Gestern wurde bekannt, dass der beste Regisseur des Star Wars-Fanchises am vergangenen Samstag, den 27. November, von uns gegangen ist. Irvin Kershner nahm Ende der 70er Jahre die gewaltige Herausforderung an, unter Geroge Lucas' Fittische die Fortsetzung zu einem der erfolgreichsten Filme aller Zeiten und einem nicht zu unterschätzenden kulturellen Phänomen zu drehen: Das Imperium schlägt zurück, der das dreifache Budget seines Vorgängers zur Verfügung hatte, sollte nicht nur durch einige packende Cliffhanger und nunmehr legendäre Plottwists in die Filmgeschichte eingehen, sondern sich bei zahlreichen Star Wars-Fans (sowie Gelegenheitsguckern) aufgrund seines hervorragenden Pacings und der dichten Atmosphäre zum beliebtesten Teil der Kinoreihe aufschwingen.
Kershner war eine ungewöhnliche und riskante Wahl für die Fortsetzung von Krieg der Sterne: Man erwartete, dass Lucas seine Saga selbst weiterführen möchte, doch er wollte die Aufgabe an jemanden geben, dem er vertraute, weshalb er seinem ehemaligen Film-Professor den Regieposten anbot. Lucas sah in Kershner seinen Mentor und sah in ihm eine reizvolle Wahl, da er über alles Wissen verfügte, dass ein Hollywood-Regisseur benötigt, ohne Hollywoods Entscheidungen und Stil zu repräsentieren. Kershner, zuvor ausschließlich für Charakterstücke bekannt, lehnte zunächst ab, wurde von seinem Agenten aber überredet. Durch Kershner erhielt Das Imperium schlägt zurück eine Tiefe und Reichhaltigkeit, die der verspieltere Lucas in seinen Star Wars-Filmen nicht erreichen sollte.
Der am 29. April 1929 in Philadelphie geborene Regisseur fand seinen Weg zum Film über einen künstlerischen Umweg: Er studierte zunächst Musik, bevor er sich dem Studium der Malerei widmete. Nach einem Umzug in die Stadt der Engel gewann er Interesse an der Fotografie, die er später an der USC School of Cinematic Arts unterrichten sollte. Zeitgleich nahm er Kurse über die Filmkunst - eine weitere Leidenschaft die er vertiefen wollte.
Kershner ist einer der meist übersehenen Regisseure mit großem Einfluss: Er drehte nicht nur Das Imperium schlägt zurück, sondern auch das nicht zum EON-Kanon gehörende Feuerball-Remake Sag niemals nie, Sean Connerys mit feiner Selbstironie gewürztes Bond-Comeback. Kershners letzter Kinofilm war der für ihn ungewöhnliche RoboCop2, der als Effekt- und Gewaltspektakel angenommen wurde, dem viele Kritiker aber im Vergleich zum Original ein menschliches Herz absprachen.
Kershner starb an Lungenkrebs, den er seit drei Jahren bekämpfte.
Dienstag, 30. November 2010
Leslie Nielsen verstarb im Alter von 84 Jahren
Viele komödiantische Schauspieler wechseln nach einiger Zeit ins dramatische Fach, vermeintlich um die Herausforderung und Anerkennung zu suchen. Tom Hanks beispielsweise können sich viele gar nicht mehr in komödiantischen Rollen vorstellen - obwohl er in diesem Fach seinen Anfang nahm.
Leslie Nielsen war die Antithese dazu. Der am 11. Februar 1926 in Regina, Saskatchewan geborene Schauspieler startete seine Hollywood-Laufbahn als respektierter Darsteller in ernsten Rollen, zunächst im Fernsehen, später auch in Kinofilmen wie dem Sci-Fi-Film Alarm im Weltall und weiteren MGM-Titeln. Für die Disney-Westernreihe The Swamp Fox kehrte er auf die Fernsehbildschirme zurück - eine Zeit auf die er später gerne zurückblickte, da er Disneys gönnerhaftes Budget und die ausschweifende Produktionszeit jeder einzelnen Episode besonders genoss.
In den 70er Jahren drehte Nielsen einige Katastrophenfilme, darunter den erfolgreichen Die Höllenfahrt der Poseidon. Diese Rollen sollten seine Karriere für immer beeinflussen: Das Zucker-Abrahams-Zucker-Trio besetzte Nielsen wegen seiner Erfahrung mit solchen Stoffen in der Katastrophenfilmparodie Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug, die für Nielsen und die Geschichte der Kinoparodie einen Wendepunkt darstellte. Nielsens staubtrockene und höchst ernste Darstellung in Mitten des absurden Chaos traf das Humorzentrum des Kinopunblikums und so gab ihm das ZAZ-Trio 1982 die Gelegenheit zu einem weiteren TV-Comeback, dieses Mal als Hauptdarsteller in der Polizei-Comedy Die nackte Pistole. Deren Kino-Spin-Off Die nackte Kanone von 1988 wurde zu einem der ganz großen Parodieklassiker der Kinogeschichte und zog zwei Fortsetzungen nach sich. Damit war Nielsens Ruf als begnadeter Komödiendarsteller endgültig festzementiert.
Was den Hobby-Golfer ausmachte, war dass er seine Texte nie lustig spielte. Wo andere Komiker mimisch und gestisch doppelt und dreifach betonen, dass sie gerade witzig sind, gab sich Nielsen stets so, als befände er sich mitten in einem schweren Drama. Dadurch stellte er die komödiantische Leistung des Drehbuchs stärker in den Fokus - und kam stets auch sehr sympatisch und ehrlich rüber, weshalb selbst seine schwächeren Filme immer noch angenehm zu verfolgen waren.
Wie im Laufe des gestrigen Tages bekannt wurde, erlag Nielsen am Sonntag an den Folgen einer Lungenentzündung.
Leslie Nielsen war die Antithese dazu. Der am 11. Februar 1926 in Regina, Saskatchewan geborene Schauspieler startete seine Hollywood-Laufbahn als respektierter Darsteller in ernsten Rollen, zunächst im Fernsehen, später auch in Kinofilmen wie dem Sci-Fi-Film Alarm im Weltall und weiteren MGM-Titeln. Für die Disney-Westernreihe The Swamp Fox kehrte er auf die Fernsehbildschirme zurück - eine Zeit auf die er später gerne zurückblickte, da er Disneys gönnerhaftes Budget und die ausschweifende Produktionszeit jeder einzelnen Episode besonders genoss.
In den 70er Jahren drehte Nielsen einige Katastrophenfilme, darunter den erfolgreichen Die Höllenfahrt der Poseidon. Diese Rollen sollten seine Karriere für immer beeinflussen: Das Zucker-Abrahams-Zucker-Trio besetzte Nielsen wegen seiner Erfahrung mit solchen Stoffen in der Katastrophenfilmparodie Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug, die für Nielsen und die Geschichte der Kinoparodie einen Wendepunkt darstellte. Nielsens staubtrockene und höchst ernste Darstellung in Mitten des absurden Chaos traf das Humorzentrum des Kinopunblikums und so gab ihm das ZAZ-Trio 1982 die Gelegenheit zu einem weiteren TV-Comeback, dieses Mal als Hauptdarsteller in der Polizei-Comedy Die nackte Pistole. Deren Kino-Spin-Off Die nackte Kanone von 1988 wurde zu einem der ganz großen Parodieklassiker der Kinogeschichte und zog zwei Fortsetzungen nach sich. Damit war Nielsens Ruf als begnadeter Komödiendarsteller endgültig festzementiert.
Was den Hobby-Golfer ausmachte, war dass er seine Texte nie lustig spielte. Wo andere Komiker mimisch und gestisch doppelt und dreifach betonen, dass sie gerade witzig sind, gab sich Nielsen stets so, als befände er sich mitten in einem schweren Drama. Dadurch stellte er die komödiantische Leistung des Drehbuchs stärker in den Fokus - und kam stets auch sehr sympatisch und ehrlich rüber, weshalb selbst seine schwächeren Filme immer noch angenehm zu verfolgen waren.
Wie im Laufe des gestrigen Tages bekannt wurde, erlag Nielsen am Sonntag an den Folgen einer Lungenentzündung.
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Sonntag, 28. November 2010
Interview mit Pixars 3D-Verantwortlichem
Collider führte ein interessantes Interview mit Bob Whitehill, dem Kopf hinter den 3D-Fassungen von Toy Story 3, Oben und den kommenden Filmen Brave und Cars 2.
Das kann ich euch natürlich nicht vorenthalten. Viel Vergnügen mit dem Video:
Das kann ich euch natürlich nicht vorenthalten. Viel Vergnügen mit dem Video:
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Samstag, 27. November 2010
Pelegosto, Pelegosto! Schnipp-Schnipp!?
Achtung! Spoiler für die Pirates of the Caribbean-Trilogie voraus!
Das Gesetz der Fortsetzung: Länger, größer, teurer. Als Fluch der Karibik entgegen der Erwartungen nahezu aller ein weltweiter Kassenknüller wurde, stand schnell fest, dass eine Fortsetzung herbei muss. Und mit dem Mega-Produzenten Jerry Bruckheimer im Rücken bestanden wohl auch kaum Zweifel, dass das zweite ungewöhnliche Piratenspektakel ebenfalls der Gesetz der Fortsetzung zu gehorchen hat.
Allerdings war schon Fluch der Karibik mit 143 Minuten ein Abenteuer von stattlicher Länge. In der Fortsetzung nachzulegen würde bedeuten, sich in wahrlich epochale Gefilde zu begeben. Die Truhe des Todes (wie ich den Film in Ermangelung eines griffigeren deutschen Titels nennen werde) dauert insgesamt 151 Minuten. Ordentlich für einen erfrischenden Sommerblockbuster, bei dem sich das Durchschnittspublikum entspannen möchte. Ihn länger als Fluch der Karibik zu machen, allein um der Länge willen, wäre eine fatale Fehlentscheidung. Genauso falsch wäre es aber, den Film zu kürzen, nur um sich der Norm anzupassen. Wenn man eine Geschichte zu erzählen hat, die ihre Zeit braucht, dann sollte man sich diese Zeit nehmen. Und in Die Truhe des Todes mussten die Autoren Ted Elliott und Terry Rossio nicht bloß die Kernhandlung dieses Films unterbringen, sondern auch Raum für die geplante Fortsetzung schaffen und retroaktiv die Geschichte von Fluch der Karibik vom Einzelwerk zur Einleitung dieses Films ummogeln. Da sind 151 Minuten ganz schnell vorbei.
Dennoch bekommen viele Leute ihren unterhaltsamen Eskapismus in kleinen Häppchen serviert - und so wurden nach Kinostart von Die Truhe des Todes allerhand Beschwerden laut, die Mammutproduktion sei zu lang. Es wäre ein leichtes, ihn herunterzukürzen. Vor allem diese nutzlose Kannibalenszene könne man doch vollkommen unbesorgt auf den Fußboden des Schneideraums segeln lassen.
Au contraire. Ohne, dass es der vom bunten Treiben des zum Tropenfruchtspieß umfunktionierten Jack Sparrow geblendete Zuschauer bemerkt, erfüllt besagte Sequenz zahlreiche Funktionen für den erzählerischen Fluss des zweiten Kapitels in der Pirates of the Caribbean-Saga. Man kann die Szene unterhaltsam finden oder nicht, aber wer sie als überflüssig bezeichnet, der redet einfach so daher, ohne den Film ernsthaft beäugt zu haben.
Es folgt eine Verteidigungsrede für Captain Jack Sparrows Abstecher auf die Insel der Pelegostos. Zugleich taugt sie als Exempel dafür, dass witzige Filme mit gigantischen und prahlerischen Schaueffekten dramaturgisch sowie narrativ deutlich ausgefuchster sein können, als man es glauben mag. Denn es muss nicht alles im abgefrackten Programmkino laufen, was komplex ist.
Bloß weil so manche Augenpaare mag auf die Leinwand gerichtet waren, heißt das längst nicht, dass deren Träger den Film auch richtig gesehen haben
Anfangs stellt sich mir allerdings die Frage, wieso ausgerechnet die Sequenz auf der Insel des Kannibalenstamms wiederkehrend als potentielles Schnittmaterial genannt wird. Auf diese Idee wäre ich selbst nie gekommen. Vielleicht liegt es daran, dass viele an Pirates of the Caribbean stur mit einer konventionellen Blockbuster-Erwartung herangehen - und in Folge dessen auch konsequent ihre Blockbuster-Rezeptionsweise durchziehen. Und daher ist die Funktion des Trubels rund um die Pelegostos nicht besonders offensichtlich. Sobald Jack Sparrow, seine Crew, Pintel & Ragetti und Will Turner die Insel verlassen, kehren sie nie wieder an diesen Ort zurück. Dass der struppige Hund, der die Schlüssel zum Gefängnis von Port Royal bewacht und den Pintel und Ragetti mit auf die Insel nahmen, zurückgelassen wird, hat keinerlei Auswirkungen auf den Lauf der Geschichte. Und es kehrt auch keiner der Pelegostos zurück, etwa um im großen Finale eine einschneidende Rolle zu spielen, so dass man die Sequenz als Einführung dieser Figuren betrachten könnte. Wäre Die Truhe des Todes so, wie ihn viele Zuschauer rezipiert haben, dann müsse irgendeine der gerade genannten, offensichtlichen Wenden eingeschlagen werden - allerspätestens in Am Ende der Welt.
Die ambitionierten Autoren Ted Elliott und Terry Rossio und Regisseur Gore Verbinski strebten jedoch nach etwas anderem. Sie wollten keinen Standard-Blockbuster mit Piraten drehen. Ihnen gelüstete es nach einem Film, der unter seiner Jerry-Bruckheimer-Hochglanz-Oberfläche mit Erzählstrukturen experimentiert (siehe dazu auch dieses Posting von Ted Elliott und den Duckipedia-Artikel zum Film). Und dadurch entstand unter anderem nunmal so etwas wie die Kannibalen-Sequenz, die augenscheinlich nur als "Die große Jack Sparrow Show" dient, während dieses turbulenten Slapsticks aber zahlreiche Handlungsfäden zusammenknüpft und auch spätere Filmmomente vorbereitet.
Also, was ist zuvor geschehen? Will Turner und Elizabeth Swan möchten heiraten, doch die Zeremonie wird erst von heftigem Regen und dann von Lord Cutler Beckett unterbrochen, der das künftige Ehepaar festnehmen lässt, da es dem Freibeuter Jack Sparrow zur Flucht vor dem Galgen verhalf. Beckett verspricht eine Begnadigung vor der drohenden Todesstrafe, wenn Will Turner den gesuchten Piraten ausfindig machen und ihm seinen Kompass abschwatzen könnte. Derweil macht sich Jack Sparrow auf der Suche nach einem Schlüssel - dem Schlüssel, der die legendäre Truhe des Todes aufschließen kann. Sparrow erhofft sich, dadurch einen Handel mit Davy Jones eingehen zu können, dem er seine Seele schuldet. Über sein früheres Mannschaftsmitglied Stiefelriemen Bill erfährt Sparrow, dass Jones seinen gefürchteten Leviathan auf ihn angesetzt hat, weshalb Sparrow auf dem Meer nicht mehr sicher ist. Er flieht also an Land...
Zunächst einmal vereint diese Sequenz die Handlungsfäden von Will und Jack. Simpel, aber notwendig, da wir sonst in der Geschichte nicht voran kämen. Will muss durch Jack auf die Flying Dutchman geschickt werden, wo er zum einen für Jack den Schlüssel zur Truhe besorgt und andererseits seinen Vater kennenlernt, den er daraufhin von seinem Fluch befreien möchte.Ohne die Kannibalensequenz, könnte das alles nicht passieren. Natürlich könnte man die Sequenz durch eine andere ersetzen, in der sich Will und Jack beispielsweise an einem weniger exotischen Ort treffen, wodurch die Szene etwas konventioneller ablaufen könne und auch die ganze Exposition rund um die Pelegostos wegfiele, was wiederum einige Minuten einsparen würde. Aber ob diese Sequenz noch die zahlreichen anderen Funktionen des Pelegosto-Abenteuers erfüllen könnte? Und das auch noch, ohne einige Löcher in die Plausibilität des Films zu schießen?
