Platz 81: Casey junior aus Dumbo
Musik von Frank Churchill, Text von Ned Washington (dt. Text von Heinrich Riethmüller)
Casey junior ist für mich einer der am derbsten unterschätzesten Disneysongs überhaupt, insbesondere weil er eigentlich enormes Potential zu einer allseits beliebten und bekannten Erkennungsmelodie hat. Denn das unbeschwerte Lied über den kleinen Zirkuszug Casey junior versprüht mit seiner frohlockenden, zeitlosen Melodie eine heitere Stimmung. Zudem wohnt diesem spaßigen und wunderschönen Lied aus dem liebenswürdigen Disneyklassiker Dumbo eine sehr ursprüngliche, typische "Disneyhaftigkeit" inne. Casey junior klingt für mich nach purer Disneymentalität und sollte deswegen in der allgemeinen Anerkennung neben Liedern wie Heiho (Platz 129) oder Bibbidi Babbidi Bu (Platz 169) stehen.
Platz 80: Belles Lied ("Belle") aus Die Schöne und das Biest
Musik von Alan Menken, Text von Howard Ashman (dt. Fassung von Lutz Riedel)
Wenn nach dem märchenhaften Prolog der eigentliche Film beginnt, entführen uns Howard Ashman und Alan Menken mit Die Schöne und das Biest in eine ungewohnt reife Disneymusikwelt. Der Schmalz der vergangenen paar, schwachen Jahrzehnte der Disney-Zeichentrickstudios ist endgültig vergessen, es bestätigt sich, dass Arielle kein einmaliger Ausrutscher nach oben war. Belles Lied erinnert in seiner Geschwindigkeit und seinem Aufbau sowie in seiner Unaufdringlichkeit an eine Operette, ein überaus angenehmer, passender Beginn für Disneys romantischstes Zeichentrick-Meisterwerk. Unsere dreidimensionale Protagonistin wird vorzüglich eingeführt und gewinnt auf Anhieb unsere Sympathien, durch ihre gewitzt geschildete Deplatzierung in ihrem Heimatdorf werden ihre späteren Entscheidungen plausibel vorbereitet. Doch vor allem klingt Belles Lied einfach schön und gibt einem dank Menkens warmer Komposition ein wohliges Gefühl.
Platz 79: Wer bei der Arbeit pfeift ("Whistle While You Work") aus Schneewittchen und die sieben Zwerge
Musik von Frank Churchill, Text von Larry Morey (zweite dt. Fassung von Eberhard Cronshagen, 3. dt. Fassung von Lutz Riedl, basierend auf der 1. und 2. Synchronisation)
Der Ursprung der disney'schen Arbeits- beziehungsweise Aufräumlieder gehört für mich auch zu den besten seiner Art und schlägt somit beispielsweise auch die Verwünscht-Hommage an ebensolche Lieder (Das flotte Aufräumlied, Platz 155). Obwohl mich Schneewittchen und die sieben Zwerge musikalisch noch nicht durchgehend überzeugen konnte und ich einige der Gesangseinlagen vollkommen unnötig finde, habe ich für Wer bei der Arbeit pfeift eine Schwäche entwickelt. Es ist noch besonders unbeschwert und unschuldig, frei jeglicher Ironie (wie etwa das Lied aus Verwünscht) oder eingewobener, anderer Elemente. Es ist schlicht und ergreifend ein aufmunterndes, Arbeit verschönenderes kleines Liedchen, welches gerade deswegen außerhalb von Schneewittchen und die sieben Zwerge sogar deutlich besser funktioniert, als im Kontext des Films. Dadurch hat es in meiner Gunst schon einen klaren Vorteil gegenüber den meisten anderen Lieder aus Disneys erstem abendfüllenden Zeichentrickfilm und auch einigen anderen Songs aus Disneys Anfangszeit, als die Lieder zumindest nach meinem Gusto primär als Gesangseinlage innerhalb ihres Films aufgehen. Es gibt einige ganz nette Coverversionen verschiedener Musiker dieses Liedes, doch die Filmversionen sowie einige Disneyvideo- und Disneypark-Verarbeitungen sind mir in diesem Fall näher am Herzen. Wenn man vor einem Berg Arbeit steht, gibt es kaum etwas motivierenderes als Wer bei der Arbeit pfeift. Egal, wie nützlich das Lied für den Film nun ist oder eben nicht.
