Sofern Smith sich nicht gedanklich neu sortiert, können wir langsam Abschied von diesem vielleicht nicht jedermann liegendem, dennoch aber äußerst interessanten Filmemacher verabschieden. Denn nach Red State möchte er seinen letzten Film drehen: Das Hockey-Drama Hit Somebody. Es wäre durchaus ein angemessener Abschluss seiner Karriere als Autorrenregisseur. Denn seine selbst geschriebenen Regiearbeiten enthielten allesamt Referenzen auf seinen Lieblingssport.
Clerks
Ein Regiedebüt kann einen persönlichen Stil begründen, aber aus naheliegenden Gründen noch keine wiederkehrenden Elemente beweisen. Clerks, ein Film dessen Popularität laut Kevin Smith seine gesamte Karriere überschattete, sie aber auch gleichermaßen überhaupt vital hielt, enthielt Elemente, die unvermeindlich als Smiths Stil erkennbar waren. Die ehrlichen, überhöht dargestellten und vom Mund des nicht gerade im Zentrum der sozialen Hackordnung stehenden, männlichen Slackers abgeschauten Dialoge. Die Haltung, dass das Gesprochene wichtiger als die Kamera ist (man könnte es auch als das Fehlen eines inszenatorischen Stils bezeichnen). Die Einarbeitung seiner Lieblingsthemen. Star Wars und Hockey. Aber es wurden auch Elemente eingeführt, die sich erst später als Markenzeichen offenbaren konnten: Nahezu jedermanns Lieblingsgag des Films hat mit der Zahl "37" zu tun, die daraufhin als Running Gag immer wieder bei Smith auftauchte. Um nun jedoch endlich zum Hockey zu kommen: Dante, der eigentlich seinen freien Tag gehabt hätte, muss im Quick Stop, einem Gemischtwarenladen, arbeiten. Um das mit Freunden abgesprochene Hockey-Spiel nicht zu versäumen, beschließt er kurzerhand, es auf das Dach des Ladens zu verlegen.
Mallrats
In einer Zeit vor Cop Out und Jersey Girl galt Mallrats als das schwarze Schaf der Kevin-Smith-Filmografie. Nicht nur einige Fans belächeln den Nachfolger auf Smiths Sensationsdebüt, auch sein Förderer Harvey Weinstein war nicht sonderlich begeistert, so dass das Projekt zu Universal abwandern musste. Ein amüsanter Zufall, Universal schien sich somit als Auffangbecken für Weinstein-Kumpanen etabliert zu haben. Als Tarantinos Inglourious Basterds für die Weinsteins zu teuer wurde, kam ebenfalls Universal an Bord. Mallrats hatte nicht nur das größere Budget und somit unter anderem einen neuen, schmucken Ledermantel für Silent Bob in petto, sondern auch das Etablieren einer Figurenkontinuität in Smiths Filmen (im neu erschaffenen "View Askewniverse" kennt eigentlich jeder jeden um ein paar Ecken) sowie auf die Spitze getriebene Star Wars-Zitate und natürlich neue Hockey-Referenzen. Das obige Bild steht eigentlich stellvertretend für Smiths Referenzfreudigkeit: Comic-Anspielung, Hockey-Shirt, Hommage an Der weiße Hai. Alles drin.
Anders als in Clerks gibt es in Mallrats kein Hockeyspiel zu bestaunen. Dafür zockt der unter der Fuchtel seiner Mutter stehende Brodie direkt, nachdem er von seiner sexuell unbefriedigten Freundin aufgeweckt wurde auf seiner Sega-Konsole eine digitales Eishockey. Was eines der wiederkehrenden Grundthemen des "View Askewniverse" zusammenfasst: Nerdige Kerle, die mit ihren gutaussehenden Freundinnen, von denen sie selbst nicht wissen, wie sie sie bekamen, nicht umzugehen wissen und sich in spielerische Ablenkung fliehen.