Jack Sparrow muss sich auf irgendeiner weit entfernten Insel verschanzen, da wir bereist wissen, dass er auf dem Meer nicht mehr sicher ist. In der zivilisierten Welt jedoch ist er genauso unsicherer, da die East India Trading Company mittlerweile überall zu finden ist. Das ist eines der wiederkehrenden Themen der Fluch der Karibik-Fortsetzungen (eine kurze Aufnahme eines Paprikastreuers zeigt, dass sie zuweilen sogar auf der Insel der Pelegostos gastiert) und würde es ziemlich unglaubwürdig machen, wenn sich Jack einfach in irgendeiner Hafenstadt verschanzte. Wieso hat die East India Trading Company ihn nicht von allein ausfindig gemacht? Wie kommt Jack überhaupt auf die depperte Idee, sich dort zu verstecken, wo ein bekannter und übermächtiger Feind hinter jeder Ecke auf ihn lauert? Außerdem würde die Szene in einer zivilisierteren Umgebung für den Zuschauer deutlich langweiliger ablaufen. Denn was würde wohl passieren, wenn Jack in der Zivilisation vor Anker geht? Genau, er käme ins Gefängnis. Was müsste Will dann machen, um mit Jack ins Geschäft zu kommen? Ihn befreien! Das Spielchen kennen wir aber bereits aus Fluch der Karibik.
Um Logikfehler und unnötige Wiederholungen zu vermeiden, spielt die "Jack und Will begegnen einander, Jack ist in großer Gefahr, Will versucht, ihm zu helfen"-Sequenz also an einem exotischen und abgelegenen Ort. Die Autoren nutzen diese Gelegenheit, um subtil ein weiteres Element in die Mythologie ihres Filmuniversums einzuführen: Der Kannibalenstamm ist davon überzeugt, dass Jack Sparrow ein Gott ist, der sich im Körper eines Menschen gefangen befindet. Die Kannibalen an sich sind zwar nicht von weiterer Bedeutung für die Geschichte, doch ihr Glaube ist ein Vorgriff auf Ereignisse in Am Ende der Welt. Solche Vorgriffe sind nicht nur ein ganz cleveres Stilmittel, das aufmerksame Zuschauer beim wiederholten Ansehen zum schmunzeln bringen kann, es dient auch dazu, Dinge die erst sehr spät in der eigentlichen Handlung vorkommen fester im Werk zu verankern. Eine Meeresgöttin, die an Bord eines Piratenschiffs aus ihrer menschlichen Hülle befreit wird, das könnte im großen Finale einer Trilogie, die noch vergleichsweise verhalten mit Skellett-Piraten begann, schnell "over the top" und aus dem Hut gezaubert wirken. Dadurch, dass zu Beginn des zweiten Films angedeutet wird, dass es so etwas im Pirates of the Caribbean-Universum gibt, versuchen die Autoren solchen Beschwerden vorzubeugen. Diese Botschaft kam leider nicht bei allen Vertretern des Publikums an, aber man kann keinesfalls behaupten, die Autoren hätten sich nicht bemüht.
Außerdem brauchen wir irgendeine Ausrede, wieso die Schwerter im Filmlogo durch Fackeln ersetzt wurden!
Auch charakterlich bringt die Pelegosto-Sequenz die zentralen Figuren deutlich weiter. Welpenauge Will erhält durch diese Sequenz die Gelegenheit zu beweisen, wie groß seine Sorgen um Elizabeth sind und was er alles für ihre Rettung zu überstehen gewillt ist. Er wächst als Abenteuerheld heran, und deswegen könnte man nicht einfach zeigen, wie Will von der Ferne die Black Pearl entdeckt, die gerade von der Kannibaleninsel aus wieder in See sticht, während der Eingeborenenstamm Jack Sparrow jagt und dieser in letzter Sekunde auf sein Schiff springt. In dieser Alternativversion von Die Truhe des Todes wird zwar weiterhin vorgeführt, wieso Jack Sparrow nicht weiter vor Davy Jones davonlaufen kann und sich ihm stellen muss, und mit einer kurzen nachgeschobenen Zeile von Gibbs oder Marty könnte man auch das thematische Element der in Menschenkörpern gefangenen Götter einführen ("Will, du wirst es nicht glauben, aber dieser Stamm vor dem Jack gerade weglief dachte, dass Jack ein Gott, gefangen in Menschengestalt ist!"), aber man hätte Will somit bis zum ersten Auftritt von Davy Jones' Crew komplett passiv durch das Abenteuer stapfen lassen. So hingegen hat er Gelegenheit, sich als heranreifender Abenteuerheld zu beweisen. Dies ist auch ein weiterer Grund, der gegen die sicherlich schneller abhandelbare Alternative einer Fluch der Karibik-Wiederholgung spricht: Will beweist seine Liebe zu Elizabeth und seine Fähigkeiten als kerniger Freibeuter, indem er genau das gleiche macht, was bereits in Teil 1 so erfolgreich geklappt hat? Wow, wie tollkühn...
Die Kannibalensequenz bringt sogar noch mehr Bewegung in die Jack/Will-Dynamik: Wie Terry Rossio in seinem Autorenforum schrieb, tut Will Turner seinem Bekannten Jack in dieser Sequenz einen Gefallen, womit letzterer ihm etwas schuldig wäre. Stattdessen aber spinnt Jack Sparrow einen (je nach Lesart mehr oder minder) rein selbstgefälligen Intrigenplan, der Will in Lebensgefahr bringt und Jack weitere Zeit verschafft, sich vor Davy Jones in Sicherheit zu bringen oder zumindest seine Position in der Auseinandersetzung mit ihm zu stärken. Das führt wunderbar vor, dass Jack Sparrow zwar die Hauptfigur des Films ist (oder auch nicht, kommt ganz darauf an, wie man es sieht), aber dennoch kein nobler Mann (oder etwa doch?) - und diese grau-graue Charakterzeichnung sollte die Pirates of the Caribbean-Reihe von üblichen Blockbustern abheben. Zugleich aber hat dieser Verrat an Will eine dramaturgische Relevanz:
Als Elizabeth gegen Schluss des Films von Jacks Betrug erfährt, wird ihre Entscheidung, Jack an den Mast der Black Pearl zu ketten und ihn dem Kraken zum Fraß vorzuwerfen, für das Publikum deutlich nachvollziehbarer, hätten wir die Kannibalensequenz nicht miterlebt. Elizabeth braucht einen guten Grund, um Jack zu opfern, anderweitig würde die Figur nur puren Hass auf sich ziehen. Und auch, wenn manche Zuschauer ihr nach dem Finale von Die Truhe des Todes nicht mehr so wohlgesonnen waren wie zuvor, nach dem Ende des Films hörte ich nirgends die Beschwerde, was für eine dreckige Schlampe Elizabeth doch sei, und deshalb der ganze Film verdorben wäre. Ich meine, ein Verständnis und Respekt für den Schluss des Films gespürt zu haben, und das ist, so kurios es klingen mag, zu einem guten Stück der Kannibalensequenz zu verdanken.
Hui. Heftiger filmwissenschaftlicher Tobak. Aber es gibt auch eine leichtherzigere Funktion, die diese Filmsequenz erfüllt: Sie gibt uns einen plausiblen Anlass, Pintel und Ragetti ohne größere Diskussion in Jacks Crew zu integrieren. Die beiden abgehalfterten und komischen Piraten waren heimliche Publikumslieblinge in Fluch der Karibik und deshalb ist ihre Rückkehr in Die Truhe des Todes nur willkommen. Da sie allerdings auf der Seite Barbossas standen, braucht es eine Ausrede, wieso sie nun auf einmal unter Jack Sparrow dienen. Aufgrund ihrer Vergangenheit müsste ihr Auftauchen, stießen sie in irgendeiner anderen Szene dazu, für Widerstand bei Jack, Gibbs und Co. sorgen. Der Film ist allerdings schon ehr lang, und eine "Was sucht ihr hier?"-Diskussion mit vorhersagbarem Ergebnis ("Na okay, ihr dürft hier bleiben") ist da wirklich verzichtbar. Im ganzen Wirbel der Pelegosto-Sequenz kann man sie dagegen einfach so auf's Schiff setzen und davon kommen, dass Jack ihnen gerade Mal einen perplexen Blick zuwirft.
Ungefähr so einen, ja.
So wie ich das betrachte, kann man die Szenen auf der Kannibaleninsel unmöglich aus Die Truhe des Todes streichen, ohne den Film erheblich zu schwächen. Einige der auf der Kannibaleninsel stattfindenden Ereignisse kann man nicht in andere Szenen des Films quetschen, andere nur schwerlich. Bliebe die Möglichkeit einer "Ersatzsequenz", aber die muss erstmal genauso unterhaltsam, erzählerisch effektiv und obendrein kürzer sein, um den Ansprüchen derer zu genügen, die sie geschnitten sehen wollen. Die einzige Idee, die wenigstens letzteres erfüllte, wäre die Wiederholung des "Will befreit Jack aus dem Gefängnis"-Plots, aber das würde nur noch mehr Kritik nach sich ziehen.
Vielleicht könnte man die Verfolgungsjagden in der Sequenz ein wenig kürzen, möchte man Die Truhe des Todes auf Biegen und Brechen unter die 150-Minuten-Marke bringen. Aber das würde die Kritiker dieser Sequenz garantiert nicht besänftigen. Ich selbst finde die absurde Abenteueraction in der Pelegosto-Sequenz dagegen auch völlig ohne ihre dramaturgische Relevanz sehr witzig und möchte sie nicht missen. Nicht zu letzt auch, weil sie der Begegnung mit den Eingeborenen in Disneys 20.000 Meilen unter dem Meer Tribut zollt, einem Film, aus dem Die Truhe des Todes sehr viel Insipiration zog. Gleichzeitig ist sie auch eine überlange Referenz an Jacks Behauptung aus Fluch der Karibik, dass er zum Häuptling gemacht wurde. Obendrein finde ich es amüsant, Captain Jack Sparrow in Mitten eines Abenteuers zu sehen, aus dem dieser findige Pirat mit genug Zeit eine herrlich abstruse Legende über sich selbst spinnen würde. Sofern er aus eben genanntem Grund in diesem Fall nicht bereits die Legendenversion parat hat.
Man kann die Kannibalensequenz witzig finden oder nicht, sie als tonalen Ausrutscher in einer insgesamt eher düsteren Fortsetzung betrachten oder die atmosphärischen Fluktationen in Die Truhe des Todes feiern - aber wenn man eins nicht kann, dann ist es an ihr die Schere ansetzen. Sie mag albernen Humor aufweisen, doch sie ist dramaturgisch erstaunlich bedeutsam für den Film. Und genau wegen solcher paradoxen Entscheidungen liebe ich die Pirates of the Caribbean-Fortsetzungen. Denn sobald man seine konventionellen Erwartungen über Bord wirft, ist man bereit für eine ungewöhnliche Kreuzfahrt durch ein außerordentliches Filmuniversum. Inhaltlich wie erzählerisch.
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Rapunzel: Jede Menge Interviews
Rapunzel ist nun endlich in den USA angelaufen - und das sogar ziemlich erfolgreich. Übermorgen sollten die endgültigen Zahlen feststehen, und dann wissen wir, wie viele Sektkorken anlässlich der Rapunzel-Zahlen knallen gelassen werden.
Bis dahin hole ich die letzten Tage auf und präsentiere euch ein paar der interessantesten Interviews zum Film, die im Internet so aufgetaucht sind:
Mandy Moore und Zach Levi (der sich in meiner Gunst enorm nach oben quasselt, ihr werdet sicher merken, warum):
- Achtung, Spoiler(chen) in den letzten 15 Sekunden! -
Glen Keane:
Mit Den of Geek sprach Keane darüber, ob er als Zeichner eine andere Weltsicht als Nicht-Zeichner hat, dass er eigentlich kein Disney-Kerl sei, wie er sich um Asymmetrie in Rapunzel bemühte um die Kühle der Computeranimation zu dekonstruieren, wie Ollie Johnston auf eine frühe Testanimation reagierte und wie in Pocahontas veränderte. Mit Collider sprach Keane über die Ironie, dass Rapunzel vor Tron Legacy in die Kinos kommt, die organischen Qualitäten der Animation in Rapunzel und die Zusammenarbeit mit seiner Tochter Claire.
Donna Murphy:
Cinema Blend ging mit der Originalstimme von Mother Gothel auf den grpßen Stammbaum der Disney-Schurken ein. Sie sprachen auch darüber, wie sich Gothels Vorgehensweise von vielen anderen Disney-Schurken unterscheidet und dass sie das schlimmste vom Schlimmen der Mütter der Disney-Crew vereint. Mit Collider sprach sie darüber, wie ihre Tochter auf die Rolle der Gothel reagierte, die Ähnlichkeiten zwischen ihr und ihrer Figur sowie über den Reiz, eine böse Figur zu spielen.
Weiterführende Artikel:
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Glen Keane:
Mit Den of Geek sprach Keane darüber, ob er als Zeichner eine andere Weltsicht als Nicht-Zeichner hat, dass er eigentlich kein Disney-Kerl sei, wie er sich um Asymmetrie in Rapunzel bemühte um die Kühle der Computeranimation zu dekonstruieren, wie Ollie Johnston auf eine frühe Testanimation reagierte und wie in Pocahontas veränderte. Mit Collider sprach Keane über die Ironie, dass Rapunzel vor Tron Legacy in die Kinos kommt, die organischen Qualitäten der Animation in Rapunzel und die Zusammenarbeit mit seiner Tochter Claire.
Donna Murphy:
Cinema Blend ging mit der Originalstimme von Mother Gothel auf den grpßen Stammbaum der Disney-Schurken ein. Sie sprachen auch darüber, wie sich Gothels Vorgehensweise von vielen anderen Disney-Schurken unterscheidet und dass sie das schlimmste vom Schlimmen der Mütter der Disney-Crew vereint. Mit Collider sprach sie darüber, wie ihre Tochter auf die Rolle der Gothel reagierte, die Ähnlichkeiten zwischen ihr und ihrer Figur sowie über den Reiz, eine böse Figur zu spielen.
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Freitag, 26. November 2010
Bon Appétit
Mir kommt es so vor, als käme jedes Jahr mindestens eine Romanze ins Kino, die in der Welt der Gourmetküche spielt. Die spanisch-deutsch-schweizerische Koproduktion Bon Appétit ist nun das jüngste Produkt aus der Ehe zwischen Kochen und Knutschen. Und sie scheitert übel. Liebe mag zwar durch den Magen gehen, aber das bedeutet nicht, dass sich Gefühle ganz von allein entfalten.
Bon Appétit versteht sich als kunstvolle Romanze, die auf storytechnische Gemeinplätze des Genres und RomCom-Stereotypen verzichtet. Das ist löblich. Allerdings vergaß der Regisseur, in dieser Komposition Ersatz für die gestrichenen Zutaten zu verwenden. Die Figuren sind vollkommen blass, einzig Nora Tschirner kann in der weiblichen Hauptrolle hie und da einen sarkastischen Schmunzler aus dem Zuschauer locken. Die Handlung läuft dagegen inhaltlich haarsträubend, emotional trocken vor sich her. Es gibt keinen Handlungsfluss, Szenen sind brüchig aneinander gereiht - und so kommt einfach keine romantische Stimmung auf. Und die ist, gelinde gesagt, das wichtigste an solchen Filmen.
Disney-Fans, versammelt euch und leset gebangt über die US-Zahlen von "Rapunzel"...
Macht Platz für Prinz... Maximus?
Rapunzel war die letzten Jahre eine wahre Geduldsprobe für den eingefleischten Disney-Fan. Erst musste man bangen, dass der Film wieder aus der Shrek-Ecke rausgeholt wird (wurde er), dann schien es, als würde er wieder eingestellt, weil Glen Keane als Regisseur keinen guten zweiten und dritten Akt hinbekam (er bekam einen Co-Regisseur, dann wurden beide ausgetauscht), dann dachte man, dass Keane vielleicht Disney verlassen wird (nee, er blieb als Animationsregisseur und Produzent an Rapunzel tätig) und dann jagten Marketing und Kino-Starttermin vielen Leuten einen Schrecken ein.
Obwohl Disney große Hoffnungen in Rapunzel steckte und aufgrund der turbulenten Produktionsgeschichte ein Budget von 260 Millionen Dollar abzustottern hat (offiziell kostete nur Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt mehr), waren die Erwartungen Disneys und zahlreicher Hollywood-Spekulanten recht bescheiden: Am verlängerten Thanksgiving-Wochenende rechnete man mit einem US-Einspielergebnis von 35 bis 40 Millionen Dollar. Das wäre deutlich über dem Ergebnis des von Twilight überschatteten Bolt (26 Mio.), in der gleichen Riege wie Verwünscht (34 Mio.) und der von Disney stolz als Erfolg gefeierte Lilo & Stitch (35 Mio.), aber noch immer unter dem für Pixar-Verhältnisse als (in den USA) schwach gestarteten Ratatouille (47 Mio.).