Platz 78: Scrooge aus Die Muppets Weihnachtsgeschichte
Musik und Text von Paul Williams (dt. Fassung von Eberhard Storeck)
Die für mich bislang beste Adaption von Charles Dickens' Weihnachtsgeschichte beginnt nach einem kurzen Intro mit Gonzo als Charles Dickens/Erzähler und seinem ihm assistierenden Freund Rizzo sogleich mit einem vorantreibenden, stimmigen Lied über Ebenezer Scrooge. Dieser wird in der Muppets Weihnachtsgeschichte hervorragend von Michael Caine verkörpert, der zwischen den ganzen chaotischen Filzpuppen die dramatische und emotionale Grundlage der Geschichte zu vermitteln weiß. Damit Scrooges Entwicklung funktioniert ist eine gelungene Darstellung seiner Ausgangssituation nötig, und die dramatische, geheimnisvolle Einführung von Scrooge, den wir erst zum Schluss des Liedes ganz zu sehen bekommen, ist dahingehend wirklich vorbildlich. Die Melodie des Liedes hat eine verfolgende, unwohlsame Wirkung, die Scrooges eiskalte Ausstrahlung unterstreicht, zugleich weist das Lied mit seinem Arrangement unterdrückt-gedämpfte, weihnachtliche Elemente wie rasselnde Glöckchen und vorsichtig rausstellende, hohe Töne spielende Trompeten auf. Der Text, in dem die Muppet-Passanten Scrooges unausstehlichen Charakter bechreiben ist ebenfalls genial, da er zwar witzige und pointierte Beleidigungen und Vergleiche enthält, dessen ungeachtet trotzdem eine ernste, bedrückende Wirkung hat und als eher dunkler Anfang des Films in Erinnerung bleibt, da die härteren Schilderungen stärker herausgestellt werden. Ein wirklich hervorragender Anfang für einen großartigen Film.
Platz 77: Komm, ich schenk dir mein Herz ("You Belong to My Heart") aus Drei Caballeros
Musik von Agustín Lara, Text von Ray Gilbert (dt. Fassung von ?)
Dieses 1944 auf Schellakplatte erstveröffentlichte Lied verursachte mir während der Vorbereitung dieser Artikelreihe ordentliche Kopfschmerzen. Die Lieder aus Drei Caballeros werden ja generell nicht wie Disneylieder behandelt und dieser Song entwickelte ein besonders erfolgreiches Eigenleben, vollkommen unabhängig vom großartigen und ungewöhnlichen Zeichentrickfilm. Die Erstaufnahme stammt noch vom Komponisten Agustín Lara und wurde mit dem Titel Solamente una vez auf Spanisch eingesungen. Das Stück genoss in Mexiko und Teilen Lateinamerikas eine immense Popularität und schwappte erst daraufhin in die USA über, wo es mehrfach gecovert wurde, unter anderem 1945 von Bing Crosby und dem Xavier Cugat Orchester. Am 4. Dezember 1956 kam es zu einer improvisierten Jam Session zwischen Elvis Presley, Jerry Lee Lewis, Carl perkins und Johnny Cash, in deren Rahmen der King auch dieses Lied einsang. Bis heute ist dieser Bolero in Spanisch sprechenden Ländern sehr populär und hat den Stellenwert eines klassischen Volksliedes. Die Assoziation zu Donald Ducks ungewöhnlichem Starvehikel sind vollkommen vergessen. Etwa, weil diese Nummer gar nicht für Drei Caballeros geschrieben wurde? Ich hatte richtiges Misstrauen in Leonard Maltins Angaben aus dem Buch The Disney Films, doch laut der Songwriters Guild of America halten Janis Paige Gilbert und Joanne Gilbert, die Witwe und Tochter des Disney-Liedtexters Ray Gilbert, auch an der spanischen Version Rechte, was die Vermutung nahe legt, dass Gilbert und Lara das Lied sehr wohl zusammen für den Film verfassten. Vielleicht musste Walt Disney, um die zahlreichen erfolgreichen Künstler aus Mexiko und Brasilien für Drei Caballeros zu verpflichten einige vertragliche Kompromisse eingehen, worunter möglicherweise die Erlaubnis fiel, dass die Künstler ihre Lieder in eigenen Versionen im Vorfeld des Films veröffentlichen dürfen?
Wie dem auch sei, das im englischsprachigen Original schmachtend von Dora Luz vorgetragene You Belong to My Heart eröffnet das vollkommen von Logik und Rationalität losgelöste, psychadelische Finale von Drei Caballeros und entführt in eine abgedrehte, hypnotische Traumwelt Donalds, die wundervoll auf die Musi abgestimmt ist. Es ist zugleich das einzige Lied, das für die deutschsprachige Fassung des Films übersetzt wurde - eine völlige Verhunzung dieses Boleros. Die meiner Meinung nach mit Abstand beste Version dieses Songs ist übrigens im wundervollen Cartoon Pluto's Blue Note von 1947. Diese sehr bluesig vorgetragene Aufnahme stammt von John Woodbury, mit dessen Stimme einen bei You Belong to My Heart richtig dahinschmelzen lässt.
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