Chasing Amy
Direkt auf den belächelten Mallrats folgte Kevin Smiths möglicherweise bester Film: Clerks umgibt zwar der größere Kult, doch das amüsante Liebesdrama Chasing Amy dürfte wohl die meiste Anerkennung erhalten haben. Mein persönlicher Liebling ist es nicht, dafür finde ich Dogma einfach zu witzig, trotzdem ist Chasing Amy jegliches Stück Respekt gegönnt, dass der Film bekommen kann. Vor allem, da Chasing Amy für Smith als Autoren und Regisseur einen großen Sprung bedeutete. Die Figuren sind ausgereifter, die Dialoge gehen einem näher, der Sextalk ist nicht nur da, um da und cool zu sein, sondern hat auch dramaturgische Relevanz und auch die Hockey-Elemente gehen dieses Mal über das bloße Tragen eines Shirts hinaus...
...oder einen Rückgriff auf das aus Mallrats bekannte Videospiel!
Eine unaufhaltsam entgleisende Unterhaltung zwischen den beiden Hauptfiguren wird von Regisseur Kevin Smith durch Gegenschnitte auf das von ihnen besuchte Hockeyspiel kommentiert. Die Entwicklung des Hockeyspiels, die eskalierenden pysikalischen Handlungen sind die Komplementärelemente zu den verletztenden Ausschreitungen im Gespräch der zwei Protagonisten. Die Gegenschnitte auf das Hockeyspiel sind rau und unbehandelt, was man als verstärkendes Element entschuldigen kann, als handwerkliche Unterstreichung der auf der Bildebene aufgezeigten Parallele zwischen verbaler und körperlicher Gewalt. Doch man muss sich auch als Smith-Anhänger eingestehen: Eine aufpoliertere Schnittmontage hätten die damals noch immer ungeschliffenen Cutter Scott Moiser und Kevin Smith nicht auf die Beine stellen können.
Dogma
In seiner Religionskomödie Dogma hielt sich Smith angesichts der zahlreichen ihn erwartenden, größeren Aufgaben mit zu vielen überflüssig ausgewalzten Traditionen glücklicherweise zurück. Zwischen Spezialeffekten und der Arbeit mit klassisch ausgebildeten Schauspielern wie Alan Rickman auch noch möglichst eine Hockey-Szene reinquetschen? Nein, danke. Einen angemessenen Platz für seinen Lieblingssport fand Kevin Smith trotzdem: Ein gemeingefährlicher, aus drei Jugendlichen bestehender Schlägertrupp benutzt für seine Gewalttaten Inliner (man muss sich ja schnell fortbewegen) und Hockeyschläger. Einer der drei stillen Jungs trägt außerdem ein Hockeyshirt (der fiktiven Mannschaft Highlands Clamdiggers), während der obig links abgebildete Bub' die obligatorische Comicreferenz des Films in Form eines thematisch überaus passenden Hellboy-Shirts am Leibe trägt. Der Kerl in der Mitte scheint mir dagegen eine Parodie von "Mr. Powerschuss" Fulton Reed aus Mighty Ducks zu sein. Dieser grimmige Blick, die trüb-zornigen Augen, die verwaschene Football-Kriegsbemalung...
Jay und Silent Bob schlagen zurück
Kevin Smiths problemlos auch als "Fanservice - Der Film" betitelbarer Beinahe-Abschluss seiner "View Askewniverse"-Reihe ist dermaßen mit Selbstreferenzen, Brüchen der vierten Wand und Serienkontinuitätsspielereien beschäftigt, dass für sonstige Traditionen nur der nötigste Raum blieb. Naja, mit mehreren Star Wars-Cameos hat sich Smith bei seinem Lieblings-Filmthema nicht zurückgehalten, dafür gibt es wie schon in Dogma gerade Mal ein Hockeyshirt zu bewundern. Andere Verweise auf Smiths Lieblingssport sucht man vergebens. Und sogar die Hockeyreferenz in Jay und Silent Bob schlagen zurück ist ein Selbstverweis Smiths: Randal trägt hier das gleiche CCCP-Trikot wie in Clerks.
Jersey Girl
Als bislang einziger von Kevin Smith selbst geschriebener Film, muss Jersey Girl ohne Hockey auskommen, was seinen Status als schwarzes Schaf nur weiter verstärkt. Dennoch hat der Film mehr Respekt verdient, wie ich finde, weshalb ich ihn auch nicht einfach aus diesem Artikel ausschließe. Statt einer Hockey-Abbildung serviere ich euch halt ein Filmbild der Grundschulaufführung von Sweeney Todd, die im Film vorkommt. Ganz einfach, weil ich's kann.