Jetzt sind die ersten US-Zahlen raus, und Deadline hat eine gute und eine schlechte Nachricht für Disney-Liebhaber: Disney scheiterte ein weiteres Mal daran, sich die Nummer Eins der Kinocharts zu ergattern. An Harry Potter 7.1 reichte Rapunzel nicht heran. Aber: Rapunzel hüpfte frohlockend selbst an den optimistischsten Prognosen vorbei und nahm Mittwoch geschätzte 11,6 Millionen Dollar ein. Für das 5-Tage-Wochenende wird von einem circa 69 Millionen umfassenden Kinostart ausgegangen. Natürlich hat Rapunzel sowohl die Inflation, als auch den 3D-Zuschlag auf seiner Seite, aber trotzdem wäre damit sogar Dinosaurier geschlagen. Der von vielen längst vergessene Film aus dem Jahr 2000 nahm inflationsbereinigt 57,7 Mio. Dollar am Startwochenende ein und steht somit weit vorne in der Disney-Hitliste.
Somit dürfte Disneys Anti-Prinzessinnen-Haltung wieder vergessen sein. Mit fast 25 Millionen Dollar brach Küss den Frosch den Dezember-Trickrekord, wurde vorzeitig als mäßiger Erfolg gefeiert und später von Disney doch als kommerzielle Enttäuschung abgetan. Hohe Erwartungen und Avatar sei Dank.
Vielleicht markiert dieses Rapunzel-Startwochenende aber den Beginn einer ausgedehnten Fehlmarketing-Ära. Ärgerlich? Irgendwie schon, aber so lange das bedeutet, dass wir Disneyfans mehr Stoff wie Rapunzel bekommen und einfach bei den Trailern weggucken und -hören sollten, dann kann ich damit sehr gut leben.
Zur Feier gibt's Disneys Countdown von Schneewittchen bis Rapunzel:
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Montag, 22. November 2010
Rapunzel: Videointerview mit den Regisseuren Nathan Greno und Byron Howard
Bill Graham von Collider und das Duo Greno & Howard sind schon richtig dicke Freunde geworden. Zum nunmehr dritten Mal fragt er die beiden über Disneys 50. Meisterwerk Rapunzel aus.
Dieses Mal sprechen sie über disney'sche Abschlusspartys, mögliche Kooperationen mit Marvel und Easter Eggs im Film. Den von ihnen angesprochenen Cameo habe ich sogar entdeckt. Tipp für den Kinostart: Oberere Bildhälfte in der Kneipensequenz. ;-)
Weiterführende Artikel:
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Freitag, 19. November 2010
Machete
1997 nahm sich Kultregisseur Quentin Tarantino der Blaxploitation an. Drei Jahre nach seinem Welterfolg Pulp Fiction reichte er mit Jackie Brown einen um zwei Jahrzehnte verspäteten, kunstvolleren Beitrag zur Welle des "schwarzen Kinos", der Antwort auf das weißere und saubere Hollywoodkino nach.
Wenn sich Tarantinos texanischer Kumpel Robert Rodriguez dem ethnisch eingefärbten Exploitationkino widmet, sieht das Produkt vollkommen anders aus. Statt eines Rachefilms für Afro-Amerikaner dreht er (wen überrascht's?) einen an der US-mexikanischen Grenze spielenden Actioner. Und wo Quentin Tarantino den Schundfilm durch smarte Dialoge, markanter Ästhetik und verwobene Erzähldramaturgie ins Kunstkino hievt, nimmt sich Rodriguez das neu geschaffene Genre des Mexploitation-Movies und dreht sämtliche Mäkel, Geschmacklosigkeiten und politische Inkorrektheiten um zehn Stufen höher. Rodriguez kleckert nicht, er klotzt. Schließlich ist sein Machete die Verwirklichung eines Fake-Trailers aus Grindhouse - da geht es nicht um Niveau und Anspruch, sondern um die unheilige Dreifaltigkeit des Parodierens, Glorifizierens und Imitierens von bluttriefenden C-Filmen.
Dadurch zeigt Machete, wie unterschiedlich Rodriguez und Tarantino ticken. Das ist aber vollkommen nebensächlich. Stattdessen heißt es Hirn aus, zurückgelehnt, Nachos gemampft und derbe über sinnbefreite Gewalt gelacht. Die sich ihrer Herkunft als Schundfilm gewiss ist und deswegen mit selbstironischer Übertreibung glänzt. Denn Rodriguez ist nicht irgendein Gewaltregisseur, er ist ein Künstler des Kunstlosen. Auch wenn Machete das nicht ganz so sehr rauskehrt wie sein indirekter Vorgänger Planet Terror.
Die Handlung von Machete ist, genregemäß, schnell erzählt. Machete (Danny Trejo) ist ein Ex-Bundesagent und illegaler Einwanderer, der von einem sinistren Kerl mit zurückgegeltem Haar (Jeff Fahey) angeheuert wird, den für eine radikale Anti-Einwanderungspolitik stehenden texanischen Senator (Robert DeNiro) umzulegen. Dies stellt sich als Spiel mit doppeltem Boden heraus: Machete wird hintergangen und bekommt ein Beinaheattentat am Senator angekreidet. Also nimmt er sich vor, die bis zum Drogenboss Torrez (Steven Seagal) und dem Ultrakonservativen Von Jackson (Don Johnson) reichende Verschwörung aufzudecken und an seinen hinterlistigen Auftraggebern Rache zu nehmen. Während dieses vom örtlichen Pfarrer (Cheech Marin) unterstützten Feldzugs gerät er an eine Agentin der Einwanderungsbehörde (Jessica Alba), die burschikose Taco-Verkäuferin Luz (Michelle Rodriguez) und Drogenkind April (Lindsay Lohan). Lasst die Fetzen fliegen und die trockenen Sprüche kommen!
Einen Preis für die Story wird Machete wohl kaum gewinnen - aber das hat Rodriguez auch nicht vor. Sein Mexploitation-Streifen hakt viel lieber voller Genuss sämtliche Gemeinplätze des Rachegenres ab, lässt einen dabei jedoch stets spüren, dass es nicht ernst gemeint ist. Mal lauert die Selbstironie versteckt im Detail und lässt sich schwer genau benennen, andere Male holt Rodriguez hämisch den Hammer raus und lässt dumme Nebencharaktere ihre genrebedingte Blindheit gegenüber C-Actionfilmklischees launisch kommentieren. Meistens aber bedient er sich dem klassischsten aller parodistischen Stilmittel: Der (in diesem Fall gut getimten) Übertreibung. Machete ist der trockenste aller kernigen Rachehelden und da er der Held ist, sind die Waffen seiner Wahl (vorzugsweise die Machete) selbstverständlich die mächtigsten im gesamten Filminventar. Wie ein Onlinespiel auf der Film-Website auf herrliche Weise vorführt: Während andere scherzen "Blöd, wer mit einem Messer zur Schießerei kommt", gilt bei Machete die Maxime "Ohne Hand lässt sich der Abzug schlecht drücken, nicht wahr?"
Wenn Machete seine Vorbilder gerade Mal nicht parodiert oder auf extremere Weise imitiert, dann bedient sich die Ein-Mann-Filmcrew Robert Rodriguez tatsächlich einiger Seiten des Tarantino-Lehrbuchs und hebt den Exploitationfilm auf ein kunstvolleres Level. In Machete beschränkt sich Rodriguez' Elevation des Schundkinos auf eine markantere, durchdachtere audiovisuelle Ästhetik, während etwa sein From Dusk Till Dawn oder Tarantinos Regiearbeiten dem Schundkino mehr Flair und Kunstniveau verleihen. Aber es genügt längst, um mir Machete viel schmackhafter als den archetypischen Van-Damme- oder Bronson-Film zu machen.
Die für mich herausstechendste Szene ist Rodriguez' sinnästhetisch skizzierte Schießerei in der Kirche, die mit Ave Maria unterlegt nicht bloß zum Bersten ironisch ist, sondern im Gegensatz zu den oft eher komischen, manchmal auch leicht ekligen Metzeleien im Gros der Machete-Actionszenen die Poetik in der Zerstörung findet. Sie stellt sich als Moment der Legendenbildung dar - und trifft somit (obwohl die Titelfigur gerade nicht zu gegen ist) das heimliche Kernthema des Films.
Im Mittelpunkt steht klar Machete, der Mann, der mehr Legende als ein Mann ist. Ihm gelingt während seines Rachefeldzuges alles, und das auf denkwürdige Weise. Entweder besonders blutig oder überraschend locker. Doch wie es sich für eine Legende gehört: Eine große Niederlage musste er mitnehmen. Diese wird im Intro des Films gezeigt - die ultrakondensierte Form eines weiteren Rachefilms, dem lediglich das Finale fehlt in dem Machete zur Legende aufsteigt. Nach dem Vorspann erleben wir gewissermaßen die Fortsezung dieses ersten Films. Der Vorspann schreckt übrigens (in bester Grindhouse-Manier) nicht vor Spoilern zurück. Betrachtet man Machete klassisch. Doch er besitzt ja diese zweite Ebene, auf der die Spoiler dazugehören. Da sie zum Exploitationflair dazugehören. Und sie uns in die Legendenhaftigkeit der Figuren einführt. Figuren, die erst später im Film von der flachen Actionfilm-Person zur stilisierten Exploitation-Übermenschfigur aufsteigen (oder diese versteckte Seite wieder ans Tageslicht bringen), sind uns so duchweg als solche Figuren bewusst. Dass einige von ihnen aber erst spät im Film dieses Gesicht zeigen, kann beim für solche Spielereien mit der Erwartungshaltung unempfindliche oder schlicht unvorbereitete Zuschauer frustrierend wirken. Der (nun nicht mehr ganz so) Fake-Trailer lässt ein gewaltiges Nonstopfeuerwerk erwarten. Stattdessen ist Machete, wenn auch frei von Durchhängern, nicht in vollstem Planet Terror-Berserker-Modus. Die im Vorspann als Mega-Badass-Motherfucker-Revoluzzer-Braut vorgestellte Michelle Rodriguez hält erstmal bloß rotzige Reden, schwingt Eier durch die Gegend und verkauft Tacos. Und Rodriguez (die mir in Machete erst zum zweiten Mal sympatisch ist) ist von den zahlreichen Nebendarstellern rund um Machete in ihrem Auftritt noch die Grindhouse-igste. Dicht gefolgt wird sie von Cheech Marin und Tom Savini, die ihre üblichen Rodriguez-Paraderollen mit jede Menge Witz (und zu wenig Screentime) rüberbringen. Daraufhin sind Jeff Fahey als Überoberduperschmierlappen und DeNiro alsGeorge W. Bush texanischer Ultrakonservativer Opportunist mit brüllend komischen Werbespots. Lindsay Lohan gibt eine tolle Selbstparodie, ihrer Rolle fehlt allerdings der letzte Knall, ähnlich wie Jessica Alba zwar hübsch aus der Wäsche guckt und zwar durchaus in den Mix passen will, aber letztlich zu zahm für einen Film wie Machete bleibt. Von Steven Seagal bin ich ehrlich eher enttäuscht, er hinterlässt keinen großen Eindruck und die ironische Prise seiner Rolle stammt allein aus dem Drehbuch. Er selbst steuert als Darsteller nichts weiteres zur Wirkung bei.
Ein letztes besonders Element von Machete ist, wie flapsig, effekthascherisch und aufgetragen er die Immigrationsthematik behandelt, die in den vergangenen Monaten in den USA wieder heiß diskutiert wird. Bemerkenswert ist dies einerseits, weil es wieder als Rückgriff auf B-Movies mit angeblich tiefgehender Botschaft zwischen ihrem Schund zu deuten ist, und andererseits, weil Machete abgedreht war, bevor sein Thema wieder auf der tagesaktuellen Agenda stand. Durch Rodriguez' Timing und Augenzwinkerei bringen die "politischen" Elemente weitere Lacher mit sich und könnten fast als Politsatire durchgehen, wären sie nicht viel deutlicher eine Parodie auf "Politploixtation".
Auf seine Einzelteile reduziert ist Machete wahrlich gelungenes, selbstbewusstes und -ironisches Schund-Männerkino, dem einzig eine größere Note Sexiness abhanden ging. Ich will keinesfalls chauvinistisch klingen, aber für einen Film, der sich als kerniges Männer-Mexploitation-Kino mit dem postmodernen Metatwist verkauft und in Sachen Gewalt, Oneliner und Heroik klotzt statt kleckert, gibt es doch recht wenig nacktes weibliches Fleisch zu sehen.
Nimmt man alles zusammen, begeistert Machete etwas weniger. Er ist ungeheuer unterhaltsam, sofern man bei Gewalt nicht zu zimperlich reagiert und den richtigen Humor hat (was sich leicht testen lässt: Wer beim Fake-Trailer nicht lacht, lacht auch hier nicht), und gut inszeniert. Für sein Genre sogar herausragend. Aber mir fehlte noch ein Schuss mehr Selbstironie oder Genredekonstruktion. Machete muss nicht gleich dermaßen um sich schlagen wie Planet Terror, aber zwischendurch hält er doch zu sehr an (minimal aufgedrehten) Konventionen fest, statt sie (liebevoll) zum Bersten zu bringen. Andere Zuschauer hingegen würden ihn wohl etwas dreckiger sehen wollen, andere könnten auf die (Spannung ins Spiel bringende) Story verzichten um das Tempo weiter aufzudrehen und die Actionkonzentration zu erhöhen.
Für Fans von Robert oder Michelle Rodriguez, Exploitation, Danny Trejo, Grindhouse, Macheten oder machomäßigen Männerrachefilmen ist Machete ein klarer Kinotipp. Große Gruppe, Nachos mit Käse und/oder Salsa, dazu ein Tequillabier(-Sixpack) und abgelacht. Wer Grindhouse allein aufgrund seiner Metaebene mochte, der sollte sich Machete nur an einem richtig guten Tag in der richtigen Stimmung mit den richtigen Leuten ansehen. Und Moralapostel... äh, wieso denkt ihr überhaupt über einen Kinogang nach?
Empfehlenswerte Filmkritiken:
Wenn sich Tarantinos texanischer Kumpel Robert Rodriguez dem ethnisch eingefärbten Exploitationkino widmet, sieht das Produkt vollkommen anders aus. Statt eines Rachefilms für Afro-Amerikaner dreht er (wen überrascht's?) einen an der US-mexikanischen Grenze spielenden Actioner. Und wo Quentin Tarantino den Schundfilm durch smarte Dialoge, markanter Ästhetik und verwobene Erzähldramaturgie ins Kunstkino hievt, nimmt sich Rodriguez das neu geschaffene Genre des Mexploitation-Movies und dreht sämtliche Mäkel, Geschmacklosigkeiten und politische Inkorrektheiten um zehn Stufen höher. Rodriguez kleckert nicht, er klotzt. Schließlich ist sein Machete die Verwirklichung eines Fake-Trailers aus Grindhouse - da geht es nicht um Niveau und Anspruch, sondern um die unheilige Dreifaltigkeit des Parodierens, Glorifizierens und Imitierens von bluttriefenden C-Filmen.
Dadurch zeigt Machete, wie unterschiedlich Rodriguez und Tarantino ticken. Das ist aber vollkommen nebensächlich. Stattdessen heißt es Hirn aus, zurückgelehnt, Nachos gemampft und derbe über sinnbefreite Gewalt gelacht. Die sich ihrer Herkunft als Schundfilm gewiss ist und deswegen mit selbstironischer Übertreibung glänzt. Denn Rodriguez ist nicht irgendein Gewaltregisseur, er ist ein Künstler des Kunstlosen. Auch wenn Machete das nicht ganz so sehr rauskehrt wie sein indirekter Vorgänger Planet Terror.
Die Handlung von Machete ist, genregemäß, schnell erzählt. Machete (Danny Trejo) ist ein Ex-Bundesagent und illegaler Einwanderer, der von einem sinistren Kerl mit zurückgegeltem Haar (Jeff Fahey) angeheuert wird, den für eine radikale Anti-Einwanderungspolitik stehenden texanischen Senator (Robert DeNiro) umzulegen. Dies stellt sich als Spiel mit doppeltem Boden heraus: Machete wird hintergangen und bekommt ein Beinaheattentat am Senator angekreidet. Also nimmt er sich vor, die bis zum Drogenboss Torrez (Steven Seagal) und dem Ultrakonservativen Von Jackson (Don Johnson) reichende Verschwörung aufzudecken und an seinen hinterlistigen Auftraggebern Rache zu nehmen. Während dieses vom örtlichen Pfarrer (Cheech Marin) unterstützten Feldzugs gerät er an eine Agentin der Einwanderungsbehörde (Jessica Alba), die burschikose Taco-Verkäuferin Luz (Michelle Rodriguez) und Drogenkind April (Lindsay Lohan). Lasst die Fetzen fliegen und die trockenen Sprüche kommen!
