Ich würde mich durchaus als Fan von Charlie Kaufmann bezeichnen. Der verschrobene Drehbuchautor ist für solche Juwelen wie Being John Malkovich, Vergiss mein nicht! und Synecdoche, New York verantwortlich und schafft es ohne jegliche Selbstverliebtheit, künstlerisch anspruchsvolle Geschichten auf (neo-)surreale Weise zu erzählen. Nachdem ich Anfang des Jahres meinen bisherigen Liebling Being John Malkovich herausforderte, indem ich mir erneut Vergiss mein nicht! ansah, wollte ich nun dem unteren Ende des Kaufmann-Schaffens widmen. Das wäre für mich Confessions of a Dangerous Mind, das Regiedebüt George Clooneys.
Mit meiner Meinung stehe ich nicht alleine da. Auch Charlie Kaufmann, der bei seinen anderen Projekten eine intensive Zusammenarbeit mit Spike Jonze und Michel Gondry genoss, sieht ebenfalls keine besondere Bindung zum endgültigen Film. Er betont, keinen Hass auf Clooney zu verspüren, doch er bedauert es, nicht für Skriptänderungen angefragt worden zu sein und dass Clooney andere Elemente der Handlung wichtiger waren als ihm. Mein Problem jedoch ist, dass mir Regiedebütant Clooney von der Andersartigkeit des Kaufmann-Stils überfordert scheint, während Gondry und Jonze mit Kaufmanns verquerer Denkweise eine perfekte Symbiose bilden.
"Aber wovon handelt Confessions of a Dangerous Mind überhaupt? - Nun, diese Frage kann ich den Ahnungslosen unter euch beantworten. Confessions of a Dangerous Mind ist die Verfilmung der umstrittenen Autobiografie des Fernsehproduzenten und -moderators Chuck Barris. Barris ist der Erfinder solcher Sendungen wie The Dating Game (hierzulande als Herzblatt bekannt geworden), The Newylwed Game (einer Art Vorläufer von Flitterabend) und The Gong Show (die 70er- und 80er-Variante des Fernsehabschaums Das Supertalent) und behauptet als Killer für die CIA gearbeitet zu haben.
Der Film beginnt mit einem nackten und seit Wochen unrasierten Barris (Sam Rockwell), der mitten in einem Zimmer steht und rund um die Uhr auf einen Fernseher starrt. Er denkt über sein vergeudetes Leben nach und beschließt, seine Memoiren zu verfassen, als warnendes Testament für kommende Generationen. Den Anfang dieser Autobiografie setzt er zu Beginn seiner Pubertät, als er eine Freundin seiner Schwester zu Oralverkehr verführen möchte. Sein Schwanz schmecke nach Erdbeeren und er bezahle ihr auch einen Dollar - so beginnt eine Jugend, die ausschließlich aus der Suche nach Sexpartnern besteht. Diese ewigwährende Mission führt ihn letztlich zum Fernsehen, wo er sich bessere Chancen ausrechnet. Vom Touristenführer durch die Sendeanstalt bis zum Mitglied des mittleren Managments führen ihn seine Karriere und seine Odyssee nach Frauen, die für ihn die Beine breit machen. Irgendwann lernt er die herzliche Penny (Drew Barrymore) kennen, die ein ähnlich promiskuitives Leben führt. Schnell einigen sie sich, eine unverbindliche Sexbeziehung führen zu wollen. Währenddessen wird der weiterhin vergeblich nach Ideen für Fernsehsendungen suchende Barris in einer Kneipe von einem CIA-Agenten namens Jim Byrd (George Clooney) angesprochen. Er habe ihn schon lange beobachtet und sähe in ihm den idealen Killer. Barris lässt sich in eine Vereinbarung quatschen und macht eine Ausbildung zum Auftragskiller durch.
Außerdem kommt Chuck während eines banalen Gesprächs mit Penny eine fernsehtaugliche Idee: Er möchte das elendige Beziehungsgeplauder auf wenige, schwachsinnige Fragen reduzieren und daraus eine TV-Show machen: The Dating Game. Nach erstem Zaudern kauft ABC die Sendung. Chucks führt von nun an ein Doppelleben zwischen der Agentenwelt und der Scheinwelt des Fernsehens.
Confessions of a Dangerous Mind bietet natürlich die Elemente, die man von einem Biopic aus der Feder Kaufmanns erwarten würde: Nie weiß man, wo man es mit akkurater Charakterzeichung, dramatisierter Darstellung der Realität oder abgefahrener Fiktion zu tun hat. Die Figuren sind häufig unwirklich, vor allem Barris ist äußerst neurotisch und mutiert phasenweise zu einem psychischen Wrack. Sogar visuell erkennt man, dass es sich um einen Kaufmann-Film handelt, und dass, obwohl er wie auch bei allen anderen Filmen vor Synecdoche, New York nur das Drehbuch beisteuerte: Ungewöhnliche Kamerapositionen und Sets, die einem die Tiefenwahrnehmung rauben sind an der Tagesordnung.
Doch die Inszenierung ist bereits eines der Elemente, an denen Confessions of a Dangerous Mind meiner Meinung nach krankt. Clooney sagt, er habe sich zu 50% an den Coen-Brüdern und zu 50% an Steven Soderbergh orientiert. Vom Coen-Einfluss merkt man jedoch nicht viel, höchstens an der obskuren Atmosphäre in den Gesprächen zwischen Chuck und seinem CIA-Kontaktmann, während sich der Einfluss von Clooneys Kumpel Soderbergh durchaus bemerkbar macht. Allerdings ist es nicht der stylisch-lässige Soderbergh eines Ocean's Eleven oder der ruhige, voyeuristische Sex, Lügen und Video-Soderbergh, sondern der exzentrisch verworrene Soderbergh von Voll Frontal oder Ocean's Twelve. Dazu zählt auch ein übertriebener Einsatz von Rausch- und Farbfiltern. Anders, als bei Jonzes und Gondrys auf Kaufmann-Drehbüchern basierenden Regiearbeiten, kommt die sich um eine unrealistische und unkonventionelle Bildsprache bemühende Inszenierung von Confessions of a Dangerous Mind aufgesetzt und unangemessen rüber.
Auch das Drehbuch hat einige Schwächen. So interessant einzlene Sequenzen sein mögen, als Gesamtwerk erzeugen sie keine die komplette Spielzeit des Films stemmende Spannung. Trotz des tollen Spiels von Sam Rockwell bleibt einem der Protagonist vollkommen gleichgültig und die Charakterzüge, die den Film attraktiv machen könnten, werden nur angerissen. Barris Zynismus, der ihn das Publikum verabscheuende Ideen ausbrüten ließ, die ironischerweise den Nerv der Zuschauerschaft trafen und Kritiker den Untergang der westlichen Zivilisation beschreien ließen, kommt beispielsweise viel zu kurz.
Dennoch bleibt Confessions of a Dangerous Mind ein (eingeschränkter) Sehtipp. Wer unkonventionelle Biopics mag oder sich für eine schräge Genremixtur aus absurdem Blick hinter den TV-Zirkus und Spionagestück erwärmen kann, sollte dem Film definitiv eine Chance geben. Das gilt auch für jeden, der irgendeines der anderen Kaufmann-Projekte zu seinen Lieblingsfilmen zählt oder der die experimentelleren Soderbergh-Regiearbeiten trotz etwaiger Schwächen für recht annehmbare Kost hält.
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