Clerks 2
Mit Clerks 2 macht Kevin Smiths Hauptschaffenswerk den Kreis vollkommen. Das "View Askewniverse" endet, wo es begann. Dass die Existenz von Hockes nun sogar auf die bloße Anwesenheit eines Tors und eines an die Tür gelehnten Schläger beschränkt wird, könnte der überengagierte Zuschauer als Brillanz auffassen: In einem Film, der in der Welt des Fast Foods spielt, kann der einzige mit größerer Präsenz gesegnete Sport bloß sowas wie langsam-spaßiges Kartfahren sein. Aber das ist eine Überinterpretation und reiner Zufall.
Spielt Kevin Smith mit Zack and Miri Make A Porno ein sicheres Spiel, oder stellte die Komödie mit Seth Rogen und Elizabeth Banks ein kleines Wagnis dar? Fans sind sich uneinig, wie sie Zack & Miri auf Smiths Weg zu einem anderen Filmemacher einordnen sollen. Klar ist schonmal: Den Verzicht auf Jay und Silent Bob kompensiert Smith mit einer Rückkehr zum Gefühl von Chasing Amy und einer Vielzahl an Hockey-Elementen, angefangen bei Elizabeth Banks im Pittsburgh-Penguins-Trikot. Und auch Star Wars-Fans haben einige Gründe, den Film zu sehen, aber das wäre Stoff für einen anderen Artikel.
Außerdem gibt es eine Stanley-Cup-Flagge der zu Drehbeginn zweifachen Siegermannschaft zu sehen. Die Verweise auf die Penguins dienen auch als Lokalkolorit: Zack and Miri Make A Porno spielt nicht in Kevin Smiths Heimatstaat New Jersey (so wie alle seine Filme zuvor, sondern in Pennsylvania, wo er auch gedreht wurde. Neben diesen Verweise auf Pennsylvanias Hockeymannschaft wird dem Drehort auch Tribut gezollt, indem die Figuren das nahe Pittsburgh gebraute Iron City Beer trinken. Auch die aus Zombie bekannte Monroeville Mall hat einen Auftritt, ebenso wie der aus Pittsburgh stammende Tom Savini.
Der Regisseurs des Pornos-im-Films, gespielt von Clerks-Veteran Jeff Anderson, wird derweil von einem Hockeyspiel der fiktiven Mannschaft Monroeville Zombies weggecastet.
Weniger Hockeyreferenz, als Selbsttribut: Genau wie bei den Dreharbeiten für Clerks müssen die Figuren aus Zack and Miri Make A Porno aus Geldmangel improvisieren, weshalb sie statt professioneller Angelmikros an einen Hockeschläger geklebte Standardmikros verwenden. Überhaupt haben die Umstände, die Zacks und Miris Filmdreh umgeben viele Parallelen zu Kevin Smiths Erfahrungen als Regiedebütant. Der einzige große Unterschied ist im Grunde, dass Zack und Miri schon in Farbe drehen können. Und dass in Clerks bloß über Sex geredet wurde.
Und zu guter Letzt erleben wir in Zack and Miri Make A Porno, wie sich eine der Hauptfiguren als Schießbudenfigur bei einem Hockeyspiel verdingt. Dieser Gag ist ein Überbleibsel von einem früheren Clerks 2-Drehbuchentwurf, in dem Randel (gespielt von Jeff Anderson) sich damit ein kleines Zubrot verdient.
Dies wären also die mal mehr, mal weniger einschneidenden Hockey-Referenzen aus Kevin Smiths bisherigem Schaffen. Wie es in Red State mit Hockey aussieht, weiß ich derzeit nicht, dafür scheint Hit Somebody den umgekehrten Weg zu gehen. Nachdem Smiths Filmwerk mit Hockey-Versatzstücken bespickt wurde, plant Smith, seinen Hockey-Film mit selbstreflexiven Gedanken zu versetzen und seinen evenuellen Abschiedsfilm außerdem mit Gastauftritten all seiner Wegbegleiter zu unterfüttern.
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