Einen Preis für die Story wird Machete wohl kaum gewinnen - aber das hat Rodriguez auch nicht vor. Sein Mexploitation-Streifen hakt viel lieber voller Genuss sämtliche Gemeinplätze des Rachegenres ab, lässt einen dabei jedoch stets spüren, dass es nicht ernst gemeint ist. Mal lauert die Selbstironie versteckt im Detail und lässt sich schwer genau benennen, andere Male holt Rodriguez hämisch den Hammer raus und lässt dumme Nebencharaktere ihre genrebedingte Blindheit gegenüber C-Actionfilmklischees launisch kommentieren. Meistens aber bedient er sich dem klassischsten aller parodistischen Stilmittel: Der (in diesem Fall gut getimten) Übertreibung. Machete ist der trockenste aller kernigen Rachehelden und da er der Held ist, sind die Waffen seiner Wahl (vorzugsweise die Machete) selbstverständlich die mächtigsten im gesamten Filminventar. Wie ein Onlinespiel auf der Film-Website auf herrliche Weise vorführt: Während andere scherzen "Blöd, wer mit einem Messer zur Schießerei kommt", gilt bei Machete die Maxime "Ohne Hand lässt sich der Abzug schlecht drücken, nicht wahr?"
Wenn Machete seine Vorbilder gerade Mal nicht parodiert oder auf extremere Weise imitiert, dann bedient sich die Ein-Mann-Filmcrew Robert Rodriguez tatsächlich einiger Seiten des Tarantino-Lehrbuchs und hebt den Exploitationfilm auf ein kunstvolleres Level. In Machete beschränkt sich Rodriguez' Elevation des Schundkinos auf eine markantere, durchdachtere audiovisuelle Ästhetik, während etwa sein From Dusk Till Dawn oder Tarantinos Regiearbeiten dem Schundkino mehr Flair und Kunstniveau verleihen. Aber es genügt längst, um mir Machete viel schmackhafter als den archetypischen Van-Damme- oder Bronson-Film zu machen.
Die für mich herausstechendste Szene ist Rodriguez' sinnästhetisch skizzierte Schießerei in der Kirche, die mit Ave Maria unterlegt nicht bloß zum Bersten ironisch ist, sondern im Gegensatz zu den oft eher komischen, manchmal auch leicht ekligen Metzeleien im Gros der Machete-Actionszenen die Poetik in der Zerstörung findet. Sie stellt sich als Moment der Legendenbildung dar - und trifft somit (obwohl die Titelfigur gerade nicht zu gegen ist) das heimliche Kernthema des Films.
Im Mittelpunkt steht klar Machete, der Mann, der mehr Legende als ein Mann ist. Ihm gelingt während seines Rachefeldzuges alles, und das auf denkwürdige Weise. Entweder besonders blutig oder überraschend locker. Doch wie es sich für eine Legende gehört: Eine große Niederlage musste er mitnehmen. Diese wird im Intro des Films gezeigt - die ultrakondensierte Form eines weiteren Rachefilms, dem lediglich das Finale fehlt in dem Machete zur Legende aufsteigt. Nach dem Vorspann erleben wir gewissermaßen die Fortsezung dieses ersten Films. Der Vorspann schreckt übrigens (in bester Grindhouse-Manier) nicht vor Spoilern zurück. Betrachtet man Machete klassisch. Doch er besitzt ja diese zweite Ebene, auf der die Spoiler dazugehören. Da sie zum Exploitationflair dazugehören. Und sie uns in die Legendenhaftigkeit der Figuren einführt. Figuren, die erst später im Film von der flachen Actionfilm-Person zur stilisierten Exploitation-Übermenschfigur aufsteigen (oder diese versteckte Seite wieder ans Tageslicht bringen), sind uns so duchweg als solche Figuren bewusst. Dass einige von ihnen aber erst spät im Film dieses Gesicht zeigen, kann beim für solche Spielereien mit der Erwartungshaltung unempfindliche oder schlicht unvorbereitete Zuschauer frustrierend wirken. Der (nun nicht mehr ganz so) Fake-Trailer lässt ein gewaltiges Nonstopfeuerwerk erwarten. Stattdessen ist Machete, wenn auch frei von Durchhängern, nicht in vollstem Planet Terror-Berserker-Modus. Die im Vorspann als Mega-Badass-Motherfucker-Revoluzzer-Braut vorgestellte Michelle Rodriguez hält erstmal bloß rotzige Reden, schwingt Eier durch die Gegend und verkauft Tacos. Und Rodriguez (die mir in Machete erst zum zweiten Mal sympatisch ist) ist von den zahlreichen Nebendarstellern rund um Machete in ihrem Auftritt noch die Grindhouse-igste. Dicht gefolgt wird sie von Cheech Marin und Tom Savini, die ihre üblichen Rodriguez-Paraderollen mit jede Menge Witz (und zu wenig Screentime) rüberbringen. Daraufhin sind Jeff Fahey als Überoberduperschmierlappen und DeNiro als
Ein letztes besonders Element von Machete ist, wie flapsig, effekthascherisch und aufgetragen er die Immigrationsthematik behandelt, die in den vergangenen Monaten in den USA wieder heiß diskutiert wird. Bemerkenswert ist dies einerseits, weil es wieder als Rückgriff auf B-Movies mit angeblich tiefgehender Botschaft zwischen ihrem Schund zu deuten ist, und andererseits, weil Machete abgedreht war, bevor sein Thema wieder auf der tagesaktuellen Agenda stand. Durch Rodriguez' Timing und Augenzwinkerei bringen die "politischen" Elemente weitere Lacher mit sich und könnten fast als Politsatire durchgehen, wären sie nicht viel deutlicher eine Parodie auf "Politploixtation".
Auf seine Einzelteile reduziert ist Machete wahrlich gelungenes, selbstbewusstes und -ironisches Schund-Männerkino, dem einzig eine größere Note Sexiness abhanden ging. Ich will keinesfalls chauvinistisch klingen, aber für einen Film, der sich als kerniges Männer-Mexploitation-Kino mit dem postmodernen Metatwist verkauft und in Sachen Gewalt, Oneliner und Heroik klotzt statt kleckert, gibt es doch recht wenig nacktes weibliches Fleisch zu sehen.
Nimmt man alles zusammen, begeistert Machete etwas weniger. Er ist ungeheuer unterhaltsam, sofern man bei Gewalt nicht zu zimperlich reagiert und den richtigen Humor hat (was sich leicht testen lässt: Wer beim Fake-Trailer nicht lacht, lacht auch hier nicht), und gut inszeniert. Für sein Genre sogar herausragend. Aber mir fehlte noch ein Schuss mehr Selbstironie oder Genredekonstruktion. Machete muss nicht gleich dermaßen um sich schlagen wie Planet Terror, aber zwischendurch hält er doch zu sehr an (minimal aufgedrehten) Konventionen fest, statt sie (liebevoll) zum Bersten zu bringen. Andere Zuschauer hingegen würden ihn wohl etwas dreckiger sehen wollen, andere könnten auf die (Spannung ins Spiel bringende) Story verzichten um das Tempo weiter aufzudrehen und die Actionkonzentration zu erhöhen.
Für Fans von Robert oder Michelle Rodriguez, Exploitation, Danny Trejo, Grindhouse, Macheten oder machomäßigen Männerrachefilmen ist Machete ein klarer Kinotipp. Große Gruppe, Nachos mit Käse und/oder Salsa, dazu ein Tequillabier(-Sixpack) und abgelacht. Wer Grindhouse allein aufgrund seiner Metaebene mochte, der sollte sich Machete nur an einem richtig guten Tag in der richtigen Stimmung mit den richtigen Leuten ansehen. Und Moralapostel... äh, wieso denkt ihr überhaupt über einen Kinogang nach?
Empfehlenswerte Filmkritiken:
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Donnerstag, 18. November 2010
Gore Verbinski und Terry Rossio planen übernatürliche Kriminalserie
Von Mäusejagd bis Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt war er eigentlich nichts weiteres als ein guter Filmregisseur, der einen Hang zum Genremix und -bruch hatte und verlässlich seine Arbeit machte. Doch nachdem Verbinski die 300-Millionen-Dollar-Produktion fertigstellte, ist etwas mit ihm geschehen. Was genau, das kann bestenfalls er selbst erklären. Bekannt sind uns nur die Auswirkungen: Er mutierte zu einem Regisseur der Ankündigungsschule von Robert Rodriguez. In hoher Frequenz spricht Verbinski von neuen Projekten, die er anpacken möchte. Hier nur eine kleine Auswahl:
Er ist als Regisseur des von Jerry Bruckheimer produzierten Westerns The Lone Ranger mit Johnny Depp im Gespräch, soll an David Finchers und James Camerons Heavy Metal mit Tenacious D mitwirken, er produziert die Verfilmung des Videospiels BioShock (auf die Regie hatte er mal Lust, jetzt aber dank Zoff mit Universal nicht mehr), er soll das Brettspiel Cluedo auf Zelluloid bannen, er kündigte ein Rachedrama über Telefonbittsteller an, und, und, und... Das einzige seit Am Ende der Welt gestartete Projekt, das sich einem Kinostart nähert ist der Animationsfilm Rango.
Aufgrund Verbinskis Vergangenheit mit unverwirklichten Projekten ist die neuste Meldung über ihn mit Vorsicht genießen: Laut Deadline haben sich Verbinski und Terry Rossio (eine Hälfte des Autorenduos der Pirates of the Caribbean-Saga) zusammengetan um für Fox eine übernatürliche Kriminalserie zu entwickeln. Sie soll in einer Welt spielen, in der übernatürliche Ereignisse zur Tagesordnung gehören und sich um die Arbeit der Polizei und Justiz drehen. Bislang lautet der Titel Magical Law. Rossio und Verbinski werden zusammen mit Jeff Rake und Jonathan Krauss produzieren, Rossio erledigte zudem bereits Skriptarbeit während Verbinski bei der Pilotfolge Regie führen könnte. Wenn das Projekt denn verwirklicht wird.
Er ist als Regisseur des von Jerry Bruckheimer produzierten Westerns The Lone Ranger mit Johnny Depp im Gespräch, soll an David Finchers und James Camerons Heavy Metal mit Tenacious D mitwirken, er produziert die Verfilmung des Videospiels BioShock (auf die Regie hatte er mal Lust, jetzt aber dank Zoff mit Universal nicht mehr), er soll das Brettspiel Cluedo auf Zelluloid bannen, er kündigte ein Rachedrama über Telefonbittsteller an, und, und, und... Das einzige seit Am Ende der Welt gestartete Projekt, das sich einem Kinostart nähert ist der Animationsfilm Rango.
Aufgrund Verbinskis Vergangenheit mit unverwirklichten Projekten ist die neuste Meldung über ihn mit Vorsicht genießen: Laut Deadline haben sich Verbinski und Terry Rossio (eine Hälfte des Autorenduos der Pirates of the Caribbean-Saga) zusammengetan um für Fox eine übernatürliche Kriminalserie zu entwickeln. Sie soll in einer Welt spielen, in der übernatürliche Ereignisse zur Tagesordnung gehören und sich um die Arbeit der Polizei und Justiz drehen. Bislang lautet der Titel Magical Law. Rossio und Verbinski werden zusammen mit Jeff Rake und Jonathan Krauss produzieren, Rossio erledigte zudem bereits Skriptarbeit während Verbinski bei der Pilotfolge Regie führen könnte. Wenn das Projekt denn verwirklicht wird.
Dienstag, 16. November 2010
Meine ersten Gedanken zu Rapunzel - Der Versuch einer frühen Filmkritik
Das Märchen der langhaarigen blonden Prinzessin, die in einem Turm eingesperrt aufwächst, ist nach offizieller Zählung die 50. abendfüllende Produktion der Walt Disney Animation Studios. Es ist ein Traumprojekt der lebenden Zeichenlegende Glen Keane, dem Animator solch grandioser Disneyfiguren wie Arielle, dem Biest oder Tarzan. Der Arbeitsprozess an diesem Animationsfilm war außerordentlich langwierig und umspannte beinahe das gesamte vorherige Jahrzehnt. Glen Keanes geplantes Regiedebut wurde mehrmals umgeworfen, immer wieder wurde die Form geändert, vom Märchen zur Märchenparodie, zurück zum Märchen mit variierender Ernsthaftigkeit und Dramatik. Während dieser Film in der Vorproduktion steckte ging der westliche Kino-Zeichentrickfilm katatsrophal unter, Pixar schwang sich vom erfolgreichen Studio zum Animationsprimus auf, Disney wechselte die Geschäftsführung, fusionierte mit Pixar, kehrte zu den zuvor verlassenen Wurzeln zurück. Insider feierten den ersten Akt als den besten in Disneys Geschichte, John Lasseter kritisierte die folgenden Akte als zu schwach. Glen Keane bekam mit Dean Wellinseinen Co-Regisseur zur Seite gestellt, beide wurden von Byron Howard und Nathan Greno abgelöst. Dennoch blieb Glen Keane intensiv in die Produktion involviert, trieb die Animatoren zu neuen Höchstleistungen an. Zahlreiche neue Softwares und Technologien mussten entwickelt werden, um Glen Keanes Vision gerecht zu werden: Dieser Film sollte das beste zweier Welten vereinen, die stilisierte, Wärme ausstrahlende Dynamik und den Charme eines Disney-Zeichentrickfilms, und die Komplexizität, den Detailreichtum und die Fülle eines Computeranimationsfilms. Entsprechend hoch die ursprünglichen Erwartungen an das Ergebnis - die sich durch ein, sagen wir, polarisierendes Marketing wieder eingedämmt sahen. Der Originaltitel musste geändert werden, weil Disney mit dem Einspielergebnis des vor einem Jahr veröffentlichten Küss den Frosch nicht gänzlich zufrieden war - und deshalb gänzlich andere Assoziationen mit dem 50. Film des Meisterwerk-Kanons erwecken wollte. Und so wird es manche Kinobesucher wohl überraschen, wenn sie im Kino neue Melodien des Meisterkomponisten Alan Menken zu Gehör bekommen.
Vollkommen unabhängig von der Qualität des endgültigen Films ist Rapunzel ein denkwürdiger Meilenstein der Disney-Geschichte. Entsprechend flattrig war ich, als ich die Gelegenheit geboten bekam, mir Disneys jüngstes Märchenmusical vorzeitig anzusehen. Manche Kritiker- und Insiderstimmen waren schon zu vernehmen, festgeschrieben ist die Rezeptionsgeschichte Rapunzels aber noch lange nicht. Rapunzel zu sehen, bevor eine öffentliche Meinung oder eine Kritikermeinung feststeht... Ein großes Erlebnis für mich als Disney-Fan. Und damit gehen schon die ersten Probleme einher. Bei dieser ersten Sichtung würde ich mich zu sehr von meinen Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen leiten lassen. Zudem habe ich an Disney- (und mittlerweile auch Pixar-)Animationsfilme andere Maßstäbe als an "normale" Kinoproduktionen. Filme der Walt Disney Animation Studios müssen nicht bloß einmal gut sein, sie müssen beim wiederholten Ansehen (ungefähr) gleich gut bleiben. Oder sogar besser werden. Ein neuer Disneyfilm hat es bei mir die erste Zeit über schwerer, als ein neuer Film irgendeines anderen Studios, Produzenten oder Regisseurs. Ich betrachte ihn mit dem gesamten, schweren und von mir verehrten Disney-Erbe im Hinterkopf, im Vergleich mit anderen Filmen schwingt längst nicht mehr mein erster Eindruck dieser Produktionen mit, sondern das, was sich aus ihnen über die Jahre bildete. Dies trifft insbesondere auf die Musik hin, die sich mit Melodien messen muss, die ich gegebenenfalls seit meiner Kindheit im Herzen trage.
Deshalb ist es eigentlich ein unüberwindbares Wahnsinnsunterfangen, wenn ich mir vornehme, wenige Stunden nach meiner ersten Begegnung mit der bildhübschen Rapunzel und dem spitzbübischen Charmeur Flynn Rider meine Filmkritik zu schreiben. Es kann kein fairer Blick auf Disneys bildgewaltigem Hoffnungsträger dabei herauskommen. Zugleich möchte ich mich nicht zurückhalten, auf eine zweite Sichtung warten, bevor ich von meinem Kinoerlebnis berichte. Also habe ich beschlossen, eine Beinahe-Filmbesprechung zu veröffentlichen. Bevor ich in der besinnlichen Vorweihnachtszeit im Vorfeld des deutschen Kinostarts meine gereifte und mehrfach reflektierte Rapunzel-Betrachtung auf die Welt loslasse, soll hier ungefiltert und unverfälscht das stehen, was mir gerade im Kopf schwirrt. Hier ist nicht mit einer objektiven und ausgefeilten Rezension zu rechnen, sondern mit dem, was ich als passionierter Disneyfan, mit dessen Gefühlen die letzten Monate und Jahre über rüde gespielt wurde, dessen Nerven vor Anspannung ob dieses Films bis zum äußersten strapaziert wurden, ad hoc über Rapunzel empfinde. Frisch aus dem Kino, wo das, was ich mir ausmalte mit dem kollidierte, was Disney tatsächlich aus dem berühmten Märchen gemacht hat.
