Doch halt, da fehlt ja ein Film, oder? Richtig, ein Film der genau zwischen dem Horror kantiger Kühe und neurotischer Hühner einerseits und dem Aufschwung eines knuffigen Köters liegt. Triff die Robinsons, der zum offiziellen Meisterwerke-Kanon gehörende Animationsfilm der letzten Jahrzehnte, dem ich das größte Vergessenspotential anrechne. Mehr noch als den nicht weniger von der Oberfläche verschwundenen Dinosaurier, der wenigstens eine Themenparkattraktion sein eigen nennen kann.
Während Atlantis und Der Schatzplanet schon allein aufgrund ihrer schieren Bildgewalt im Gedächtnis hängen bleiben, Ein Königreich für ein Lama zum Sleeperhit wurde und Bärenbrüder sowie Bolt generell sehr warm aufgenommen wurden und in der Fan-Community wie kleine Schützlinge behandelt werden, "profitieren" Die Kühe sind los! und Himmel und Huhn von ihrem schlechten Ruf, sie bleiben als Schreckgespenster der Disney-Animationsgeschichte in Erinnerung. Triff die Robinsons hingegen hat nichts, was ihn davor bewahrt, ganz tief im Sumpf des Vergessens zu versinken. Die Kritken waren weder desaströs noch optimistisch und da Triff die Robinsons nicht solche Unsummen wie Der Schatzplanet verschlang, fand sein laues weltweites Einspielergebnis keine besondere Erwähnung als filmwirtschaftliches Unglück. Woran sich Triff die Robinsons vielleicht klammern könnte ist seine Besucherzahl in Deutschland: Mit insgesamt 269.374 Besuchern ist er das hierzulande mit Abstand am schlechtesten besuchte "Walt Disney Meisterwerk". Eine zweifelhafte Ehre. Aber hat Triff die Robinsons dieses Schicksal verdient?
Der Junge, der sich wünscht, gewollt zu werden
Zumindest zeugen die Filmgötter von bittrer Ironie, dass gerade Triff die Robinsons zu einer obskuren Randnotiz der Disneygeschichte wird, derer sich lediglich treue Fans des Studios gewiss sind. Schließlich handelt der Film vom 12-jährigen Waisenjungen Lewis, der nichts mehr begehrt, als endlich gewiss zu sein, dass er gewollt wird. Zahlloset Gespräche mit Adoptionswilligen hat er geführt, aber niemand wollte ihn in seine Familie aufnehmen. So kommt es, dass sich das verhinderte Erfindergenie in den Kopf setzt eine Maschine zu entwickeln, die Erinnerungen herausfiltern, wieder bewusst und schließlich sogar sichtbar machen kann. Auf diesem Weg möchte er endlich seine Mutter sehen, die ihn als Baby mitten in der Nacht vor dem Waisenhaus aussetzte. Als Lewis aber seine Maschine auf einem Erfinderwettbewerb für Kinder vorstellen möchte, taucht ein mysteriöser Junge namens Wilbur Robinson auf, der behauptet aus der Zukunft zu kommen um Lewis vor einem Mann mit einer Melone zu warnen. Dieser wolle Lewis' Erfindung sabotieren und stehlen. Verwicklungen entstehen, dauern an - und schon befindet sich der blonde Fratz mit Nickelbrille in einer abgedrehten, bunten Zukunft in der sich Menschen via Seifenblasen fortbewegen. Während Lewis Wilburs total durchgeknallte Familie kennenlernt, übt sich der finstere, aber auch planlose Mann mit der Melone an seinen dunklen Machenschaften...
