Treue Leser meiner Kolumne Popcorn und Rollenwechsel wissen es sicher: Ich hatte riesige Probleme, Das weiße Band zu sehen. Dauernd kam etwas dazwischen. Letztlich klappte es aber pünktlich kurz vor der Oscar-Verleihung. Dadurch, dass ich eine wahre Odyssee durchstehen musste, um in den Genus des neusten Films von Michael Haneke zu kommen, stiegen meine Erwartungen an den Film natürlich in die Höhe. Haben sich die Anstrengungen gelohnt? Ja, haben sie!
Das weiße Band spielt in einem norddeutschen, protestantischen Dörfchen kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Beginnend mit dem schwerwiegenden und mysteriösen Reitunfall des Dorfarztes geschehen in der beschaulichen Gemeinde Eichwald unerklärliche Unglücke. Schnell keimt der Verdacht, dass irgendjemand diese Unfälle provoziert um Rache zu verüben, wodurch Misstrauen im Dorf entsteht. Ein Schuldiger kann trotzdem nicht gefunden werden. Außerdem erzählt Das weiße Band von einer bedächtig voranschreitenden Liebesgeschichte zwischen einem uns auch als Erzähler dienenden Lehrer und der einige Jahre jüngeren, aus dem Nachbarsdorf stammenden Eva sowie von den gestrengen Erziehungsmethoden des örtlichen Pfarrers, welcher seine pubertierenden Kinder selbst für geringste Vergehen monatelang zur Bestrafung ein weißes Band umbindet, welches sie mahnend an den Pfad der Tugend erinnern soll.
Das weiße Band besticht vor allem mit seiner beklemmenden Atmosphäre. Mit minimalistischen Kamerabewegungen, monolithem Schwarz-Weiß und hypnotischen, beengenden Bildausschnitten werden hypnotische Schreckensbilder gezeichnet, ohne voyeuristisch Gewalt einzufangen. Das intensive Spiel des hervorragenden Ensembles, aus dem niemand heraussticht, verstärkt die deprimierend-verängstigende Wirkung dieses horror'esquen Dramas.
Es ist schwer, auf die lange nachwirkende Aussage des Films einzugehen, ohne zu viel über die Geschichte zu verraten. Deshalb sei an dieser Stelle lediglich angemerkt, dass Haneke es eindrucksvoll gelingt über die Saat der Gewalt zu referieren, und wie gestrenge Ideologien, gleich welches Naturells sie sein mögen, in unvorhergesehene Richtungen ausarten können. Das weiße Band ist eine in der Vergangenheit spielende, kompromisslose Parabel über die Auslöser von Gewalt und Kriminalität, die sich leicht auf die Gegenwart übertragen lässt und zugleich beleuchtet, wie die Weichen für ein anderes, dunkles Kapitel der deutschen Geschichte gestellt wurden.
Das weiße Band wirkt nach dem Betrachten besser, als während des Filmkonsums, die beabsichtigt schleppende Erzählweise lässt den Zuschauer lange im leeren Raum stehen. Trotzdem eilt die lange Laufzeit des Films an einem vorbei. Zur Perfektion hätte sich Haneke bloß von einigen Sequenzen mit Eva und dem Erzähler trennen müssen, da diese bloß begrenzten Einfluss auf die eigentliche Handlung haben und auch zum zentralen Thema nur ansatzweise etwas beitragen.
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