Schon in den ersten Sekunden von Rapunzel wird klar: Mit diesem Film hat Disney die treffende Wegmarke für sein goldenes Jubiläum gefunden. Nur ein paar Worte sind gesprochen es wird einem bewusst, dass Rapunzel ein frischer Disneyfilm ist und nicht zu befürchten bleibt, dass der Disney-Märchenfilm verstaubt. Wenige Minuten später, und schon ist gleichermaßen klar: Disney bleibt sich weiter treu und setzt auf zurecht bewährtes. Rapunzel lebt inhaltlich in zwei Welten. Es ist ein modernes Märchenmusical mit hohem Tempo, aufregenden Sequenzen, einer schönen Prise Dramatik und beseelten Figuren mit tiefer Charakterzeichnung. Flache Abziehbildchen wie Schneewittchen oder (um ein jüngeres Beispiel zu nennen) Prinz Erec (der zwar aktiver ist als manch früherer Disneyprinz, aber dennoch ein eher langweiliges Stück Pappe bleibt). Zugleich ist Rapunzel eine stärkere Rückbesinnung auf Disneys Traditionen, als es Küss den Frosch war. Der Gesamteindruck ist einfach "unverfälscht Disney", vor allem weil Rapunzel eine reiche Wärme ausstrahlt. Für den 50. Eintrag in den Meisterwerke-Kanon kann man sich wohl kaum etwas passenderes als diese harmonische Ehe aus Alt und Neu vorstellen. Wobei "Alt und Neu" ungerecht flach ist, denn Rapunzel pickt sich aus jeder Ära die Rosinen heraus, ohne wie eine Clipshow-Nummernrevue anzumuten.
So viel zum vagen und schwammigen Vorgeplänkel, nun aber endlich zur alles entscheidenden Frage: "Und? Und? Und? *ungeduldig auf und ab hüpf* *hoffnungserfüllte Augen aufreiß*"
Tja, schon während des Films war mir klar, dass ich diese Frage einzig tendentiell beantworten kann. Denn wie gesagt, Disney-Trickfilme zeigen ihre wahren Qualitäten für mich erst beim zweiten Mal und im Fall von Rapunzel kommen noch so viele andere Faktoren hinzu, die es mir erschweren, nun klar zu sehen. Mit den riesigen Hoffnungen früherer Monate, noch bevor die ersten Bilder aus dem endgültigen Film veröffentlicht und nur Konzeptbilder und Keanes Visionen bekannt waren, kamen unerfüllbare Erwartungen mit in den Vorführsaal. Dadurch hänge ich mich an Kleinigkeiten auf, die höchstwahrscheinlich Lappalien sind und meine Meinung gar nicht trüben dürften. Wie etwa eine Nebenfigur, ach Quatsch, man könnte sie fast als Statist bezeichnen. Und dennoch stört sie mich enorm. Allerdings bin ich mir bewusst, dass meine Reaktion durchaus übertrieben sein könnte. Da müsste eine zweite Sichtung herbei - allein schon um zu evaluieren, ob dieser Eindruck bleibt oder nicht.
Zugleich nahm ich große Befürchtungen mit ins Kino, die Furcht ungeheuerlich enttäuscht zu werden. Die Fallhöhe für Rapunzel war gewaltig, und so malte ich mir natürlich auch einige Schreckensszenarien aus. Und die Trailer waren, von ihrer Fehlorientierung mal abgesehen, so unfassbar grell. Die Farbpalette des endgültigen Films fand ich atemberaubend schön - aber denke ich das nur wegen der stechenden Trailer? Den Schurkensong fand ich äußerst eingängig und amüsant, auch wenn er längst nicht an meine Favoriten Seid bereit oder Das Feuer der Hölle heranreicht. Jedoch hatte ich über die letzten Tage auch völlig die Hoffnung auf einen disneytypischen Bösewichtsong ... nicht aufgegeben, sondern schlichtweg vergessen. Würde ich eigentlich viel harscher auf Mother Knows Best reagieren? Ich kann es erst in einigen Tagen abschätzen.
Von solchen kleinen und etwas größeren Dingen abgesehen, bin ich aber überaus glücklich mit Rapunzel und ich denke, dass ich mit der richtigen Einstellung in Disneys neues Meisterwerk ging. Andere gaben die Hoffnung vollkommen auf, ich blieb Rapunzel treu, ordnete ihn einzig vom unbestrittenen zweitmeist ersehnten Film in einem erbitterten Kampf mit Tron Legacy einen Rang niedriger ein als vor rund 18 Monaten. Die Haltung, Disney sei mir nichts geringeres als eine cineastische Offenbarung schulid, die verlief sich langsam im Sande. Stattdessen wollte ich nur noch ein angebrachtes 50. Disney-Meisterwerk. Und das habe ich erhalten.
Es fängt schon bei den Protagonisten an: Rapunzel und Flynn sind von nun an mein liebstes Disney-Märchenduo. Beiden werden demnächst in den Kinos dieser Welt so einige Herzen zufliegen. Flynn ist ein charismatischer, selbstüberzeugter Dieb der Marke "Aladdin + Erroll Flynn + eine Messerspitze Jack Sparrow", während Rapunzel eine die Welt mit riesigen Augen bestaunende, unschuldige und dennoch wehrhafte smarte Persönlichkeit ist. Die wunderbare Charakteranimation verleiht ihnen durch feine Mimik und Gestik eine glaub- und liebenswürdige Menschlichkeit und ihre Sprecher Mandy Moore und Zach Levi legen Herz und Seele in ihre Stimme. Beten wir, dass die deutsche Synchronfassung da nichts verpfuscht hat.
Oh, und weil es ja für manchen von Bedeutung sein soll - und durch das verpfuschte Marketing sonst unterginge: Ja, Rapunzel ist bildhübsch. Das Publicity-Material wird ihr kein bisschen gerecht, da hat sich die Marketingabteilung die unmöglichsten Bilder ausgesucht. Im Kino ist's so viel leichter, davonzuschmelzen. Bei Flynn macht die PR dagegen ja kein Geheimnis draus, dass er ein heißer Feger ist, deshalb denke ich, dass die Damen (und manche Herren) auf der anderen Seite des Bildschirms nicht gerade Fingernägel kauend auf irgendeine Bestätigung warten, oder?
Rapunzel ist sowieso ein visueller Meilenstein der Disney- und Animationsgeschichte. Wären nicht die dicken 3D-Gläser, würde man sich immer wieder erstaunt die Augen reiben. Ja, es ist keine Revolution, sondern lediglich ein riesiger Evolutionsschritt, aber irgendwo muss man ja Einschnitte machen, denn so ein Film soll ja weiterhin realisierbar bleiben. Die Landschaften sind wundervoll, weitschweifend und detailliert. In den Landschaftsaufnahmen kommt die angepeilte Ölgemälde-Optik sehr gut zur Geltung. Wenn die Figuren das Bild betreten, mag man dies aufgrund ihrer cartoonigen Züge vielleicht vergessen, aber wenn man genauer nachdenkt, ist es nur ein erfreulicher Kompromiss. Hätte Disney versucht durchgehend den Rokkoko-Stil durchzuprügeln, müsse man mit realistisch proportionierten Menschen vorlieb nehmen, und dann hätte man das Projekt gleich Robert Zemeckis überlassen können. *schauder*
Das soll allerdings nicht heißen, dass die Figurenanimation gegenüber den Landschaften absinkt. Die Figuren sind so sanft und weich animiert, wie man es selten in der Cmputeranimation sieht. Produzent Keane hat es mit seinen wiederholten Nachhilfestunden und technischen Neuentwicklungen tatsächlich geschafft, die Dynamik und Wärme des Disney-Zeichentrickfilms in die Computeranimation zu verlagern. Manche Zeichentrickserien können von dem Schwung Rapunzels nunmehr bloß träumen. Rapunzel ist für mich unbestritten der bestaussehendste Film des Jahres. Genau genommen ist es das visuell schönste Disney-Meisterwerk seit... ja... seit wann eigentlich? Wenn man Der Schatzplanet mal wegen seines meinem persönlichen Geschmack besonders entgegenkommenden Designs ignoriert, dann können wir echt weit zurücküberlegen. Ich würde momentan Dornröschen sagen, aber ich wiederhole mich gern: Ich sah Rapunzel bislang nur einmal...
Pfuuuuh, so viele verschriftlichte Gedanken, und ich ging noch gar nicht auf die Nebenfiguren ein: Chamäleon Pascal und Pferd Maximus sind wahre "Scene Stealer". Toll animiert und überaus witzig. Die besten Disney-Nebenfiguren sind sie allerdings laaaaaaaaange nicht. Maximus (Tommy Lee Jones als Polizist plus Hund plus Pferd) ist das tollste Disney-Pferd, okay... Aber sonst...
Seht ihr, das ist irgendwie ein wiederkehrendes Problem von Rapunzel - das durch ehemalige, träumerische Erwartungen noch drastischer wirkt. Vom visuellen und dem Protagonisten-Duo abgesehen steht Rapunzel nirgends in eindeutigem Verdacht, Disneys Bestleistung zu sein. Eine frühe Storyboardfassung wurde von Insidern als das Projekt mit dem besten ersten Akt der Disney-(Trick-)Geschichte geadelt. Dass die Introsequenz an Der ewige Kreis heranreicht, hatte ich gar nicht erwartet - aber den besten ersten Akt, den hätte ich schon gerne gesehen. Man könnte viel diskutieren und philosophieren, aber ich sprang nach den ersten Minuten nicht auf, um mich erleuchtet auf die Knie zu werfen und Rapunzel die Füße zu küssen. Der Anfang des Films ist gut. Logen die Insider? Nein - der Film wurde seither ja mehrmals bearbeitet, da John Lasseter und Co. den Rest schwach fanden. Wer weiß, welche Änderungen am ersten Akt nötig waren, um das Gesamtergebnis zu verbessern? Auf aufklärende Blu-ray-Extras freue ich mich erstmal nicht, das wäre irgendwie völlig unerwartet.
Dann dachte ich, Rapunzel könnte den besten Schlussakt eines Disney-Animationsfilms haben, als dann aber der Abspann kam, war mir nicht so. Und so kann man alle inhaltlichen Fragen durchdeklinieren. Momentan bin ich der Überzeugung: Rapunzel ist wirklich sehr gut, inhaltlich aber in keinem Bereich Klassenbeste.
Das gilt auch für die Musik: Alan Menken lieferte schöne Melodien ab und Glenn Slaters Texte haben mich ebenfalls überzeugt, aber ich raufe mir gerade nicht zornig die Haare, mein Musikalisches Immergrün bereits abgeschlossen zu haben. Die meisten Lieder wären im oberen Mittelfeld gelandet - sage ich jetzt, wo ich sie nur ein paar Mal gehört habe. Allerdings sind die Songs auch mehr im Stil der Disneyfilme aus den 50ern und 60ern gehalten, vor allem die Art, wie sie in die Handlung eingeflochten wurden. Das ist nicht so wirklich mein persönlicher Geschmack und ich bin mir sicher, dass jemand, der mehr zu dieser Ära neigt, wesentlich freudiger reagieren wird.
Aber: Eine Ausnahme gibt's, und das ist eine große! Ich bin bekanntermaßen nicht gerade der große Balladenfreund und die meisten, die ich mehr isn Herz geschlossen habe, mussten mir erst langwierig näher wachsen. Doch I See The Light, das zentrale Stück aus Rapunzel... Ich bin vollkommen hin und weg. *schwärm*
Überhaupt: Die Laternenszene ist hinreißend. Der 3D-Effekt ist in dieser Sequenz perfekt, der Song lässt einen davonschmelzen, die Charakteranimation subtil und aussagekräftig und die Effektanimation... Wundervoll!
Was bleibt abschließend zu sagen? Rapunzel gehört für mich ohne jeden Zweifel zu den gelungenen Meisterwerken Disneys. Näheres kann ich zum Gesamturteil nicht sagen. Ich bin von Rapunzel, Flynn, der Laternensequenz und der Optik absolut verzaubert, die Actionsequenzen waren gut (und toll in die Story eingewoben, sie sind wirklich relevant und nicht bloß da, um die Jungs bei der Stange zu halten). Es gab Kleinigkeiten, die mich störten (etwa der patentierte Disney-Prinzessinnen-Vogelschwarm™, kommt schon, den kann man mittlerweile echt nicht mehr bringen!), die Gesangssequenz in der üblen Spelunke war eher mau, der Mix zwischen neu und vertraut hätte ausgewogener sein dürfen (zugunsten "neu").
Bis ich nach der zweiten Sichtung klarere Gedanken fassen kann: Das Warten auf Rapunzel hat sich gelohnt. Insbesondere für Disney-Fans, denn Rapunzel ist mit seiner Herzlichkeit und Schönheit ein Jubiläumsgeschenk der Walt Disney Animation Studios an seine treuen Fans. Weniger ein Produkt für's breite Publikum. Im Nachhinein wirkt das Marketing deswegen umso zynischer. Sofern es sich von den im Laufe fast eines Jahrzehnts aufgestauten Hoffnungen wieder in realistischere Bereiche schraubt, dürfte das Fandom derweil sein Geschenk mit Kusshand entgegennehmen.
Vollkommen unabhängig von der Qualität des endgültigen Films ist Rapunzel ein denkwürdiger Meilenstein der Disney-Geschichte. Entsprechend flattrig war ich, als ich die Gelegenheit geboten bekam, mir Disneys jüngstes Märchenmusical vorzeitig anzusehen. Manche Kritiker- und Insiderstimmen waren schon zu vernehmen, festgeschrieben ist die Rezeptionsgeschichte Rapunzels aber noch lange nicht. Rapunzel zu sehen, bevor eine öffentliche Meinung oder eine Kritikermeinung feststeht... Ein großes Erlebnis für mich als Disney-Fan. Und damit gehen schon die ersten Probleme einher. Bei dieser ersten Sichtung würde ich mich zu sehr von meinen Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen leiten lassen. Zudem habe ich an Disney- (und mittlerweile auch Pixar-)Animationsfilme andere Maßstäbe als an "normale" Kinoproduktionen. Filme der Walt Disney Animation Studios müssen nicht bloß einmal gut sein, sie müssen beim wiederholten Ansehen (ungefähr) gleich gut bleiben. Oder sogar besser werden. Ein neuer Disneyfilm hat es bei mir die erste Zeit über schwerer, als ein neuer Film irgendeines anderen Studios, Produzenten oder Regisseurs. Ich betrachte ihn mit dem gesamten, schweren und von mir verehrten Disney-Erbe im Hinterkopf, im Vergleich mit anderen Filmen schwingt längst nicht mehr mein erster Eindruck dieser Produktionen mit, sondern das, was sich aus ihnen über die Jahre bildete. Dies trifft insbesondere auf die Musik hin, die sich mit Melodien messen muss, die ich gegebenenfalls seit meiner Kindheit im Herzen trage.
Deshalb ist es eigentlich ein unüberwindbares Wahnsinnsunterfangen, wenn ich mir vornehme, wenige Stunden nach meiner ersten Begegnung mit der bildhübschen Rapunzel und dem spitzbübischen Charmeur Flynn Rider meine Filmkritik zu schreiben. Es kann kein fairer Blick auf Disneys bildgewaltigem Hoffnungsträger dabei herauskommen. Zugleich möchte ich mich nicht zurückhalten, auf eine zweite Sichtung warten, bevor ich von meinem Kinoerlebnis berichte. Also habe ich beschlossen, eine Beinahe-Filmbesprechung zu veröffentlichen. Bevor ich in der besinnlichen Vorweihnachtszeit im Vorfeld des deutschen Kinostarts meine gereifte und mehrfach reflektierte Rapunzel-Betrachtung auf die Welt loslasse, soll hier ungefiltert und unverfälscht das stehen, was mir gerade im Kopf schwirrt. Hier ist nicht mit einer objektiven und ausgefeilten Rezension zu rechnen, sondern mit dem, was ich als passionierter Disneyfan, mit dessen Gefühlen die letzten Monate und Jahre über rüde gespielt wurde, dessen Nerven vor Anspannung ob dieses Films bis zum äußersten strapaziert wurden, ad hoc über Rapunzel empfinde. Frisch aus dem Kino, wo das, was ich mir ausmalte mit dem kollidierte, was Disney tatsächlich aus dem berühmten Märchen gemacht hat.