Regisseur Stephen Anderson, zuvor Storyboarder bei Tarzan, bemühte sich redlich darum Triff die Robinsons Herz und Seele zu verleihen, etwas das Die Kühe sind los! und Himmel und Huhn vollkommen abging. Jedoch schießt Anderson über sein Ziel hinaus, weshalb er sich nicht schlicht auf die bereits große Emotionalität der Geschichte eines sich ungeliebt fühlenden Waisenjungens verlässt, sondern in einigen Szenen Lewis' unglückliche Lage überdeutlich betont. Im Zusammenspiel mit dem ätzend häufig wiederholten Motto "Gib niemals auf" (welches zudem als Moral der Geschichte dient) verleiht diese gestelzt inszenierte Melodramatik Triff die Robinsons streckenweise den schalen Geschmack eines handelsüblichen, schnell vergessenen Sonntagmittag-Kinderfernsehfilms. Auf der anderen Seite verliert die Inszenierung von Triff die Robinsons dadurch sehr viel Reiz, dass die eigentliche Handlung im zweiten Akt zur bunten Nummernrevue verkommt, in der Lewis im Eiltempo die Familie Robinson kennenlernt. Nach dem trotz seiner Bemütheit durchaus ergreifenden Eröffnungsakt bekommt der Zuschauer plötzlich eine Sketchshow serviert, bei der allerdings bestenfalls ein Drittel wirklich zündet. Es hat etwas von Walt Disney Alice im Wunderland von 1950, bloß ohne den tiefergehenden Intellekt und den durchgehend erheiternden Surrealismus. Und das klingt jetzt womöglich noch immerbesser, als es tatsächlich ist: Wir treffen eine anstrengende, alberne Figur, dann taucht ein charmantes Mitglied der Robinson-Familie auf, irgendetwas anderes geschieht, ein lauwarmer Gag wird gemacht, eine weitere gute Figur taucht auf, nur um danach bloß im Hintergrund rumzuhampeln. Hier hätte man ganz klar mit der Schere ansetzen sollen, um den interessanten Begegnungen mehr Zeit einzuräumen. Frankie und die Frösche, eine in Anzügen gekleidete Frosch-Big-Band, sind beispielsweise klasse Figuren, die das Potential gehabt hätten sich beim Zuschauer richtig einzuprägen. Da sie, genauso wie der Rest der Robinson-Familie, während der vergleichweise stattlichen Laufzeit von 95 Minuten aber kaum etwas zu sagen haben, blieb mir der gute Frankie nur dank seines eigenen Werbespots in Erinnerung.
Ein weiteres Problem ist der Handlungszeitraum, der die Entwicklungen zwischen Lewis und den Robinsons meines Erachtens nach vollkommen unglaubwürdig macht. Wäre es so dramatisch gewesen, den mittleren Akt über mehrere Tage verteilt stattfinden zu lassen?
Dennoch sehe ich Triff die Robinsons als klaren Fortschritt gegenüber Die Kühe sind los! und Himmel und Huhn an. Und das ist hauptsächlich dem Mann mit der Melone zu verdanken. Als schrecklich aussehender, trotteliger und charismatischer Schurke reißt er jede seiner Szenen an sich und bringt einem stets ein verschmitztes Lächeln auf's Gesicht. Bei diesem spindeldürren Kerl tobten sich die Animatoren sichtlich aus, während Plastikbacke Lewis den gesamten Film über zwei Gesichtsausdrücke zeigt, überrascht dieser Fiesling mit einer ausgefallenen Körpersprache und ausgedehnten Gesichtsausdrücken. Dem Mann mit der Melone zuzusehen macht wirklich höllische Freude und er ist der beste Disney-Animationsbösewicht seit Hades in Hercules. Man kann sogar ein wenig mit ihm mitfühlen. Und dies führt mich zu einem weiteren Pluspunkt von Triff die Robinsons: So holprig die Inszenierung auch sein mag, und ganz gleich wie chaotisch der zweite Akt ist, es wird eine gute Geschichte erzählt und das stark auf dem ersten Akt aufbauende Finale bietet einige schlüssige und für seine Zielgruppe überraschende Wendungen, die Triff die Robinsons letztlich immerhin einen Teil des Gewichts verleiht, das der Film aufzuweisen vortäuscht. Eine weitere Stärke von Triff die Robinsons ist Lewis Zimmergenosse im Waisenhaus, die übermüdete Knuddelbacke Goob. Sein Zynismus ist Gold wert. Allerdings fällt bei der Betrachtung Goobs das starke Gefälle in der Qualität der Animationen auf: Goob ist sehr ausdrucksstark, sein Zimmergenosse dagegen hat ein emotionsloeses Gesicht. Gleiches gilt in der Familie Robinson: Die Frösche sind hervorragend animiert, manche Familienmitglieder sind solide animiert, andere dagegen bloß akzeptabel.
Das Design ist wiederum Geschmacksfrage: Die wortwörtlich abgerundete Zukunftsvision in Triff die Robinsons ist recht fein, allerdings habe ich mich recht schnell an den Gebäuden satt gesehen. Die Robinsons selbst sind exzentrisch, flippig, prägen sich allerdings nicht sonderlich ein. Die Farbgebung des Films ist abwechslungsreich, allerdings sind die Schattierungen und Lichtverhältnis kalt unter Pixar-Niveau, weshalb die hell eingefärbten, plastikartigen Oberflächen irgendwann in den Augen schmerzen. Zugleich gibt es aber Sequenzen, die toll beleuchtet sind und in denen die Oberflächen mehr Details aufweisen. Man konnte also sehr wohl, wenn man bloß durchgehend mehr Willen gezeigt hätte.
