Mit Fernsehserien verwobene Webserien sind ein reizvolles Format, das nur selten vollauf befriedigend genutzt wird. Zu häufig scheitern Webserien daran, die ideale Richtung einzuschlagen und das Potential ihres Konzepts auszuschröpfen. Wenn sich Webserien zu nah am Fernsehoriginal orientieren, dann enthalten sie entweder Material, das ins Fernsehen gehört und somit als ausgelagertes Internet-Bonusmaterial die Fans verärgert, oder es sind im Stil der Serie gehaltene, schwache Szenen, bei denen sich letztlich die Frage stellt, weshalb man sich den Kram überhaupt ansieht. Eine gewisse Loslösung von der eigentliche Serie sollte schon vorhanden sein, allerdings darf man den vom Vorbild eingeschlagen Weg nicht zu weitläufig umgehen, da sich dann wieder einmal der Sinn hinter der Webserie verschließt.
Die Macher von Lost fanden mit Lost: Missing Pieces einen Ansatz, der mir zusagte. Zwischen der dritten und vierten Staffel erschienen im Internet kurze Szenen, die die Mythologie der Serie vertieften oder Plotlöcher stopften. In ihrer endgültigen Form waren die Missing Pieces zwar sehr nerdiges Futter für extreme Fans der Serie, aber durchaus gelungen. Der ursprüngliche Plan in den Webisodes das Schicksal einiger nicht in der Serie fokussiert thematisierter Figuren zu behandeln war mir allerdings lieber. In einer solchen Serie ist es ja irrealistisch, dass nur den immer gleichen Figuren etwas interessantes passiert. Die Statisten müssen doch ebenfalls etwas erleben. Diese Idee wurde allerdings von den Fans gekillt, die einen indirekten Testballon innerhalb der dritten Staffel mit Hass aufnahmen. Wenigstens bescherten die idiotischen und mit irrationaler Wut sowie Selbstwidersprüchen gefüllten Reaktionen der Fans eine meiner bisherigen Lieblingsfolgen der Serie.
Als Scrubs Anfang 2009 für eine achte Staffel in die Flimmerkaste zurückkam und für diesen als finale Verbeugung vor den Fans geplanten Auftritt den Sender wechselte, brütete man eine ähnliche Idee aus. In der achten Staffel von Scrubs wurde eine Truppe neuer Assistentsärzte eingeführt, was nicht bloß als der bei älter werdenden Serien archetypische Schachzug zu verstehen ist, die Serie durch frisches Blut zu verjüngern, sondern auch als logische Konsequenz, die aus der Entwicklung der letzten sieben Jahre Scrubs gezogen wurde: Unsere trotteligen Anfänger aus der Anfangszeit der Serie sind mittlerweile vollwertige Ärzte, die sich jetzt als Mentoren profilieren müssen. Klar, dass wir uns irgendwann auch mit ihren Schülern auseinandersetzen müssen.
Die mit der achten Staffel Scrubs verwobene Webserie Scrubs: Interns sollte dazu dienen, den Scrubs-Fans die jungen Assitentsärzte Denise (Eliza Coupe), Sunny (Sonal Shah), Katie (Betsy Beutler) und Howie (Todd Bosley) näher zu bringen und ergänzend zur weiterhin auf JD, Turk, Elliot und Co. konzentrierte Serie erzählen, wie der Alltag im Sacred Heart auf neue Assistentsärzte wirkt. Ein dankbares Konzept, immerhin erkundeten wir in der ersten Staffel Scrubs das verrückte Krankenhaus aus der Sicht von JD, und nun setzen wir sozusagen alles wieder auf Null und dürfen bewundern, um wie viel verrückter das Sacred Heart erst ist, wenn JD und seine Freunde als Lehrer tätig sind. Außerdem ist es ein wirklich zuvorkommender Service für die Fans, dass sie die neuen Figuren besser kennenlernen können, so dass sie in den eigentlichen Scrubs-Folgen weniger wie Fremdkörper wirken.
Meines Erachtens nach ging Scrubs: Interns genau richtig an das Webisode-Format heran. Die Webserie orientierte sich am Scrubs-Stil, indem sie die Assistentsärztin Sunny während ihrer ersten skurrilen Tage im Sacred Heart begleitete, verlieh ihr durch eine Video-Tagebuchnarrative und -Optik ein eigenständiges Stilmittel. Dass Sunny eine duale Medizin- und Filmstudentin ist, die mit ihren Digitalkameras (ja, Plural, in Episode Zwei erfahren wir, dass sie für bessere Aufnahmen noch einige Exemplare im Krankenhaus versteckte) auf filmgrammatische Mittel zurückgreifen kann, die der durchschnittliche YouTube-Videoblogger nicht behherrscht, sollte Scrubs: Interns vor zu eng gesetzten Grenzen bewahren.
Leider verstanden viele Fans die Absicht hinter Scrubs: Interns nicht und stürmten das Internet mit unerhöhrt negativen Kommentaren. Die neuen Figuren seien doch alle scheiße und wo bleiben denn bitte schön die alten Scrubs-Hasen? Die wirklich gelungenen ersten Episoden, die den typischen Scrubs-Humor in circa fünfminütige Miniepisoden quetschten, kamen auf keinen grünen Zweig. Was folgte, war ein katastrophaler qualitativer Absturz. Die mittleren Episoden der bloß zwölf Episoden umfassenden Serie mutierten zum "irren Scrubs-Moment der Woche", ohne jeglichen Plot. Der Fokus wanderte von den neuen Lehrlingen, die sich den absurden Gestalten im Krankenhaus ausgesetzt sehen, zu den Stammmitglieder des Scrubs-Ensembles, die sich halt mit den Neuankömmlingen rumärgern müssen. Auch die Videotagebuch-Filmsprache trat immer weiter in den Hintergrund, so dass sich die Folgen 4 bis 9 der Serie plötzlich wie Deleted Scenes aus Scrubs-Episoden anfühlten, wobei die Episoden 8 und 9 wenigstens lustig waren und mit etwas mehr Kontext qualitativ sowie stilistisch an die ersten drei Folgen hätten anschließen können. Die offiziell letzte Folge (die Episoden elf und zwölf waren exklusive Extras für das DVD-Set) fing sich dann wieder und beendete das kurzlebige Projekt selbtsicher auf einer hohen Note.
Wieso ging ein so gutes Konzept dermaßen in Flammen auf? Hatten die Autoren nicht genügend Ideen oder verfingen sich während der Produktion von Scrubs in zuviel Arbeit, so dass keine angebrachten Mühen ins Webprojekt gesteckt werden konnten? Oder liege ich mit meinen Befürchtungen richtig, und es waren die schimpfenden Scrubs-Internetfans, die mit ihren desaströsen Reaktionen Scrubs: Interns killten, bevor es sich überhaupt etablieren konnte?
Ich bin jedenfalls herbe enttäuscht. Die ersten drei Folgen haben mir sehr gut gefallen, die Interaktion zwischen den vier Jungschauspielern war sehr amüsant und mit der überpositiven Sunny fand man die richtige Hauptfigur für diese Webserie (während im "echten" Scrubs Denise zu Recht mehr Aufmerksamkeit erhielt). Auch der Titelsong von The Blanks (aka Teds Band aka Worthless Peons) ist sehr hübsch, selbst wenn es kurios ist, dass das Titellied einer Webserie mit knapp fünfminütigen Folgen doppelt so lang ist wie das seiner Mutterserie.
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