So fremd und doch so vertraut
Schon in den ersten Sekunden von Rapunzel wird klar: Mit diesem Film hat Disney die treffende Wegmarke für sein goldenes Jubiläum gefunden. Nur ein paar Worte sind gesprochen es wird einem bewusst, dass Rapunzel ein frischer Disneyfilm ist und nicht zu befürchten bleibt, dass der Disney-Märchenfilm verstaubt. Wenige Minuten später, und schon ist gleichermaßen klar: Disney bleibt sich weiter treu und setzt auf zurecht bewährtes. Rapunzel lebt inhaltlich in zwei Welten. Es ist ein modernes Märchenmusical mit hohem Tempo, aufregenden Sequenzen, einer schönen Prise Dramatik und beseelten Figuren mit tiefer Charakterzeichnung. Flache Abziehbildchen wie Schneewittchen oder (um ein jüngeres Beispiel zu nennen) Prinz Erec (der zwar aktiver ist als manch früherer Disneyprinz, aber dennoch ein eher langweiliges Stück Pappe bleibt). Zugleich ist Rapunzel eine stärkere Rückbesinnung auf Disneys Traditionen, als es Küss den Frosch war. Der Gesamteindruck ist einfach "unverfälscht Disney", vor allem weil Rapunzel eine reiche Wärme ausstrahlt. Für den 50. Eintrag in den Meisterwerke-Kanon kann man sich wohl kaum etwas passenderes als diese harmonische Ehe aus Alt und Neu vorstellen. Wobei "Alt und Neu" ungerecht flach ist, denn Rapunzel pickt sich aus jeder Ära die Rosinen heraus, ohne wie eine Clipshow-Nummernrevue anzumuten.
So viel zum vagen und schwammigen Vorgeplänkel, nun aber endlich zur alles entscheidenden Frage: "Und? Und? Und? *ungeduldig auf und ab hüpf* *hoffnungserfüllte Augen aufreiß*"
Tja, schon während des Films war mir klar, dass ich diese Frage einzig tendentiell beantworten kann. Denn wie gesagt, Disney-Trickfilme zeigen ihre wahren Qualitäten für mich erst beim zweiten Mal und im Fall von Rapunzel kommen noch so viele andere Faktoren hinzu, die es mir erschweren, nun klar zu sehen. Mit den riesigen Hoffnungen früherer Monate, noch bevor die ersten Bilder aus dem endgültigen Film veröffentlicht und nur Konzeptbilder und Keanes Visionen bekannt waren, kamen unerfüllbare Erwartungen mit in den Vorführsaal. Dadurch hänge ich mich an Kleinigkeiten auf, die höchstwahrscheinlich Lappalien sind und meine Meinung gar nicht trüben dürften. Wie etwa eine Nebenfigur, ach Quatsch, man könnte sie fast als Statist bezeichnen. Und dennoch stört sie mich enorm. Allerdings bin ich mir bewusst, dass meine Reaktion durchaus übertrieben sein könnte. Da müsste eine zweite Sichtung herbei - allein schon um zu evaluieren, ob dieser Eindruck bleibt oder nicht.
Zugleich nahm ich große Befürchtungen mit ins Kino, die Furcht ungeheuerlich enttäuscht zu werden. Die Fallhöhe für Rapunzel war gewaltig, und so malte ich mir natürlich auch einige Schreckensszenarien aus. Und die Trailer waren, von ihrer Fehlorientierung mal abgesehen, so unfassbar grell. Die Farbpalette des endgültigen Films fand ich atemberaubend schön - aber denke ich das nur wegen der stechenden Trailer? Den Schurkensong fand ich äußerst eingängig und amüsant, auch wenn er längst nicht an meine Favoriten Seid bereit oder Das Feuer der Hölle heranreicht. Jedoch hatte ich über die letzten Tage auch völlig die Hoffnung auf einen disneytypischen Bösewichtsong ... nicht aufgegeben, sondern schlichtweg vergessen. Würde ich eigentlich viel harscher auf Mother Knows Best reagieren? Ich kann es erst in einigen Tagen abschätzen.
Von solchen kleinen und etwas größeren Dingen abgesehen, bin ich aber überaus glücklich mit Rapunzel und ich denke, dass ich mit der richtigen Einstellung in Disneys neues Meisterwerk ging. Andere gaben die Hoffnung vollkommen auf, ich blieb Rapunzel treu, ordnete ihn einzig vom unbestrittenen zweitmeist ersehnten Film in einem erbitterten Kampf mit Tron Legacy einen Rang niedriger ein als vor rund 18 Monaten. Die Haltung, Disney sei mir nichts geringeres als eine cineastische Offenbarung schulid, die verlief sich langsam im Sande. Stattdessen wollte ich nur noch ein angebrachtes 50. Disney-Meisterwerk. Und das habe ich erhalten.
Es fängt schon bei den Protagonisten an: Rapunzel und Flynn sind von nun an mein liebstes Disney-Märchenduo. Beiden werden demnächst in den Kinos dieser Welt so einige Herzen zufliegen. Flynn ist ein charismatischer, selbstüberzeugter Dieb der Marke "Aladdin + Erroll Flynn + eine Messerspitze Jack Sparrow", während Rapunzel eine die Welt mit riesigen Augen bestaunende, unschuldige und dennoch wehrhafte smarte Persönlichkeit ist. Die wunderbare Charakteranimation verleiht ihnen durch feine Mimik und Gestik eine glaub- und liebenswürdige Menschlichkeit und ihre Sprecher Mandy Moore und Zach Levi legen Herz und Seele in ihre Stimme. Beten wir, dass die deutsche Synchronfassung da nichts verpfuscht hat.
Oh, und weil es ja für manchen von Bedeutung sein soll - und durch das verpfuschte Marketing sonst unterginge: Ja, Rapunzel ist bildhübsch. Das Publicity-Material wird ihr kein bisschen gerecht, da hat sich die Marketingabteilung die unmöglichsten Bilder ausgesucht. Im Kino ist's so viel leichter, davonzuschmelzen. Bei Flynn macht die PR dagegen ja kein Geheimnis draus, dass er ein heißer Feger ist, deshalb denke ich, dass die Damen (und manche Herren) auf der anderen Seite des Bildschirms nicht gerade Fingernägel kauend auf irgendeine Bestätigung warten, oder?
Rapunzel ist sowieso ein visueller Meilenstein der Disney- und Animationsgeschichte. Wären nicht die dicken 3D-Gläser, würde man sich immer wieder erstaunt die Augen reiben. Ja, es ist keine Revolution, sondern lediglich ein riesiger Evolutionsschritt, aber irgendwo muss man ja Einschnitte machen, denn so ein Film soll ja weiterhin realisierbar bleiben. Die Landschaften sind wundervoll, weitschweifend und detailliert. In den Landschaftsaufnahmen kommt die angepeilte Ölgemälde-Optik sehr gut zur Geltung. Wenn die Figuren das Bild betreten, mag man dies aufgrund ihrer cartoonigen Züge vielleicht vergessen, aber wenn man genauer nachdenkt, ist es nur ein erfreulicher Kompromiss. Hätte Disney versucht durchgehend den Rokkoko-Stil durchzuprügeln, müsse man mit realistisch proportionierten Menschen vorlieb nehmen, und dann hätte man das Projekt gleich Robert Zemeckis überlassen können. *schauder*
Das soll allerdings nicht heißen, dass die Figurenanimation gegenüber den Landschaften absinkt. Die Figuren sind so sanft und weich animiert, wie man es selten in der Cmputeranimation sieht. Produzent Keane hat es mit seinen wiederholten Nachhilfestunden und technischen Neuentwicklungen tatsächlich geschafft, die Dynamik und Wärme des Disney-Zeichentrickfilms in die Computeranimation zu verlagern. Manche Zeichentrickserien können von dem Schwung Rapunzels nunmehr bloß träumen. Rapunzel ist für mich unbestritten der bestaussehendste Film des Jahres. Genau genommen ist es das visuell schönste Disney-Meisterwerk seit... ja... seit wann eigentlich? Wenn man Der Schatzplanet mal wegen seines meinem persönlichen Geschmack besonders entgegenkommenden Designs ignoriert, dann können wir echt weit zurücküberlegen. Ich würde momentan Dornröschen sagen, aber ich wiederhole mich gern: Ich sah Rapunzel bislang nur einmal...
Pfuuuuh, so viele verschriftlichte Gedanken, und ich ging noch gar nicht auf die Nebenfiguren ein: Chamäleon Pascal und Pferd Maximus sind wahre "Scene Stealer". Toll animiert und überaus witzig. Die besten Disney-Nebenfiguren sind sie allerdings laaaaaaaaange nicht. Maximus (Tommy Lee Jones als Polizist plus Hund plus Pferd) ist das tollste Disney-Pferd, okay... Aber sonst...
Seht ihr, das ist irgendwie ein wiederkehrendes Problem von Rapunzel - das durch ehemalige, träumerische Erwartungen noch drastischer wirkt. Vom visuellen und dem Protagonisten-Duo abgesehen steht Rapunzel nirgends in eindeutigem Verdacht, Disneys Bestleistung zu sein. Eine frühe Storyboardfassung wurde von Insidern als das Projekt mit dem besten ersten Akt der Disney-(Trick-)Geschichte geadelt. Dass die Introsequenz an Der ewige Kreis heranreicht, hatte ich gar nicht erwartet - aber den besten ersten Akt, den hätte ich schon gerne gesehen. Man könnte viel diskutieren und philosophieren, aber ich sprang nach den ersten Minuten nicht auf, um mich erleuchtet auf die Knie zu werfen und Rapunzel die Füße zu küssen. Der Anfang des Films ist gut. Logen die Insider? Nein - der Film wurde seither ja mehrmals bearbeitet, da John Lasseter und Co. den Rest schwach fanden. Wer weiß, welche Änderungen am ersten Akt nötig waren, um das Gesamtergebnis zu verbessern? Auf aufklärende Blu-ray-Extras freue ich mich erstmal nicht, das wäre irgendwie völlig unerwartet.
Dann dachte ich, Rapunzel könnte den besten Schlussakt eines Disney-Animationsfilms haben, als dann aber der Abspann kam, war mir nicht so. Und so kann man alle inhaltlichen Fragen durchdeklinieren. Momentan bin ich der Überzeugung: Rapunzel ist wirklich sehr gut, inhaltlich aber in keinem Bereich Klassenbeste.
Das gilt auch für die Musik: Alan Menken lieferte schöne Melodien ab und Glenn Slaters Texte haben mich ebenfalls überzeugt, aber ich raufe mir gerade nicht zornig die Haare, mein Musikalisches Immergrün bereits abgeschlossen zu haben. Die meisten Lieder wären im oberen Mittelfeld gelandet - sage ich jetzt, wo ich sie nur ein paar Mal gehört habe. Allerdings sind die Songs auch mehr im Stil der Disneyfilme aus den 50ern und 60ern gehalten, vor allem die Art, wie sie in die Handlung eingeflochten wurden. Das ist nicht so wirklich mein persönlicher Geschmack und ich bin mir sicher, dass jemand, der mehr zu dieser Ära neigt, wesentlich freudiger reagieren wird.
Aber: Eine Ausnahme gibt's, und das ist eine große! Ich bin bekanntermaßen nicht gerade der große Balladenfreund und die meisten, die ich mehr isn Herz geschlossen habe, mussten mir erst langwierig näher wachsen. Doch I See The Light, das zentrale Stück aus Rapunzel... Ich bin vollkommen hin und weg. *schwärm*
Überhaupt: Die Laternenszene ist hinreißend. Der 3D-Effekt ist in dieser Sequenz perfekt, der Song lässt einen davonschmelzen, die Charakteranimation subtil und aussagekräftig und die Effektanimation... Wundervoll!
Was bleibt abschließend zu sagen? Rapunzel gehört für mich ohne jeden Zweifel zu den gelungenen Meisterwerken Disneys. Näheres kann ich zum Gesamturteil nicht sagen. Ich bin von Rapunzel, Flynn, der Laternensequenz und der Optik absolut verzaubert, die Actionsequenzen waren gut (und toll in die Story eingewoben, sie sind wirklich relevant und nicht bloß da, um die Jungs bei der Stange zu halten). Es gab Kleinigkeiten, die mich störten (etwa der patentierte Disney-Prinzessinnen-Vogelschwarm™, kommt schon, den kann man mittlerweile echt nicht mehr bringen!), die Gesangssequenz in der üblen Spelunke war eher mau, der Mix zwischen neu und vertraut hätte ausgewogener sein dürfen (zugunsten "neu").
Bis ich nach der zweiten Sichtung klarere Gedanken fassen kann: Das Warten auf Rapunzel hat sich gelohnt. Insbesondere für Disney-Fans, denn Rapunzel ist mit seiner Herzlichkeit und Schönheit ein Jubiläumsgeschenk der Walt Disney Animation Studios an seine treuen Fans. Weniger ein Produkt für's breite Publikum. Im Nachhinein wirkt das Marketing deswegen umso zynischer. Sofern es sich von den im Laufe fast eines Jahrzehnts aufgestauten Hoffnungen wieder in realistischere Bereiche schraubt, dürfte das Fandom derweil sein Geschenk mit Kusshand entgegennehmen.
Montag, 15. November 2010
Edel: "Pirates of the Caribbean - On Stranger Tides"-Teaserposter
Für mich als eingefleischten Pirates of the Caribbean-Geek gibt es Dinge höchster Priorität, für die andere wohl nur ein Achselzucken übrig haben. Etwa die Teaserposter/Logos der einzelnen Filme. Der ikonische Jack-Sparrow-Totenschädel und dahinter zwei gekreuzte Elemente des Pirateninventars. Fluch der Karibik: Zwei Schwerter. Die Truhe des Todes: Zwei Fackeln. Mein Lieblingslogo der bisherigen Reihe. Am Ende der Welt: Zwei Knochen.
Groß war die Spekulation, was für den vierten Teil On Stranger Tides über Kreuz genommen wird. Rumflaschen? Moddrige Paddel mit viel Modder? Rumflaschen? Schiffskanonen? Musketen? Ein frühes Bild deutete auf Fernrohre hin. Aufgrund Rob Marshalls Vergangenheit als Chicago- und Nine-Regisseure böten sich auch bestrapste Frauenbeine an. Ein Setfoto vom Regisseursstuhl wies aber auf eine völlig andere Abwandlung des Logos hin:
Die Knochen von Am Ende der Welt würden beibehalten, dafür tränt aus Skelett-Jacks Auge ein Wasserfall. Schmuck, aber irgendwie gewöhnungsbedürftig, dachte ich. Für das endgültige Teaserposter (mhh, ist das bereits ein Oxymoron?) ging Disney dann auch einen völlig anderen Weg.
Edel, edel. Statt des üblichen Totenkopfs grinst uns nun eine versilberte Replika an. Die hinter ihm verschränkten Symbole kehren zum Beginn der Filmreihe zurück (entweder einfallslos oder ein bewusster Rückgriff, ich muss mich noch entscheiden), seine Acht-Realis-Münze wurde durch neues Knochen-Gehänge ersetzt. Neu hinzu kamen auch seine blonden Strähnen, sowie seit dem Am Ende der Welt-Poster auch ein neuer Schmuck auf der vom Betrachter aus gesehen rechten Seite.
Die Silber- oder glanzpolierte Stahloptik gefällt mir schonmal sehr. Es ist zugleich edler, als auch härter. Es könnte sowohl das Logo einer Rockergang sein, als auch Schmuck für die dezent morbide Dame von Welt. Damit hat man sich ein breit gefächertes und dennoch spezialisiertes Zielpublikum gewählt. Doch am Ende zählt nur eins: Es sieht cool aus.
Groß war die Spekulation, was für den vierten Teil On Stranger Tides über Kreuz genommen wird. Rumflaschen? Moddrige Paddel mit viel Modder? Rumflaschen? Schiffskanonen? Musketen? Ein frühes Bild deutete auf Fernrohre hin. Aufgrund Rob Marshalls Vergangenheit als Chicago- und Nine-Regisseure böten sich auch bestrapste Frauenbeine an. Ein Setfoto vom Regisseursstuhl wies aber auf eine völlig andere Abwandlung des Logos hin:
Die Knochen von Am Ende der Welt würden beibehalten, dafür tränt aus Skelett-Jacks Auge ein Wasserfall. Schmuck, aber irgendwie gewöhnungsbedürftig, dachte ich. Für das endgültige Teaserposter (mhh, ist das bereits ein Oxymoron?) ging Disney dann auch einen völlig anderen Weg.
