn oder die Legenden stimmen nicht, und der komplette Film wurde nach Nathans Abgang neu eingesprochen. Insofern... lad ihn dir runter, das klingt gerade spannend. *g*
Jemine, was für'n Riesenpost. Und gerade mal "nur" zu den sparrowschen Einführungsszenen? Muss ich mir mal mit mehr Zeit und Ruhe durchlesen^^.
AntwortenLöschenGenerell kann ich aber schon mal anmerken, dass diese Einführungsszenen für mich jedesmal ein Bonbon noch oben drauf waren. Und unvergessen natürlich die allererste aus P1. Herrlich.
Ich weiß noch, wie ich etwas gelangweilt nach den ersten Szenen des Films dachte:" Joah...nee, haut mich jetzt nicht so wirklich um. Mal sehen, ob ich den weiter gucke." Und dann setzte diese geniale Musik ein. Und meine Aufmerksamkeit erhöhte sich schon etwas. Und dann? Dann kam "sie"! *ggg*
Mir ist in der Tat etwas die Kinnlade runtergefallen. Weniger wegen dem "Leckerchen", was dann da ins Bild shipperte (auch wenn das natürlich überaus nett anzusehen war ;-)), sondern eher wegen der Art und Weise, wie dieses in den Film shipperte. Ich erinnere mich noch gut, wie ich dachte: "Was zum Teufel ist DAS denn? Wie sieht der denn aus? Hilfe, wie bewegt der sich denn? Wie REDET der denn?" *rofl* Und gleichzeitig hab' ich mich köstlich amüsiert. Tja, ab da hatten sie mich. Und offensichtlich nicht nur mich, wie ja der Erfolg der Filme zeigt. Eine der besten Einführungsszenen für eine Figur, die ich je gesehen habe. Sehr sehr gut gemacht. Und sehr schlau. *g*
Ich hoffe, die lassen sich aus dieses Mal wieder was Nettes einfallen. Bin schon sehr gespannt.
Und im Übrigen hab' ich für meinen Teil kein Problem mit Deiner Philosophiererei über die Pirates-Filme. Kannst Du gerne weiter machen und nicht von Hassern der Film-Reihe diesbezüglich verunsichern lassen, gell? ;-)
Laaaaangweilig!
AntwortenLöschenHeeey ihr da draußen (:
AntwortenLöschenMir ist langweiLiiiiG -.-'