Triff die Robinsons steht Epitiom zu dem, was sich viele unter einer Promisynchro vorstellen: Ein in seinem Heimatland mäßig laufender, bunter Film, der in Deutschland schwer zu bewerben ist bekommt einfach ein paar Promis aufgedrückt. In Triff die Robinsons sind es gleich vier, mit unterschiedlichen Ergebnissen. Eva Padberg spricht "Random One Joke Character #7", auch bekannt als Tallulah, die im Original vom Regisseur des Films vertont wird. Padberg ist, allein schon deshalb weil wohl wenige ihre Stimme kennen, nicht sehr auffällig, und da ihre Rolle kein Schauspieltalent erfordert, stört sie nicht weiter. Aber es geht schon ein wenig vom Effekt verloren. Ralf Möller spricht einen grummeligen, nuschelnden und beschränkten Sportlehrer. Das passt schon. Rick Kavanian bekommt aufgrund des riesigen Figurenrepertoirs des Films ebenfalls nur wenig zu sagen, darf aber seine witzigen Akzente wieder auspacken und bringt einen immerhin zum Lachen. Und dann ist da Thomas Gottschalk, der in der deutschen Fassung für Tom Selleck einspringt. Eine wahrlich obskure Kombination, über die man wohl lange diskutieren könnte. Während meines Kinobesuchs (ja, ich war einer der 269.374) war ich sehr erstaunt über Gottschalks Leistung und fand ihn nicht nur passend besetzt, er brachte seine Zeilen auch einfühlsam rüber. Mittlerweile würde ich Gottschalk nicht mehr in ganz so hohen Tönen loben, dennoch finde ich Gottschalk hier eine sehr gute Wahl. Man kann sich dennoch darüber streiten, ob man statt auf Gottschalk lieber auf Norbert Langer hätte setzen sollen, dessen Stimme in Deutschland fest mit Selleck verbunden wird. Zumindest ich denke, dass der von Anderson anvisierte Effekt mit Gottschalk bei einem deutschen Publikum noch besser rüberkommt, als mit Selleck im Original oder theoretisch mit Langer in einer deutschen Übersetzung. Aber dies ist wohl eine Frage des Humors. Dennoch sind die besten Sprecherleistungen in diesem Film ganz klar die dreier Nichtpromis: Leon Boden (Stammstimme von Denzel Washington und Jason Statham) ist als Mann mit der Melone wunderbar aufgelegt, Andreas Fröhlich (Stammstimme von Edward Norton und John Cusack) gibt einen coolen Frankie ab und besonderes Lob geht an Lasse Crohn, den damals neunjährigen Gewinner eines Castingwettbewerbs, der den übermüdeten, zynischen Goob gibt und zum heimlichen Star des Films wird.
Akustisch stärker zu bemängeln als die Synchro ist deswegen die Musik: Danny Elfmans Score ist nett, aber sofort vergessen und die Songs sind völlig charakterlos. Sowas darf bei Disney nicht passieren.
Fazit: Ja... was ist denn nun mit Triff die Robinsons? Hat er sein Schicksal am Boden des Sumpfes des Vergessens verdient? Naja, gewissermaßen schon, und zwar aus den eingangs genannten Gründen. Er ist nicht gut genug, um wohlig wertgeschätzt zu werden, aber nicht abschreckend genug, um als Mahnmal in Erinnerung zu bleiben. Wenn schon ein Disney Meisterwerk versumpft wird, dann schmerzt es mich bei diesem nicht wirklich. Triff die Robinsons ist für mich unter dem Strich übelstes Mittelmaß, und die Hauptarbeit der Rettungsarbeit erledigen Goob, der Mann mit der Melone sowie Frankie und die Frösche. Triff die Robinsons ist für mich als Disney-Liebhaber ein gelangweilt ausgesprochenes "Okay" - und bedenkt man, das der normale Durchschnittszuschauer wenig freudig grinst, wenn ulkige Bösewichter grotesk herumstolzieren, verwundert mich die Rezeption dieser Komödie kein Stück.
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