Edel, edel. Statt des üblichen Totenkopfs grinst uns nun eine versilberte Replika an. Die hinter ihm verschränkten Symbole kehren zum Beginn der Filmreihe zurück (entweder einfallslos oder ein bewusster Rückgriff, ich muss mich noch entscheiden), seine Acht-Realis-Münze wurde durch neues Knochen-Gehänge ersetzt. Neu hinzu kamen auch seine blonden Strähnen, sowie seit dem Am Ende der Welt-Poster auch ein neuer Schmuck auf der vom Betrachter aus gesehen rechten Seite.
Die Silber- oder glanzpolierte Stahloptik gefällt mir schonmal sehr. Es ist zugleich edler, als auch härter. Es könnte sowohl das Logo einer Rockergang sein, als auch Schmuck für die dezent morbide Dame von Welt. Damit hat man sich ein breit gefächertes und dennoch spezialisiertes Zielpublikum gewählt. Doch am Ende zählt nur eins: Es sieht cool aus.
Sonntag, 14. November 2010
Alan Menken auf dem Walk of Fame verewigt
Dafür wurde es aber auch mal langsam Zeit: Komponist Alan Menken, einer der treibenden Köpfe hinter Disneys zweitem Frühling in den 90er Jahren, erhielt einen Stern auf dem Walk of Fame. Natürlich presseträchtig kurz vor dem Kinostart von Rapunzel, seiner neusten Kollaboration mit Disney.
Darüber kann man nun schnippische Kommentare vom Stapel lassen, aber das ändert nichts daran, dass die vergangenen Mittwoch abgehaltene Feierlichkeit längst überfällig war. Menken gehört mit seinen 8 Oscar-Gewinnen zu den erfolgreichsten Personen in der Geschichte des prestigeträchtigen Filmpreises und die meisten seiner Kompositionen für Arielle, die Meerjungfrau, Die Schöne und das Biest, Aladdin, Pocahontas, Der Glöckner von Notre Dame und Hercules sind wunderschöne Ohrwürmer. Sogar der Disney-Katatstrophe Die Kühe sind los konnte er fast so etwas wie Klasse verleihen, während Verwünscht vollkommen unterschätzt wird.
Menken, dessen Karriere mit der Hoawrd-Ashman-Zusammenarbeit Der kleine Horrorladen einen großartigen Start hinlegte, schrieb bis vor kurzem derzeit mit seinem neuen Partner Glenn Slater am Musical Leap of Faith, das nächstes Jahr auf den Broadway ziehen soll.
Darüber kann man nun schnippische Kommentare vom Stapel lassen, aber das ändert nichts daran, dass die vergangenen Mittwoch abgehaltene Feierlichkeit längst überfällig war. Menken gehört mit seinen 8 Oscar-Gewinnen zu den erfolgreichsten Personen in der Geschichte des prestigeträchtigen Filmpreises und die meisten seiner Kompositionen für Arielle, die Meerjungfrau, Die Schöne und das Biest, Aladdin, Pocahontas, Der Glöckner von Notre Dame und Hercules sind wunderschöne Ohrwürmer. Sogar der Disney-Katatstrophe Die Kühe sind los konnte er fast so etwas wie Klasse verleihen, während Verwünscht vollkommen unterschätzt wird.
Menken, dessen Karriere mit der Hoawrd-Ashman-Zusammenarbeit Der kleine Horrorladen einen großartigen Start hinlegte, schrieb bis vor kurzem derzeit mit seinem neuen Partner Glenn Slater am Musical Leap of Faith, das nächstes Jahr auf den Broadway ziehen soll.
Rent a Donnerbold: Entenhausens Zukunft
Wenn jemand behauptet, dass Internetblogs ein repräsentatives Abbild des jeweiligen Autoren sind, dann generalisiert er. Sicherlich lassen sich einige Grundinteressen und -charakteristika ablesen, aber das ganze Bild bleibt weiterhin im Verborgenen. Ein Blog ist viel mehr ein Zerrspiegel, und wie im Spiegelkabinett der örtlichen Kirmes, sind auch im Internet manche Blogs Verursacher absurder Fratzen fern des eigentlichen Bilds und andere recht nah an der Wirklichkeit.
Wieso ich euch mit diesem Sermon belästige? Weil ich bei meinem Blog immer wieder bemerke, dass er einige Ecken und Kanten abschleift, andere überbetont. Nicht absichtlich, es passiert einfach. So bin ich ja riesiger Donald-Fan, was man hier im Blog wohl desöfteren bemerkt haben dürfte, und somit natürlich auch treuer Disney-Comicleser. Das allerdings könnte dem Gelegenheitsleser verborgen bleiben, denn für jemanden, der wöchentlich via Comicheft, -buch oder -sammelband nach Entenhausen abtaucht, schreibe ich erschreckend selten über diese von mir gepflegte Leidenschaft. Ich finde einfach zu selten einen Anlass - und zu monatlichen LTB-Rezensionen (beispielsweise) komme ich einfach nicht. Ich bespreche ja auch nicht jeden Film, den ich sehe. Irgendwo muss auch die Zeit herkommen, in der ich zwischen den Filmrezensionen auch einen Film sehe. ;-)
Es hat sich in meinem Blog nunmal eingschliffen, dass ich meine Comicleserseite unterbetone. Dennoch habe ich kein Schweigegelübde gesprochen. Und das Team vom Bertel Express war ganz ausgefuchst: Man gab mir einfach einen Anlass, endlich wieder über Duck-Comics zu schreiben. Ich wurde nämlich schlichtweg gefragt, ob ich mich nicht für einen Gastbeitrag zur Verfügung stelle. Aber natürlich!
Und so durfte ich gemeinsam mit einigen anderen Entenfans in der Reihe Vielseitig über Whatever happened to Scrooge McDuck? schreiben.
Ich möchte meine Gastautorenaufgabe auch direkt ausnutzen, um eine überfällige Werbung für das Online-Fanmagazin zu machen. Wer es noch nicht kennt, hat mit der neuen, 23. Ausgabe einen tollen Startpunkt erwischt. Mit 55 Seiten, auf denen es u.a. einen einsichtsvollen Blick auf die Disneycomics im Baltikum, ein Interview mit Kari Korhonen, einen Rückblick auf die Hall of Fame und Micky Maus präsentiert gibt, könnt ihr nichts falsch machen.
Wieso ich euch mit diesem Sermon belästige? Weil ich bei meinem Blog immer wieder bemerke, dass er einige Ecken und Kanten abschleift, andere überbetont. Nicht absichtlich, es passiert einfach. So bin ich ja riesiger Donald-Fan, was man hier im Blog wohl desöfteren bemerkt haben dürfte, und somit natürlich auch treuer Disney-Comicleser. Das allerdings könnte dem Gelegenheitsleser verborgen bleiben, denn für jemanden, der wöchentlich via Comicheft, -buch oder -sammelband nach Entenhausen abtaucht, schreibe ich erschreckend selten über diese von mir gepflegte Leidenschaft. Ich finde einfach zu selten einen Anlass - und zu monatlichen LTB-Rezensionen (beispielsweise) komme ich einfach nicht. Ich bespreche ja auch nicht jeden Film, den ich sehe. Irgendwo muss auch die Zeit herkommen, in der ich zwischen den Filmrezensionen auch einen Film sehe. ;-)
Es hat sich in meinem Blog nunmal eingschliffen, dass ich meine Comicleserseite unterbetone. Dennoch habe ich kein Schweigegelübde gesprochen. Und das Team vom Bertel Express war ganz ausgefuchst: Man gab mir einfach einen Anlass, endlich wieder über Duck-Comics zu schreiben. Ich wurde nämlich schlichtweg gefragt, ob ich mich nicht für einen Gastbeitrag zur Verfügung stelle. Aber natürlich!
Und so durfte ich gemeinsam mit einigen anderen Entenfans in der Reihe Vielseitig über Whatever happened to Scrooge McDuck? schreiben.
Ich möchte meine Gastautorenaufgabe auch direkt ausnutzen, um eine überfällige Werbung für das Online-Fanmagazin zu machen. Wer es noch nicht kennt, hat mit der neuen, 23. Ausgabe einen tollen Startpunkt erwischt. Mit 55 Seiten, auf denen es u.a. einen einsichtsvollen Blick auf die Disneycomics im Baltikum, ein Interview mit Kari Korhonen, einen Rückblick auf die Hall of Fame und Micky Maus präsentiert gibt, könnt ihr nichts falsch machen.
Samstag, 13. November 2010
Die Simpsons - Die komplette dritte Staffel
ProSieben. Ein Sender unter dem Zeichen Stefan Raabs, der US-Blockbuster und der Simpsons. Allerdings darf man keinesfalls vergessen, dass die Simpsons ihren Karrierestart in Deutschland im ZDF absolvierten. Dort konnten sie irgendwann nach der Erstausstrahlung am 13. September 1991 unter anderem meinen ältesten Bruder als Zuschauer für sich gewinnen. Dieser begann später damit, die Simpsons auf Videokassette aufzuzeichnen und gab diese Videos letztlich an mich weiter um mich anzufixen. Damals hatten wir alle noch keine Ahnung von Serienstaffeln und ähnlichem, doch nachdem einige Jahre ins Land zogen, lernten wir, dass ich mit der kompletten dritten Staffel an die Simpsons geleitet wurde. Dies ist auch die letzte Staffel, die ProSieben seit einigen Jahren für die Nachmittags-Dauerwiederholungsschleife gesperrt hat. Aufgrund ihres anderen Zeichenstils und des weniger frenetischen Humors sind diese frühen Episoden der langlebigsten westlichen Zeichentrickserie bei der großen Sieben Mangelware geworden (es gab zum Beispiel eine Phase, in der sie Samstagvormittags gezeigt wurden).
Eigentlich nahm ich mir vor, keine Simpsons-DVDs zu kaufen. Die ersten zwei Staffeln find ich noch recht lahm, so dass ich mit den Erinnerungen an die raren Ausstrahlungen gut leben kann. Alles ab der Folge Der vermisste Halbbruder wird dagegen dank der intensiven Simpsons-Liebe auf ProSieben so häufig gezeigt, dass ich DVD-Sets für mich persönlich unnötig finde. Aber Staffel 3... Die Mischung aus Nostalgie zu diesen Folgen und der hohen Qualität der dritten Staffel hat mich nach einigem Hin und Her dazu verführt, mir tatsächlich eine Simpsons-Staffel auf DVD zu kaufen. Denn Videokassetten werden im Gegensatz zu Wein mit dem Alter leider nicht immer besser.
Nachdem ich mir die dritte Staffel wieder vollständig angesehen habe, wundere ich mich mehr denn je, wieso ProSieben die Staffel am liebsten für immer versteckt hielte (und sie auf Sat.1Comedy versteckt). Generell ist es fragwürdig, Episoden oder ganze Staffeln einer Serie verschwinden zu lassen und gerade bei den Simpsons ist es wahrer Schwachsinn. Bei dieser hohen Ausstrahlungsfrequenz hat ProSieben die ungeliebten Folgen in rund einem Monat versendet. Bei über 400 Episoden Simpsons fällt das nicht weiter ins Gewicht. Und wieso die dritte Staffel sozusagen "mitgehangen, mitgefangen" ist, verstehe ich noch weniger. Dass ProSieben stutzig neben der kritzeligen ersten Staffel mit ihren wabernden Figuren steht, lässt sich ein Stück weit ja noch nachvollziehen. Bei der zweiten Staffel sind die Zeichnungen wenigstens ein bisschen konstanter am Modell der Figuren orientiert - und die dritte Staffel fällt optisch kaum noch aus dem Rahmen. Stellt man eine frühe Folge der dritten Staffel neben eine aus der vierten, bemerkt man als trainierter Zeichentrickkonsument nur noch recht unbedeutende Unterschiede, die dem breiten Publikum wohl weniger auffallen dürften. Die Hintergründe sind beispielsweise sehr undetailliert, oft sieht man nur große, einfarbige Flächen in simplen geometrischen Formen. Der Detailreichtum entwickelt sich in dieser Staffel jedoch genauso rapide, wie der geschickte und wirkungsvolle Einsatz von Schattierungen.Visuell lässt sich die dritte Staffel gen Schluss von den darauf folgenden zwei oder sogar vier Staffeln nur noch daran unterscheiden, dass die Farbpalette insgesamt etwas dunkler ist.
Der inhaltliche Stil der dritten Staffel gleicht erstmals dem der Simpsons-Blütezeit. Zuvor waren zu viele Episoden zu sitcomhaft, die letzten Jahre sind die Simpsons (im Vergleich) zu aufgedreht. In der dritten Staffel dagegen holen die Autoren das beste aus dem Konzept einer animierten Sitcom: Manche der Plots ähneln in ihrem Grundriss noch der Idee herausstechender Episoden einer normalen Sitcom (die schlaue Tochter gewinnt einen Schreibwettbewerb, der Sohn nimmt am Seifenkistenrennen teil, die Mutter hat einen Nervenzusammenbruch), es wird aber ohne die engeren Grenzen des Formats und mit ironischer (manchmal auch satirischer) Spitze in Richtungen weitergesponnen, wie es nur mit absurdem Budget, etwas weniger realistischer Bodenhaftung oder halt im (Zeichen-)Trickmedium möglich ist. Andere Episoden ähneln schon eher dem modernen Simpsons-Stil, bloß ohne die Konzentrationsschwächer heutiger Tage und in Folge dessen auch weniger knallig. Eine Macke der ersten Episoden aus der dritten Staffel ist das häufig sehr abrupte Ende - diese störende Eigenheit verläuft sich jedoch mit der zunehmenden Autorenübung im Laufe der Staffel.
Davon abgesehen beginnt die Staffel bereits mit einem Simpsons-Meilenstein, ohne direkt danach an Dampf zu verlieren: In der Staffelpremiere Die Geburtstagsüberraschung ("Stark Raving Dad") gibt sich Michael Jackson (im Abspann unter einen Pseudonym gelistet) die Ehre. Jedoch steht er nicht so plakativ im Fokus der Episode, wie manche späteren Gaststars, stattdessen liegt der Fokus der Episode auf Homer, der aufgrund eines rosa Hemds in die Nervenheilanstalt geliefert wird, sowie auf Lisa, die sich riesig auf ihren Geburtstag freut, nur um von Bart völlig enttäuscht zu werden, der dieses große Ereignis vollkommen versäumt. Mit Hilfe eines dicken, großen Kerls, den Homer aus der Klapse mitbringt und der sich für Michael Jackson hält, denkt er sich ein Versöhungsgeschenk aus... Die Episode ist sehr charmant gemacht und enthält einen tollen Ohrwurm. Ein toller Start in die dritte Staffel der Simpsons und ein tolles Beispiel für die Balance zwischen cartoonigem und sitcomhaften Humor, die frühere Staffeln der Serie so toll machte.
In der darauf folgenden Episode Einmal Washington und zurück ("Mr. Lisa Goes to Washington") treten die Simpsons eine der ersten Ausflüge an, die mittlerweile gar nicht mehr aus der Serie wegzudenken sind. In bester Carl-Barks-Tradition wird erstmal minutenlang mit einem anderen Handlungsfaden (Homer wird zum begeisterten Magazinleser) zum Schreibwettbewerb hingeleitet, der Lisa und ihre Familie nach Washington bringt. Der Bruch zwischen A- und B-Story ist allerdings noch längst nicht so krass wie heute und kommt deutlich logischer rüber. In Washington gibt es einige kurze Wegschmeiß-Gags (die Simpsons bei Touristenführungen oder beim Hotelbettenverteilen), bevor der zynische Kern der Episode zum Vorschein kommt: Lisa, die beim politischen Schreibwettbewerb eine patriotische Rede vorstellen soll, wird Zeugin eines Bestechungsaktes. Was sich daraus entwickelt ist herrlich abgefahren und sarkastisch. Ein Fluch auf Flander ("When Flanders Failed") hält die Bitterkeit aufrecht (Homer wünscht sich, dass Flanders neues Geschäft bankrott geht - und muss mitansehen, wie sein Wunsch harsche Realität wird), fügt aber auch eine ehrliche und rückblickend vielleicht auch leicht befremdlich wirkende Bodenständigkeit und Herzlichkeit hinzu, da diese Story dazu verwendet wird, um über Nachbarschaftshilfe und Freundschaft zu referieren. Das Ende ist leider ein absolutes Spitzenbeispiel für die angesprochene Hast in den letzten Minuten, und somit ein Dämpfer für die ansonsten sehr amüsante Folge.
Mit Verbrechen lohn sicht nicht ("Bart the Murderer") legt die Staffel sogar einen höheren Gang ein: Bart erlebt einen absoluten Unglückstag und landet schließlich im strömenden Regen vor der Tür des Mafioso-Treffs von Fat Tony. Da sich Bart als Pferderenn-Orakel entpuppt, darf er sein Leben behalten und wird sogar als Barkeeper engagiert. Bart führt fortan ein gelassenes Leben im Schatten zwischen Recht und Unrecht, bis er einmal zu spät zur Arbeit kommt und Rektor Skinner dafür bei den Mafioso anschwärzt. Am Tag darauf wird er als vermisst gemeldet und schnell gerät Bart in Verdacht, den Mord an Skinner in Auftrag gegeben zu haben. Diese Folge ist durchweg im besten Simpsons-Humor gehalten und weißt eine Story auf, die einem ihrerzeit nur bei den Simpsons begegnen konnte. Und trotz der abgedrehten Grundidee eines Grundschülers, der als Barjunge für das organisierte Verbrechen arbeitet, wird alles noch bodenständig und plausibel gehalten. In der fünften Folge erreicht Staffel 3 ihren vorzeitigen Höhepunkt: Der Ernstfall ("Homer Defined") zeigt, was passiert, wenn im Springfielder Atomkraftwerk eine Kernschmelze bevorsteht und nur Homer seine Heimatstadt vor dem Atom-GAU bewahren kann. Eingerahmt wird die Handlung dieser denkwürdigen Episode voller vorzüglicher Einfälle durch wiederkehrende Blicke in ein Lexikon.
Danach lässt die Staffel, auf hohem Niveau, etwas nach. Der Vater eines Clowns ("Like Father, Like Clown") lenkt seinen Fokus auf Krusty, der sich nach Anerkennung durch seinen Vater sehnt. Der Rabbi möchte aber nichts von seinem albernen Sohn wissen. Die Episode hat zwar Herz, aber ein viel zu abruptes Ende und es wird sehr wenig Handlung in, wenngleich toll ausgefeilten, sehr langen Dialogszenen abgehakt. Die zweite Halloween-Folge der Simpsons ist treffsicherer als ihr direkter Vorläufer und atmosphärisch dichter als neuere Folgen, hat aber auch etwas Leerlauf, den es zu überwinden gilt und Lisas Pony gibt Lisa das lang ersehnte Pony, während die Zuschauer mit zu viel Handlung in zu kurzer Zeit konfrontiert werden. Dennoch ist es eine Folge, nach der man sich heute sehnen würde, da trotz der unausgewogenen Behandlung der einzelnen Plots die Gags sitzen und sehr organisch aus den Eigenheiten der Figuren erwachsen.
Nach dieser Episode erreicht die Staffel, meiner Meinung nach, ihre beste Phase.Sie beginnt mit Das Seifenkistenrennen ("Saturdays of Thunder"), der dritten Episode innerhalb kürzester Zeit, die von schlechten Vätern handelt. Ein Fakt, der in den informativen Audiokommentaren auf der Sammelbox herauskristallisiert und kritisch beleuchtet wird. Das Seifenkistenrennen ist eine mit denkwürdigen Szenen vollbepackte Folge, wie dem legendären McBain-Clip, in dem der Titelheld Rache für seinen brutal ermordeten, kurz vor der Pension stehenden Partner schwört ("MEN-DO-ZAAAAAA!"), Homer, der einen Zeitschriftentest nimmt um festzustellen, ob er ein guter Vater ist ("Welche Hobbys hat Bart?" -"Öh... er kaut immer an den Telefonkabeln rum...?!") und natürlich die vor (fließend eingebauten) Filmanspielungen sprühenden Seifenkisten-Rennen.
Daraufhin kommt meine absolute Lieblingsepisode der Simpsons: Das Erfolgsrezept ("Flaming Moe's"). Allein schon die Grundidee finde ich als gelegentlicher Hobby-Getränkemischer (für einen Hobby-Barkeeper mache ich's dann doch viel zu selten) genial: Um sich die Urlaubsdias von Patty und Selma erträglich zu trinken, mixt Homer aus dem Restalkohol in der Küche einen Drink zusammen. Dabei mischt er aus Versehen auch eine Flasche von Krustys Kinderhustensaft unter die Spirituosen. Der Cocktail schmeckt ganz okay, als ein Zigarettenstummel seiner Schwägerinnen ihn jedoch in Brand steckt, entwickelt er ein unwiderstehliches Aroma. Als Homer seinem Kumpel und Stammkneipen-Besitzer Moe davon erzählt, stiehlt dieser das Rezept - und macht damit einen wahnsinnig absurden Umsatz. Moe's wird zur Szenekneipe des Landes, mit Häuserblocks umspannenden Warteschlangen, prominentem Besuch und Industriespionen. Homer geht dabei vor lauter Neid an die Decke...
Das Erfolgsrezept würde heute sicherlich zu überzogen umgesetzt, mit zu starkem Fokus auf Promigäste und einem idotisch-aggressiven Homer. Doch in ihrer tatsächlichen Form lässt die Folge viel Verständnis und Mitleid für Homers nachvollziehbares, nicht aber vollkommen akzeptables Verhalten aufkommen. Die zahlreichen kleinen Gags über In-Clubs, die Moes Drink in Laboren analysierende, habgierige Konkurrenz und Moes neue sexy Assistentin sitzen und die ganze Folge hat einfach eine kultige Atmosphäre. Hinzu das Phantom der Oper-Finale und eine Cheers-Hommage sowie eine Gesangseinlage von Aerosmith, die sich unter anderem mit einer mannstollen Edna Krabappel rumschlagen müssen, und das Paket ist rund.
In der Folge, die von den ProSieben-Zuschauern zum Highlight der Staffel gewählt wurde, Kraftwerk zu verkaufen ("Burns Verkaufen der Kraftwerk"), dürfen wir Deutschen mal was über uns selbst lachen, nachdem wir uns während der Serie sonst über die Durchschnittsamerikaner lächerlich machten. Burns möchte mehr aus seinem Leben machen und verkauft das Kraftwerk gewinnbringend an deutsche (in einer frühen Skriptfassung japanische) Investoren. Es folgen schmeichelnde Details (Deutsche sind sehr freundlich, richten als allererstes einen firmeninternen Kindergarten ein) und auch weniger nette Seitenhiebe, ein ausführlicher Traumausflug ins Schokoladenland (im Stil, den Jahre später Scrubs für sich gewinnen konnte) und Homer als einziger Depp, der seine Aktien am Kraftwerk viel zu früh abstieß und sich damit zum Gespött der Familie macht. Blick zurück aufs Eheglück ("I Married Marge") wiedrum ist, wie eigentlich alle Rückblickfolgen, herzlich mit feinem Sinn für Humor, starker Charakterisierung von Homer und Marge sowie einer großen Dosis Zeitgeistgefühl.
Wer anderen einen Brunnen gräbt ("Radio Bart") ist meiner Ansicht nach wiederum ein erzählerisches Serienhighlight. Bart bekommt zum Geburtstag blöden und nichtsnützigen Krimskrams geschenkt, darunter auch ein (in einem der für frühere Simpsons-Staffeln so typisch irrwitzigen Werbespot beworbenes) Funkradio von Homer. Da Bart es noch ätzender als die Etikettiermaschine von Patty und Selma, ist sein Vater derart geknickt, dass Marge Bart mit all ihrer mütterlichen Überzeugungskraft zureden muss, damit er das Geschenk gebraucht. Nachdem er das Radio für allerlei harmlosere Streiche gebraucht und es nutzt, um sich bei seinen streng gläubigen Nachbarskindern als Gott auszugeben und ihr Gottvertrauen auf die Probe zu stellen, lässt er sein Radio in einen Brunnen fallen, um so zu tun, als sei er ein armer, hilfloser Junge, der im Brunnen gefangen ist. Was sich an diesen sorgfältig vorbereitenden und durchdachten ersten Akt folgt, ist ein wunderbar sarkastischer Kommentar auf die Medienöffentlichkeit, Wohltätigkeit unter Prominenten und die wankelmütige Scheinmoral des Normalbürgers.
Der Wettkönig ("Lisa the Greek") und Homer Alone ("Wenn Mutter streikt") blicken erneut auf das Elterndasein. Erstere Folge verpackt dies in einer mit Simpsons-Würze verfeinerten, Sitcom-haften Handlung über Football-Wetten, die unerwartet als gemeinsame Interesse Lisas und Homers auftreten, letztere ist eine etwas langatmige, aber charmante Episode über Marge, die vor Hausfrau- und Mutterstress einen Nervenzusammenbruch erleidet, weshalb ein überforderter Homer den Haushalt schmeißen muss. Das haben Die Dinos so ähnlich in einer Folge allerdings besser hingekriegt.
Die Kontaktanzeige ("Bart the Lover") nimmt dagegen wieder an Fahrt auf. Sie ist zwar gehetzter als die beiden vorherigen Episoden, aber auch dichter an Witz und Einfallsreichtum. Zudem erzählt sie eine in dieser Form vergleichsweise einmalige Geschichte, während manch anderer Plot aus dieser Staffel mit leichter Variation in der langen Simpsons-Historie wiederholt vorkommt. Die Episode stellt Barts Lehrerin Krabappel in den Fokus und zeigt ihr einsames Leben als verbitterte Grundschullehrerin, die von ihrem Mann verlassen wurde und sich erfolglos durch Kontaktanzeigen arbeitet. Als Bart davon spitzkriegt, schreibt er ihr einen Brief, in dem er sich als gebildeter, erwachsener Mann ausgibt, der sich gerne mit ihre treffen möchte. Natürlich versetzt Bart sie, aber als er sieht, dass der Streich nach hinten losging und er das Herz von Ms. Krabappel brach, bemüht er sich um Wiedergutmachung... Eine herzliche, charmante und denkwürdige Episode - mit absolut dämlichen Schlussgag, der richtig Hass auf sich zog, ganz zum Unverständnis der Autoren.
In Der Wunderschläger ("Homer at the Bat") übernehmen dann tatsächlich die Gaststars die Bühne, wobei die Folge trotz Fokus auf damalige Baseball-Koryphäen mehr durch (zunehmend abstrusen) Witz besticht, als durch bloßes Promi-Schaulaufen. Homer nimmt sich vor, in der kommenden Saison der Star der Softballmannschaft des Atomkraftwerks zu werden und bastelt sich seinen eigenen Schläger, mit dem er einen Homerun nach dem anderen schlagen möchte. Tatsächlich beweist sich Homer als Wunder an der Schlagposition. Aber Mr. Burns, der auf das Finale eine Wette abschloss, ersetzt Homer und seine Kollegen im letzten Spiel durch die Besten der Besten im Baseballsport. Welche Wende die Episode danach nimmt, wird wohl kaum jemand erahnen... Der Wunderschläger ist eine der besten, wenn nicht sogar die beste Sportfolge der Simpsons voller Einfallsreichtum, unvergesslichen Sprüchen und einem richtig dichten Skript, das ein nahezu perfektes Timing aufweist. Allerdings muss ich wohl eingestehen, dass manchen die Folge zu kurios sein könnte.
Mit Der Eignungstest ("Separate Vocations") gönnt der Höhenflug der dritten Staffel eine kleine Atempause. Die Folge, in der Lisa und Bart ihr Image in der Schule tauschen hat einen laschen Anfang, wofür allerdings die tolle zweite Hälfte weitestgehend zu entschädigen weiß. Heute wäre sie sicherlich das Staffelhighlight, damals war sie dagegen oberer Durchschnitt. In Auf den Hund gekommen ("Dog of Death") benötigt der Familienhund Knecht Ruprecht eine dringende Operation, deren hohen Kosten die Familie an den Rand des Ruins treiben. Die üblichen "Familie Simpson hat kein Geld mehr"-Gags sind ganz nett, die Parodie auf Uhrwerk Orange ebenfalls, insgesamt ist es für mich aber eine Folge, die beim erneuten Anschauen nicht an meine durch Nostalgie verklärten Erinnerungen anschließen konnte.
Nach dieser Atempause hauten die Simpsons-Macher aber noch zwei Serien-Meilensteine raus: Homer auf Abwegen ("Colonel Homer"), eine der unvergesslichsten Simpsons-Episoden überhaupt, lässt Homer vom Ehealltag und -zwist gefrustet in eine Westernkneipe fahren, wo die Kellnerin mit Gesangsambitionen Lurleen Lumpkin ihm aus der Seele singt. Der naiv-kindliche und begeisterte Homer möchte unbedingt, dass Lurleens herzerwärmenden Texte und ihre engelsgleiche Stimme der ganzen Welt gehören und bietet ihr an, ihre Karriere zu managen. Lurleen verknallt sich in den tölpelnden Glatkopf mit dem großen Herzen, doch der ist vollkommen blind und bemerkt gar nicht, dass die hübsche Sängerin ein Auge auf ihn geworfen hat. Deswegen hat er auch keinerlei Verständnis für Marges Eifersucht und spornt so nur weiter den Zorn seiner Ehefrau an. Tolle Countrysongs und eine mittlerweile kaum vorstellbar mehrschichtige Charakterisierung macht Homer auf Abwegen zu einer gefühlvollen und äußerst unterhaltsamen Simpsons-Folge, die eine Sitcom-Dramaturgie nimmt und ihr den feschen Drive früher Simpsons-Staffeln verleiht. Bis dass der Tod euch scheidet ("Black Widower") dagegen gehört zu den besten Episoden mit dem wiederkehrenden Widersacher Barts, den kriminellen Sideshow/Tingeltangel Bob, der in dieser Episode Tante Selma heiratet. Alle glauben an Bobs Resozialisierung, doch Bart ist davon überzeugt, dass er einen eiskalten Plan hat. Sarkasmus und eine kurzweilige Kriminalgeschichte machen Bis dass der Tod euch scheidet zum letzten Höhepunkt der dritten Staffel.
Der Fahrschüler ("The Otto Show") hat einige gute Ideen, allerdings werden sie nicht sonderlich gut zusammengebracht. Eigentlich hätte man zwei Episoden aus ihr machen sollen: Bart, der wegen eines Spinal Tap-Konzerts Rockstarambitionen hat, und Otto, der den Führerschein verliert und sich bei Familie Simpson einnistet. Beide Storylines werden mehr schlecht als recht vereint, aufgrund guter Gags wie Homers Erinnerungen an wilde, köstliche Nächte auf der Autorückbank, würden Der Fahrschüler aber zu einer der besseren Folgen heutiger Staffeln machen. Das Ende ist dagegen völlig abrupt und recht sinnbefreit, worüber die Autoren im Audiokommentar auch scherzen. Liebe und Intrige ("Bart’s Friend Falls in Love") lässt Bart eifersüchtig auf Milhouses erste Freundin werden. Die Story ist gut, die Auflösung passabel, aber es mangelt an prägnanten Gags. Ähnliches gilt für die vergleichsweise beliebte Episode Der vermisste Halbbruder ("Brother Can You Spare Two Dimes?"), die abseits ein paar richtig guter Gags (wie einer von vielen 2001-Parodien bei den Simpsons) humotistisch eher lasch ist und sich auf die Handlung verlässt. Die Rückkehr von Homers Halbbruder (im Original gesprochen von Danny DeVito) ist zwar freudig und (in Simpsons-Logik) plausibel, der Konflikt zwischen Homer und Herb wird aber zu schnell aufgelöst und durch die "Status quo ist Gott"-Welt, in der die Simpsons leben, kann sie auch keine größere emotionale Schwere entwickeln. Dennoch recht amüsant und nicht die schlechteste Folge der genialen dritten Staffel.
Für mich ist die dritte Staffel von Die Simpsons ein weiterer Beweis dafür, dass der Spruch "Man soll aufhören, wenn's am schönsten ist" absoluter Schwachsinn ist und ausrangiert gehört. Denn das durchschnittliche Staffelniveau dieser Season bleibt in meinen Augen bei der gelben Familie unerreicht. Trotzdem wäre es ein großer Fehler gewesen, nach dieser Staffel aufzuhören, denn seither sind zahlreiche großartige Episoden entstanden, darunter auch viele, die einige der besten dieser Staffel schlagen. Nur weil hier unter dem Strich über zwanzig Episoden lang das höchste Niveau gehalten wurde, kann man nicht automatisch sagen, dass die Simpsons nach der dritten Staffel schlechter wurden. Das klingt für manche vielleicht widersprüchlich, doch das ist es nicht.
Und sogar jetzt, wo zahlreiche alte Simpsons-Fans der Serie den Rücken zukehren, sind die Simpsons weiterhin besser als zahlreiche andere Serien. Sie sind wie Pizza: Selbst misslungen munden sie. Noch schöner aber natürlich, wenn sie nahezu perfekt sind. Wie in dieser Staffel. Man kann wehmütig zurückblicken - oder Spaß an den wenigen Treffern neuer Jahre haben und sich die goldenen Schätzchen auf DVD immer wieder ansehen.
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